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Über das EBook Ein Buch zu Fußball-Fan-Kultur und den wahren Gründen für den Titelgewinn der Fußball-WM in Brasilien 2014. Gewidmet ist das Werk "Allen friedlich gemeinsam feiernden Fans dieser Welt". Zum Inhalt Vier Fußball-Fans auf einem wunderbaren Road-Trip - wenn da nicht immer eine Frau dazwischen kommen würde ... Die Freunde Michel, Norberto, Herrmann und Osvaldo wollen unbedingt in Rio de Janeiro unmittelbar vor dem größten Stadion der Welt, dem legendären Maracana, schwenken. Saarländer tun das schließlich überall. Das Problem: Osvaldos Frau. Sie kommt "ihrem" Osvaldo ständig in die Quere und bringt das Vorhaben arg in Bedrängnis. Ob die Jungs ihr Ziel trotzdem erreichen? Geschrieben ist das Logbuch aus Sicht von Osvaldo, einem echten Typen, der mit viel Herz bei der Sache ist, dem aber nicht immer alles gelingt und der ständig Streit mit seiner Frau eben wegen dieser Brasilienreise hat. Er berichtet nahezu täglich von den Fortschritten, Rückschlägen und Unwägbarkeiten auf dem Weg dorthin. Die Tour durch Brasilien ist so ganz nebenbei ausschlaggebend dafür, dass Deutschland Fußball-Weltmeister wird. Wie Osvaldo und seine Tagediebe das hinkriegen? "Die Mannschaft" um Jogi Löw braucht eben den sagenumwobenen 12. Mann, um den Sack zumachen zu können. "Die Truppe" um Osvaldo ist eben der krasse Gegenentwurf zum stets grundsolide auftretenden DFB-Team - aber vielleicht gerade deswegen seine ideale Ergänzung. Mit einem Augenzwinkern und einer gehörigen Portion Humor nimmt uns der Autor mit auf einen rasanten Road-Trip. Charmant inszeniert und mit Anekdoten gewürzt. Ein lesenswerter Geheimtipp.
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2018
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R Ü D I G E R G Ö T T E R T
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Logbuch eines
Tagediebs
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Wie wir den Pott
nach Deutschland holten
2. Auflage
Copyright © 2018 by
Aehlenbach 1, D-66646 Marpingen, Tel. 06853/30373
Grafik & Design:
P-H-Design Patric Haupt (www.p-h-design.de)
Alle Rechte vorbehalten.
Kontakt zum Autor:
Rüdiger Göttert, [email protected]
Dieser Titel ist auch als
Taschenbuch-Ausgabe und Hörbuch-Version
(als CD und in digitaler Form) erhältlich.
Für Fragen und Anregungen:
Printed in the EU
ISBN:9783963769108
Fans dieser Welt.
Grün oder Weiß - das ist hier die Frage
Am 20. Juni 2014 stand in den Zeitungen geschrieben: „Invasion der deutschen Schlachtenbummler in Fortaleza.“ Dies war der Tag vor dem zweiten Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Ghana.
Schlachtenbummler? Der Begriff kommt aus dem 18. Jahrhundert und, wie der Name schon vermuten lässt, beschreibt er Personen, deren Hobby es war, Kriege und Schlachten zu besuchen. Man reiste in die Nähe von Schlachtfeldern, um dann aus sicherer Entfernung vor dem Kugelhagel das Treiben zu verfolgen. Es ist anzunehmen, dass zu diesem Anlass kalte und warme Getränke gereicht wurden. Die Freizeitmöglichkeiten waren wohl dünn gesät zu jener Zeit.
Also, Schlachtenbummler sind wir somit ganz bestimmt nicht. Der Begriff ist fehl am Platz.
Was ist mit „Fußballverrückte“? Das trifft es wohl eher. Die, die alles auf eine Karte setzen, um eine Fußball-WM bei den Göttern des Fußballs zu erleben. Nie war es das Ziel, ein solches Ereignis aus sicherer Entfernung zu erleben oder gar irgendetwas zu erobern. Es gibt nur ein Ziel: Mitten drin zu sein, mit zu tanzen, mit zu feiern, mit zu trauern und - wenn nötig - auch gemeinsam zu beten. Alles mit allen Sinnen erleben. Ein Fußballfest leben.
Erwähnen sollte ich an dieser Stelle, dass der gemeine Fußballverrückte kein reines Partytier ist. Er ist in einer Mission unterwegs und dessen ist er sich auch bewusst. Er weiß genau, ohne ihn geht im Endeffekt gar nix. Vergleichbar mit James Bond, der im Auftrag ihrer Majestät die Welt in Ordnung bringt.
Nehmen wir einmal an, es treffen bei einer Fußballweltmeisterschaft zwei gleich starke Mannschaften aufeinander. Welches Team wird als Sieger vom Platz gehen? Genau, derjenige wird gewinnen, der die besseren Fußballverrückten auf seiner Seite hat. Diese Weisheit ist so alt wie Murphys-Gesetz, wird aber selten in der Öffentlichkeit kommuniziert. Im entscheidenden Moment macht er jedoch den ausschlaggebenden Unterschied aus.
Ist der Fußballverrückte an diesem Tag in der Lage, sein Fußballfachwissen über Gegner, Land, Kontinent und Spielerfrauen abzurufen, weiß er noch, wie wir vor vier, vor acht oder gar vor 16 Jahren an diesem Tag gespielt haben? Liegt uns dieser Tag? Haben wir mit dem Gegner noch eine Rechnung offen? Hat er am Spieltag alle Rituale vollzogen, die richtige Kleidung angelegt und alle Fußballgötter zur Unterstützung angerufen? Wenn er dies alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat und die möglicherweise entdeckten Schwächen kompensieren kann, wird ein solcher Spirit entstehen, dass er, wenn auch total entkräftet, das Stadion als Sieger verlassen wird. Er hat das Spiel bewusst oder unterbewusst für seine Mannschaft, für sein Land gewonnen.
Hierzu noch eine Anekdote, die sich 1996 so oder so ähnlich bei der Europameisterschaft in England ereignet hat. Während des Viertelfinalspiels Deutschland gegen Kroatien reiste ein deutscher Fußballverrückter mit dem Omnibus in das Land derer, die den Fußball erfunden haben. Dorthin, wo Fußballspiele noch wie Gottesdienste zelebriert werden. In der Tasche einen Optionsschein für ein Halbfinale mit deutscher Beteiligung, den er sich zwei Tage zuvor in der Otto-Fleck-Schneise besorgt hatte. In London angekommen wusste er noch nicht, dass sich bald ein Lebenstraum erfüllen wird: England gegen Deutschland im Wembley-Stadion.
Bei einem Rundgang durch Londons City kam er in der Nähe von Charing Cross an einem Stand mit Fanartikeln vorbei. Da er für das große Spiel noch ein passendes Trikot benötigte, schaute er sich bei dem Inder etwas genauer um. Es gab deutsche Trikots in Weiß mit der Nummer 5 und in Grün mit der Nummer 13. Die Wahl fiel auf des Kaisers alte Kleider, also ein Trikot in weiß. Nach einigen Pints in diversen Pubs im Stadtteil Elephant & Castle war früh Feierabend, um am nächsten Tag fit für das große Spiel zu sein.
In dieser Nacht wachte er mit bangem Herzrasen und schweißgebadet auf. Angstperlen tropften ihm von der Stirn. Welche Farbe hatte das Trikot von Netzer bei der EM 1972 im Spiel gegen England? Mit einem genialen und aus der Tiefe des Raumes kommenden Günter Netzer gewannen die Deutschen am 29. April 1972 mit 3:1 hochverdient auf dem heiligen Rasen von Wembley.
Grün, die Deutschen spielten in grün! Punkt 9 Uhr nach einer schlaflosen Nacht und ohne Frühstück stand der Fußballverrückte an dem Stand des Inders und erklärte ihm mit Händen und Füßen die Erkenntnisse jener Nacht. Nach einer halben Stunde gab der Inder auf und tauschte Beckenbauer gegen Müller, weiß gegen grün. Tja, der Rest ist Geschichte. Wir gewannen im Elfmeterschießen und wurden Europameister.
Michael Recktenwald
(Michel)
Aber nicht immer.
Manchmal muss man auch ankommen.
Einer für alle. Alle für einen. Vier Freunde aus dem Saarland versuchen, die Fußball-WM 2014 in Brasilien mitzuerleben. Live. Aber bis dahin ist noch ein langer Weg.
Seit Dezember 2013 betreiben wir einen Blog im Internet (1), in dem wir unseren Weg mit all seinen Herausforderungen und Problemen, aber auch schönen Seiten zu beschreiben versuchen.
Wir - das sind Michel, Norberto, Herrmann und ich, Osvaldo. Genannt:
… nein, dazu kommen wir später. Dem Ergebnis des Wettbewerbs zu unserer Namensgebung möchten wir an dieser Stelle nicht vorgreifen.
Geschrieben ist der Blog aus Sicht von Osvaldo, einem waschechten Saarländer, der mit viel Herz bei der Sache ist, dem aber nicht immer alles gelingt und der ständig Streit mit seiner Frau eben wegen dieser Brasilienreise hat.
Wir sind Saarländer. Was liegt da näher, als zu versuchen, überall zu schwenken.
Unser großes Ziel ist es deshalb, am vorletzten Tag unserer Reise (18. Juni bis 7. Juli 2014), wenn wir in Rio de Janeiro sind, zu schwenken – und zwar unmittelbar vor dem ehemals größten Stadion der Welt, dem legendären Maracana.
Ein Schwenker samt Werkzeug ist mit im Gepäck.
Ob das funktionieren wird? Wir wissen es nicht. Wir werden es aber sehen (und hier fast täglich über unsere Fortschritte berichten).
Hey, es kann losgehen. Wir wollen nach Brasilien!
1. Dezember 2013
Eigentlich bin ich ein ganz normaler Mann. Ein Typ, dessen Ehefrau ihm eintrichtert: „Osvaldo, komm nicht so spät nach Hause, hörst Du!“ Meistens bin ich zu diesem Zeitpunkt aber schon weg, die Haustüre fiel unglücklicherweise schon vorher zu.
Wenn ich mich in meinem Leben auf eines fest verlassen kann, neben den gut gemeinten Ratschlägen meiner Frau, versteht sich - dann ist es meine Menschenkenntnis. Ich erkenne Scheinriesen zum Beispiel schon von Weitem. Die haben mich als Kind immer schon bei der Augsburger Puppenkiste im dortigen Lummerland fasziniert: Von Weitem sehen sie riesig aus, je näher sie kommen, desto kleiner werden sie. Ich kann es quasi riechen, wenn jemand dummes Zeug redet oder etwas nicht ernst meint. Mag sein, dass ich nicht der hellste Stern am Firmament bin, aber bei der Menschenkenntnis, da macht mir keiner was vor. Kann ja nicht anders sein, ich habe schließlich auch Menschenverstand. An der Stelle muss ich jedes Mal etwas über mich selbst lachen. Aber es stimmt. Menschenkenntnis und Menschenverstand. Die gehören zu mir wie wie das Laub zur Lärche. Damit komme ich immer gut über die Runden.
Übermorgen treffe ich mich mit Tom und Chris. Das sind meine besten Freunde. Und da freue ich mich schon die ganze Zeit drauf. Wir wollen uns nämlich zusammensetzen und unsere Reise zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Brasilien konkret planen. Seit mehr als drei Jahren sprechen wir von nichts anderem. Und seit mehr als drei Jahren lege ich jede Woche zehn Euro ins Fußball-Sparschwein - heimlich versteht sich. Seit wir die WM in Südafrika und die Fans aus aller Herren Länder im Fernsehen bestaunt haben, möchten wir auch einmal dazugehören. Einfach mal dabeisein. Mittendrin. Der Tom, der Chris und ich, der Osvaldo.
Ich bin schon ganz heiß, wenn ich an die vielen, tollen brasilianischen Samba-Tänzerinnen denke. Da wimmelts ja nur so von denen in Brasilien. Die sollen dort überall sein. Kein Wunder, in Brasilien gibt es ja nur Strand, Strand und nochmals Strand. Sehe ich immer im Fernsehen. Die werden mir und meinen Kumpels über den Weg laufen, zwangsläufig, da bin ich mir sicher. Eine nach der anderen.
Darf bloß meine Frau nix davon erfahren.
8. Dezember 2013
Meine Freunde Tom und Chris sind die nettesten, attraktivsten und besten Freunde, die man sich nur vorstellen kann. Wir haben schon viel miteinander erlebt. Wir gehen durch Dick und Dünn. Das Beste aber: „Mit denen kann man Pferde stehlen“, sage ich zu meiner Frau.
Die wird dann immer total neidisch.
9. Dezember 2013
Herr Malter (Tom) und Herr Steil (Chris) sind abgesprungen. Haben rumgedruckst und sich geziert. Rumgezickt wie eine Horde Hühner. Sind das Nulpen! Was haben wir uns alles versprochen. Und jetzt? Alles aus zwischen uns. Mit denen kann ich nicht mehr zusammen sein. Vorbei. Welche Versprechungen gaben wir uns, als die Fußball-WM in Südafrika lief und wir alle heiß waren auf Brasilien. Und nun? „Zu gefährlich!“ und „Auf gar keinen Fall!“ kriege ich zu Ohren. Mir fehlen die Worte.
“Schwanzeinzieher!“ rufe ich meinen mittlerweile Ex-Freunden beim Abschied zu. „Mögen Euch auf der Stelle Schrumpel-Hoden wachsen. Oder die Eier gleich ganz abfallen.“
Nun gut. Es muss weitergehen.
10. Dezember 2013
Habe jetzt neue Freunde: Michel, Norberto und Werner, auch Herrmann genannt. Die sind wenigstens echte Freunde. Zwar neue Freunde, aber ok. Wie echte Freunde eben. Ohne Wenn und Aber und irgendwelches Rumgeeiere, wenn es ans Eingemachte geht.
Norberto und Michel kenne ich bereits seit meiner Jugend. Mit Norberto stand ich schon als 8-jähriger gemeinsam auf dem Platz. Norberto im Tor, ich im Sturm. Angeblich, weil ich da am wenigsten kaputt machen konnte. Heute ist eher neben dem Platz unsere Stärke. Muss ich unumwunden eingestehen. Aber bei der dritten Halbzeit macht mir keiner was vor. Es kam schon vor, dass das Spiel seit einer halben Stunde beendet war, ehe ich es merkte, weil ich mich an der Currywurstbude bei ein paar Bierchen festgequatscht hatte.
Und Norberto kann das auch. Er hatte schon als junger Torwart ein unglaubliches Stellungsspiel. Lief ein unerwarteter Konter der gegnerischen Mannschaft auf unser Tor zu, brauchten wir ihm nur kurz zuzurufen: „Hey, Norberto, beweg Dich mal!“ Und schon fischte er den Ball aus dem Tornetz. Gut, manchmal kamen auch spektakuläre Paraden à la René Higuita aus Kolumbien, alias El Loco („Der Verrückte“), dem legendären Keeper, der mit sensationellen Fallrückziehern Bälle von der Torlinie ins Feld zurückkatapultierte. Norberto war quasi dessen später geborene Vorgänger. Genie und Wahnsinn lagen auch bei ihm ganz dicht beieinander. Ich hatte jedenfalls immer höchsten Respekt vor Norberto.
Und Michel? Ich würde sagen, er ist die Zuverlässigkeit in Person. Ich habe mal beobachtet, wie er ein Türschloss zugedreht hat. Zweimal sogar. Und weil er auf Nummer sicher gehen wollte, hat er versucht, den Schlüssel noch ein drittes und viertes und sogar fünftes Mal umzudrehen. Wäre der Schlüssel nicht steckengeblieben, wäre er wahrscheinlich heute noch am Drehen. Ein anderer Beobachter der Situation hat mich dann aber später aufgeklärt und mir gesagt, dass er betüddelt gewesen sei und nur das Schlüsselloch nicht richtig gefunden habe.
Ein andermal habe ich erlebt, dass Michel jemandem eine SMS schrieb, nur weil es eine Minute später als verabredet werden würde. Gut, es war seine Frau. Aber trotzdem. Michel ist noch nie in seinem Leben etwas durch die Lappen gegangen. Er ist quasi der lebende Gegenentwurf zu mir.
Herrmann kenne ich noch nicht. Er ist ein Verwandter von Michel. Er wird mir beschrieben als freundlichster Mensch der Welt. Immer ein Lächeln auf den Lippen und auf dem Sprung in ein neues Abenteuer. Aber wehe, es ärgert ihn jemand, dann springt er aus der Hose.
„Kein Mensch ist vor ihm sicher, er spricht alles und jeden an, jederzeit“, erklärt mir Michel, „eigentlich ist Herrmann unbeschreiblich.“ Er habe einen unheimlichen Wissensdurst – und sei deshalb mit der Zeit zu einem wandelnden Lexikon geworden. „Würde er während des Schlafs zum Beispiel gefragt, wer das entscheidende Tor beim Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft 1959 erzielte, dann würde er wie aus der Pistole geschossen antworten: Eckehard Feigenspan, 119. Minute der Verlängerung zum 5:3 von Eintracht Frankfurt gegen Kickers Offenbach am 28. Juni 1959 im Olympiastadion zu Berlin.“ Ich habe nachgesehen – es stimmt. Hätte nie gedacht, dass mal öffentlich darüber informiert werden würde, dass Eintracht Frankfurt mal deutscher Meister war. Ist heutzutage ja so gut wie ausgeschlossen. Aber schön wär's doch.
Norberto, Michel und Herrmann: Neue, echte Freunde.
11. Dezember 2013