Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie für Kinder mit Borderline-Persönlichkeitsorganisation - Irmgard Kreft - E-Book

Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie für Kinder mit Borderline-Persönlichkeitsorganisation E-Book

Irmgard Kreft

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Beschreibung

Die Autorinnen stellen Diagnosekriterien vor, mit denen schon bei Vorschulkindern das Borderline-Störungsbild mit seinen grundlegenden Ängsten und Abwehrstrategien sicher erfasst werden kann. Obwohl bei diesen Kindern fast immer Aggressivität symptomatisch dominiert, dient diese hier vor allem dem Schutz vor Vernichtungsangst. Früh verinnerlichte pathogene Beziehungsmuster dieser Kinder, die ihr Erleben der Realität verzerren, können mit geeigneten Behandlungsstrategien verändert werden. Mit der Übertragungsfokussierten Psychotherapie (TFP) kann bei Kindern mit Borderline-Syndrom eine altersangemessene Entwicklung wieder angestoßen werden. Fallvignetten aus den Behandlungen der Autorinnen veranschaulichen die Ausführungen.

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Herausgegeben von

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Irmgard Kreft / Martina Drust / Barbara Huber-Horstmann / Ulrike Held

Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie für Kinder mit Borderline-Persönlichkeitsorganisation

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG,

Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: Paul Klee, Segelschiffe, 1927/akg-images

Satz: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Produktion: Lumina Datametics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISSN 2566-6401

ISBN 978-3-647-99471-0

Inhalt

Vorwort zur Reihe

Vorwort zum Band

Vorbemerkungen

1 Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie nach O. F. Kernberg (TFP)

2 Strukturdiagnostik der Borderline-Persönlichkeitsorganisation (BPO) für das Kindesalter

2.1 Konstituierende Elemente einer BPO im Kindesalter

2.1.1 Vorherrschen aggressiver Objektbeziehungsdyaden

2.1.2 Spaltung und andere primitive Abwehrmechanismen

2.1.3 Das grandiose Selbst

2.1.4 Identitätsdiffusion

2.1.5 Beeinträchtigte Über-Ich-Funktionen

2.1.6 Weitere Diagnosekriterien

2.2 Ätiologie

2.3 Symptomatik

3 Das TFP-Behandlungsmodell für die Arbeit mit Kindern

3.1 Strategische Prinzipien der TFP – Die Arbeit mit den Objektbeziehungsdyaden

3.1.1 Beobachten und Definieren der dominanten Objektbeziehungsdyaden

3.1.2 Beobachten und Deuten der Rollenumkehr in der Dyade

3.1.3 Beobachten und Deuten der sich gegenseitig abwehrenden aggressiven und libidinösen Dyaden

3.1.4 Durcharbeiten der Fähigkeit des Patienten, eine Beziehung in der Übertragung anders wahrzunehmen

3.1.5 Zur Arbeit mit den Bezugspersonen

3.2 Technische Neutralität als therapeutische Haltung

4 Vorbereitung der Behandlung

4.1 Diagnostik und Differenzialdiagnostik

4.2 Feststellung der TFP-Behandlungsindikation

4.3 Vertragsphase: Klärung der Rahmenbedingungen und Vertragsvereinbarung

4.4 Vernetzung mit dem Bezugssystem

5 Behandlungsphasen

5.1 Die frühe Behandlungsphase

5.2 Die mittlere Behandlungsphase

5.2.1 Entwicklungsschritte zur Integration

5.2.2 Behandlungstechnische Aspekte

5.3 Die späte Behandlungsphase

5.3.1 Identitätsdiffusion löst sich auf

5.3.2 Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte

5.4 Behandlungsende

6 Schlussbemerkung

Literatur

Vorwort zur Reihe

Zielsetzung von PSYCHODYNAMIK KOMPAKT ist es, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Klientengruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen. Die Reihe soll Diskussionsgrundlagen liefern, den Forschungsstand aufarbeiten, Therapieerfahrungen vermitteln und neue Konzepte vorstellen: theoretisch fundiert, kurz, bündig und praxistauglich.

Die Psychoanalyse hat nicht nur historisch beeindruckende Modellvorstellungen für das Verständnis und die psychotherapeutische Behandlung von Patienten und Patientinnen hervorgebracht. In den letzten Jahren sind neue Entwicklungen hinzugekommen, die klassische Konzepte erweitern, ergänzen und für den therapeutischen Alltag fruchtbar machen. Psychodynamisch denken und handeln ist mehr und mehr in verschiedensten Berufsfeldern gefordert, nicht nur in den klassischen psychotherapeutischen Angeboten. Mit einer schlanken Handreichung von 70 bis 80 Seiten je Band kann sich die Leserin, der Leser schnell und kompetent zu den unterschiedlichen Themen auf den Stand bringen.

Themenschwerpunkte sind unter anderem:

–Kernbegriffe und Konzepte wie zum Beispiel therapeutische Haltung und therapeutische Beziehung, Widerstand und Abwehr, Interventionsformen, Arbeitsbündnis, Übertragung und Gegenübertragung, Trauma, Mitgefühl und Achtsamkeit, Autonomie und Selbstbestimmung, Bindung.

–Neuere und integrative Konzepte und Behandlungsansätze wie zum Beispiel Übertragungsfokussierte Psychotherapie, Schematherapie, Mentalisierungsbasierte Therapie, Traumatherapie, internetbasierte Therapie, Psychotherapie und Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und psychodynamische Ansätze.

–Störungsbezogene Behandlungsansätze wie zum Beispiel Dissoziation und Traumatisierung, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Borderline-Störungen bei Männern, autistische Störungen, ADHS bei Frauen.

–Lösungen für Problemsituationen in Behandlungen wie zum Beispiel bei Beginn und Ende der Therapie, suizidalen Gefährdungen, Schweigen, Verweigern, Agieren, Therapieabbrüchen; Kunst als therapeutisches Medium, Symbolisierung und Kreativität, Umgang mit Grenzen.

–Arbeitsfelder jenseits klassischer Settings wie zum Beispiel Supervision, psychodynamische Beratung, Soziale Arbeit, Arbeit mit Geflüchteten und Migranten, Psychotherapie im Alter, die Arbeit mit Angehörigen, Eltern, Familien, Gruppen, Eltern-Säuglings-Kleinkind-Psychotherapie.

–Berufsbild, Effektivität, Evaluation wie zum Beispiel zentrale Wirkprinzipien psychodynamischer Therapie, psychotherapeutische Identität, Psychotherapieforschung.

Alle Themen werden von ausgewiesenen Expertinnen und Experten bearbeitet. Die Bände enthalten Fallbeispiele und konkrete Umsetzungen für psychodynamisches Arbeiten. Ziel ist es, auch jenseits des therapeutischen Schulendenkens psychodynamische Konzepte verstehbar zu machen, deren Wirkprinzipien und Praxisfelder aufzuzeigen und damit für alle Therapeutinnen und Therapeuten eine gemeinsame Verständnisgrundlage zu schaffen, die den Dialog befördern kann.

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Vorwort zum Band

Für das Kindesalter wurde und wird teilweise bis heute der Persönlichkeitsbegriff infrage gestellt. Es wird argumentiert, dass Kinder noch nicht reif genug seien, um in ihrem Erleben und Verhalten von Persönlichkeit zu sprechen. Dieser Sicht ist schon sehr früh die Psychoanalyse entgegengetreten. Allen voran ging Paulina Kernberg mit der Meinung, dass gerade Kinder eine individuell klar beschreibbare und von anderen abgrenzbare Persönlichkeit aufweisen. Auch im Rahmen der Operationalisierung psychodynamischer Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen (OPD-KJ) ging die Arbeitsgruppe davon aus, dass das Kind in jedem Lebensalter eine ihm eigene optimierte psychische Struktur besitzt. Es ist nicht angemessen, Kinder nach einem Erwachsenenideal als grundsätzlich nicht optimal umweltangepasst oder unreif zu betrachten. Empirische Befunde zeigen, dass Persönlichkeitsmerkmale bereits in frühen Lebensaltern zu identifizieren sind und eine gewisse Stabilität von Persönlichkeitsmerkmalen vom Kindheitsalter über das Adoleszenz- bis zum Erwachsenenalter beobachtbar ist. Wo Persönlichkeit existiert, kann es auch Störungen derselben geben.

Das Autorenteam hat sich die Behandlung von Kindern mit schweren Störungen der Persönlichkeitsentwicklung zur Aufgabe gestellt. Es hat die Methode der Übertragungsfokussierten Psychotherapie (Transference-Focused Psychotherapy – TFP) weiterentwickelt, um die sich im therapeutischen Prozess bei Kindern mit strukturellen Störungen entwickelnde interpersonelle Dynamik besser erfassen und bearbeiten zu können. Die strukturelle Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsorganisation wird klar von der Borderline-Persönlichkeitsstörung als Krankheitsbild abgegrenzt. Als strukturelle Diagnosekriterien einer Borderline-Persönlichkeitsorganisation gelten nicht nur vorherrschende aggressive Beziehungsdyaden und archaische Abwehrmechanismen wie die Spaltung, sondern auch ein grandioses Selbst, Identitätsdiffusion und beeinträchtigte Über-Ich-Funktionen. Ätiologisch werden Unsicherheit und Bedrohung als entscheidende Lebenserfahrungen hervorgehoben. Die überwältigende Intensität von aversiven Affekten kann auch als transgenerationaler Mechanismus einer Weitergabe traumatischer Erfahrungen der Elterngeneration verstanden werden.

Die klinischen Störungsbilder von Kindern mit Borderline-Persönlichkeitsorganisation weisen ein vielfältiges und fluktuierendes Erscheinungsbild auf. Neben der tiefgreifenden psychischen Instabilität sind typische Überschneidungen mit den Leitsymptomen anderer psychischer Störungen möglich, die eine differenzialdiagnostische Herausforderung darstellen.

In einem dritten Teil wird das TFP-Behandlungsmodell für die Arbeit mit Kindern vorgestellt. Eine Besonderheit ist, dass Kinder ihre Objektbeziehungsdyaden und Abwehrstrategien in der Übertragungsbeziehung anders inszenieren als Erwachsene. Dem Spiel und dem Rollenspiel kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Rollenumkehr oder Ausschluss vom Spiel sollen beobachtet, verstanden und gedeutet werden. Einander abwehrende aggressive und libidinöse Dyaden, die als getrennte Dyaden unabhängig existieren können, sollen beobachtet und gedeutet werden. Auch mit den Bezugspersonen, die regelhaft psychotherapeutisch begleitet werden, wird in der beschriebenen Weise gearbeitet. Die technische Neutralität ist in allen Fällen strikt zu wahren.

Nach ausführlicher Vorbereitung und Planung, der Feststellung der Indikation und Erstellung eines Behandlungsvertrags ist auf die wichtige Vernetzung mit den Bezugssystemen der kindlichen Patienten zu achten (Helferkonferenzen). Die einzelnen Behandlungsphasen werden mit ausführlichen und anschaulichen Beispielen deutlich gemacht. Dem Behandlungsende wird ein eigener Abschnitt gewidmet, der auch praktische Anleitungen für die Terminwahl und die frühzeitige Einbindung von Kindern und Familien enthält.

Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie stellt ein methodisches Grundgerüst dar, um den besonders belasteten schwer strukturell gestörten Kindern ein Behandlungsangebot zu machen. Damit kann der Chronifizierung und Retraumatisierung dieser sensiblen Patientengruppe erfolgreich vorgebeugt werden. Wo früher in Therapien rasch Gefühle der Ohnmacht und Hilflosigkeit aufkamen, steht nun eine Methode zur Verfügung, die als Lern- und Selbsterkenntnisprozess allen psychodynamisch orientierten und interessierten Therapeutinnen und Therapeuten zugutekommen kann.

Inge Seiffge-Krenke und Franz Resch

Vorbemerkungen

Die Diagnosestellung einer Persönlichkeitsstörung im Kindesalter wird in der Fachwissenschaft wie in der therapeutischen Praxis zunehmend für sinnvoll und notwendig erachtet. Als Autorinnen gehören wir zu einer Gruppe von analytischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen, die am Berliner Institut für Psychotherapie e. V. in der Methode der Übertragungsfokussierten Psychotherapie (TFP für Transference-Focused Psychotherapy) ausgebildet wurden. In unserer eigenen Arbeit mit schwer verhaltensauffälligen Kindern auf dem Strukturniveau der Borderline-Persönlichkeitsorganisation (BPO) erlebten wir die von Yeomans, Clarkin und Kernberg verfassten TFP-Praxismanuale (Clarkin, Yeomans u. Kernberg, 2008; Yeomans, Clarkin u. Kernberg, 2017) als äußerst hilfreich, um die sich im therapeutischen Prozess mit dem Kind entwickelnde interpersonelle Dynamik besser fassen, verstehen und gezielt bearbeiten zu können. Aspekte der therapeutischen Arbeit mit Erwachsenen lassen sich aber nicht ohne Weiteres auf die Behandlung von Kindern übertragen. So entstand in unserer Arbeitsgruppe die Idee zu einer Konzeptualisierung der Übertragungsfokussierten Psychotherapie speziell für die Arbeit mit diesen Kindern. Wir beziehen uns dabei auf die Altersgruppe vor Vollendung des elften Lebensjahres. Unser Anliegen ist es, darzustellen, wie Kindern mit einem ihnen angepassten Behandlungskonzept begegnet werden kann, das ihrem Störungsbild, ihrem Entwicklungsstand und ihrer altersbedingten Lebenssituation entspricht. Die frühe Diagnostizierung und Behandlung dieser schweren seelischen Erkrankung könnte einer zunehmenden Pathologie, die oft mit gesellschaftlicher Ausgrenzung einhergeht, entgegenwirken. Zugleich bietet die TFP einen schützenden und haltgebenden Rahmen, innerhalb dessen sich die oft heftige Dynamik in der Beziehung zwischen Kind und Therapeut entfalten und aufgefangen werden kann. Alle Teile unserer Konzeption – Diagnostik, Behandlungstechnik sowie Verlauf der Therapie – werden durch Fallbeispiele aus unserer Praxis veranschaulicht. Die Namen der Kinder, aus deren Therapien wir berichten, wurden verändert.

Unsere Konzeption richtet sich zunächst an analytisch und tiefenpsychologisch arbeitende Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten. Wir hoffen aber, dass sie auch in anderen Kontexten – wie der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie oder in sozialtherapeutischen Einrichtungen – zum genaueren Verstehen des Störungsbildes dieser Patienten beitragen kann.

Unser Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen der TFP-Arbeitsgruppe des Instituts für Psychotherapie e. V. Berlin, insbesondere Marion Braun, Irma Gleiss, Gabriele Kehr und Werner Köpp, die unsere Gedanken mit uns diskutiert haben. Den Kindern, aus deren Behandlungen wir berichten, sind wir dankbar verbunden, weil wir von ihnen so viel erfahren und lernen konnten. Nicht zuletzt gelten unser Respekt und unser Dank den Eltern und Bezugspersonen, ohne deren Mitwirken unsere Arbeit mit den Kindern und damit die Entstehung dieser Konzeption nicht möglich gewesen wären.

1 Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie nach O. F. Kernberg (TFP)