Die UFO-AKTEN 19 - Logan Dee - E-Book

Die UFO-AKTEN 19 E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

Wohl jeder hat schon einmal von der griechischen Sage um die drei Gorgonenschwestern Stheno, Euryale und Medusa gehört. Ihre Haare waren lebende Schlangen; ihr Blick ließ Menschen versteinern. Erst Perseus gelang es mithilfe eines spiegelnden Schildes, Medusa zu überlisten und zu enthaupten.
Als nun im Jahr 2022 im Grand Canyon ein roboterhaftes Wesen gesichtet wird und die Augenzeugen kurze Zeit später mit versteinerten Gliedmaßen sterben, scheint die Legende wieder aufzuleben. Was geht in den felsigen Schluchten vor sich? Wer steckt hinter dieser »modernen Medusa«?
Cliff Conroy und Judy Davenport wagen sich in die Höhle der Gorgonen. Doch wie soll man gegen einen Gegner ankommen, der mit einem einzigen Blick zu töten vermag?


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Inhalt

Cover

Das Medusa-Syndrom

UFO-Archiv

Vorschau

Impressum

Logan Dee

Das Medusa-Syndrom

John Craddocks Jagdhütte

Grand Canyon, Arizona, 17. Februar 2021, 20:53 Uhr

Missmutig beobachtete Elvira Craddock die anderen jungen Leute in der Holzhütte und schmollte vor sich hin. Irgendwie war die Luft aus dieser Party raus. Es war erst kurz vor neun Uhr, aber die Stimmung steuerte bereits auf den Nullpunkt zu. Es war ein Fehler gewesen, die anderen einzuladen. Sie hätte das Wochenende besser allein hier oben verbracht.

Cathy, ihre beste Freundin, hatte das Desaster angezettelt, indem sie ziemlich hemmungslos mit Joe geflirtet hatte. Sie war eine langbeinige Schönheit, die jeden Mann um den Finger wickeln konnte.

Doch wie viel schlimmer der Abend noch werden sollte, war Elvira noch gar nicht bewusst, als sie zum Zeitvertreib ein Ouija-Brett aufbauten...

Elvira war nicht entgangen, dass Joe die ganze Zeit wie hypnotisiert auf Cathys »Vorzüge« gestarrt hatte. Im Gegensatz zu ihr war seine jetzige Freundin, Tatjana, eher zierlich gebaut. Nichtsdestotrotz war Tatjana auf ihre Art mindestens ebenso reizvoll wie Cathy. Man sah ihr die polnischen Vorfahren an. Die geheimnisvollen, rassigen Züge und die rätselhaften grünen Katzenaugen, die normalerweise ganz freundlich blickten, nun allerdings mörderisch im Schein der Kaminflammen funkelten, gaben ihr einen ganz besonderen Charme. Sie und Joe kannten sich erst seit ein paar Wochen, aber sie hätte nie gedacht, dass er so schnell treulos werden würde.

Und dann auch noch auf offener Bühne, während die anderen zusahen!

Der zweite Pechvogel im Bunde war Marcus. Cathy hatte ihn im Schlepptau gehabt, und es hatte ganz so ausgesehen, als wären die beiden ein perfektes Paar. Jetzt, da sie mit Joe angebandelt hatte, war er abgeblitzt und saß ziemlich mürrisch in der Ecke herum.

Marcus stammte aus San Diego und entsprach mit seinen ein Meter neunzig äußerlich ganz dem Klischee eines braungebrannten, athletischen Surfers. Er und Cathy waren ein Paar wie aus dem Bilderbuch gewesen. Marcus fragte sich, was sie an diesem Joe bemerkenswert fand. Er war klein, behaart wie ein Affe, und sein bleiches Gesicht war eher hässlich als markant. Es hatte Ähnlichkeit mit seinem Hund, einem Beagle, den er auch dieses Wochenende mitgebracht hatte. Wieder einmal ein Beweis dafür, dass sich Hund und Herrchen anglichen, je länger sie zusammen waren. Hector, der Beagle, schien schon ziemlich alt zu sein. Er saß gähnend in der Ecke und schaute sich gleichmütig das Treiben der Menschen an.

Jedenfalls hatte dieser Joe etwas an sich, das die Frauen anzog. Schließlich war auch Tatjana nicht gerade unansehnlich. Eigentlich sieht sie sogar viel zu gut aus, um sich mit einem Typen wie Joe abzugeben, dachte Marcus verbittert. Er fischte sich eine weitere Flasche Salitos aus der Kiste und setzte sie an die Lippen.

Elvira überlegte ernsthaft, ob sie die Party nicht lieber verlassen sollte. Dieser Marcus zog sich eine Flasche nach der anderen herein. Hoffentlich würde er nicht irgendwann ausrasten, so, wie er seine Begleiterin (Ex-Begleiterin!) die ganze Zeit anstarrte.

Cathy ließ sich davon nicht beirren.

»Hat denn keiner Lust zu tanzen?«, rief sie. Ihre Stimme verriet, dass auch sie dem Alkohol bereits reichlich zugesprochen hatte. Sie wartete die Antwort auf die Frage nicht ab, sondern zog ihren augenblicklichen Favoriten in die Mitte des Raumes. Neben ihr, der blonden Schönheit, wirkte der gnomenhafte Joe tatsächlich wie ein Versehen.

Aus den Lautsprechern tönten die Klänge von Nirvana. Ab und zu lief auch mal ein Song der Red Hot Chili Peppers oder von Maroon 5. Vor allem die Stimme Kurt Cobains ließ Elvira schaudernd daran denken, wie zerbrechlich Glück und Erfolg waren. Sie empfand es geradezu als makaber, wie sich Cathy zu den Worten des toten Sängers aufreizend im Rhythmus der Musik bewegte. Joe gab sich nicht minder ekstatisch den Klängen hin, und beide lieferten sich ein groteskes Tanzschauspiel, das sogar eine gewisse Faszination auf die anderen ausübte.

Warum nicht tanzen, dachte Elvira. Vielleicht würde es ja die Atmosphäre wirklich ein wenig entspannen. Sie erhob sich von ihrem Bärenfell und schaute in die Runde. Marcus nahm gerade einen weiteren tiefen Schluck. Elvira hatte ihre Zweifel, ob er überhaupt noch richtig stehen konnte. Einen Augenblick überlegte sie, ob sie nicht lieber mit Tatjana tanzen sollte als mit dem kalifornischen Sunnyboy. Aber Tatjana schaute so verdrießlich drein, dass es wahrscheinlich zwecklos gewesen wäre, sie aufzufordern.

Elvira baute sich vor Marcus auf.

»Gib dir einen Ruck«, sagte sie. »Lass uns tanzen.«

Jetzt erst schien er sie richtig wahrzunehmen. Überhaupt war Elvira jemand, deren Schönheit man erst auf den zweiten Blick zur Kenntnis nahm. Ihre Maße waren nicht weniger perfekt als die Cathys, jedoch stellte sie sie weniger aufreizend zur Schau. Ihre Haare waren dunkelblond, und sie wäre, im Gegensatz zu Cathy, nie auf den Gedanken gekommen, sie blond zu färben.

Sie fühlte, wie Marcus sie durch seine dumpfe Versunkenheit aus gekränkter Eitelkeit und Alkohol anstarrte.

»Keine Lust«, sagte er schließlich.

»Los, raff dich schon auf!«

Mit einem Seufzer ließ sich Marcus hochziehen. Er schwankte. Elvira legte ihren Arm um seine Hüfte und bugsierte ihn zur improvisierten Tanzfläche.

Cathy und Joe tanzten mittlerweile eng umschlungen, ohne sich um den Rhythmus der Musik zu kümmern. Es war wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis sie sich von den anderen verabschieden und in eine der Schlafkammern zurückziehen würden.

Marcus stand fast regungslos auf der Tanzfläche und starrte die beiden noch unverwandter als zuvor an. Seine umnebelten Augen funkelten gefährlich. Er brauchte nur den Arm auszustrecken, um seinen Kontrahenten niederzustrecken. Und Elvira hatte nicht den geringsten Zweifel, dass er der Stärkere war. Ihr wurde bewusst, dass es vielleicht doch nicht die klügste Idee gewesen war, ihn ausgerechnet auf die Tanzfläche zu ziehen.

Im nächsten Augenblick stieß er mit dem tanzenden Paar zusammen. Es reichte aus, um den Funken in ihm zu entfachen.

»Kannst du nicht aufpassen, du Schwachkopf!«, brüllte er Joe an.

Der gab den Blick ruhig zurück. »Du solltest dich besser aufs Ohr legen. Oder mit dem Trinken aufhören. Jedenfalls bist du überall besser aufgehoben als hier.«

»Das könnte dir so passen!«, gab Marcus zurück. »Wenn du glaubst, dass ich dir Cathy so einfach überlasse, hast du dich geschnitten!«

Mit unverblümten Absichten baute sich Marcus vor dem schmächtigen Joe auf. Er wollte ihm einen Stoß verpassen, aber seine Bewegungen waren derart plump, dass seine Absicht zu durchschauen war. Aber auch so wäre Joe ihm wahrscheinlich zuvorgekommen.

Mit kaum wahrnehmbarer Schnelligkeit hatte er einen Taekwondo-Griff angewandt, der den weit größeren und schwereren Marcus zu Boden zwang.

Wutschnaubend kam der athletische Hüne wieder auf die Beine.

»Dafür breche ich dir alle Knochen!«, knurrte er. Aber in diesem Augenblick ging Cathy beherzt dazwischen.

»Es reicht, ihr Idioten!«, schrie sie. »Ich komme mir vor wie bei irgendwelchen Wilden, die um eine Jungfrau kämpfen. Ich bestimme allein, mit wem ich tanze – und im Augenblick ist mir die Lust auf euch beide ziemlich vergangen!«

Elvira kam Cathy zu Hilfe und bugsierte Marcus wieder auf seinen Platz zurück. Die Stimmung war nun vollends hinüber. Und das nicht nur, weil der Bluetooth-Lautsprecher mit dem letzten Song der Playlist verstummte.

Cathy trat an ihre Freundin heran.

»Tut mir leid«, sagte sie ehrlich zerknirscht. »Ich glaube, wir haben dir das Wochenende tüchtig vermiest, oder?«

»Na ja, wer konnte das schon ahnen«, erwiderte Elvira. Wer konnte schon ahnen, dass das einzig Gemeinsame, das die fünf Leute verband, die Tatsache war, dass sie Medizin studierten und gerne Nirvana oder andere Rockbands hörten? Sie hätte bei der Auswahl, wen sie zu diesem Wochenende einlud, mehr Fingerspitzengefühl beweisen sollen. »Vielleicht sollten wir uns alle schlafen legen. Morgen ist auch noch ein Tag.«

»Ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns jetzt schon schlafen kann«, mischte sich Tatjana in das Gespräch ein. »Nach dem, was heute Abend passiert ist, wüsste ich auch gar nicht, wer mit wem zusammen schlafen sollte.« Der Stich ging in Richtung Joe, der jedoch mit keiner Regung zu erkennen gab, dass er sich getroffen fühlte.

»Trotzdem, für heute ist genug Porzellan zerschlagen worden ...«, sagte Elvira. Doch im Stillen musste sie Tatjana recht geben: Niemand würde an Schlaf denken wollen. Bis auf Marcus vielleicht, der sich bereits wieder seinen Bierflaschen zugewendet hatte.

»Wie wäre es mit einem Spaziergang?«, schlug Cathy vor.

Hector, der Beagle, gab ein Jaulen von sich.

»Zu eisig draußen!«, sagte Tatjana. Tatsächlich hatte es längst wieder zu schneien begonnen, sodass die Wege kaum von den Felsen zu unterscheiden waren. Für Unkundige war es in der Dunkelheit doppelt gefährlich dort draußen. Zu schnell konnte man vom Weg abkommen und in eine der Schluchten stürzen.

»Na ja«, fuhr Cathy fort, »zumindest Hector will anscheinend mal kurz verschwinden. Wir könnten ja eine kleine Runde mit ihm drehen.«

»Nicht nötig«, entgegnete Joe. »Der geht schon allein.« Er führte den Hund zur Tür, öffnete sie, und Hector sprang wie ein geölter Blitz hinaus.

Joe hatte die Tür nur einen Spaltbreit geöffnet, aber sofort drang die Kälte in das kaminbeheizte Zimmer. Er schlug die Tür rasch wieder zu.

»Also kein Spaziergang! Aber jetzt hab' ich's: Wie wäre es mit einer Séance?« Cathy ließ nicht locker. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, wollte sie es auch durchziehen. Sie wollte, dass die Party weiterging. Schon um Elvira nicht völlig vor den Kopf zu stoßen.

»Eine Séance?«, fragte Elvira. »Wie stellst du dir das vor?«

»Hast du mir nicht mal erzählt, dass hier früher so ein Indianer herumgespukt ist?«

»Ach, Quatsch«, antwortete Elvira schnell. Zu schnell, als dass die anderen es nicht bemerkten.

»Was ist mit dem Indianer?«, wollte Tatjana wissen. »Los, erzähl schon!«

Elvira sträubte sich noch immer. Ihr Vater hatte ihr die Geschichte mit dem Indianer erzählt. Er war öfter allein hier oben in der Hütte gewesen. Mehr als einmal hatte dabei ein Gesicht durchs Fenster gesehen. Es hatte sich um einen Indianer gehandelt, einen Hopi, Havasupai oder Navajo. Wann immer ihr Vater nach draußen geeilt war, war der Indianer verschwunden. Spurlos. Als hätte er sich in Nichts aufgelöst.

Ihr Vater, Big John Craddock, hatte sich schließlich mit der »Erscheinung« abgefunden. Lachend hatte er erklärt, dass es sich wohl um ein Gespenst handeln müsse. »Eine arme Seele, die wahrscheinlich hier in der Gegend umgekommen ist und noch immer nach Erlösung sucht.« Big John war kein ängstlicher oder abergläubischer Mensch. Aber er akzeptierte die Tatsachen, wie sie sich nun einmal darstellten. Also arrangierte er sich mit dem geheimnisvollen Indianer und betrachtete ihn seitdem als eine Art Inventar der Jagdhütte.

Elvira war bei diesen Erzählungen stets ein kalter Schauder über den Rücken gelaufen. Sie selbst hatte den Indianer nie zu Gesicht bekommen. Und sie fühlte sich in der Jagdhütte viel zu wohl, als dass sie jemals gewünscht hätte, die Geschichte ihres Vaters auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

Mit den Jahren hatte sie sie sogar erfolgreich verdrängen können. Mehr als einmal war sie übers Wochenende allein in der Hütte geblieben. Das hätte sie nie vermocht, wenn sie dabei ständig an den Indianer hätte denken müssen. Nur einmal hatte sie Cathy gegenüber eine Bemerkung gemacht.

In knappen Worten erzählte sie nun den anderen, was es mit der Erscheinung auf sich hatte.

»Ihr seht also, es ist nur eine Vermutung meines Vaters gewesen«, schloss sie. »Vielleicht hat ja wirklich mal ein Indianer durchs Fenster geguckt. Oder mein Vater hat mir schlichtweg einen Bären aufgebunden. Ich jedenfalls habe hier noch nie einen Indianer gesehen.«

»Nichts da!«, sagte Cathy. Ihre Wangen waren gerötet wie nach einem Liebesspiel. Offensichtlich erregte sie der Gedanke, dass es hier spukte, tatsächlich. »Wir werden dem Geist schon auf die Schliche kommen!«

»Jawohl!«, unterstützte Tatjana sie. »So richtig mit Beschwörungen und Tischerücken!«

Joe rümpfte die Nase. »Sind wir hier etwa im Kindergarten?«

»Sei still, du Ungläubiger!«, wies ihn Cathy zurecht.

»Also, wie fangen wir es an?«, fragte Tatjana. »Wir brauchen einen Tisch! Einen runden, an dem wir alle Platz haben.«

Elvira spürte, wie ihr das Ruder entglitt. Aber sie wollte keine Spielverderberin sein. Vielleicht würde Cathys Idee den Abend ja tatsächlich noch retten.

»Wir können den Tisch aus der Küche nehmen«, schlug sie vor. »Wir können uns ja direkt dort hinsetzen.«

»Also los! Alle Mann in die Küche!«, rief Cathy. Sie ging voran. Joe und Tatjana folgten ihr. Elvira blickte zurück zu Marcus.

»Machst du auch mit?«, fragte sie. Der blonde Hüne stierte sie an und brummte etwas Undefinierbares.

»Na, dann nicht«, seufzte Elvira und folgte den anderen, die sich bereits um den Tisch herum gruppiert hatten.

»Halt!«, verlangte die zierliche Tatjana. »Vielleicht solltest du uns erst einmal sagen, durch welches Fenster der Indianer hereingeschaut hat?«

Elvira zuckte mit den Achseln.

»Keine Ahnung«, war ihre erste Reaktion. Aber dann überlegte sie, ob ihr Vater sich entsprechend geäußert hatte, und schließlich fiel es ihr ein: »Es war in dem anderen Raum. Immer wenn er es sich vor dem Kamin bequem gemacht hatte ...«

»Schade«, sagte Joe, »aber ich fürchte, wir werden diesen Tisch nicht durch die Türöffnung kriegen.«

»Dann veranstalten wir unsere Séance eben hier. Ist doch egal«, sagte Cathy.

Zum Glück schien sie dieses Spiel nicht bierernst zu nehmen, dachte Elvira. »Der Tisch ist jedenfalls prima geeignet.«

Dann erklärte Cathy den anderen, was sie vorhatte.

»Wisst ihr, was ein Ouija-Brett ist?«, fragte sie.

»Also doch Kindergarten«, stichelte Joe.

»Nicht ganz: Wir haben es damals mal auf einer Klassenfahrt ausprobiert. Einige aus unserer Klasse haben daraufhin die ganze Nacht nicht mehr schlafen können. Wir brauchen eine Menge Zettel und ein leeres Wasserglas.«

Elvira brachte ihr das Gewünschte. Und sie vergaß auch den Bleistift nicht. Cathy riss das Papier zu kleinen Zetteln zurecht und schrieb darauf die Buchstaben des ABCs sowie JA und NEIN. Dann legte sie die Zettel zu einem Kreis auf dem Tisch aus. Das Glas stülpte sie um und stellte es in die Mitte.

»Also los, setzt euch!«, bat sie.

Die anderen nahmen um den Tisch herum Platz. Cathy legte die Fingerspitzen auf das Glas. Die anderen taten es ihr gleich. Elvira saß neben Joe und Tatjana. Sie spürte die Fingerspitzen der beiden anderen und fragte sich, ob ihre eigenen sich genauso kalt anfühlten.

In der Küche war es angenehm dämmerig. Nur aus dem angrenzenden Wohnraum drang Licht herein. Sie hörten Marcus mit den Flaschen herumhantieren.

»Schließt jetzt die Augen und versucht euch zu konzentrieren«, sagte Cathy. »Und du, Elvira, versuch dich an alles zu erinnern, was dein Vater erzählt hat. Versetz dich in seine Lage ...«

»Besser nicht«, murmelte Elvira, aber sie konnte nicht verhindern, dass ihre Gedanken tatsächlich um das eine Thema kreisten. Während sie die Augen geschlossen hielt, stellte sie sich bildhaft vor, wie ihr Vater allein hier gesessen hatte, während dieses Gesicht ihn durch das Fenster hindurch angestarrt hatte.

Wieder spürte sie den kalten Schauder, der ihr bei diesem Gedanken über den Rücken strich. Gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass die Finger ihrer Nachbarn unmerklich wärmer wurden und so etwas wie ein angenehmes Prickeln von ihnen auf ihre eigenen Hände überging. Ein Hauch von Elektrizität, der wahrscheinlich von ihrer inneren Spannung her zeugte.

Sie sah das Gesicht plötzlich ganz deutlich vor sich. Es war ein alter, weißhaariger Hopi-Indianer. Seine Züge waren zerfurcht. Seine ungewöhnlich blauen Augen blickten sorgenvoll. Es schien, als wolle er etwas sagen, aber sein Mund blieb verschlossen. In ihrer Fantasie konnte Elvira nur den Kopf erkennen. Darunter befand sich nichts, so als schwebe er.

Sie wollte die Augen öffnen, um das Bild zu verscheuchen, aber ihre eigene Faszination hielt sie davon ab.

»Spürt ihr es auch?«, hörte sie Cathy fragen. »Ich habe das Gefühl, dass wir nicht mehr allein sind.«

Die anderen sagten nichts. Elvira nickte nur, obwohl Cathy das wahrscheinlich nicht sehen konnte.

»Stimmt es, dass wir Besuch haben?«, fragte Cathy.

Elvira spürte, wie das Glas unter ihren Fingern erzitterte. Auch die anderen mussten es spüren. Dann bewegte sich das Glas wie von selbst zu einem der Zettel.

»JA!«, sagte Cathy. »Das Glas ist zu dem Zettel mit dem JA gerückt!« Ihre Stimme zitterte leicht. Wahrscheinlich war sie selbst überrascht, dass es tatsächlich zu funktionieren schien.

Cathy stellte die nächste Frage:

»Bist du – ein Geist?«

Das Glas erzitterte leicht, blieb aber auf den JA-Zettel gerichtet.

»Bist du ein indianischer Geist, der, von dem Elvira uns erzählt hat?«, fuhr Cathy fort.

Abermals erzitterte das Glas nur.

Elvira war sich fast sicher, dass keiner von ihnen das Zittern erzeugen konnte. Es war ein leichtes Vibrieren, das tatsächlich von dem Glas auszugehen schien.

»Du musst ihm eine andere Frage stellen«, hörte sie Tatjana sagen. »Eine, die er nicht mit JA beantworten kann.«

»Also gut: Wie heißt du?«, fragte Cathy weiter.

Das Glas begann sich zu bewegen. Es rückte zu einem der Buchstaben. Elvira hatte Mühe, dass ihre Fingerspitzen nicht abrutschten. Es verharrte bei dem S. Im nächsten Augenblick rutschte es schon weiter. Cathy hatte Mühe, in diesem Tempo laut mitzubuchstabieren:

»S-P-E-A-K-I-N-G-W-O-L-F. Sprechender Wolf!«

Das Glas kam neben dem F zum Stillstand.

»Komischer Name«, sagte Joe. »Als ob uns jemand auf den Arm nehmen will.«

Elvira saß wie versteinert da. In ihrer Vision hatte sie das Indianergesicht gesehen und das Gefühl gehabt, dass ihr die verschlossenen Lippen etwas sagen wollten. Und nun dieser merkwürdige Name, der ihre Vermutung zu unterstützen schien.

Ein Wolf, der sprechen will, fuhr es ihr durch den Kopf. Aber was hat er uns mitzuteilen?

Sie sprach ihren Gedanken laut aus.

»Mein Gott, ist das unheimlich«, sagte Tatjana. »Sollen wir es nicht lieber dabei bewenden lassen?«

»Nichts da!«, befahl Cathy. »Er will sprechen, ihr habt es doch gelesen. Also hören wir uns an, was er uns zu sagen hat.« Sie wandte sich wieder an den Geist: »Nun, hast du uns etwas mitzuteilen?«

Das Glas rückte auf JA.

»Vielleicht ein versteckter Schatz?«, erklang Cathys müder Versuch, dem Ganzen vielleicht doch noch eine harmlose Wendung zu geben.

NEIN

»Oder ein Geheimnis? Im weitesten Sinne ...«

JA

»Bist du uns wohlgesonnen?«

JA

»Willst du uns etwas zeigen?«

NEIN

»Willst du uns warnen?«

JA

»Wovor?«

G-E-F-A-H-R

»Gefahr? Was – oder wer – bedroht uns?«

Abermals begann das Glas wie von selbst von einem Buchstaben zum anderen zu wandern, während die fünf Studenten es mit den Fingern berührten. Es schien fast zu schweben. Wenn es ein Trick war, dann zumindest keiner, den Elvira sich auf natürliche Weise hätte erklären können. Es bedurfte mehr als bloßer Fingerfertigkeit oder eines Taschenspielertricks, um dieses Glas derart mühelos zu bewegen.

Aus dem Nebenraum ertönte ein Aufschrei – und im gleichen Augenblick zersprang das Glas in tausend Splitter!

Die vier Studenten fuhren erschrocken hoch. Es war schwer zu sagen, ob das Glas von selbst zersprungen war oder einer von ihnen es unabsichtlich oder absichtlich zu Fall gebracht hatte.