Die UFO-AKTEN 11 - Marten Veit - E-Book

Die UFO-AKTEN 11 E-Book

Marten Veit

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Beschreibung

Als die vierköpfige Besatzung einer Zephyr-Kapsel des privaten Raumfahrtunternehmens UnlimitedSky bei einem Außeneinsatz im Orbit die Manövrierfähigkeit der Kapsel testet, kann das Raumfahrzeug für 2,7 Sekunden nicht von der Radarortung erfasst werden. Die Crew meldet jedoch keine besonderen Vorkommnisse. Also nur ein folgenloses technisches Problem? Oder gibt es Parallelen zu einem zwanzig Jahre zurückliegenden, geheimen Raumflug der Air Force, bei dem es ebenfalls zu einem kurzzeitigen Verlust des Radarkontakts kam?
Kurz nach der Beendigung der UnSky-Mission verschwinden plötzlich zwei der Besatzungsmitglieder spurlos. Alles deutet auf eine Entführung hin. Es besteht der Verdacht, dass es einen direkten Zusammenhang zu den seltsamen Vorfällen im All gibt. Daher schalten sich die beiden Bundesmarshals Cliff Conroy und Judy Davenport ein...


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Inhalt

Cover

Begegnung im All

UFO-Archiv

Vorschau

Impressum

Marten Veit

Begegnung im All

Anthony Blake schwebte auf den kleinen würfelförmigen Satelliten zu, der im Lichtkegel von Stellas Helmscheinwerfer glitzerte. Eigentlich war nie geplant gewesen, den vom Kurs abgekommenen Mini-Satelliten aus dem Orbit zu holen. Es bot sich jedoch an, den gefährlichen Weltraumschrott zu beseitigen, da die Route der UnSky-Mission auf dem Weg zur ISS ohnehin hier vorbeiführte. Zudem wollte man die Gelegenheit nutzen, um das eigenständige Manövrieren der Zephyr-Kapsel bei Außeneinsätzen zu demonstrieren.

Zunächst schien auch alles nach Plan zu verlaufen. Doch kurz nachdem Blake den metallischen Trabanten sichergestellt hatte, sah er ein grelles grünes Licht vor der Sonne aufleuchten.

Eine Erscheinung, die ihm unmittelbar das Bewusstsein raubte ...

Orbit, 270 Kilometer über dem Pazifik nordöstlich von Hawaii

06. Januar 2022, 19:27 Uhr (HST)

»Is there anybody out there?«

Die Stimme in Stellas Helm war mit einem psychedelischen Hintergrundgeräusch und einem unheimlichen Hall unterlegt. Sie stammte definitiv weder von Paco noch von Rachel.

»Wen erwartest du denn hier draußen, Skipper?«, fragte die Astronautin. »Außer Anthony und mir, meine ich.«

»Irgendeine halbwegs intelligente Lebensform«, erwiderte der Kommandant der Zephyr-Kapsel trocken. »Mit einem IQ über Zimmertemperatur.«

»Also deutlich über deinem?«, konterte Anthony Blake. Er schwebte dicht vor dem kleinen, würfelförmigen Satelliten, der im Lichtkegel von Stellas Helmscheinwerfer vor dem schwarzen Hintergrund des Alls glitzerte. Die Zephyr war vor wenigen Minuten in den Erdschatten eingetreten, und nachdem die Astronauten den getönten Sichtschutz ihrer Helmvisiere zurückgefahren hatten, war der Himmel wieder von Myriaden kalt strahlender Sterne übersät. Ein Anblick, der Anthony jedes Mal aufs Neue in tiefster Seele berührte.

»Is there anybody out there?«, erkundigten sich Pink Floyd erneut, bevor Paco die Wiedergabe des Songs ausblendete.

»Sehr witzig«, knurrte Anthony. »Was hören wir als Nächstes? Set the Controls for the Heart of the Sun?« Er streckte beide Arme aus, um den Mini-Satelliten, dessen Kantenlänge nur knapp 50 Zentimeter betrug, mit den klobigen Handschuhen zu umschließen. Dann begann er behutsam, mit dem Karabinerhaken am Ende der zweiten Sicherheitsleine nach einem der beiden kleinen bügelförmigen Auswüchse an den Außenseiten des Kubus zu tasten, bei denen es sich eigentlich um Leitungen des Kühlsystems und nicht um Abschleppösen handelte.

Es war nie geplant gewesen, einen der niedrig fliegenden Mini-Satelliten jemals wieder aus dem Orbit zu fischen, aber nachdem das verdammte Ding nach einer Fehlfunktion seiner Steuerdüsen in eine höhere Umlaufbahn geraten war, statt weiter abzusinken und brav in der Atmosphäre zu verglühen, hatte es eine Gefahr für andere Satelliten in den unteren, gerade noch stabilen Umlaufbahnen dargestellt. Und da der Flug der Zephyr-Kapsel auf dem Weg zur ISS zufällig dicht an dem Satelliten vorbeiführte, hatte sich UnlimitedSky nach ausführlichen Beratungen mit der NASA dazu entschlossen, das Wagnis einzugehen. So wurde der Direktflug zur Raumstation so modifiziert, dass die Zephyr in Höhe des vagabundierenden Infrarotsatelliten einen Zwischenstopp einlegte, den kleinen Würfel aus dem Weg räumte und sich dann nur mit Hilfe ihrer Steuerdüsen in einen höheren Orbit hievte, um auf Rendezvouskurs mit der ISS zu gehen.

Einerseits ein gefährliches Wagnis, andererseits eine günstige Gelegenheit für das private Raumfahrtunternehmen UnlimitedSky, den Konkurrenten die Überlegenheit seiner Shuttles in Bezug auf die eigenständige Manövrierfähigkeit im Orbit zu demonstrieren.

Sollte die auf den Namen Phaethon I getaufte Mission gelingen, würde sich für den Konzern ein neues lukratives Geschäftsfeld in der kommerziellen Raumfahrt auftun. Nicht jeder vom Kurs abgekommene Satellit konnte kontrolliert zum Absturz gebracht werden, um in der Atmosphäre zu verglühen. Manche stellten jahrelang eine ernsthafte Gefahr für die Raumfahrt dar und drohten durch Kollisionen mit anderen Raumfahrzeugen, die ohnehin schon bedrohliche Menge an Weltraumschrott noch zu vergrößern.

»Habe ich, dich, du Bastard«, presste Anthony zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als der Karabinerhaken in die Behelfsöse einrastete. Es war – abgesehen von Wartungsarbeiten außerhalb der ISS – der erste Außeneinsatz im Orbit seit der Ära der Space Shuttles, und bisher war die Operation erstaunlich reibungslos verlaufen. Der schwierigste Teil des Vorhabens war geschafft. Jetzt mussten sie ihre Beute nur noch langsam und vorsichtig einholen.

»Was zum ...?«, klang plötzlich Stellas Stimme aus Anthonys Helmlautsprecher auf, gefolgt von einem zischenden Ausatmen. »Skipper, Rachel, seht ihr das? Auf zehn Uhr in Flugrichtung, etwa 20 Grad über uns! Irgendetwas verdeckt die Sterne!«

»Moment, ich habe da ein Radarecho«, erwiderte Paco Alvarez. Es ist ...«

Der Aufschrei von Rachel ließ Anthony in derselben Sekunde zusammenzucken, als ihm das plötzliche, grelle Licht in die Augen stach und die Automatik des Helms blitzschnell das maximal getönte Sichtschutzvisier ausfuhr. Zum Glück blickte er gerade nicht direkt in Richtung der Sonne, die urplötzlich zwei Handbreit über der Erdrundung stand und den Mini-Satelliten wie ein gleißendes Juwel funkeln ließ.

Kurz darauf schob sich ein diskusförmiger Schemen vor die Sonne und tauchte die Zephyr-Kapsel erneut in eine tintige Schwärze. Anthony spürte, wie ihn eine Welle der Übelkeit überrollte, und er hörte ein würgendes Geräusch, das vermutlich von Rachel stammte.

Hoffentlich muss ich mich nicht übergeben, durchzuckte ihn ein Gedanke, als sein Blick auf die Rundung der Erde unter ihm fiel. Über das tiefe Blau des Pazifiks schien sich ein milchiger, leicht rötlicher Schleier gelegt zu haben, doch Anthony hätte nicht sagen können, ob sich die Atmosphäre wirklich eingetrübt hatte, oder ob die Übelkeit seine Sicht beeinflusste.

In seinem Raumhelm klang eine merkwürdig lallende Stimme auf, die dem Kommandanten der Phaethon-I-Mission gehören mochte. Anthony Blake sah noch, wie die diskusförmige Silhouette vor der Sonne in einem unheimlichen Grün aufleuchtete, bevor er das Bewusstsein verlor.

Interstate 10, Höhe Lake Charles

Louisiana, 09. Januar 2022,15:44 Uhr (CST)

Im Verlauf der letzten knapp vier Monate, die sie größtenteils auf dem begrenzten Raum eines Campingmobils gemeinsam verbracht hatten, waren Cliff Conroy und Judy Davenport zwangsläufig ziemlich vertraut miteinander geworden. Zwar kannten sie sich bereits seit mehr als drei Jahren, aber bis zu jenem denkwürdigen Tag am 10. September 2021, an dem ihrer beider Leben von einem Tag auf den anderen aus den Fugen geraten war, hatte es sich um eine eher oberflächliche Bekanntschaft gehandelt.

Vier Monate konnten viel verändern. Wenn man sich nicht aus dem Weg gehen konnte, lernte man ganz automatisch eine Menge über die diversen Eigenarten, Gewohnheiten und Marotten des jeweils anderen – manchmal mehr, als einem lieb war.

Cliff wusste nicht, wie Judy mit der unvermeidbaren Nähe zurechtkam, die der gemeinsame Alltag auf wenigen Quadratmetern mit sich brachte. Sofern man in ihrem Fall überhaupt von einem alltäglichen Leben sprechen konnte.

Wer im semioffiziellen Auftrag eines US-amerikanischen Senators verdeckt auf dem ziemlich exotischen Terrain von UFO-Sichtungen und paranormalen Phänomenen ermittelte, und dazu unter der Beobachtung eines obskuren NSA-Agenten mit scheinbar grenzenlosen Befugnissen stand, balancierte ständig auf dem schmalen Grat zwischen Paranoia und berechtigtem Misstrauen. Und wer mit jedem Auftrag neue Erkenntnisse über eine Wirklichkeit gewann, die er früher ohne Zögern ins Reich der Spinner und Psychopathen verwiesen hätte, lief Gefahr, gänzlich den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Was Cliff Conroy betraf, fühlte sich der ehemalige IT-Experte der NASA in Judys Gesellschaft wohl und entspannt. Auch wenn ihre ständige Nähe mehr und mehr die Frage aufwarf, wie sich ihr gegenseitiges Verhältnis auf einer intimeren und emotionaleren Ebene weiterentwickeln würde. Judy Davenport war eine attraktive, intelligente, sympathische und äußerst kompetente Frau in den Dreißigern, ungebunden und alleinstehend. Soweit Cliff es beurteilen konnte, hatte sie bis zu jenem schicksalshaften Tag im September eine emotional befriedigende Beziehung zu seinem früheren direkten Vorgesetzten Paul Batista geführt. Wie kam sie damit klar, in dieser Hinsicht plötzlich im Nichts zu schweben? Welche Rolle spielte er für sie in dieser Situation?

Er wusste, dass sie ihn mochte und ihm vertraute. Ein Gefühl, das auf Gegenseitigkeit beruhte. Doch was würde geschehen, wenn tiefere Gefühle ins Spiel kamen? Und eines Tages, daran bestand für ihn kein Zweifel, musste es dazu kommen. Sie waren zwei gesunde, heterosexuell orientierte Menschen mit gewissen Bedürfnissen in der Blüte ihrer Jahre. Und wie Billy Crystal in Harry und Sally zurecht – zumindest aus Cliffs Sicht – festgestellt hatte, konnten Männer und Frauen nicht einfach auf einer rein platonischen Ebene miteinander befreundet sein. Irgendwann kam ihnen gnadenlos der Sex dazwischen. Jedenfalls, wenn sie beide ungebunden waren.

Er beobachtete Judy, die wieder das Steuer des Winnebagos übernommen hatte, unauffällig aus den Augenwinkeln heraus. Die dunkelhaarige ehemalige Polizeipsychologin, der ihre arabische Herkunft unschwer anzusehen war, wirkte entspannt und konzentriert zugleich. Es war diese Mischung aus Selbstsicherheit und Gelassenheit, die sie für Cliff von Anfang an anziehend wirken ließ, ganz unabhängig von ihrer unbestreitbaren äußerlichen Attraktivität. Doch da er sie als feste Partnerin seines ehemaligen Chefs Paul Batista kennengelernt hatte, war er nie auf den Gedanken gekommen, etwas anderes als eine nette Bekanntschaft in ihr zu sehen, und die Macht der Gewohnheit hatte sie für ihn in die Kategorie der Frauen einsortiert, die für ihn nicht als potenzielle Partnerin in Frage kamen. Und die turbulenten Ereignisse der letzten Zeit hatten verhindert, sie aus dieser Kategorie »neutraler« Frauen herauszulösen.

Allerdings hatte sich seit ziemlich genau einem Monat etwas daran geändert. Es passierte, nachdem einer dieser geheimnisvollen, irgendwie schwer fassbaren Männer, die sie wegen ihrer chamäleonartigen äußeren Erscheinung als die Grauen oder die grauen Männer bezeichneten, Judy durch eine Art Dimensionsportal in eine andere Welt gestoßen hatte. Cliff hatte daraufhin für eine Weile unweigerlich befürchtet, sie für immer verloren zu haben. Und genau in diesem Moment war ihm bewusst geworden, dass er mehr für sie empfand, als er bis dahin geglaubt hatte. Oder sich selbst gegenüber einzugestehen bereit gewesen war ...

Dass sie ihn kurz darauf, nachdem er sie in diese Welt zurückgeholt hatte, in der Kleinstadt Windcastle in Wisconsin – wenn auch unter einem fremden Willen stehend – beinahe erschossen hätte, hatte seine Gefühlsverwirrung noch gesteigert.

Es gab so Einiges in ihrer Beziehung zu klären. Dummerweise fanden sie selten die Muße dazu. Immer, wenn Cliff die Umstände für geeignet hielt, sich dem Problem zu stellen, geschah irgendetwas Unvorhergesehenes, das Vorrang hatte. Und er wollte nicht riskieren, sein Verhältnis zu Judy nachhaltig zu beschädigen, solange sie weiterhin im Auftrag von Senator James Victor Campbells unterwegs waren.

Jetzt war noch ein weiterer Aspekt dazugekommen, der Privates mit Beruflichem verband. Dave Ashton, ein Freund von Cliff, war kürzlich ermordet worden. Schlimm genug, einen Freund durch ein Gewaltverbrechen zu verlieren, doch in diesem Fall schien es eine Verbindung zu ihrem letzten Auftrag zu geben. Und so hatte Cliff nicht gezögert, auch ohne offiziellen Auftrag durch Senator Campbell – allerdings mit dessen Zustimmung – Nachforschungen anzustellen. Aus diesem Grund waren er und Judy auf dem Weg zu ihren früheren Wirkungsstätten in Houston. Wobei Cliff beabsichtigte, einen weiten Bogen um das Lyndon B. Johnson Space Center zu machen. Und er vermutete, dass es Judy ebenso erging, obwohl sie diesen Punkt bisher ausgeklammert hatten.

Judy Davenport war sich bewusst, dass Cliff sie beobachtete. Sie konnte sich vorstellen, was in ihm vorging. Vermutlich ging es ihm ähnlich wie ihr. Sie würden nicht mehr lange wie bisher weitermachen können.

Noch herrschte kein akuter Handlungsbedarf, aber es war auch sinnlos, das Problem ewig aufzuschieben. Auch wenn sie jede sich bietende Gelegenheit nutzten, ein wenig Abstand voneinander zu gewinnen, verbrachten sie doch mehr Zeit gemeinsam als getrennt. Und das rund um die Uhr auf engstem Raum.

Seit ihrer Trennung von Paul machte Judy gezwungenermaßen eine Pause, was das Kennenlernen neuer Lebenspartner anging. Sie wusste zwar nicht, was Cliff während der Tage getrieben hatte, die sie getrennt gewesen waren, aber soweit sie ihn kannte, war er kein Partylöwe oder Schürzenjäger, der zu schnellen Eroberungen neigte. In der »alten Zeit«, in ihrem früheren Leben, hatte sie ihn hin und wieder in weiblicher Begleitung gesehen, und wie die meisten Frauen verfügte sie über eine sensible Antenne, was das Verlangen nach neuen Beziehungen betraf. Cliff war mit Sicherheit kein zölibatärer Mönch. Andererseits schätzte sie ihn nicht als einen dieser Männer ein, die zu One-Night-Stands auch gegen Bezahlung neigten. Sie mochte sich zwar täuschen, aber sie vermutete, dass Cliff sich dennoch nach körperlicher Nähe sehnte. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen ...

Nach den Ereignissen um den vorgetäuschten grauen Mann der Torrance-Brüder im Mississippi-Delta, die einen echten Grauen auf den Plan gerufen hatten, hatten sich Judy und Cliff mit ausreichendem Abstand zueinander in einem Hotel erholt. Während dieser Zeit war in Judy der Entschluss gereift, Cliff um eine offene Aussprache zu bitten, was er ihr gegenüber empfand und wie er sich ihre weitere Zusammenarbeit vorstellte, doch dann hatte sich Senator Campbell bei ihnen gemeldet, um ihnen mitzuteilen, dass Cliffs alter Freund Dave Ashton in seinem Haus in Houston ermordet aufgefunden worden war. Getötet mit drei präzisen Schüssen, die auf das Werk eines Profikillers hindeuteten. Ohne irgendwelche Anzeichen dafür, dass es sich um einen Raubmord gehandelt hatte. Der oder die Täter hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, eine falsche Fährte zu legen. Campbell hatte sie nicht aufgefordert, in diesem Fall zu ermitteln, aber Cliff war fest entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. Denn es lag auf der Hand, dass er indirekt an Daves Tod schuld war, nachdem er ihn um die Adresse eines Arztes in New Orleans gebeten hatte, der Patienten, ohne viele Fragen zu stellen, gegen Barzahlung diskret behandelte.

Und da es Judy selbst gewesen war, die seine Dienste in Anspruch genommen hatte, fühlte sie sich für Dave Ashtons Tod mitverantwortlich.

Sie warf Cliff einen Seitenblick über die Schulter zu, den er ohne ein Anzeichen, sich ertappt zu fühlen, ruhig erwiderte.

»Alles klar, Cliff?«, fragte sie leise.

»Gut, dass du nicht gefragt hast, ob alles in Ordnung ist, denn das ist es definitiv nicht«, erwiderte er ernst. »Aber ich denke, ich komme klar. Auch wenn ich es nicht wirklich glaube, besteht immerhin die Möglichkeit, dass unsere Aktivitäten in New Orleans und Daves Tod nicht in einem direkten Zusammenhang stehen.«

Judy nickte. »Wegen der zeitlichen Diskrepanz.«

»Genau«, bestätigte Cliff. »Laut dem vorläufigen Befund des Ermittlers wurde Dave erst zwei Tage nach den Ereignissen in New Orleans erschossen. Nach dem Tod von Dr. Perez, seiner Frau und der Torrance-Brüder. Nach dem Verschwinden des Grauen. Was seine Ermordung in meinen Augen sinnlos erscheinen lässt. Das Problem war aus der Welt geschafft, die Spuren verwischt. Wozu da noch eine unbedeutende Nebenfigur aus dem Weg räumen ...« – er zuckte zusammen, als er sich der verunglückten Formulierung unbedeutende Nebenfigur für seinen alten Freund bewusst wurde – »... und damit eine neue Spur legen?«

»Manche Täter, selbst Profis, verspüren gelegentlich das irrationale Bedürfnis, nachträglich sämtliche noch offenen Enden schließen zu müssen«, sagte Judy. »Ein Verhalten, das uns häufig dabei hilft, ein fast perfektes Verbrechen doch noch aufzuklären.« Diesmal war sie es, die leicht zusammenzuckte, als sie registrierte, dass sie die Gegenwartsform benutzt hatte, als würde sie noch immer als Polizeipsychologin für die Mordkommission des HPD arbeiten.

Wie ähnlich wir uns doch in einigen Punkten sind, dachte sie. Diese ständige Selbstreflexion, das fast schon zwanghafte Verlangen, das eigene Verhalten und die eigenen Motive zu analysieren.

Die Redundanz ihrer Gedankengänge ließ ein breites Grinsen über ihr Gesicht huschen.

Cliff runzelte die Stirn. »Habe ich gerade irgendeinen Witz verpasst?«, erkundigte er sich.

Judy schüttelte den Kopf, übergangslos wieder ernst. »Nein, nur der alltägliche Irrsinn, der in meinem Kopf herumspukt. Mach dich bereit, in einer halben Stunde zu übernehmen. Ich möchte ein paar Telefonate führen und versuchen, einige alte Kontakte zu reaktivieren.«

Lyndon B. Johnson Space Center

Houston, Texas, 06. Januar 2022,15:28 Uhr (CST)

Die akustischen und optischen Warnsignale waren so dezent, dass ein Uneingeweihter sie vermutlich nicht bemerkt hätte, dafür schrillten die Alarmglocken in den Köpfen der Techniker und Wissenschaftler im NASA-Kontrollzentrum umso lauter. Doch noch bevor Gerome Clavius reagieren und nachfragen konnte, zeigten die meisten Systeme schon wieder Normalwerte an.

Die meisten Systeme. Die Zephyr-Kapsel mit dem Missionsnamen Phaethon I von UnlimitedSky befand sich wieder in der Radarortung, die Funkverbindung und Telemetrie funktionierten. Was weiterhin kritisch blieb, war ein Wust von Fehlermeldungen betreffend einiger gravierender Diskrepanzen zwischen etlichen Daten der Zephyr-Kapsel und der Bodenstationen. Aller Bodenstationen, die der NASA, der Air Force und der von UnlimitedSky in Nevada.

»Phaethon I, hier Mission Control«, sagte der Flugleiter scheinbar unbeeindruckt, »wir hatten einen kurzfristigen Kontaktausfall. Bitte um Bestätigung des Kontaktes und Statusbericht.«

»Mi- Mi- iiision ...«, tönte es verzerrt aus den Lautsprechern und Kopfhörern der Techniker. Die Frauen und Männer wechselten irritierte Blicke. Clavius hatte bereits zum Kontrollzentrum von UnlimitedSky im Südwesten Nevadas umgeschaltet. »UnSky, könnt ihr unsere Fehlermeldungen bestätigen?«, fragte er heiser.

»Positiv, Houston«, kam die Antwort der Flugleitung aus Nevada, die die Mission lediglich passiv als Backup begleitete, bereit, die Kontrolle im Notfall sofort zu übernehmen. »Kompletter Kontaktausfall für 2,7 Sekunden auf allen Frequenzen, seither Erfassung wieder rundum stabil, aber zeitliche und räumliche Diskrepanzmeldungen aller Systeme.«

Ähnliche Bestätigungen kamen von sämtlichen zugeschalteten terrestrischen Kontrollstationen der NASA, der Air Force und der ESA, die einen der Astronauten stellte. Clavius zweifelte nicht daran, dass sich in Kürze auch die Chinesen, Russen, Japaner und alle anderen Nationen melden würden, die offiziell mit den Amerikanern kooperierten oder die Phaethon-I-Mission anderweitig verfolgten. Schließlich handelte es sich um kein Geheimprojekt.