Die unglaubliche Kraft der Farben - Jean-Gabriel Causse - E-Book

Die unglaubliche Kraft der Farben E-Book

Jean-Gabriel Causse

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Beschreibung

Wussten Sie, dass das Betrachten der Farbe Rot Ihr Kurzzeitgedächtnis verbessert? Dass Orange Ihre Kommunikationslust erhöht und Picassos Blaue Periode vielleicht nur ein Beleuchtungsfehler der Museen ist? Der Farbdesigner Jean-Gabriel Causse hat die neuesten Studien aus Neurowissenschaft und Psychologie zusammengetragen und beweist: Ob in der Mode, im Alltag oder bei der Arbeit, Farben beeinflussen unser Empfinden und Verhalten maßgeblich. Mit seinem Buch, das in Frankreich zum Bestseller wurde, ist Causse ein Kunststück gelungen. Es vermittelt alles, was man über die Kraft der Farben nur wissen kann – auf so kurzweilige Weise, dass man gar nicht merkt, wie viel man lernt.

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Wussten Sie, dass das Betrachten der Farbe Rot Ihr Kurzzeitgedächtnis verbessert? Dass Orange Ihre Kommunikationslust erhöht und Sie ein in Türkis gestrichenen Räumen verbrachter Tag besser schlafen lässt? Dass ein grünes Kleidungsstück schlagfertiger macht, in Mauve gehaltene Wände die Lust steigern und Picassos Blaue Periode vielleicht nur ein Beleuchtungsfehler der Museen ist?

Der französische Farbdesigner Jean-Gabriel Causse hat die neuesten neurowissenschaftlichen Studien zusammengetragen und beweist: Ob in der Mode, im Alltag oder bei der Arbeit, Farben beeinflussen unser Empfinden und Verhalten maßgeblich. Mit seinem Buch, das in Frankreich zum Bestseller wurde, ist Causse ein Kunststück gelungen. Es vermittelt alles, was man über die Kraft der Farben nur wissen kann – auf so kurzweilige Weise, dass man vor lauter Lesevergnügen gar nicht bemerkt, wie viel man lernt.

Jean-Gabriel Causse, Jahrgang 1969, ist Mitglied des »Comité Français de la Couleur«. Er lebt in Paris und Tokio. In Japan ist er als Farbdesigner von Modemarken wie Jil Sander tätig. In Frankreich hat er die farbliche Gestaltung mehrerer Kliniken sowie von Kaufhäusern verantwortet.

JEAN-GABRIEL CAUSSE

DIE UNGLAUBLICHE KRAFTDER FARBEN

Aus dem Französischen von Pauline Kurbasik

Titel der Originalausgabe:

L’étonnant pouvoir des couleurs

Paris, Editions du Palio 2014

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches oder von Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – mit Ausnahme der in den §§ 53, 54 URG genannten Sonderfälle –, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Copyright © 2014 by Jean-Gabriel Causse

Published by arrangement with Melsene Timsit & Son Scouting

Agency and Marco Vigevani & Associati Agenzia Letteraria

Alle Rechte der deutschen Ausgabe:

© 2015 Carl Hanser Verlag München

Internet: http://www.hanser-literaturverlage.de

Herstellung: Denise Jäkel

Umschlaggestaltung und Motiv: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Datenkonvertierung E-Book: Kösel Media, Krugzell

ISBN 978-3-446-44475-1

E-Book-ISBN 978-3-446-44476-8

INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

FARBEN VERSTEHEN

Farbwahrnehmung

Farbtemperatur

Wie viele Farben gibt es?

Farbwahrnehmung in der Tier- und Pflanzenwelt

Die Synästhesie

Reproduktion von Farben

Optische Täuschung

FARBEINFLÜSSE

Farben der Gefahr und der physischen Dominanz

Entspannende und kreative Farben

Farben, Lernen und Produktivität

Die Farbe der Überzeugung

Farben der Sexualität

Farben und Sport

Farben und Geschmackswahrnehmung

Farben und Geruchssinn

Farben und Produkte oder Verpackungen

Farben, die weißer waschen

Farben und Pharmakologie

Farben und Kaufanreiz

Farben und Online-Handel

Ihre Lieblingsfarben tun Ihnen gut

Farbwahl

Wie Licht Farben beeinflusst

Farbtherapie

DIE RICHTIGE FARBWAHL

Farbsymbolik

Feng Shui und Farbeinflüsse

Farben bei der Inneneinrichtung

Farben und Bekleidung

Farben der Reihe nach

BlauRotRosaGrünSchwarzGrauWeißViolettTürkisGelbOrangeBraun/Kastanienbraun/Beige

FAZIT

Vokale, ein Gedicht von Arthur Rimbaud

ANHANG

Farbsymbolik in der ganzen Welt

Anmerkungen

Quellen

Für ihre Mitarbeit danke ich: Professor David Da Fonseca, der Ärztin Agnès Trébuchon, Alain Timsit, Laurence Le Du, Eric Peyre, Pascal Mollaret, Janine Demiddealer, Robin Gillet, Alexandra Arizanovic, Claire Célario, Alexandra Gaber, Benoit Mahé, Bruno Lavagna, Agnès Sotty, Isabelle Garnerone, Christine Pourcelot, Marion Lamarque, Laure Vouzellaud, Annabel Salomon, Olivier Guillemin, Suzanne Marest, Pascal Lefieux, Béatrice Calderon, Bruno Philippart und meiner Frau, Elodie Causse.

Ich danke meinem Verleger Jean-Jacques Salomon für sein Vertrauen und seine Geduld …

Für Capucine, Arthur und deren grün-graue Augen.

Jean-Gabriel Causse

EINLEITUNG

Stellen Sie sich vor, Sie studieren an einer amerikanischen Universität und absolvieren den berühmten IQ-Test. Auf Ihrem Blatt steht groß und in Rot Ihre Bewerbernummer. Sie haben die Nummer 87.

Vielleicht sind Sie wegen des bedeutsamen Ereignisses ein wenig angespannt, Sie wollen unbedingt ein gutes Ergebnis erzielen. So, wir fangen an, Sie haben 20 Minuten. Sie sind voll konzentriert. In diesem Moment gibt es allein den Test, die Zeit läuft. Wie Sie wissen, zählt jede Sekunde, schließlich wollen Sie so viele Fragen wie möglich beantworten. Und – Ende. Sie geben Ihren Bogen ab und sind ganz zufrieden mit sich, weil der Test vorbei ist. Gut gemacht!

Und nun stellen Sie sich vor, Sie wären ein anderer Student derselben Universität und Ihre Bewerbernummer stünde nicht in Rot, sondern in Schwarz auf dem Bogen. Zunächst erkennen Sie die Nummer gar nicht, weil Sie mit den Gedanken ganz woanders sind. Sie reden sich ein, der Test habe mit Ihrem Studiengang nur wenig zu tun. Sie spüren keinen Druck und nehmen die Sache auf die leichte Schulter, weil es sie bloß »irgendwie« interessiert, ob sie so intelligent sind, wie Ihre Mutter denkt. Und los geht’s. Sie lesen die erste Frage und finden sie einfach. Sieh mal einer an, wenn alle Fragen so leicht sind, wird Maman aber glücklich sein. Und was ist, wenn Maman richtig lag? Sie lächeln und gehen zur nächsten Frage über. Aber da ist der Test auch schon zu Ende. Die Bögen werden eingesammelt. Dabei sind Sie sind doch noch gar nicht fertig. Und wenn schon. Falls das Ergebnis miserabel ist, wird Maman nichts davon erfahren …

Diese Studie gab es wirklich. Sie wurde 2007 an der Universität Rochester in der Nähe von New York durchgeführt. Dabei wurde der Einfluss der Farbe Rot auf IQ-Tests untersucht. Die Nummerierung war nur ein Vorwand. Die Forscher wollten bloß wissen, ob allein die Farbe der Zahl einen Einfluss auf die Ergebnisse haben würde. Die Studierenden mit einer roten Nummer haben auf viel mehr Fragen geantwortet, aber auch viel mehr Fehler gemacht als die Gruppe mit der schwarzen Zahl. Schlussendlich haben sie im Durchschnitt schlechter abgeschnitten. Schlussfolgerung: Rot sorgt für Stress, der die Gedankengänge beeinflusst, und zwar ganz unbemerkt. Das zeigt sich an einem signifikanten Punkteverlust bei einem IQ-Text.1

Wir werden gemeinsam die neusten wissenschaftlichen Studien über psychische oder physiologische Beeinflussungen durch Farben entdecken. Sie werden sehen, die Ergebnisse sind so spektakulär wie verkannt. Farben nehmen Einfluss auf unser Verhalten, unser Selbstbewusstsein, unsere Befindlichkeit, unser Konzentrationsvermögen, unsere Wünsche, unsere sportliche Leistungsfähigkeit, unsere körperliche Kraft. Ja, auch das körperliche Leistungsvermögen wird von Farben beeinflusst!

Sie werden auch lernen, wie sehr Farben unser Verhalten beeinflussen, und zwar immer und überall. Aus praktischer Sicht erlauben uns die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Untersuchungen eine gezielte Farbwahl: bei der Kleidung, Wohnungseinrichtung, der Ausstattung eines Büros oder eines Verkaufsraums, der Gestaltung von gängigen Konsumgütern etc.

KAPITEL 1

FARBEN VERSTEHEN

Es mag Sie enttäuschen, aber Farben existieren gar nicht. Oder, genauer, »sie existieren nur, weil man sie betrachtet. Sie sind eine Erfindung des Menschen«, schrieb der Historiker Michel Pastoureau. Das ist schwer zu verstehen und widerspricht unserer Intuition. Aber seien Sie beruhigt, auch die Wissenschaftler haben einige Zeit gebraucht, um diese Angelegenheit zu »durchschauen«. Erst seit dem Ende des 20. Jahrhunderts sind sie sich einig. Also fast erst seit gestern. Was ist nun eine Farbe oder – genauer gesagt – die Wahrnehmung einer Farbe? Das menschliche Auge nimmt eine Wellenlänge als Farbe wahr. Es kann gewisse Wellenlängen zwischen 380 und 780 Nanometern erkennen. Wissenschaftler sprechen vom optischen Spektrum. Einfacher gesagt handelt es sich um das Licht, das vom Auge wahrgenommen wird. Licht besteht aus Wellen, genauso wie Infrarotstrahlung, Mikrowellen, Radiowellen (die länger als das Licht sind) oder Röntgenstrahlen und UV-Strahlen (die kürzer als das Licht sind). Der grundlegende Unterschied liegt darin, dass unsere Augen die anderen Wellenlängen »nicht sehen«.

Dieses Licht kann vom Objekt abgegeben werden, das Ihr Auge »sieht« (Glühbirne, Sonne, phosphoreszierende Oberfläche, Kerze etc.). Das Licht kann gefiltert werden und somit nur teilweise durchdringen: Nach diesem Prinzip funktionieren Dias und auch eine Sonnenbrille. Zudem kann Licht auch ganz oder teilweise reflektiert werden, deswegen können wir die Dinge um uns herum und auch den Mond sehen.

Wo wir gerade von der Reflexion des Lichtes sprechen: In Frankreich pflegt man in seiner Kindheit Mitschülern auf dem Pausenhof Butterblumen ins Knopfloch zu stecken. Es heißt, falls deren Kinn anschließend gelblich schimmert, mag der Mitschüler oder die Mitschülerin Butter (ein seltsamer, aber real existierender Brauch) … Nun, leider haben Wissenschaftler diesen Mythos vor kurzem zerstört. Sie entdeckten die Ursache des goldenen Glanzes. Die Wellenlängen der Farbe Gelb werden wegen der konkaven Form des Blütenblatts gebündelt und auf einen kleinen Bereich direkt über der Blume reflektiert.2 Nun ist also klar, warum das Kinn des Schülers gelb schimmert, mit Liebe zu Butter hat der Glanz allerdings nichts zu tun.

Licht ist folglich eine elektromagnetisch erzeugte Welle, die gefiltert oder reflektiert wird.

Unser Freund Einstein, der viel schlauer war als wir, wollte die ganze Sache aber ein wenig verkomplizieren. Er stellte eine Hypothese auf, die er dann auch bewies und die besagte, dass sichtbares Licht bloß eine gewöhnliche elektromagnetische Welle sei, gleichzeitig aber auch ein Photonenstrahl (oder eine Lichtquante). Licht ist also auch eine Energieübertragung (falls Sie zahlenverliebt sind: Das Photon »Violett« verfügt beispielsweise über die Energie von drei Elektronenvolt).

Da man sich lange nicht traute, Goethe vom Farbenthron zu schubsen, herrscht unter den Wissenschaftlern erst seit kurzer Zeit ein Konsens zur Farbtheorie. Goethe hat mit seinem Werk Zur Farbenlehre den Menschen über 200 Jahre lang etwas vorgemacht. In diesem umfangreichen Text mit über 2000 Seiten legte er uns die Existenz von vier Grundfarben dar, die sich jeweils zwei zu zwei gegenüberstehen: Blau ist komplementär zu Gelb und Rot zu Grün (in geringerem Maße gilt dies auch für Schwarz und Weiß). Die Farbe Gelb ist eine Eingangspforte zum Licht (»zunächst am Licht«), die Farbe Blau ist eine Verwandte der Dunkelheit (»zunächst an der Finsternis«). Zwischen diesen beiden entgegengesetzten Polen lassen sich alle anderen Farben einordnen. Goethe fiel auf, dass dasselbe Licht (das beispielsweise von Rauch sichtbar gemacht wird) abhängig vom Hintergrund anders wirkt: Vor einem weißen Hintergrund wirkt es gelb und vor einem schwarzen Hintergrund stark bläulich. Mit seiner Farbenlehre hat Goethe zahlreiche Künstler beeinflusst. Beispielsweise William Turner, der den Beinamen »Meister der Lichtmalerei« erhielt und der wie niemand sonst die Tiefen des Himmels eindrücklich und in beachtlicher Farbvielfalt malen konnte.

Die meisten Wissenschaftler werden Ihnen ein wenig verschämt erklären, dass Goethes Theorie nur in ganz wenigen Punkten zutrifft, um nicht zu sagen ziemlich veraltet ist … Aber, vielleicht tröstet dies die Goethe-Anhänger, auch Newton wird es nicht besser ergehen.

Wie mein superschlauer fünfjähriger Neffe es ausdrückte, war Newton der Erste, der verstand, dass »die weißen Lichtfarben in keiner Weise auf Oberflächenbrechung zurückzuführen sind, sondern im einfallenden Weißlicht selbst enthalten sind«. Newton ist ganz offensichtlich von Descartes ausgegangen, der Licht mithilfe eines Prismas zerlegt hatte. Sie wissen schon, dann hat man diesen hübschen Regenbogen, der hinter einer angestrahlten Pyramide erscheint (denken Sie einfach an das Cover des Pink-Floyd-Albums Dark Side of the Moon). Newton ist noch einen Schritt weitergegangen, weil er den ursprünglichen Lichtstrahl aus demselben Regenbogen wieder neu zusammensetzte. Dazu sammelte er mithilfe einer Linse an einer Stelle die farbigen Strahlen, die durch die Brechung des Prismas entstehen. An der Stelle, wo sich alle Strahlen trafen, stellte er fest, dass das Licht wieder weiß erschien. Schlussfolgerung: Das Prisma färbt das Licht nicht ein, es bricht lediglich die Farben, die bereits im Weißlicht enthalten sind. Eine revolutionäre Entdeckung! Farben sind keine Helligkeitsstufen, sondern eine Eigenschaft des Lichts. Jede Farbe besitzt ihren eigenen Brechungswinkel. Chapeau vor Ihrem Weitblick, Mr Newton!

Danach hätte ihm eigentlich ein Apfel auf den Kopf plumpsen müssen. Wenn man Goethe mit seinen vier Farben schon als großzügig bezeichnet, was macht man dann aber erst mit Newton? Isaac, der »Rainbow Warrior«, hat sich die Freiheit herausgenommen, die sieben Grundfarben festzulegen: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigoblau, Violett. Warum sieben? Nun, auf Newtons Visitenkarte hätte »Sir Isaac Newton, Gelehrter, Alchimist, Esoteriker, Numerologe« stehen können. Und allein die Ziffer Sieben steht für Harmonie.

Sieben wie die sieben Tage der Schöpfung, die, nach okkulter Auffassung, sieben Planeten, die sieben Töne in der Musik oder auch die Anzahl von Schneewittchens Zwergen. Deswegen hat Newton das Indigoblau mit in seine Aufzählung aufgenommen. Heute herrscht Konsens darüber, dass ein Regenbogen lediglich über sechs reine Farben verfügt. Etwas später werden wir noch sehen, dass es in Wirklichkeit eigentlich bloß drei Farben gibt.

Farbwahrnehmung

Farben werden mithilfe dreier Elemente bestimmt: Farbton, Helligkeit (oder Wert) und Sättigung.

Als Farbton wird eine Spektralfarbe bezeichnet, die zu einer bestimmten Wellenlänge gehört (blau, grün, gelb, rot, braun etc.). Die Helligkeit beschreibt schematisch den Weißanteil einer Farbe. Sowohl Blassrosa als auch Bordeauxrot sind beispielsweise Rottöne. Bei Himmel- und Marineblau handelt es sich um Blautöne mit unterschiedlichem Weißanteil. Die Sättigung beschreibt den Grauanteil der Farbe.

Um hier ganz genau zu sein und Einsteins Beitrag zur Farbtheorie nicht mit einzubeziehen: Je weniger energetisch das sichtbare Photon ist, desto stärker erscheint es »rot«, und je energetischer es ist, desto mehr spielt es ins Violette. Die Helligkeit kann als Photonenmenge beschrieben werden, die von einer Lichtquelle abgegeben wird. Bei der Sättigung ist dies die relative Amplitude der dominierenden Wellenlänge im Verhältnis zu den anderen Wellenlängen der Lichtquelle. Sobald eine zweite Wellenlänge parallel existiert, ist die daraus resultierende Farbe keine »Spektralfarbe« mehr und entsättigt sich.

Mithilfe der Netzhaut des menschlichen Auges, die über drei verschiedene Arten von Sinneszellen verfügt, können wir Farben wahrnehmen. Diese Zellen werden Zapfen genannt, und jede Gruppe ist empfänglich für eine spezielle Wellenlänge des Spektrums: S-Zapfen (Short wavelength receptor für kurze Wellenlängen) sind vor allem für den Blaubereich des Farbspektrums empfänglich, die M-Zapfen (Medium wavelength receptor für mittlere Wellenlängen) eher für den Grünbereich und die L-Zapfen (Large wavelength receptor für lange Wellenlängen) vor allem für Rottöne. Heutzutage geht man davon aus, dass 10 Prozent der Männer und 50 Prozent der Frauen noch über einen vierten Fotorezeptor verfügen, der empfänglich für Orangetöne ist.3

Diese Menschen können folglich Nuancen der Farben Gelb, Orange und Rot besser wahrnehmen. Man bezeichnet sie als »Tetrachromaten«. (»Du bist ein Tetrachromat« ist zwar ein Kompliment, sollte aber – da der Gebrauch noch nicht so weit verbreitet ist – sparsam verwendet werden.) Sollten Sie eine Mutter von farbenblinden Kindern sein, sind Sie mit einiger Wahrscheinlichkeit Tetrachromatin. Und falls Sie außerdem Braun und Gelb gerne mögen, haben Sie das große Los gezogen, weil Sie hundertmal mehr Nuancen im Gänsekot sehen können als der normal sterbliche Trichromat.4

Farbwahrnehmung ist also eine Mischung aus diesen drei (oder vier) Sinneseindrücken, die vom Gehirn entschlüsselt werden. Zur Zeit der Pharaonen dachten die Ägypter, das Auge sei die »Palette, welche die Farben mischt«. Das stimmt nicht so ganz. Die Mischung findet im Occipitallappen im hintersten Teil des Großhirns statt.5 Die Aussage »Farben sehe ich nicht mit den Augen, sondern mit dem Genick« ist also nicht völlig falsch.

Die Helligkeit bestimmt die Intensität, mit der Farben wahrgenommen werden. Im Halbdunklen beispielsweise, wenn das Licht weniger stark ist, nehmen die Zapfen, die nur über begrenzte Empfindlichkeit verfügen, Farben nicht mehr wahr. In der Nacht sind also nicht alle Katzen grau, unsere Zapfen schlummern bloß. Zum Glück haben die Zapfen in der Netzhaut noch Helfer: die Stäbchen. Es gibt zehnmal so viele Stäbchen wie Zapfen, und sie sind nicht farb-, sondern lichtsensibel. Wenn das Licht schwächer wird, kann es sein, dass bloß die Stäbchen aktiviert werden, nicht aber die Zapfen. In der Dämmerung sind die Zapfen empfänglicher für Blautöne, Rottöne hingegen werden nicht mehr gut wahrgenommen. In Filmen aus den 70er Jahren, z. B. bei Die amerikanische Nacht, wurde daher der Tag einfach mit einem blauen Filter vor dem Kameraobjektiv zur Nacht gemacht.

Umgekehrt blenden uns zu viele Photonen, die gleichzeitig den Zapfen auf der Netzhaut und den Stäbchen Schmerzen bereiten, sie sind dann gesättigt.

Um Goethe doch ein ganz klein wenig Ehre zuteilwerden zu lassen, muss man ebenfalls den Gegensatz der Farben im Gehirn berücksichtigen (Grün/Rot, Gelb/Blau und Schwarz/Weiß).6 Das würde erklären, warum niemand ein grünliches Rot oder ein bläuliches Gelb wahrnimmt. Dieser Gegensatz erklärt auch die negativen Nachbilder, chromatische Remanenzen genannt, ein Effekt, der auch als »Einbrennen ins Auge« bezeichnet wird. Wenn unser Auge eine Farbe erblickt, erzeugt es automatisch deren Komplementärfarbe und projiziert dieses Nachbild auf Objekte in der Umgebung. Chirurgen tragen in Operationssälen stets Grün, weil diese Farbe das Nachbild von roten Wunden neutralisiert.

Eine weitere Frage, die wir dank der jüngsten Fortschritte der Neurologie beantworten können, lautet: Wie kommt es, dass wir die beiden Farben Rot und Violett als sehr ähnlich empfinden, obwohl sie sich im Lichtspektrum doch am jeweils anderen Ende befinden und somit eigentlich unterschiedlicher nicht sein könnten? Eine etwas vereinfachte Antwort lautet, dass der kortikale Bereich, der empfindlich auf die Farbe Rot reagiert, genau neben dem Bereich liegt, der empfindlich auf Violett reagiert, und dass zwischen den beiden Bereichen eine gewisse Durchlässigkeit herrscht.7

Aber zurück zu unseren Zapfen, sie verfügen über zahlreiche Vorzüge. Zunächst sind sie recht robust, nahezu unzerstörbar und schon bei Säuglingen ab sechs Monaten vollständig ausgeprägt. Vorher können Babys weder die Farben Blau noch Violett wahrnehmen, sie erscheinen ihnen gräulich, Pastellfarben erscheinen ihnen weiß.8

Nimmt ein Mensch im Laufe seines Lebens Farben eigentlich immer auf dieselbe Weise wahr? Fast. Die Zapfen altern. Aus diesem Grund sehen Senioren einen ganz leicht gelblichen Schimmer, durch den ihnen ein bläuliches als absolutes Weiß erscheint.

Häufig wird in diesem Zusammenhang auf den Maler Claude Monet verwiesen, der Grauen Star bekam und daraufhin seine Farbpalette veränderte: Nach und nach arbeitete er – bis zu seiner Operation mit 82 Jahren – zunehmend mit gelben und rotbraunen Farbtönen.

Nach seiner Operation erschuf Monet auf einmal sehr blaue Gemälde. Wie der Guardian im Jahr 2002 schrieb, könnte ihm die Operation des Grauen Stars eine Erweiterung seines Spektrums ermöglicht haben. Monet war danach vielleicht dazu in der Lage, Farben im ultravioletten Bereich zu sehen. Die britischen Journalisten zogen diese Schlussfolgerung, nachdem sie unter UV-Licht die Farben untersucht hatten, mit denen Monet in seinen letzten Werken Blumen malte. Aber ob man Engländern immer alles glauben sollte …

Farbtemperatur

Hände auf den Summer und los: Welche Farbe ist am wärmsten? Rot oder Blau?

Die meisten empfinden Rot als warme und Blau als kalte Farbe.

Man könnte dies für eine 50-Euro-Frage bei »Wer wird Millionär« halten.

Die meisten Menschen sind nun aber keine Wissenschaftler, geschweige denn Astronomen, die uns erklären, dass blaue Sterne zehn Mal heißer als rote Sterne sind …

Wir kennen dieses Phänomen eher von Toastern. Wenn Sie morgens beim Frühstück einen Widerstand im Toaster bemerken, und das Gerät rot-orange und ins Blaue spielend glüht, rufen Sie ganz schnell die Feuerwehr! Und falls Sie überleben, sollten Sie unbedingt das Guinness Buch der Rekorde anrufen. Ein Platz für das auf die höchste jemals gemessene Temperatur erhitzte Toastbrot (über 10 000° Celsius) ist Ihnen sicher.

Mit der Farbtemperatur verhält es sich folglich anders, als man gemeinhin annimmt. Je höher die Temperatur, desto mehr spielt die Farbe ins Blaue. Farbtemperatur wird in Grad Kelvin angegeben und basiert auf dem interessanten Konzept des »schwarzen Körpers«. Wenn man ein Stück Kohle betrachtet, sieht man einen schwarzen Körper, der sämtliche Lichtstrahlen ganz unabhängig von deren Wellenlänge absorbiert. Wenn Sie Kohle zum Glühen bringen, wird sie orange und hat eine Temperatur von 1500 K (Kerzenlicht), gelb-orange bei 2700 K (Licht einer Glühbirne), hellgelb bei 3200 K (Licht einer Halogenlampe) und weiß bei 5800 K (Sonnenlicht). Bei höheren Temperaturen wird unser Stück Kohle immer bläulicher.

Aber wenn Blau »physisch« heißer ist als Rot, bedeutet das auch, dass Blau als wärmere Farbe wahrgenommen werden kann? Die Antwort lautet: Unter gewissen Bedingungen sehr wohl.

Wissenschaftler haben eine Personengruppe gebeten, die Temperatur von Würfeln zu bestimmen, in deren Inneren elektrische Widerstände steckten und die von Tüchern in verschiedenen gesättigten Farben umhüllt waren. Aber die geheimnistuerischen Wissenschaftler »vergaßen«, die Versuchskaninchen darauf hinzuweisen, dass die Würfel allesamt eine Temperatur von 42° Celsius hatten. In Paarvergleichen mussten die Probanden innerhalb einer Sekunde sagen, welcher Würfel der wärmere sei. Für die meisten Versuchspersonen waren die blauen und grünen Würfel am wärmsten, die roten und violetten Kuben hingegen am kältesten.9 Unbewusst hatten die Versuchskaninchen, die bei den blauen oder grünen Quadern kältere Temperaturen erwarteten, deren Temperaturen überschätzt.

Von diesem Sonderfall einmal abgesehen, empfinden wir Rot, Orange und Gelb sicherlich als warme und Blau und Violett als kalte Farben. Grün gilt als »lauwarme« Farbe, also als weder kalt noch warm, und befindet sich fast genau in der Mitte des Lichtspektrums, das vom menschlichen Auge wahrgenommen werden kann. Aber selbst wenn wir das so empfinden, von einem physikalischen Standpunkt aus ist es falsch.

Die Vorstellung von Farbtemperaturen ist sehr bedeutsam, weil Farben von unserem Gehirn in Abhängigkeit von ihrer Temperatur wahrgenommen werden. Man ist daran gewohnt, Kerzenlicht von Ampellicht und »Tageslicht« zu unterscheiden. Gemeint ist »Tageslicht zur Mittagsstunde und bei strahlendem Sonnenschein«. Sprechen wir nicht auch von den schönen Farben des Morgens oder wundervollen Herbstfarben? Wenn man ein bisschen übertreibt, kann man behaupten, dass eine Zitrone im Rotlicht weiß aussieht und in grünem Licht braun. Nur bei »weißem« Licht erscheint eine Zitrone gelb.

Kerzenlicht wird kaum beachtet. Das ist eine Schande, besonders bei der Ausstellung einiger Maler. Wir haben alle schon von Künstlern gehört, die pleite waren und ihre Werke bei Kerzenschein erschufen. Sie stellten ihre Farbpalette bei einem stark »orangen« Licht zusammen. Nun richten sich aber die Kuratoren bei Ausstellungen in Museen nicht danach, welche Farben die Künstler beim Malen »gesehen haben«, sondern eher nach unseren gegenwärtigen Beleuchtungsgepflogenheiten mit »weißem Licht«. Aus diesem Grund erscheinen uns viele Bilder in den Museen sehr »blau«. Wie erzählt wird, hat auch Picasso in seinen Anfängen bei Kerzenschein gemalt. Man könnte sich also durchaus fragen, ob die »Blaue Periode« nicht bloß auf Beleuchtungsfehler bei der Ausstellung seiner Werke zurückzuführen ist.

Vor allem bei Textilkonzernen spielen Farbveränderungen, man spricht von metameren Farben, eine große Rolle. Wie erscheint die Farbe eines Kleidungsstücks bei Tageslicht und wie wirkt sie bei der Beleuchtung im Laden? Wirkt ein Grün bei Tageslicht etwa braun, weil das Licht zu gelblich ist?

Und wo wir gerade schon von Tageslicht sprechen, hier die Antworten auf drei Fragen, die Sie garantiert in Ihrer Kindheit den Eltern gestellt haben und auf die diese mit Sicherheit leicht beschämt antworteten: »Ja, mein Schatz, das ist einfach so …« Warum sind Wolken weiß? Warum ist die Sonne morgens und abends rot? Warum ist der Himmel blau? Und so weiter.

Die Antworten liefern uns die Herren Mie und Rayleigh mit ihren Theorien zur Streuung. Einfach gesagt sind Wolken weiß, weil die Wassertröpfchen, aus denen sie bestehen, größer sind als die Wellenlängen des Lichts.10 Das gesamte Lichtspektrum wird folglich gestreut, daraus resultiert die weiße Farbe.

Die rote Sonne am Horizont ist auf unendlich viele winzige Partikel zurückzuführen, die in der Luft umherfliegen und wie mikroskopische Spiegel Licht überallhin streuen. Mit der sogenannten »Rayleigh-Streuung« hat der gleichnamige Physiker nachgewiesen, dass die kurzwelligen Längenbereiche (Blau) viel stärker abgelenkt werden als die langwelligen Längenbereiche (Rot), die – komme was wolle – ihren Weg fast genau einhalten. Wenn die Sonne am Horizont steht, legt das Licht einen Weg durch die Atmosphäre zurück und trifft auf zahlreiche »spiegelnde Schmutzpartikelchen«, bevor es bei unseren Augen ankommt. Die Wellenlängen der Farbe Rot kommen zum größten Teil bei uns an, wohingegen die blauen Wellenlängen abdriften.

Wenn die Sonne ihren höchsten Stand am Himmel erreicht hat, das heißt, wenn sie senkrecht steht, lässt sich das gleiche Phänomen erkennen, aber weniger stark ausgeprägt. Deswegen ist die Sonne für uns gelb, für einen Astronauten aber weiß.

Und, um zur Beantwortung der letzten Frage zu kommen: Ein blauer Himmel ist aus dem gleichen Grund blau. Wenn Sonnenstrahlen auf die Erde treffen, also die Atmosphäre durchqueren, fallen uns einige Strahlen, die eigentlich oberhalb unserer Köpfe abgelenkt werden sollten, wegen der Schmutzpartikel in der Luft direkt in die Augen. Und da blaues Licht zehn Mal stärker abgelenkt wird als rotes, sehen wir hauptsächlich blaues Licht. Deswegen hat der Himmel dieses wundervolle Azurblau. Diese Farbe ändert sich von Region zu Region, oder genauer: abhängig von den jeweiligen Schmutzpartikeln in der Luft.

Wie viele Farben gibt es?

Die Farbwahrnehmung ändert sich folglich in Abhängigkeit von den Bestandteilen eines Gegenstandes, der Reaktion des Gehirns und der Farbtemperatur (und ebenso der Lichtstärke). Aber wie viele Farben können wir überhaupt wahrnehmen?

Sie müssen wissen, dass Ihr Auge ein äußerst schlechtes Farbgedächtnis hat. Stellen Sie sich ein Kartenspiel vor, das aus 10 000 Karten mit 10 000 unterschiedlichen Farbnuancen besteht. Wenn ich vor Ihnen einige Karten mit nahezu identischen Farbtönen ausbreite, können Sie sehen, dass eine Karte etwas bläulicher ist, die andere etwas heller, gesättigter etc. Wenn ich Ihnen aber nur ganz kurz eine einzige Karte zeige und Ihnen anschließend eine andere Karte aus derselben Gruppe vor die Augen halte, können Sie nicht sagen, ob es sich bei der letztgezeigten Karte um die direkt vorher gezeigte Karte oder um eine andere aus dieser Gruppe handelt.

Der Mensch verfügt über ein sehr ungenaues Farbgedächtnis (Sie, lieber Leser, mögen eine Ausnahme darstellen, ich habe – nach längerem Nachdenken – keine Lust, mich mit Ihnen darüber zu streiten). Aber wie genau können wir Farben wahrnehmen, wenn man sie uns als Farbpalette zeigt?

Die Antwort lautet: SEHR GENAU!

Um es (etwas) genauer zu sagen, wir können zwischen Tausenden und einigen Millionen Farben unterscheiden!

Die Farbpalette von Pantone umfasst 2100 Farben. Ich kann Ihnen versichern, dass sämtliche »Art-Direktoren« in der Werbebranche lautstark eine viel zu geringe Farbauswahl beklagen.

Viel zu gering bedeutet, dass die kreativen Köpfe gerne etwa zehnmal so viele Farben hätten. Die Wollfärber der berühmten Gobelin-Manufaktur prahlten einst damit, dass sie 20 000 Farbnuancen erkennen konnten.11 Sogenannte »Experten in Farbmetrik« räumen heute ein, dass der Mensch etwa 150 monochromatische Farben erkennen kann, das entspricht 300 000 Farben, die durch unterschiedliche Lichtstärken und Sättigungen entstehen.12 Einige Koryphäen in der Welt der Farben haben die sehr optimistische Schätzung aufgestellt, dass wir sogar 3 Millionen verschiedene Farben voneinander unterscheiden können.13

Diese Zahl relativiert auf jeden Fall die Versprechen der TV-Verkäufer, die uns Fernsehgeräte mit 6 oder 8 Millionen Farben anpreisen.

Mit Sicherheit lässt sich bloß sagen, dass man zwei sehr ähnliche Farben leichter auf einer großen als auf einer kleinen Oberfläche voneinander unterscheiden kann und dass sich Rottöne leichter voneinander unterscheiden lassen als Blautöne.