Die UFO-Akten 25 - Logan Dee - E-Book

Die UFO-Akten 25 E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

Die Statistik belegt, was eigentlich nicht sein kann: In einem bestimmten Chicagoer Stadtviertel schnellt nach einem Unwetter die Verbrechensrate sprunghaft in die Höhe - als würde irgendetwas die Menschen dort in die Kriminalität treiben. Gleichzeitig werden seltsame Beobachtungen gemacht: Geist- und Lichterscheinungen, telekinetische Phänomene...
Cliff Conroy und Judy Davenport grenzen den "Herd" der Vor-gänge ein. Es handelt sich um ein einzelnes Hochhaus aus den 1970er-Jahren; ein Gebäude, das vor einiger Zeit vom Blitz getroffen wurde.
Um dem Rätsel auf den Grund zu gehen, müssen sie es betreten. Ein fataler Fehler! Denn das Haus wird nicht nur von Menschen bewohnt...


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Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Das elektrische Grauen

UFO-Archiv

Vorschau

Impressum

Logan Dee

Das elektrische Grauen

Crimson Tower, 23. Etage

Chicago, Illinois, 19. Mai 2022, 21:36 Uhr

Der Blitz tauchte das Zimmer für einen Moment in gleißendes Licht. Kaum drei Sekunden später ließ das urgewaltige Grollen des Donners das Gebäude erbeben.

Tim Ewing schaute skeptisch auf den Bildschirm seines PCs. Vielleicht sollte er das Ding lieber ausschalten, bevor ein Stromausfall seinen Computer lahmlegte. Aber der Gedanke, dass er sein Drehbuch dann für unbestimmte Zeit würde unterbrechen müssen, hielt ihn davon ab. Ewing hatte sich gerade richtig in Stimmung gebracht. Die halbvolle Flasche Johnny Walker neben der Tastatur sprach Bände. Wenn er jetzt aufhörte, würde es ihm schwerfallen, den Faden an der neuesten NIGHT-COLLEGE-Folge wieder aufzunehmen.

Doch das sollte nicht seine einzige Sorge an diesem Abend bleiben, denn im nächsten Augenblick kam ein befremdlich wirkender Blitz dem Hochhaus unfassbar nah ...

Aber nichts sprach dagegen, wenn er sich zumindest eine kurze Pause gönnte. Tim Ewing stand auf und spürte, dass er leicht schwankte. Oder war es der Boden, der unter ihm vibrierte?

Weitere Blitze erhellten das Zimmer. Die Donnerschläge erfolgten fast synchron.

Ewing wankte zur Fensterfront. Seine Wohnung befand sich im 23sten Stockwerk, und vor ihm breitete sich die Skyline Chicagos aus. Die zuckenden Blitze, die den Himmel stroboskopisch aufleuchten ließen, erinnerten ihn an die Schöpfungsszene in »Frankenstein«.

Ein seltsamer Vergleich. Und trotzdem ... Vielleicht konnte er diese Szene in sein Drehbuch einbauen. Bei diesem Gedanken kam sich Tim Ewing tatsächlich wie ein Schöpfer vor. Die niederzuckenden Blitze würden etwas zum Leben erwecken. Etwas, das in seinem Geist schlummerte und vielleicht in diesem Moment das Licht der Welt erblickte, um in einer weiteren NIGHT-COLLEGE-Folge den Zuschauern eine Gänsehaut zu bescheren.

Da sah er die Lichter am Himmel.

Es waren eindeutig keine Blitze! Sie standen regungslos in der Luft.

Vielleicht sind es Sterne, dachte Ewing. Das Phänomen beunruhigte ihn mehr, als er zugeben wollte. Aber für Sterne waren die Lichter zu groß. Außerdem verdeckten die dahinjagenden Sturmwolken am Himmel jegliches Sternenlicht. Also mussten die Lichter unterhalb der Wolken liegen. Es waren sechs, und sie bildeten zwei ineinander verschachtelte Dreiecke. Ein Pentagramm!

Ich bilde mir das nur ein!, murmelte Tim. Er kniff die Augen zusammen und zählte bis drei, aber als er sie wieder öffnete, waren die Lichter noch immer zu sehen. Es schien ihm, als wären sie sogar größer geworden.

Sofort fielen ihm alle möglichen Erklärungen für derartige Sichtungen ein. An Außerirdische oder UFOs hatte er nie geglaubt, obwohl er sich für seine NIGHT-COLLEGE-Serie wohl oder übel auch damit hatte beschäftigen müssen.

Vielleicht waren es irgendwelche Wetterballons oder Laserscheinwerfer aus irgendeiner Diskothek.

Ewing bemühte sich, die Dunkelheit zwischen den Lichtern zu durchdringen, aber selbst die Blitze zeigten nur Schwärze dazwischen. Dennoch schien es ein fester Körper zu sein, der die Blitze geradezu anzog.

Das Gewitter konzentrierte sich noch stärker über dem Gebäude. Tim Ewing spürte die gewaltigen Energieentladungen fast körperlich. Seine Hände begannen zu zittern, ohne dass er es verhindern konnte.

Dies war kein gewöhnliches Gewitter! Irgendetwas ist dort oben durcheinandergeraten. So seltsam dieser Gedanke war, der ihm durch den Kopf fuhr, so überzeugt war Tim, dass er recht hatte!

Im nächsten Augenblick verwandelte sich der Nachthimmel in eine gleißende Helligkeit. Tim Ewing schrie auf und kniff geblendet die Augen zusammen. Ein Stoß, nicht körperlich, aber trotzdem spürbar, ließ ihn taumeln. Er fiel auf die Knie und schützte seinen Kopf mit den Händen. Jeden Moment erwartete er, dass die Wände um ihn herum einstürzten und ihn unter sich begruben.

Diesmal vibrierte der Boden tatsächlich. Das Deckenlicht flackerte und erlosch schließlich ganz.

Stromausfall!

In der nächsten Sekunde war das Beben vorüber. Und auch das Licht funktionierte wieder. Tim rappelte sich auf. Er konnte noch immer nicht verstehen, was überhaupt geschehen war. Sein rationaler Verstand sagte ihm, dass ein Blitz in das Gebäude eingeschlagen war.

Aber das konnte nicht alles gewesen sein. Die seltsamen Lichter, die gleißende Helligkeit ... Er vertraute seinen Instinkten und seinem Gefühl mehr als seinem Verstand. Irgendetwas war in dieses Haus eingeschlagen, und es war kein Blitz gewesen.

Zumindest nicht nur.

Im nächsten Augenblick war er wieder auf den Beinen. Vom Korridor draußen klangen Rufe herbei. Wahrscheinlich war auch an den anderen Bewohnern der Einschlag nicht spurlos vorübergegangen.

Tim Ewing wankte zur Tür. Er spürte, dass seine Beine noch immer nicht so wollten wie er. Und das lag nicht allein am Alkohol. Mit zitternden Händen öffnete er die Tür.

Draußen auf dem Korridor hatten sich einige andere Mieter versammelt.

»Haben Sie eine Ahnung, was eigentlich passiert ist?«, hörte er die Stimme von Phil Hunter, dem Musiker, der die Wohnung neben ihm gemietet hatte. Er hatte in den Achtzigern ein paar Hits gelandet und konnte es sich seitdem leisten, dem Nichtstun zu frönen. Was er auch ausgiebig zur Schau zu stellen pflegte.

Tim Ewing versuchte ihn zu fixieren. Noch immer tanzten vor seinen Augen gleißende Lichtpünktchen. Hinter Hunter tauchten zwei spärlich bekleidete Blondinen auf, die Ewing noch nie hier gesehen hatte. Groupies. Allerdings hatten auch diese beiden ihre besten Jahre bereits hinter sich. Genau wie Hunter.

Statt Tim antwortete ein anderer Mann: »Wahrscheinlich ist ein Blitz eingeschlagen.«

Die ältere Dame von der Wohnung schräg gegenüber schrie auf. »Vielleicht brennt es schon irgendwo!«

»Dann würde längst die Alarmsirene heulen!«, beruhigte sie jemand.

»Und wenn nicht? Dann sitzen wir hier oben fest!«

Der Musiker zog sein Smartphone aus der Tasche.

»Wen rufen Sie an? Die Feuerwehr?«, wollte die ältere Frau wissen.

»Quatsch«, antwortete Hunter unwirsch. »Den Hausmeister. Vielleicht weiß er, was passiert ist.« Doch nach einer Minute gab er es auf. »Besetzt! Wahrscheinlich rufen jetzt alle möglichen Leute bei ihm an.«

Sie lauschten alle noch eine Weile, aber nichts wies auf eine Katastrophe hin.

»Wir sollten uns alle wieder beruhigen und den Abend noch ein wenig ausklingen lassen«, schlug Hunter schließlich vor. »Und morgen lesen wir dann in der Zeitung oder im Internet, was genau passiert ist, falls es da etwas gibt.« Die beiden üppigen Blondinen schmiegten sich an ihn. Offensichtlich waren auch sie nicht sehr an der Aufklärung des Vorfalls interessiert.

Einige der anderen Mieter widersprachen und schlugen vor, sich nach unten in die Eingangshalle zu begeben, um weitere Informationen zu bekommen. Sie machten sich auf den Weg, während die meisten anderen halbwegs beruhigt in ihre Wohnungen zurückkehrten. Zudem mit jeder Minute offensichtlicher wurde, dass nicht viel passiert sein konnte. Wozu gab es schließlich Blitzableiter?

»Also, ich für meinen Teil wünsche noch einen schönen Abend«, sagte Hunter, ließ seinen beiden leichtbekleideten Begleiterinnen den Vortritt und verschwand dann selbst wieder in seinem Apartment.

Nach wenigen Sekunden stand nur noch Tim Ewing auf dem Flur vor seiner Wohnungstür. Das Denken fiel ihm immer noch schwer. Er überlegte, ob er sich vielleicht denen, die nach unten unterwegs waren, anschließen sollte. Der menschenleere Korridor bereitete ihm ein zunehmendes Unbehagen. Die langen, verwinkelten Gänge mochten wer-weiß-wem Unterschlupf bieten. Die dicken Teppiche würden jeden Schritt verschlucken. Das ansonsten atmosphärisch abgedämpfte Licht war an diesem Abend nicht hell genug, als dass es die Schatten seiner Furcht verscheuchte.

Jennifer Harmes! Jetzt erst fiel ihm auf, dass sie nicht aus ihrer Wohnung gekommen war. Die rothaarige Frau war erst vor drei Monaten in den Crimson Tower gezogen. Sie hatte ihn zwei- oder dreimal um seine Hilfe gebeten und sich dafür vor einer Woche mit einem Abendessen revanchiert.

Es hatte sich herausgestellt, dass sie Schriftstellerin war. Sie verfasste Sachbücher über seltsame Phänomene und war begeistert, als sie erfuhr, dass Ewing Autor der bekannten NIGHT-COLLEGE-Serie war. Sie hatten sich den ganzen Abend hervorragend unterhalten und angeregt gestritten. Im Gegensatz zu Tim Ewing war sie nämlich davon überzeugt, dass es übernatürliche Kräfte gab.

»Glauben Sie an Poltergeister und übersinnliche Erscheinungen?«, hatte sie mit einem rätselhaften Sphinx-Lächeln gefragt.

»Nein.«

»Ich auch nicht. Aber ich glaube an Telekinese, Hellseherei und andere wissenschaftlich erforschte PSI-Phänomene«, hatte sie geantwortet.

Sie hatte ihm einen langen Vortrag über ASW gehalten, während er nur auf ihre sich verführerisch unter ihrem Pullover abzeichnende Figur gestarrt hatte. Irgendwann war ihm dann klar geworden, dass sie mit »ASW« Außersinnliche Wahrnehmung meinte.

»Die Parapsychologie versteht darunter das Gewahr werden von Vorgängen in der Außenwelt auf anderen als den normalen Sinneswegen ...« Oh, ihm fielen da ein paar Sinne ein, die zumindest sie bei ihm angesprochen hatte und die seinen Blutdruck in die Höhe trieben.

Irgendwann war das Gespräch auf UFOs gekommen. Auch dazu hatte er seine feste Meinung kundgetan: »UFOs sind nur der Ausdruck unserer Sehnsucht nach Weisheit, die von den Sternen in neuer, verbesserter und vor allen Dingen gebrauchsfertiger Verpackung zu uns kommen könnte.«

Warum fiel ihm das gerade jetzt ein? Jennifer Harmes hatte natürlich widersprochen, und sie hatten noch lange erregt miteinander diskutiert.

Nach diesem Abend hatte Tim die berechtigte Hoffnung gehabt, dass aus diesem einmaligen Rendezvous vielleicht etwas Ernsteres werden würde. Doch seitdem hatte er Jennifer Harmes nicht mehr gesehen.

»Ach, zum Teufel«, murmelte er. Er würde sich nur lächerlich machen, wenn er um diese Zeit bei ihr klingelte. Außerdem hatte er nur einen verschlissenen Bademantel an. Nicht unbedingt das richtige Outfit, um Eindruck zu hinterlassen.

Trotzdem trat er nach einigen Sekunden des Grübelns an ihre Tür. Sie lag seiner Wohnung direkt gegenüber. Er klingelte und wartete ab. Nichts tat sich. Es war so, wie er vermutet hatte: Wahrscheinlich war sie gar nicht zu Hause. Sicherlich wäre sie sonst ebenfalls auf den Flur gestürmt.

Er wollte sich schon abwenden – da hörte er plötzlich einen erstickten Laut aus der Wohnung!

Jennifer Harmes Wohnung, 23. Etage

Chicago, Illinois, 19. Mai 2022, 21:31 Uhr

Die rothaarige Frau lag in der Wanne und genoss die Wärme des einlaufenden Wassers. Aus einer Karaffe ließ sie einige Tropfen Rosenöl in das Bad träufeln. Sie streckte sich behaglich aus und lauschte der schmeichelnden Stimme von Coldplays Frontmann Chris Martin, die aus dem Bluetooth-Lautsprecher erklang.

Jennifer Harmes war den ganzen Tag unterwegs gewesen, um in einer Arztpraxis einem angeblichen Poltergeist auf die Schliche zu kommen.

Vergeblich. Er hatte nicht einen Mucks von sich gegeben, geschweige denn sich in irgendeiner anderen Form gezeigt. Ein gemütliches Bad war da der richtige Luxus, um sich den Frust abzuwaschen. Sie griff nach dem Glas Burgunder, das sie am Wannenrand platziert hatte, und nahm einen genüsslichen Schluck.

Draußen tobte ein Gewitter. Sie hatte die Badezimmertür offen gelassen, sodass sie von der Badewanne aus die großen Wohnzimmerfenster sehen konnte. Dahinter zuckten die Blitze über den abendlichen Himmel Chicagos.

Sie genoss dieses Schauspiel. Gewitter hatten auf sie schon immer eine eigenartige Faszination ausgeübt. Während sie ihren Körper einseifte, spürte sie eine seltsame Erregung. Wahrscheinlich war die ozonhaltige Luft so aufgeladen, dass ihr Hormonhaushalt entsprechend darauf reagierte. Sie legte die Seife fort und begann, sich mit den Händen zu stimulieren.

Das Gewitter schien sich jetzt direkt über dem Crimson Tower zu befinden. Die niederzuckenden Blitze warfen verzerrte, sekundenlange Schatten an die Wände. Die ohrenbetäubenden Donnerschläge schienen sogar die Wanne vibrieren zu lassen und kleine Wellen auf der Wasseroberfläche zu erzeugen.

Kurz bevor ihre Hände ihr den befriedigenden Höhepunkt bescherten, hielt Jennifer Harmes plötzlich inne.

Etwas war nicht in Ordnung! Sie wusste nicht, was sie plötzlich derart beunruhigte. Das Gewitter war für einen Moment verstummt, so als hielte es ebenfalls den Atem an.

Die Frau lauschte in die Dunkelheit hinein. Außer einigen Kerzen, die sie im Bad entzündet hatte, brannte in der ganzen Wohnung kein Licht. Hatte ihr Unterbewusstsein vielleicht irgendetwas registriert? Einen Laut vielleicht?

Sie wünschte sich, der säuselnde Gesang aus dem Lautsprecher würde verstummen. Falls jemand die Wohnungstür geöffnet hätte und sich nun anschlich, würde sie es noch nicht einmal hören.

Ihr Blick bohrte sich in die Finsternis jenseits des Badezimmers.

Im nächsten Moment schrie sie auf.

Das kurze Schweigen des Gewitters war tatsächlich nur die berühmte Ruhe vor dem Sturm gewesen. Mit einem gewaltigen Leuchten meldete es sich zurück, und ein alles betäubender Donner ließ die Wanne nun wirklich erzittern. Chris Martins Stimme verstummte mit einem langgezogenen Wehklagen.

Gleichzeitig verlöschten die Kerzen, als hätte ein Windhauch sie erfasst.

Wahrscheinlich ist ein Blitz in das Haus eingeschlagen!, dachte Jennifer entsetzt. Sie versuchte, sich aufzusetzen, doch ihre Glieder waren wie gelähmt.

Panik stieg in ihr hoch. Wahrscheinlich war es nur die Angst, die sie erstarren ließ; trotzdem kam ihr der beunruhigende Gedanke, dass ihre Lähmung irgendwie mit dem Gewitter zusammenhing. Sie kämpfte die Panik nieder und konzentrierte sich mit ihrem ganzen Willen darauf, etwas gegen die Starre zu unternehmen. Endlich gelang es ihr, sich wieder zu bewegen.

Zugleich erwachte auch der Lautsprecher wieder zum Leben. Ein Krächzen erklang daraus, untermalt von einem seltsamen Rauschen, dessen Fremdartigkeit ihr eine Gänsehaut über den Rücken trieb. Hinter der knisternden Geräuschkulisse glaubte sie, weitere Stimmen zu hören. Sie erinnerten sie an den Gesang von Walen – aber auf eine derartig befremdliche Weise, als seien diese dem Wahnsinn nahe.

Jennifer Harmes erhob sich aus der Wanne. Es kam ihr so vor, als würden tausend unsichtbare Augen sie dabei aus der Dunkelheit anstarren. Es war nur ein Gefühl, aber wiederum traf es sie mit einer solchen Intensität, dass sie überzeugt war, nicht mehr allein zu sein.

Das Gewitter war fast verstummt. Nur vereinzelt zuckten noch Blitze. Das Grollen der Donnerschläge klang weit entfernt.

Die Stimmen aus dem Lautsprecher wurden zunehmend deutlicher. Es schmerzte in ihren Ohren.

Ihr Smart-TV stand im Wohnzimmer und war per Bluetooth mit dem Lautsprecher verbunden. Wahrscheinlich hatte der sekundenlange Stromausfall irgendwie die Elektronik durcheinandergebracht, dass er nun verrücktspielte. Sie musste ihn abstellen. Vielleicht würde dann auch ihr Unbehagen verschwinden. Dennoch zögerte sie. Ihr Gefühl für Gefahr ließ sich nicht so ohne Weiteres beiseite schieben. Doch nach wie vor war nichts zu hören.

Vorsichtig setzte Jennifer einen Fuß aus der Wanne. Aus dem Lautsprecher erklang ein derart schriller Ton, dass sie zusammenfuhr.

Im nächsten Moment schrie sie auf.

Sie hatte eine Vision!

Die Wände begannen zu glühen. Sie schienen für einen Augenblick transparent zu werden, während die Stromleitungen, die in ihrem Inneren entlangführten, deutlich als rot glimmende Linien zu sehen waren, in denen gleißend helle Punkte rasend schnell hin- und hertanzten.

Die Erscheinung währte nur einen Augenblick, dann herrschte wieder Dunkelheit. Aber es hatte gereicht, um Jennifer vollends die Nerven verlieren zu lassen. Sie sprang aus der Wanne, als wäre diese mit kochendem Wasser gefüllt, rutschte auf den glitschigen Fliesen aus und fiel unsanft zu Boden.

Ihr Becken schmerzte, als hätte sie es sich gestaucht. Dennoch gelang es ihr, weiter vorwärtszukriechen. Sie hatte nur noch den einen Wunsch: Raus!

Von draußen auf dem Korridor hörte sie aufgeregte Stimmen. Wahrscheinlich wegen des Blitzeinschlags – oder was auch immer es gewesen sein mochte. Jennifer kroch zur Eingangstür, während der Schmerz in ihrem Becken zum Glück allmählich nachließ.

Sie hatte die Tür fast erreicht, als der Boden unter ihr plötzlich glühend heiß zu werden schien.

Sie schrie auf. Ein sanftes, rasch heftiger werdendes Vibrieren ging vom Boden aus und erfasste ihren ganzen Körper. Von einer Sekunde zur anderen wurde der Boden übergangslos gläsern wie zuvor die Badezimmerwände! Jennifer sah in eine schwindelerregende Tiefe. Nur die rotglühenden Linien der Stromleitungen waren zu sehen. Innerhalb dieser Linien pulsierten die merkwürdigen hellen Punkte. Als würden sie plötzlich auf sie aufmerksam, kamen sie von allen Seiten auf sie zugeschossen. Der rote Strang, der direkt unter ihren Knien verlief, wurde dick und gleißend hell, als konzentrierten sich die Punkte direkt auf diese eine Stelle.

Jennifer Harmes' Körper vibrierte, als stünde er unter Strom.

Es war ein fast angenehmes Gefühl. Sie gab ihren Widerstand auf und sich dem Kribbeln hin, während sie spürte, dass eine gnädige Müdigkeit sie erfüllte und ihr Körper immer schlaffer wurde.

Wieder pochte Tim Ewing gegen die Tür. »Jennifer! Machen Sie auf!« Er wusste, dass die Frau in der Wohnung sein musste. Das Stöhnen war unverkennbar aus ihrem Mund gekommen.

Er warf sich gegen die Tür und fluchte, als sie nicht einen Zentimeter nachgab. Dafür schmerzte seine Schulter wie Feuer. Er überlegte, ob er Hilfe holen sollte. Aber wen? Seit er hier wohnte, hatte er sich mit seinen Nachbarn nicht sonderlich befasst. Überhaupt kümmerte sich hier jeder um seine eigenen Angelegenheiten.

Ihm fiel Hunter ein, der Musiker. Er würde ihn wahrscheinlich verfluchen, wenn er ihn bei seinem »Privatkonzert« mit den beiden Groupies störte. Aber dies war eindeutig ein Notfall, und Hunter hatte ziemlich breite Schultern, denen die Tür von Jennifer Harmes' Wohnung nicht würde widerstehen können.

Ewing überlegte nicht lange, sondern drückte die Klingel mit dem Daumen nieder.

Er hatte sich nicht getäuscht. Von drinnen vernahm er einen deftigen Fluch. Die Tür wurde aufgerissen, und Hunter starrte ihn an. Aber wenigstens hatte Ewing ihn nicht beim Liebesspiel gestört. Der Musiker war nach wie vor von Kopf bis Fuß bekleidet. Von seinen blonden Besucherinnen war nichts zu sehen.

Unter normalen Umständen wäre Ewing das irritierte Funkeln in den Augen des Musikers aufgefallen. Aber dafür war jetzt keine Zeit.

»Was – ist los?«, presste Hunter unfreundlich hervor.

Ewing wies auf die Tür gegenüber. Ihm wurde plötzlich bewusst, dass er sich leicht zum Narren machen konnte, wenn sich sein Verdacht als unbegründet erwies. Aber jetzt war es zu spät, einen Rückzieher zu machen. »Wir müssen die Tür aufbrechen! Allein schaffe ich es nicht!«

Hunter sah ihn misstrauisch an. Ewing fragte sich, was er wohl an der Stelle des Musikers über die Bitte seines Nachbarn gedacht hätte. Außerdem wurde ihm bewusst, dass er aus dem Mund entsetzlich nach Whisky riechen musste.

»Ich glaube, dass dort drinnen jemand unsere Hilfe braucht!«, ergänzte er rasch, ehe Hunter es sich anders überlegen mochte.

»Also gut. Aber Sie zahlen die Rechnung!«

Sie verloren keine weitere Sekunde mehr und eilten zur Tür.

Ewing gab das Kommando: »Eins. Zwei ...«

Bei Drei warfen sie sich mit voller Wucht gegen die Tür. Sie gab zumindest ein Ächzen von sich.

»Noch mal!«, knurrte Hunter.

Sie nahmen erneut Anlauf, und diesmal gab die Tür tatsächlich ein paar Millimeter nach.