Die UFO-AKTEN 8 - Marten Veit - E-Book

Die UFO-AKTEN 8 E-Book

Marten Veit

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Beschreibung

Im Westen Minnesotas tauchen seit geraumer Zeit immer wieder Korn- und Maisfeldkreise auf. Letztere haben sich aber zumeist als das Werk von Spaßvögeln herausgestellt.
Neue Fragen ergeben sich jedoch, als an denselben Stellen Schneefeldkreise gesichtet werden. Deren Fälschung ist aufgrund der geschlossenen Schneedecke natürlich ungleich schwerer. Hinzu kommt, dass von seltsamen Leuchterscheinungen über den Kreisen die Rede ist.
Um Erklärungen zu finden und Spuren zu verwischen, schickt Jeremy McKay unverzüglich zwei junge NSA-Agenten an den Ort des Geschehens. Auch Cliff und Judy erfahren von diesem Phänomen und machen sich auf den Weg dorthin. Als Judy sich selbst bei der Untersuchung des neuesten Schneefeldkreises in dessen flirrenden Lichtspiralen wie in einem Spiegelbild sieht, reagiert sie völlig verstört...


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Inhalt

Cover

Hinter den Spiegeln

Epilog

UFO-Archiv

Vorschau

Impressum

Marten Veit

Hinter den Spiegeln

Ein reges Treiben herrscht im NSA-Hauptquartier. Jeremy McKay und ein paar seiner vertrautesten Mitarbeiter haben sich dort im Büro des Vorgesetzten versammelt, um die neueste Video-Aufzeichnung eines Schneefeldkreises zu betrachten. Es ist bereits die zweite authentische Aufnahme dieser seltsamen Piktogramme mit temporären Lichtwirbeln, die seit einem Monat auf den abgeernteten und mit Schnee bedeckten Feldern Minnesotas gesichtet werden.

Die Ursache konnte bislang nicht geklärt werden. Es drängt sich jedoch der Verdacht auf, dass einige dieser Kreise keine menschlichen Urheber haben. Die NSA setzt alles daran, neue Erkenntnisse zu gewinnen, während sie gleichzeitig Fakes streut, um die breite Öffentlichkeit über dieses Phänomen zu täuschen...

»Achtung, Sir, jetzt passiert es!«, verkündete der junge Mann mit kaum verhohlener Aufregung.

Auf dem großen Wandmonitor in dem abgedunkelten Büro, der eine unberührte Schneefläche zeigte, erschien ein gleißender konturloser Fleck wie aus dem Nichts, der eine Weile reglos in der Luft verharrte, bevor er einen Ring formte, der rhythmisch zu pulsieren begann und wie ein Jo-Jo auf- und abstieg.

Jeremy McKays Gesicht blieb völlig reglos, während er beobachtete, wie sich unter dem bläulich strahlenden Ring eine Reihe konzentrischer Kreise in der geschlossenen Schneedecke bildete. Der Kameramann, der die Szenerie offensichtlich aus größerer Entfernung herangezoomt hatte, kehrte in die Totale zurück, um das sich wie von Geisterhand formende geometrische Gebilde im Schnee in seinem ganzen Ausmaß zu erfassen.

Die konzentrischen Kreise im Schnee erweiterten sich nach allen Seiten hin zu einer Art Piktogramm, wie es von diversen Kornkreisfeldern bekannt war.

»Alle Linien sind fast gleichzeitig entstanden«, erklärte der junge Agent. »Auch die zu den Rändern hin. Aber da ich mich auf den schwebenden Energiering konzentriert habe, ist die Entwicklung hier leider nicht in Echtzeit zu sehen.«

»Schwebender Energiering?«, fragte McKay ruhig. Seine Stimme klang sachlich, frei von jeglichen Emotionen, und paradoxerweise wirkte gerade das wie ein Tadel. »Meinen Sie damit die Drohne?«

»Die ... die Drohne?« Der junge Mann räusperte sich verunsichert und drückte auf die Pause-Taste. »Sir, dieser Lichtkreis da,« – er deutete auf das verschwommene, bläulich leuchtende Gebilde in der Luft, das tatsächlich wie ein Ring aus Rauch oder Nebel aussah – »das war definitiv keine Drohne. Was auch immer das ist, es war nicht materiell. Sehen Sie selbst, wie es sich gleich auflöst!« Er drückte erneut auf die Play-Taste.

Die Amplitude des auf- und abwärts schwingenden ringförmigen Leuchtens verringerte sich, bis der gleißende Kreis völlig zum Stillstand kam. Dann schwoll er unvermittelt zur dreifachen Größe an und löste sich genauso schnell auf, wie er in der Luft über der Schneefläche materialisiert war.

Die winterliche Landschaft wirbelte auf Schwindel erregende Weise, als der unsichtbare Kameramann den 4K-UHD-Camcorder in einem 180-Grad-Kreis herumschwenkte und aus nächster Nähe auf sein eigenes Gesicht richtete. Es war das des jungen Agenten, und er blinzelte hektisch. »Bredlington, Minnesota, 29. November, 15:33 Uhr«, ertönte seine Stimme etwas atemlos aus den Lautsprechern. »Agent Benjamin Cloburn. In Begleitung von Agent Toby Decker.«

Sein Gesicht verschwand, als er den Camcorder erneut herumschwenkte und auf das seines Partners richtete, einen noch jüngeren Mann als er selbst, der offensichtlich immer noch mit einer schlimmen spätpubertären Akne zu kämpfen hatte und linkisch grinsend in die Kamera winkte.

»Ich bestätige hiermit die Angaben von Agent Cloburn«, sagte Decker.

Agent Benjamin Cloburn drückte die Stopp-Taste.

»Schade, dass Sie den Abflug der Drohne nicht filmen konnten«, sagte McKay, und wieder schien in seiner Stimme der Anflug eines Tadels mitzuschwingen, obwohl sich sein Tonfall nicht verändert hatte.

»Aber da war keine ...«, setzte Cloburn zu einem Protest an, der ihm mitten im Hals erstickte, als er McKays Blick auf seinem Gesicht ruhen fühlte. »... Drohne ...«, beendete er den Satz hilflos. »Es war, es war ...«

»Was war es dann, Junge?«, erkundigte sich der dritte Mann im Raum, der hinter McKays Schreibtisch an der Wand lehnte, freundlich. »Wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie es als ›Energiering‹ bezeichnet. Als etwas nicht Materielles. Was ist das, ein nicht materieller Energiering?«

»Ich weiß ... ich habe ... ich habe ...« Cloburn schluckte mühsam und schüttelte den Kopf. »Ich habe nie behauptet, dass ich weiß, was das war«, erklärte er defensiv. »Es ist einfach so aufgetaucht« – er schnippte mit den Fingern – »und dann wieder verschwunden. Ich weiß nur, dass es keine Drohne war. Und es hat diese Linien und Kreise im Schnee ... gemacht. Oder erzeugt, hinterlassen ... irgendwie ...«

»Sicher«, erwiderte der dritte Mann, der mindestens zwei Meter maß und Schultern wie ein Wrestler hatte, mit einer sanften und freundlichen Stimme, die so gar nicht zu seiner äußeren Erscheinung passen wollte. »Das haben Ihre Aufzeichnungen ja gezeigt.«

Er drückte auf den Lichtschalter neben der Tür, löste sich von der Wand und trat neben McKays Schreibtisch. »Ein immaterieller, bläulich strahlender Energiekreis über einer hellen Schneefläche in der Luft vor der tief stehenden Wintersonne im Westen, der plötzlich aus dem Nichts erscheint und wieder im Nichts verschwindet. Der binnen Sekunden komplizierte Kreise und Strukturen in den Schnee malt. Das haben wir alle gesehen. Sie, Mr. McKay und ich. Und Ihr Partner, Agent Toby Decker, ist Ihr Zeuge. Richtig?«

»Ich ... ich ...« Ein Anflug von Trotz blitzte in Cloburns Augen auf und erlosch gleich darauf wieder. Seine Schultern sackten herab. »Ich weiß nicht wirklich, was ich, was wir« – er deutete auf den mittlerweile dunklen Monitor an der Wand von Jeremy McKays Büro – »da gesehen haben. Aber es war nicht, es kann nicht ... es ist bestimmt keine ... Es ist nicht von dieser Welt ...«

»Danke, Agent Cloburn«, erlöste McKay den jungen Mann, der mittlerweile selbst nicht mehr zu wissen schien, was er eigentlich glauben und sagen sollte. »Gute Arbeit. Wir werden die weitere Auswertung Ihrer Aufnahmen unseren Freunden vom NRO überlassen.« Er deutete mit einem kaum sichtbaren Rucken seines Kinns in Richtung der Tür. »Sie können gehen.«

Benjamin Cloburn starrte McKay einen Moment lang verunsichert an, als traute er dem Frieden nicht. Dann nickte er hastig, vollführte eine fahrige Geste, die fast wie ein militärischer Salut anmutete, und stolperte beinahe zur Tür.

»Eins noch, Agent Cloburn«, fügte McKay hinzu, bevor der junge Mann das Büro verlassen konnte. Obwohl er weder die Stimme erhoben hatte noch sich auch nur eine Nuance seines sachlichen Tonfalls veränderte, blieb Cloburn so abrupt stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. »Versuchen Sie bitte, in Ihrem Bericht möglichst genaue Angaben bezüglich der Größe, Form und Geschwindigkeit der Drohne zu machen.«

Cloburn, dessen Züge zu entgleisen drohten, nickte erneut hastig und floh geradezu aus dem Büro.

Die Tür hatte sich kaum hinter ihm geschlossen, als sich das Gesicht des Mannes mit der Figur eines Schwergewichtringers zu einem breiten Grinsen verzog. »Was, denken Sie, wird in seinem Bericht stehen, Sir?«, fragte er.

»Eine ziemlich präzise Beschreibung des Vorfalls, wobei die Frage über die Natur und Funktionsweise der ›Drohne‹ weitestgehend unbeantwortet bleiben wird, Mr. Powell«, erwiderte McKay. »Wozu Sie mit Ihrer gelungenen Zusammenfassung der Situation nicht unerheblich beigetragen haben.«

»Die Drohne ...« Powell kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Das ist bereits die zweite authentische Aufnahme dieser seltsamen Leuchterscheinungen über einem Schneefeldkreis in diesem Monat. Und drei weitere Berichte von ziemlich ernstzunehmenden Zeugen im gleichen Zeitraum bestätigen den Ablauf der Vorfälle. Wenn das so weitergeht, haben wir bald ein echtes Problem. Die ersten seriösen Medien beginnen, sich für die Kreise und Piktogramme zu interessieren.«

»Ich weiß.« McKay schloss eine Sekunde lang die Augen, und seine Kiefermuskeln arbeiteten deutlich sichtbar. Eine ungewohnte Zurschaustellung von Anspannung, die Sam Powell seltsam berührte. Jeremy McKays Selbstbeherrschung war legendär. Wenn er auch nur eine Spur von Besorgnis zeigte, verhieß das nichts Gutes.

»Unsere Leute sind bereits vor Ort«, sagte der hagere Mann, der selbst in den höchsten Kreisen der NSA als undurchsichtig galt. Ein Mann, um dessen Kompetenzen und Einfluss in der Welt der amerikanischen Geheimdienste sich Legenden rankten. »Zwei unserer besten Faker haben das Piktogramm bei Oak Springs so gründlich manipuliert, dass es selbst von den eingefleischtesten UFO-Fans als Fälschung betrachtet werden muss. Und ein paar echte Spaßvögel sind mit ihren Schneefeldkreisen ebenfalls aufgeflogen.«

»Ihr Wort in Gottes Ohr. Hoffen wir, dass nicht demnächst irgendwelche Live-Bilder wie die von Agent Cloburn und Decker über die Bildschirme flimmern, bevor wir sie in die Finger bekommen.«

McKays schmale Lippen verzogen sich zur Andeutung eines Lächelns, das die stoische Reglosigkeit seines scharfgeschnittenen, irgendwie alterslos wirkenden Gesichts noch betonte. »Es wäre nicht das erste Mal, dass wir Erklärungen dafür nachliefern, wie die Aufnahmen gefälscht worden sind«, erwiderte er. »Oder eigene Aufnahmen aus einem anderen Blickwinkel beisteuern, die auf den ersten Blick echt wirken, aber bei genauerer Analyse durch Experten die Art der Manipulation verraten.«

Powell nickte. McKay hatte die Kunst der Desinformation über die Jahre hinweg perfektioniert. Mit dem nötigen Einfallsreichtum und den technischen Ressourcen im Hintergrund ließen sich praktisch alle Aufnahmen im Nachhinein zuverlässig als »Fälschungen« entlarven. »Und was ist mit Campbells Leuten? Fürchten Sie nicht, dass sie die eine oder andere Manipulation Ihrer ›Fälschungen‹ auffliegen lassen könnten?«

»Campbell hat ebenso wenig wie wir ein Interesse daran, dass Informationen über Vorkommnisse, die sich unserer Kontrolle entziehen, an die Öffentlichkeit gelangen«, erklärte McKay gelassen. »Er überlässt es nur zu gerne uns, die Drecksarbeit zu erledigen, damit er sich die Hände in Unschuld waschen und sich als weißer Ritter fühlen kann. Auch wenn er es sich nie eingestehen würde, im Prinzip weiß er ganz genau, dass wir im selben Boot sitzen. Nur hat er es sich mit seinen Leuten auf dem Sonnendeck bequem gemacht, während wir uns im Maschinendeck die Hände schmutzig machen dürfen. Nein, mein Freund, seien Sie beruhigt, was auch immer Campbells Spürhunde herausfinden, er wird es unter Verschluss halten.«

Der große Mann mit der Wrestlerfigur nickte erneut, ohne sich sein Befremden darüber anmerken zu lassen, dass McKay ihn gerade als seinen »Freund« bezeichnet hatte. Wurde der Alte etwa weich? Nein, entschied Powell. Letztendlich war auch McKay nur ein Mensch und als solcher nicht völlig immun gegen die eine oder andere menschliche Regung. Außerdem hatte seine Definition von Freundschaft garantiert herzlich wenig mit dem zu tun, was der Rest der Menschheit darunter verstand.

Das ist nur seine Art, mir zu versichern, dass er an seiner Absicht festhält, mich zu seinem Stellvertreter und Nachfolger aufzubauen, dachte er.

»Wie wir hat auch er seine Leute in Minnesota und Umgebung ausschwärmen lassen, um sich die aktuellen Schneefeldkreise anzusehen«, fuhr McKay fort. »Ich gehe davon aus, dass auch Conroy und Davenport mit von der Partie sein dürften.«

»Sein dürften?«, hakte Powell nach.

»Genau«, bestätigte McKay. »Conroy scannt seinen Camper mittlerweile derart gründlich und regelmäßig nach Wanzen und versteckten Peilsendern ab, dass wir ihn immer wieder aus den Augen verlieren, sobald er den Erfassungsbereich unserer Überwachungssatelliten verlässt. Die Jungs vom National Reconnaissance Office gehen davon aus, dass er die Schwachstellen in unserem Überwachungsnetz kennt und uns regelmäßig mit gefälschten GPS-Signaturen täuscht.«

»Er ist schon ein ausgekochter Hund«, knurrte Powell. »Schade, dass er nicht auf unserer Seite steht.«

»Ja, Conroy und Davenport sind nicht zu unterschätzen«, bestätigte McKay, und Powell bildete sich ein, einen Anflug von Respekt in der Stimme seines direkten Vorgesetzten mitschwingen zu hören. »Aus diesem Grund hat ›Buzz‹ auch nicht gezögert, sie Campbell als zukünftige Mitarbeiter zu empfehlen. Aber letztendlich ist alles genau so gelaufen, wie ich es erwartet habe. Auch wenn es Conroy und Davenport regelmäßig für eine Weile gelingt, sich unsichtbar zu machen, fungieren sie letztendlich wie ein Peilsender für uns. Solange wir alle Gegenden im Auge behalten, in denen sich UFO- und Psiphänomene häufen, werden wir sie immer wieder aufspüren und wissen, worauf Campbell seinen Fokus gerade gerichtet hat.«

Er gestattete sich erneut die Andeutung eines Lächelns. »Und sollten wir ihre unfreiwillige Mitarbeit nicht länger benötigen, verfügen wir immer noch über die erforderlichen Mittel, alles aus ihnen herauszuquetschen, was sie wissen. Aber auf diese Möglichkeit würde ich nur als Ultima Ratio zurückgreifen. Weil ihre intellektuellen Fähigkeiten danach nicht einmal mehr dafür taugen würden, Schuhe in der Provinz zu verkaufen.«

US Highway 212 nahe DawsonMinnesota, 01. Dezember 2021, 11:15 Uhr

Judy Davenport stand breitbeinig vor dem Spiegel in der winzigen Nasszelle des grünmetallic lackierten Winnebagos und versuchte, das Schwanken und die Fliehkräfte des Wohnmobils mit leicht angewinkelten Knien zu kompensieren, während sie mit einem Pinsel einen Hauch von Lidschatten auftrug.

Sie neigte nicht dazu, sich übermäßig zu schminken, und häufig verzichtete sie sogar gänzlich auf Make-up, aber ein dezenter Lidstrich hier und eine Spur von Rouge da vermittelten ihr das beruhigende Gefühl einer gewissen Normalität, eines ganz gewöhnlichen Lebens innerhalb der vertrauten Routinen einer durchschnittlichen amerikanischen Staatsbürgerin.

Dabei war das Leben, das Cliff Conroy und sie seit nun rund zwölf Wochen führten, alles andere als das von gewöhnlichen amerikanischen Staatsbürgern. Ganz zu schweigen von irgendeiner Normalität oder Routine.

Momentan befanden sie sich auf dem Weg zu einem längst abgeernteten Maisfeld an der Grenze zwischen Minnesota und South Dakota, irgendwo in der Nähe der Kleinstadt Mansfield, um eine Reihe von Schneefeldkreisen zu inspizieren. Aber nicht etwa im Auftrag irgendeiner wissenschaftlichen Institution, eines Rundfunksenders, einer Zeitungsredaktion oder einer privaten Organisation wie MUFON, sondern im Auftrag von Senator James Victor Campbell. Allerdings nicht in offizieller Mission, wenn auch mit den Befugnissen von US-Bundesmarshals. Und mit der Vorgabe, von ihren Dienstausweisen möglichst wenig Gebrauch zu machen.

Judy fluchte verhalten, als ein Schaukeln des Campingmobils den Pinsel verrutschen ließ. »Könntest du vielleicht ein bisschen zivilisierter fahren?«, rief sie laut durch den schmalen Spalt der nur angelehnten Tür der Nasszelle. »Bei den derzeitigen Temperaturen halten die Schneefeldkreise noch tagelang.«

»Sorry, musste einem Waschbären ausweichen!«, rief Cliff zurück. »Vielleicht war es auch eine große Katze. Katze von links nach rechts bringt Pech. Ganz besonders, wenn man sie überfährt!«

Judy verkniff sich eine Antwort, fischte ein Wattebäuschchen aus ihrer Kosmetiktasche und zuckte zusammen, als ein stechender Schmerz rechts unterhalb des Bauchnabels durch ihren Unterleib schoss.

Genauso schnell, wie er gekommen war, ebbte das scharfe Brennen wieder ab und hinterließ nur ein unangenehmes Kribbeln, etwa so, als kehrte das Gefühl in einen eingeschlafenen Arm zurück.

Verdammt!, dachte sie. Nicht das schon wieder! Sie legte den Wattebausch zu dem Kosmetikpinsel in das kleine Waschbecken unter dem Spiegel und begann, den Knopf der Jeans zu lösen, um sich die ominöse Narbe auf ihrem Bauch anzusehen, als sie erneut zusammenzuckte. Doch diesmal nicht aufgrund von Schmerzen, sondern ...

Ihr Gesicht, das ihr aus dem Spiegel entgegenstarrte, hatte sich verändert. Ihr glattes dunkelbraunes Haar war zerzaust, die Haut um die Wangen herum verschmiert, die Augen gerötet. Einen Moment lang schien ihr Gesicht eingefroren zu sein, dann bewegten sich ihre Lippen lautlos und eindringlich.

Sie blinzelte. Obwohl sie die Lippen zusammengepresst hatte, bewegte sich der Mund ihres Spiegelbildes weiter, öffnete und schloss sich lautlos, als versuchte er, ihr irgendetwas Wichtiges mitzuteilen. Doch das war nicht alles, was Judy einen eisigen Schauder über den Rücken laufen ließ. Fast noch erschreckender war der Hintergrund rechts und links von ihrem Gesicht.

Statt der Tür der kleinen Toilette entdeckte sie dort eine hügelige grüne Landschaft.

Sie blinzelte erneut, schloss einen Moment lang die Augen, atmete tief durch und öffnete die Augen wieder.

Das Gesicht im Spiegel vor ihr war das ihre, mit einem matten dunklen Strich über dem rechten Lid, und hinter ihrem Kopf entdeckte sie die schräg angelehnte Tür der Nasszelle. Kein zerzaustes Haar, keine geröteten Augen, keine sommerliche grüne Hügellandschaft im Hintergrund.

Judy stieß den angehaltenen Atem aus und schüttelte den Kopf. Ihr Spiegelbild tat das Gleiche.

Ich muss unbedingt mit Cliff sprechen, dachte sie. Ich hätte ihm längst von der Narbe auf meinem Bauch erzählen müssen, gleich nachdem sie vor einem Monat wie aus dem Nichts erschienen ist.

Doch schon während sie das dachte, wusste sie bereits, dass sie es nicht tun würde. Und noch während sie sich fragte, was der Grund für dieses irrationale Verhalten sein mochte, begann die Erinnerung an Schärfe zu verlieren, als handelte es sich um eine unbedeutende Kleinigkeit wie einen lästigen Juckreiz oder einen hartnäckigen Schluckauf, der ihr eine Weile zu schaffen gemacht hatte.

Sie ergriff den Wattebausch und den Kosmetikpinsel, entfernte den verunglückten Strich auf dem rechten Augenlid und begann, leise vor sich hin zu summen.

Es war ein alter Song von Eric Clapton, und Judy hörte im Kopf nur die Melodie, nicht aber den Text, mit dem ihr Unterbewusstsein vergeblich versuchte, ihr eine Botschaft zu übermitteln:

Ain't no use to sit and wonder why, babe.

It don't matter anyhow ...

Ein Feldweg an der 220th Avenue, kurz vor der Grenze zwischen Minnesota und South Dakota, 01. Dezember, 11:27 Uhr

»Das ist verdammt gute Arbeit«, sagte Chris Bannon anerkennend, den Blick fasziniert auf das Display der Fernsteuerung gerichtet.

Die Drohne schwebte rund fünfzig Meter über der Schneefläche und erfasste das gesamte Piktogramm, fünf knapp zehn Meter durchmessende Mehrfachkreise, die ein Kreuz bildeten, dessen Längsachse exakt in Nord-Süd-Richtung verlief. Jeder der Kreise bestand wiederum aus sieben konzentrischen Einzelringen um einen vertieften Mittelpunkt.

»Keine Fußspuren zu sehen, keine Schneeverwehungen zwischen den einzelnen Ringen«, murmelte Robert Meyer, der seinem Kumpel über die Schulter blickte. »Die müssen genau den richtigen Zeitpunkt abgepasst haben, kurz bevor die Temperaturen über den Gefrierpunkt geklettert sind und der Schnee an den Rändern verpappt ist. Und sie müssen eine gottverdammt leistungsfähige Lastendrohne benutzt haben. Oder mehrere. Echte Profis. Hätten wir nicht besser hinkriegen können.«

Chris knurrte zustimmend. Die Kreise konnten nicht älter als eine Stunde sein, da es bis kurz nach neun Uhr leicht geschneit hatte und die Temperaturen erst danach über den Gefrierpunkt gestiegen waren und die Struktur so fixiert hatten, dass der Wind keinen Schnee in die Ringfurchen wehen konnte. »Hoffen wir, dass sie nicht bereits Aufnahmen davon gemacht und verhökert haben.«