Die UFO-AKTEN 9 - Logan Dee - E-Book

Die UFO-AKTEN 9 E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

In der kleinen Stadt Windcastle in Wisconsin liegt der Anteil der weiblichen Bevölkerung ungewöhnlich hoch. Das allein wäre noch kein Grund, Cliff Conroy und Judy Davenport dorthin zu schicken. Aber es scheint, als wäre trotz einer enormen Geburtenrate in den letzten zehn Jahren kein einziger Junge in Windcastle mehr zur Welt gekommen - und als würden die örtlichen Behörden dies vertuschen!
Dass die beiden Bundesmarshals getrennt anreisen, erweist sich als Glücksfall. Denn während man Judy herzlich aufnimmt, wird Cliffs Aufenthalt zu einem Spießrutenlauf. Alle wichtigen Ämter sind hier von Frauen besetzt; Männer verrichten nur niedere Arbeiten, und das in ständiger Angst vor dem weiblichen Geschlecht.
Nicht ohne Grund, wie sich bald herausstellt. Aber da ist es schon zu spät, um aus Windcastle zu entkommen...


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Inhalt

Cover

Das Dorf der Frauen

UFO-Archiv

Vorschau

Impressum

Logan Dee

Das Dorf der Frauen

Wisconsin, 04. Dezember 2021, 19:43 Uhr

Der fast volle Mond hing wie ein verformtes glühendes Auge am Himmel, und der eiskalte Wind schien direkt aus der Arktis zu kommen.

»Puh, was für ein Gestank!« Susan rümpfte die Nase, als von einem Moment auf den nächsten der Wind einen üblen Geruch herantrug. Trotz der Kälte hatte Richard das Verdeck des Cabrios geöffnet. Sie beide waren Frischluft-Fanatiker und ließen sich auch durch rote Nasen nicht davon abhalten, mit offenem Wagen durch die Landschaft zu brausen.

Susan und Richard Brown befanden sich auf der Hochzeitsreise; sie steuerten geradewegs auf Windcastle zu. Hätten sie geahnt, dass der Pesthauch wie aus einem frisch geöffneten Grab nur der Auftakt zu noch viel schlimmeren Ereignissen war, sie hätten den Wagen auf der Stelle gewendet...

Bislang war die Luft rein und wohlriechend gewesen, erfüllt von den Aromen der Kiefernwälder, durch die sie fuhren. Eine Stunde zuvor waren die ersten Sterne am Himmel zu sehen gewesen.

Doch ebenso schnell, wie er gekommen war, war der Gestank nicht mehr zu riechen.

»Vielleicht ein verendetes Reh«, mutmaßte Richard. Es war zweifellos der Odem des Todes gewesen. Er spürte die tief verwurzelte animalische Angst, die dieser Geruch bei ihm auslöste. Mehr noch als bei Susan.

»Ein Reh? Mein Gott, vielleicht lebt es noch ...«

»Ich sprach von einem verendeten Reh.« Heimlich musste er über Susans rührende Naivität grinsen. Aber sie war nun mal vernarrt in Tiere. Zu Hause hatte sie einen ganzen Stall voller Katzen, Hunde, Meerschweinchen und Vögeln.

Vor vierundzwanzig Stunden hatte ein Priester sie getraut. Und seitdem waren sie auf der Flucht. Natürlich nicht wirklich. Es waren mehr die Gäste und letztendlich Susans Eltern, vor denen sie geflüchtet waren.

Susans Eltern wollten ihr Nesthäkchen selbst nach der Trauung nicht ziehen lassen und hatten sogar im letzten Moment noch eine gemeinsame Hochzeitsreise vorgeschlagen. Also hatten sich Richard und Susan still und heimlich ›auf Französisch‹ verabschiedet. Ein wenig kamen sie sich schon wie das Gangsterpärchen Bonnie und Clyde vor. Vielleicht hatten Susans Eltern schon längst die »Verfolgung« aufgenommen.

Susan legte den Kopf an Richards Schulter und massierte ihm sanft den Nacken unter dem warmen Pelzkragen.

»Oh, das ist gut«, sagte Richard. »Vielleicht sollten wir einfach zusehen, dass wir so schnell wie möglich diese Gegend hinter uns lassen und im nächsten Motel unsere unterbrochene Hochzeitsnacht wiederaufnehmen ... Heh, warum machst du nicht weiter?«

Ganz plötzlich hatte sie die Hand von seinem Nacken gelöst und saß nun wie erstarrt auf dem Beifahrersitz.

»Alles in Ordnung?« fragte Richard. »Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«

Susan schüttelte den Kopf. »Nein. Ich möchte, dass du anhältst. Es – es war kein Reh, Richard.«

Er sah sie entgeistert an. Sie sprach mit seltsam entrückter Stimme, und ihr Blick war weit in die Ferne gerichtet. Susans Mutter hatte ihm erzählt, dass Susan über latente, schwach entwickelte telepathische Fähigkeiten zu verfügen glaubte. Zuletzt hatte sie ihren Hund aus einer Felsspalte gerettet, weil er ihr angeblich im Traum erschienen war.

Bislang hatte Richard diese Visionen nicht ernst genommen, zumal Susan selbst das Thema nie zur Sprache gebracht hatte. Ihr merkwürdiges Benehmen jetzt ließ ihn unbehaglich auf die Bremse treten. Er brachte den Chrysler Sebring am Straßenrand zum Stehen, zog die Handbremse an und wandte sich seiner Frau zu.

»Susan, bist du in Ordnung?«

Sie antwortete nicht, sondern starrte nur weiter mit diesem glasigen Blick in die Ferne. Er schüttelte sie. Keine Reaktion. Von einem Moment zum anderen schien sie ein völlig anderes Wesen geworden zu sein.

Richard wurde plötzlich bewusst, in was für einer menschenleeren Gegend sie sich befanden. Seit einer halben Stunde war ihnen kein Wagen mehr entgegengekommen. Der Teufel mochte wissen, warum diese Region hier so verlassen war.

»Ganz ruhig, Liebling«, sprach er auf Susan ein. »Ich fahre jetzt weiter und bringe dich zu einem Arzt.« Vielleicht würden ein paar Stunden Schlaf schon helfen. Die Hochzeitsfeier, die ganzen Vorbereitungen, der plötzliche Aufbruch und jetzt diese Fahrt – vielleicht war es doch alles ein wenig zu viel für sie gewesen.

Er warf noch einen letzten Blick auf Susan. Da löste sich die Handbremse. Mit einem hörbaren Klicken, als würden unsichtbare Hände sie behutsam nach unten drücken. Richard spürte, wie der Wagen sich langsam rückwärts bewegte. Ein kalter Schauder verwandelte sein Rückgrat in Eis und ließ seine Nackenhaare aufrecht stehen.

Der Chrysler Sebring parkte an einer ebenen Stelle. Dennoch rollte er nun rückwärts, den Naturgesetzen zum Trotz. Instinktiv griff Richard nach der Handbremse – und zog mit einem Aufschrei die Hand zurück. Der Hebel war glühend heiß! Er fühlte es noch durch den Stoff seiner Handschuhe hindurch.

Er trat mit dem Fuß auf die Bremse. Das Pedal ließ sich keinen Millimeter herunterdrücken.

Der Wagen rollte weiter rückwärts! Richards Hände krallten sich am Lenkrad fest, während Susan wie teilnahmslos neben ihm saß. Der grüne Schein der Armaturenbeleuchtung verlieh ihrem Gesicht etwas Gespenstisches.

Irgendetwas lenkte den Wagen. Irgendeine unbekannte, verfluchte Kraft. Er wurde schneller und schneller. Jeden Augenblick erwartete Richard, dass er mit einem Baum kollidierte oder in einen Graben stürzte. Ganz zu schweigen davon, was passieren würde, wenn ihnen jetzt ein anderer Wagen entgegenkam!

Richard warf den Kopf herum und versuchte verzweifelt, die Dunkelheit zu durchdringen. Die roten Rückscheinwerfer warfen nur ein schwaches Licht. Der Chrysler Sebring beschleunigte weiter – viel schneller, als es der Rückwärtsgang, wenn er eingelegt worden wäre, erlaubt hätte.

Unvermittelt stoppte der Wagen. Als wäre er direkt gegen eine Mauer gerast. Richard und Susan wurden abrupt in die Sitze gepresst. Richard spürte, wie sich sein Mageninhalt den Weg nach oben bahnte.

Immerhin: Endlich stand der Wagen wieder! Richard zwang sich, ruhig durchzuatmen. Sein erster Blick galt Susan. Sie hatte sich tief in ihren Sitz vergraben und zitterte am ganzen Körper.

Er musste von der Straße runter! Der Chrysler Sebring stand genau auf der Mittellinie.

Da tauchten im Rückspiegel auch schon zwei blendendweiße Lichter auf. Ein Truck kam mit atemberaubender Geschwindigkeit herangebraust.

Der Motor des Chrysler Sebring lief noch. Richard musste nur den ersten Gang einlegen.

Nur!

Er spürte, dass er seine Hände noch immer nicht völlig unter Kontrolle hatte. Die Handschuhe, die er trug, behinderten ihn zusätzlich, und seine Rechte glitt mehrfach vom Knauf des Ganghebels ab, während seine Füße wie Gummi auf den Pedalen lagen.

Der Fahrer des Trucks hupte. Der Klang des Mehrfachhorns bohrte sich wie Nadeln in Richards Ohren.

Warum bremst der Idiot nicht einfach?

Die Scheinwerfer waren nun so nah, dass die Lichtkegel den Chrysler Sebring samt Insassen wie ein Insekt aufspießten.

Ersten Gang einlegen. Kupplung kommen lassen. GAS!

Der Chrysler Sebring sprang wie von einem Katapult geschossen vorwärts und kam auf dem schmalen Seitenstreifen zum Stehen. Zwei Sekunden später war alles um sie herum in gleißendes Licht und misstönende Huplaute getaucht, als der Truck nur Zentimeter entfernt an ihnen vorbeiraste.

»Verdammter Idiot!«, brüllte ihm Richard hinterher und hämmerte mit der Faust aufs Armaturenbrett. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt.

Susan! Sie saß noch immer zusammengekrümmt in ihrem Sitz, die Augen zusammengekniffen. Mehr denn je erinnerte sie Richard in dieser Haltung an ein kleines Kind. Sein Beschützerinstinkt gewann wieder die Oberhand.

Was immer gerade passiert war, er würde nun einfach weiterfahren!

»Nein!«, flüsterte Susan, als hätte sie seinen Gedanken erraten. »Riechst du es nicht?«

Da war er wieder, der Gestank, den sie zuvor schon gerochen hatten. Der Chrysler hatte sie genau zu der Stelle zurückgebracht!

»Was auch immer es ist, wir fahren jetzt weiter!«, erwiderte Richard bestimmt.

Der Waldrand lag in völliger Schwärze. Irgendwo in dieser Finsternis musste der Ausgangspunkt des Gestanks liegen. Vielleicht nur wenige Meter von ihnen entfernt ...

Wenn es nun kein Reh war. Kein Tier. Sondern ...

Susan unterbrach seine Gedanken. »Bitte – sieh nach. Mir zuliebe.«

Er hatte ihr noch nie etwas abschlagen können. Und obwohl er instinktiv wusste, dass es ein Fehler war, gab er auch diesmal nach.

»Also gut«, stimmte er zu. »Ich schaue nach.« Er streifte die Handschuhe ab, öffnete das Handschuhfach und griff nach der Taschenlampe, die darin lag. Hoffentlich funktionierten die Batterien noch! Er hatte den Strahler seit Ewigkeiten nicht mehr benutzt.

Die gummiummantelte, profilierte Hülle des Aluminiumgehäuses lag schwer in seiner Hand. Zur Not würde er die Taschenlampe auch als Waffe benutzen können. Der Schalter gab ein beruhigendes Klicken von sich, und ein greller Strahl ergoss sich aus der Lampe. Wer sagte es denn! Sie funktionierte. Gute alte englische Wertarbeit.

Er kam sich dabei vor wie einer dieser tölpelhaften »Ich-geh-mal-eben-raus-und-nachsehen-was-da-ums-Haus-schleicht«-Filmhelden aus einem schlechten Horrorfilm, als er die Wagentür öffnete und tatsächlich ausstieg. Die Dunkelheit des Waldrands legte sich wie ein Schatten auf sein eh schon malträtiertes Gemüt. Selbst der Mond war hinter den Wolken verschwunden. Allein die Lichter des Chrysler Sebring wirkten in dieser Dunkelheit wie ein beruhigendes Leuchtfeuer.

Langsam setzte er einen Schritt vor den anderen und umrundete den Wagen.

»Ich komme mit!«, beharrte daraufhin Susan.

»Nein, Liebling«, wehrte er ab. »Ich glaube, du solltest im Wagen bleiben ...«

»... und Hilfe holen, wenn mir etwas zustößt«, vollendete er den Satz im Stillen.

Susan dachte nicht daran. Ehe er protestieren konnte, war sie an seiner Seite.

»Ich spüre, dass jemand unsere Hilfe braucht«, offenbarte sie leise. »Ich habe es von Anfang an gespürt. Es ist, als ob jemand nach mir ruft.«

Sie gingen zögernd auf den Waldrand zu. Unter den hohen Kiefern nistete ein undurchdringliches Dunkel. Der Gestank, der in der Luft lag, nahm ihnen den Atem.

Richard leuchtete unentschlossen in die Finsternis hinein. Vor ihnen lag ein Graben, und dahinter begann sofort der Wald. Das Licht der Taschenlampe schien von der Dunkelheit wie von einem schwarzen Loch verschluckt zu werden. Entweder waren die Batterien so schwach, dass sie schneller als erwartet ihren Geist aufgaben – oder etwas entzog ihnen die Energie. Was für ein absurder Gedanke!

Richard spürte, wie Susan seine Hand nahm und ihn mit sich zog.

»Komm«, forderte sie ihn auf, sprang über den Graben und bedeutete ihm ihr, zu folgen. Richard setzte ihr nach. Der Wald war jetzt zum Greifen nach. Die Taschenlampe gab ein letztes gelbliches Glimmen von sich. Dann verlosch sie. Englische Wertarbeit oder nicht, mit leeren Batterien war sie nichts wert. Richard fluchte. Am liebsten hätte er die Lampe fortgeworfen, aber noch immer gab ihm das schwere Gehäuse ein Gefühl der Sicherheit. Er hatte etwas in der Hand. Etwas, mit dem er zuschlagen konnte.

Susan kniete sich nieder und kroch auf allen vieren weiter. Das Unterholz war hier so dicht, dass man keine Chance hatte, aufrecht zu gehen. Richard tat es ihr gleich. Sie bewegte sich so schnell, dass er Angst hatte, sie zu verlieren.

Gleichzeitig lösten der Reisig und die trockene Erde, die er mit seinen Fingern betastete, eine ganz entgegengesetzte Wunschvorstellung in ihm aus: Einfach hier liegenzubleiben, und sich zu verkriechen wie in einem Mutterleib. Niemand würde ihn hier finden oder ihm etwas antun. Er konnte einfach hier liegenbleiben und den Morgen abwarten ...

Andererseits wusste er genau, dass er dann erfrieren würde. Die winterlichen Temperaturen waren nicht dazu geeignet, sich im Freien schlafen zu legen.

Irgendwo vor ihm stieß Susan einen überraschten Schrei aus. Richard beeilte sich, um an ihre Seite zu gelangen. Er stieß mit ihr zusammen und hielt sie fest.

»Dort oben!«, flüsterte sie.

Und dann sah er es auch.

Es waren drei oder vier Lichter in der Dunkelheit. Genau konnte er es nicht sagen, weil sie wie Taschenlampen hin- und her geschwenkt wurden. Es war auch unmöglich auszumachen, wie weit die Lichter entfernt waren. Sie befanden sich irgendwo schräg über ihnen und huschten durch die Wipfel der Bäume. Vielleicht waren sie aber auch viel höher. Ihr dahinhuschendes Flackern machte ihm Angst.

»Was kann das sein?«, flüsterte er.

»Sie sind auf der Suche«, antwortete Susan leise.

Wieder spürte er, wie jenes eiskalte Gefühl seinen Rücken wie mit Knochenfingern bearbeitete.

»Du glaubst, sie suchen uns?« Er konnte seinen Blick nicht von den Leuchtpunkten abwenden. Ihr unstetes Dahinhuschen erinnerte ihn tatsächlich an Spürhunde. Es fiel ihm auf, dass sie ihr Licht in alle Richtungen abstrahlten. Nein, das waren definitiv keine Taschenlampen. Außerdem würde niemand so schnell auf den Bäumen herumklettern können.

Susan kroch weiter, und er folgte ihr. Nach wenigen Metern stieß sie einen weiteren, diesmal unterdrückten Schrei aus.

Der faulige Gestank war nun ganz nah. Richard wusste, dass sie ihr Ziel erreicht hatten.

Im nächsten Augenblick stießen seine Hände auf einen feuchten Körper. Er zuckte zurück. Jetzt wusste er, woher der Geruch stammte. Sie hatten die Leiche gefunden. Und was er da ertastet hatte, war kein Tier gewesen. Er hatte Stoff unter seinen Fingern gespürt. Lag hier ein Mensch? Aber woher kam die Feuchtigkeit? Alles Wasser musste gefroren sein, und bluten würde er wohl kaum noch, wenn er seit Tagen oder gar Wochen hier lag.

»Susan!«, stieß Richard zitternd hervor. »Wo steckst du?« Er war einer Panik nahe.

Ihr Finger legte sich auf seine Lippen. »Pst!«, warnte sie ihn. »Wir dürfen sie nicht auf uns aufmerksam machen!«

Sie sprach von den Lichtern, als wüsste sie, was sich dahinter verbarg!

»Wir müssen hier weg!«, flüsterte er. »Wir müssen die Polizei benachrichtigen und ...«

Wieder legte sich ihr Finger beruhigend auf seine Lippen.

»Wir müssen ihm helfen!«, forderte sie.

»Der Leiche?« Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte irre gelacht. Wie konnten sie einer Leiche helfen?

»Er ist noch nicht tot«, behaarte Susan. »Er lebt. Ich spüre, dass er lebt.«

»Unmöglich! Dieser Gestank ...«

Sie nahm seine Hand und führte sie zu einer anderen Stelle. Wieder ertastete er Fleisch. Kaltes, totes Fleisch. Und etwas, das sich darin bewegte. Maden! Seine Hand zuckte zurück. Er würgte. Fast hätte er sich übergeben.

»Der hier ist tot. Der andere lebt noch! Wir müssen ihn hier herausziehen und zu einem Arzt bringen«, klagte Susan ein.

Zwei Körper! Das also war des Rätsels Lösung. Aber wie um alles in der Welt hatte Susan das so schnell erkannt?

Richard biss die Zähne zusammen. Er wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte. Er wusste nicht, woher Susan ihren Mut nahm. Aber, verdammt noch mal, er war ihr Ehemann, und sie mussten diese Sache zusammen durchstehen.

Er warf einen Blick zu den Lichtern hinauf. Sie standen nun still in der Luft, ganz so, als würden sie sie beobachten und abwarten. Wenigstens schien keine direkte Gefahr von ihnen auszugehen.

Er robbte zu dem ersten Körper zurück. Zu jenem, in dem noch Leben war, wie Susan behauptete, obwohl nichts darauf hindeutete. Wieder betastete er ihn, suchte nach einer günstigen Stelle, an der er ihn packen konnte. Der Gedanke, doch einen Toten zu berühren, machte ihn fast wahnsinnig. Dann zog er ihn an sich und robbte langsam zurück. Er hatte das Gefühl, als würde der Körper auf dem Weg immer schwerer und schwerer.

Susan kroch vor ihm her und bahnte ihm den Weg. Endlich tauchten die Rückleuchten des Chryslers vor ihnen auf. Susan bog einige letzte Zweige zur Seite, sodass sie nur noch den Straßengraben zu überwinden hatten.

Richard nahm auch diese letzte Hürde. Keuchend und nassgeschwitzt hievte er den Körper auf den Rücksitz. Die Feuchtigkeit war tatsächlich Blut. Richard verschwendete keinen Gedanken daran, dass sich die Blutflecken auf den Polstern wahrscheinlich nie wieder entfernen lassen würden.

Im Licht der grünen Innenbeleuchtung registrierte er, dass es sich um einen Mann handelte. Er war schwer verletzt. Sein Gesicht war eine einzige noch immer schwach blutende Wunde. Ohne den steten Blutfluss hätte man schwören können, dass es sich tatsächlich um einen Toten handelte.

Richard nahm sich nicht die Zeit, den Mann zu untersuchen. Abgesehen davon, dass er es auch gar nicht über sich gebracht hätte, sein Ohr auf dessen Brust zu pressen und nach Herztönen zu lauschen. Er hatte nur noch einen Wunsch: sich in den Chrysler Sebring zu setzen und dieses Waldstück so schnell wie möglich hinter sich zu lassen.

Susan nahm bereits auf dem Beifahrersitz Platz. Richard machte sich noch nicht einmal die Mühe, die Fahrertür zu öffnen. Er jumpte einfach über die geschlossene Tür des Cabrios hinweg und landete federnd auf dem Fahrersitz.

»Nichts wie weg!« Seine Hände fuhren in die Taschen und suchten den Zündschlüssel. Er hatte ihn wohl beiläufig abgezogen und in die Hosentasche gesteckt, als sie ausgestiegen waren.

Jetzt war er verschwunden.

»Richard!«, schrie Susan. »Die Lichter! Sie kommen näher!«

Die seltsamen Leuchtpunkte hatten den Waldgürtel erreicht und schwebten zitternd auf der Stelle.

»Ich habe den Schlüssel verloren,« stellte Richard mit bebender Stimme fest. »Kein Wunder bei der Kriecherei. Er liegt wahrscheinlich irgendwo in dem Waldstück.«

Susan brachte trotz allem ein Lächeln zustande. Sie wühlte in ihrer Handtasche herum. »Nimm einfach meinen«, bat sie ihre Hilfe an.

Er hätte sie küssen und umarmen können. Aber fürs Erste blieb ein wenig mehr Zeit, als ihr den Schlüssel aus der Hand zu reißen, ihn ins Zündschloss zu stecken und den Chrysler zu starten.

Richard drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Mit einem Sprung setzte sich der Wagen in Bewegung. Im Rückspiegel konnten sie sehen, dass die merkwürdigen Lichter ihnen in einigem Abstand folgten. Sie erinnerten an die Formation von Militärmaschinen.

Richard versuchte die aufkeimende Panik zu verdrängen und konzentrierte sich auf die Straße, während Susan nach hinten blickte.

»Warum bist du dir so sicher, dass er lebt?«, wollte Richard wissen.

»Ich ... spüre es einfach«, entgegnete Susan. »Ich kann es nicht erklären. Als wir vorhin an der Waldstelle vorbeifuhren, habe ich gefühlt, dass jemand dort meine Hilfe braucht.«

Richard mochte jetzt nicht über Susans geistige Fähigkeiten nachdenken. Vor allen Dingen nicht daran, was mit dem Wagen passiert war, als er nicht auf Susan hatte hören wollen.

War seine Frau in der Lage, ihren Willen auf diese Weise durchzusetzen? Materie zu bewegen? Er dachte an die glühend heiße Handbremse und daran, dass der Wagen selbständig zurückgefahren war.

Ein Schild tauchte dann aus der Dunkelheit auf. Richard fuhr etwas langsamer.

Windcastle, Wisconsin2 Meilen

stand darauf geschrieben. Aber da war noch etwas, in hastigen Graffiti darüber gesprüht:

Richard hatte keine Zeit, sich über den Sinn dieser Botschaft den Kopf zu zerbrechen. Wahrscheinlich irgendein Frauenverächter, der auf diese Weise zum Ausdruck bringen wollte, dass Frauen Tod und Verderben brachten.

Mittelalter und Inquisition, dachte Richard. Cherchez la femme. Aber viel wichtiger war die Botschaft, dass es nur zwei Meilen bis zur nächsten Ortschaft waren. Das bedeutete: Menschen. Lichter. Sicherheit. Vor allen Dingen aber Menschen. Und wenn der reglose Körper auf dem Rücksitz wirklich noch lebte, dann würde es für ihn vielleicht die Rettung bedeuten.

Etwas regte sich dort hinten, als hätte der Mann Richards Gedanken erraten.

»Er kommt zu sich«, merkte Susan an.

»Wenn wir erst in diesem Windcastle sind, werden wir schon einen Arzt für ihn finden«, erwiderte Richard.

Der Mann auf dem Rücksitz gab ein Stöhnen von sich. Es hörte sich fürchterlich an, so als wäre sein Kehlkopf zerquetscht worden.

»Bleiben Sie liegen!«, rief Susan. Richard sah im Rückspiegel, dass sich der Verletzte tatsächlich hochhievte. Ein Arm legte sich schwer auf seine Schultern. Finger bohrten sich wie Klauen in sein Fleisch. Das zerstörte Gesicht drückte sich an seinen Kopf. Ein fauliger Atem drang in Richards Nase. Und dann flüsterte der Mann etwas in sein Ohr.

»K-e-h-r ... u-m!«