Die unsichtbaren Fürsten - Klaus Möckel - E-Book

Die unsichtbaren Fürsten E-Book

Klaus Möckel

4,5

Beschreibung

Im Zauberland, ja in der Smaragdenstadt selbst, geschieht Ungeheuerliches. Läden werden am helllichten Tag ausgeraubt, ganze Viehherden weggetrieben, und das Gespenstischste ist, dass man die Räuber nicht oder bestenfalls als grünliche Schatten sehen kann. Als schließlich noch der alte Fischer Pet Riva, der sich als Hobbyzauberer einen Namen gemacht hat, mitsamt seiner Schaluppe entführt wird, muss der Weise Scheuch etwas unternehmen. Gemeinsam mit dem Löwen und dem Holzfäller begibt er sich auf Spurensuche. Dabei stellt sich heraus, dass Nachfahren aus den früheren Unterirdischen Königreichen die Untaten begehen. Als die damaligen Erzgräber nämlich vor Jahren zur Erdoberfläche zurückkehrten, waren einige Höhlenbewohner in den Gewölben geblieben und hatten einen eigenen Staat gegründet. Der Grüne Fürst, ein böser und aggressiver Herrscher, hatte sich nach allerhand Machtkämpfen an die Spitze gesetzt. Nun will er die Smaragdenstadt mit Krieg überziehen, um Reichtümer und Lebensmittelvorräte zu ergattern. Durch ein Wasser, das unsichtbar macht, scheinen die Banditen unangreifbar. Doch nach gefährlichen Abenteuern im weitverzweigten Höhlensystem unter der Erde, an denen auch Jessica, Betty Strubbelhaar und der tapfere Hund Knacks teilnehmen, finden die Freunde ein Gegenmittel. So sind sie bestens gerüstet, als die Räuber zum entscheidenden Kampf ansetzen. Ein weiteres spannendes Buch voller Überraschungen aus dieser Reihe. "Es zeigt sich, wie zauberhaft Märchen sein können", heißt es in einer Kunden-Rezension im Internet. Dieses Buch, 2001 bei LeiV (Leipzig) mit Illustrationen von Hans-Eberhard Ernst unter dem Pseudonym „Nikolai Bachnow“ erschienen, ist das sechste von mehreren Büchern, die an die bekannte Reihe des Russen Alexander Wolkow anschließen. "Endlich befindet man sich wieder in Gefilden, die nicht mehr futuristisch oder abstrakt anmuten", hieß es damals in Karolin Kullmanns Rezension. INHALT: Erster Teil: Ein Anschlag auf Pet Riva Sonderbare Vorfälle Pet Rivas Entführung Das Sportfest Wohin verschwinden die Unsichtbaren? Der lebende Stein Nox Neunfuß Auf der Suche nach Pet Riva Zwei Freunde und ein Plan Das Reich des Roten Fürsten Die Geschichte der Unsichtbaren Ein hinterlistiger Angriff Zweiter Teil: Das Zauberwasser Die Rutschpartie Das Tor in die Tiefe Im Felsverlies Der Steinhase Unerwartete Rettung Die blauen Vögel Der einbeinige Holzfäller Ein Kinderlied Die Befreiung Ein schwieriger Rückweg Die Bitte des Roten Fürsten

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Impressum

Aljonna und Klaus Möckel

Die unsichtbaren Fürsten

Band 6 der Nikolai-Bachnow-Bücher

ISBN 978-3-86394-126-0 (E-Book)

Die Druckausgabe erschien unter dem Pseudonym „Nikolai Bachnow“ 2001 bei LeiV Buchhandels- und Verlagsanstalt GmbH.

Illustrationen: Hans-Eberhard Ernst

© 2013 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Alte Dorfstraße 2 b 19065 Godern Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

Vorwort

Als Alexander Wolkow Mitte des vorigen Jahrhunderts seine Bücher über das Zauberland jenseits der Weltumspannenden Berge veröffentlichte, in denen er sich am berühmten "Zauberer von Oz" des Amerikaners Lyman Frank Baum orientierte, konnte er nicht ahnen, welchen Erfolg er damit haben würde. Nicht nur in der damaligen Sowjetunion fanden die Geschichten vom Mädchen Elli, dem Weisen Scheuch, dem Tapferen Löwen und dem Eisernen Holzfäller zahlreiche Leser, sie wurden auch in viele Sprachen übersetzt. In der DDR wuchsen Generationen von Kindern mit den sympathischen Helden auf, und die Wolkow-Bücher überlebten schließlich sogar die Wende. 1992 wurde der "Zauberer der Smaragdenstadt" im LeiV Verlag Leipzig neu herausgebracht und stand, genau wie einige weitere Bücher der Märchenreihe, in den Bestsellerlisten für Kinderliteratur lange an vorderster Stelle.

Es ist nicht erstaunlich, dass sich in Russland und anderswo bald Autoren fanden, die an diesen Erfolg anknüpfen wollten. Nach einigen Experimenten mit russischen Schriftstellern, die, den neuen Zeiten Rechnung tragend, die Wolkowschen Gestalten zum Teil auf ferne Atolle und ins Weltall schickten, kam der Verlag auf die Idee, wieder die ursprüngliche Wirkungsstätte in den Mittelpunkt zu rücken. Klaus und Aljonna Möckel, die sich als Schriftsteller bzw. Übersetzerin in der DDR einen Namen gemacht hatten, übernahmen unter dem Pseudonym Nikolai Bachnow (Nikolai als russische Version von Klaus; Bachnow nach dem Mädchennamen Bach der Übersetzerin), die Aufgabe, weitere Geschichten für die sympathischen Helden zu erfinden.

Natürlich sollten die Leser – Kinder und Erwachsene, die diese Bücher früher verschlungen und inzwischen selbst Kinder hatten - den Bezug zum bisherigen Geschehen herstellen bzw. den Übergang nachvollziehen können. Neue Gestalten waren schon in den letzten Wolkow-Bänden aufgetaucht, Söhne und Nichten der ursprünglichen Heldin Elli bestanden gefahrvolle Abenteuer, und in drei Bänden des Nachfolge-Autors Kusnezow wirkten weitere Helden mit. Doch das ursprüngliche Zauberland rückte dadurch in den Hintergrund, war kaum noch fassbar, das Geschehen oft verwirrend und zu abstrakt dargestellt.

Um diese Situation, die von vielen Lesern als unglücklich empfunden wurde, zu beenden und gleichzeitig die wichtigsten Verbindungen fortzuführen, konzentrierten sich Aljonna und Klaus Möckel erneut auf die Grundzüge der Zauberland-Serie. Sie hielten, zumindest in den ersten Bänden, an einigen der neueren Figuren wie dem Kapitän Charlie oder Chris Tall, Ellis Sohn, fest, stellten aber die vertrauten Gestalten wieder mehr ins Zentrum. Mit der Zeit formte sich ein neues Ensemble, in dem neben dem Scheuch, dem Löwen und dem Holzfäller besonders Goodwins Enkelin Jessica und die Puppe Prinzessin Betty, die der Scheuch zur Frau genommen hatte, herausragten, zu dem aber auch witzige Gestalten wie der Hobbyzauberer Pet Riva, die starke Spinne Minni oder der schlaue Mäuserich Larry Katzenschreck gehörten.

1996 kam es zur Veröffentlichung des ersten Bachnow/Möckel-Bandes "In den Fängen des Seemonsters", in dem sich die Bewohner des Zauberlandes mit einer Verschmutzung im Muschelmeer, dem Reich der Fee Belldora, auseinandersetzen müssen. "Manches hat sich im Zauberland verändert", schrieb seinerzeit die Kritikerin Karolin Kullmann im Internet, "aber dennoch hat man von der ersten Seite an das Gefühl, wieder im wundervollen Märchenreich zu sein ... Mit dem Autor Nikolai Bachnow, der von nun an das Schreiben neuer Geschichten übernimmt, hat die Reihe viel dazu gewonnen." Und die Rezensentin, die auch zu den späteren Büchern Kritiken verfasste, sprach am Ende die Hoffnung aus, "dass auch die Nachfolger mithalten können".

Von dem Autorenpaar entstanden in den Jahren 1996 bis 2003 acht Bände, die nun auch digital vorliegen. Aljonna und Klaus Möckel hatten sich vorgenommen, gut verständlich, spannend, mit Fantasie und Humor zu erzählen, so wie es für Kinder (und Erwachsene) sein sollte. Der Leser mag nun selbst urteilen, ob sich die Hoffnung der Kritikerin erfüllt hat.

Erster Teil: Ein Anschlag auf Pet Riva

Sonderbare Vorfälle

Der Hund Knacks, eine schwarzbraune Promenadenmischung mit Schlappohren und krummen Beinen, hatte einen wunderbaren Traum. Er war mit seinem Herrn zu einem Schlachtfest eingeladen und wurde aufs Herrlichste verwöhnt. Mit besten Fleischbrocken, Blutwürsten und Markknochen. Dazu trank er aus einem Napf frisches Quellwasser.

Knacks schlappte und schlug sich den Bauch voll, dass es eine Lust war. Bis er plötzlich durch lautes Muhen aufgestört wurde. Weshalb brüllen hier die Kühe herum, dachte er erstaunt, was haben sie bei einem Schlachtfest zu suchen. Sie sollten sich lieber schleunigst davonmachen.

Die Bilder verwischten sich und Knacks erwachte. Etwas enttäuscht leckte er sich das Maul - leider hatte er keinerlei saftiges Bratenstück zwischen den Zähnen, lag vielmehr mit leicht knurrendem Magen unter einem Busch hinterm Hof seines Herrn. Das aufgeregte Muhen und Gebrüll der Kühe allerdings war Wirklichkeit und was er nun entdeckte, ließ ihn an seinem Hundeverstand zweifeln. Aus dem Gatter vor ihm, dessen Tor sich in diesem Moment weit öffnete, ohne dass der Bauer, seine Frau oder sonst jemand zu erblicken waren, kamen die Gescheckten herausgetrampelt und es klang, als würden Stockhiebe gegen ihre runden Flanken prasseln.

Was für eine Gaukelei, ich schlafe noch immer, dachte Knacks und schnappte, um sich von der Wahrheit zu überzeugen, nach seinem Ohr. Er biss kräftig zu, spürte den Schmerz und quietschte auf wie eine Gummipuppe. Ohne Frage, er war wach.

Knacks sprang auf die Füße. Die Kühe entfernten sich vom Hof, rannten auf den Wald zu.

"Hiergeblieben, ihr Grasfresser!", bellte der Hund empört. "Wo wollt ihr denn hin?" Er stürzte auf sie zu, um sie aufzuhalten und zurück zur Umzäunung zu scheuchen.

Doch die Gescheckten liefen weiter und eine, mit Namen Liese, erwiderte:

"Es liegt nicht an uns. Wir wollen nicht wegrennen, man treibt uns. Hörst du nicht die Schläge, mit denen sie uns traktieren?"

"Stimmt, ich höre Schläge, aber wer, bei allen guten Geistern, teilt sie aus?", rief Knacks. "Ich kann niemanden entdecken."

"Wir auch nicht", jammerte Liese, "doch sie sind um uns herum. Sie haben das Gatter geöffnet. Es sind Unsichtbare."

Im Zauberland war allerhand möglich. Man hatte es schon mit Hexen, Feen, Zwergen, Riesen und Drachen zu tun gehabt. Es gab Seemonster, Nebelgespenster und Bäume, die einen beim Kragen packten. Trotzdem, von Unsichtbaren hatte Knacks noch nie etwas gehört. Dabei war er in seinem kurzen Leben bereits mit so erfahrenen Leuten wie dem Weisen Scheuch, dem Eisernen Holzfäller, dem Tapferen Löwen und der Prinzessin Strubbelhaar zusammengetroffen.

"Diesen Unsichtbaren werd ich's gleich zeigen", kläffte der Hund. Er hatte die Kühe inzwischen fast erreicht, stürzte sich todesmutig zwischen sie und biss aufs Geratewohl um sich.

Tatsächlich bekam Knacks auch Stoff zu fassen, ein fremdes, muffig riechendes Hosenbein. Ein Fluch ertönte, dann wurde er geschüttelt und herumgeschleudert. Da er nicht losließ, sauste ihm ein Knüppel auf den Kopf. Aufjaulend gab er die Hose frei.

Doch so schnell war Knacks nicht aus dem Feld zu schlagen.

"Gebt euch zu erkennen, ihr Banditen", rief er wütend und wagte eine zweite Attacke. Diesmal gelang es ihm aber gar nicht erst, jemanden zu packen. Im Gegenteil, ein Fußtritt erwischte ihn und warf ihn ins Gras. Vorübergehend wurde er ohnmächtig. Als er wieder zu sich kam, hatten die Kühe bereits den Wald erreicht.

"Ihr Räuber, ihr Verbrecher", stöhnte Knacks, denn bellen konnte er nicht mehr. Ihm taten alle Knochen weh, bestimmt waren einige gebrochen. Obwohl ihm das Nachdenken schwerfiel, überlegte er, was zu tun sei. Der Diebstahl durfte nicht ungesühnt bleiben. Doch für eine Verfolgung war er zu schwach. Nachdem er wieder etwas zu Kräften gekommen war, raffte er sich auf und humpelte zum Hof seines Herrn zurück.

Bauer und Bäuerin waren bei der Feldarbeit und hatten nichts von dem Raub mitgekriegt. Als Knacks den Vorfall endlich schildern konnte, wollten sie ihm zunächst nicht glauben. Aber der Hund war immerhin verletzt und die Kühe hatten sich in Luft aufgelöst. Der Bauer, die Mistgabel schwingend, rannte in den Wald, doch wo sollte er suchen? Er entdeckte noch einige Spuren: zertrampeltes Gras, frisch abgeknickte Zweige -, aber sie verloren sich bald im Dickicht. Unverrichteter Dinge musste er schließlich heimkehren.

Im Reich der Käuer mit der im ganzen Zauberland berühmten Smaragdenstadt war es seit Jahren nicht zu solch einem Vorfall gekommen. Die letzten Viehdiebstähle hatte hier ein Ungeheuer begangen, der furchtbare Drachenkönig, aber er war zur Strecke gebracht worden und hatte auch nur einzelne Tiere gerissen. Diesmal dagegen war eine ganze, wenn auch kleine Herde gestohlen worden. Und der Bauer war auf seine Gescheckten, die schon so manchen Preis gewonnen hatten, besonders stolz.

Das Unbegreiflichste jedoch war die Geschichte von den Unsichtbaren. Obwohl der kleine Hund Stein und Bein schwor, die Wahrheit und nichts sonst zu sagen, glaubte ihm keiner so recht. Feen, Zauberer, Hexen konnten blitzartig verschwinden oder auch auftauchen, aber sie waren stets zu sehen. Außerdem traten sie immer nur einzeln in Erscheinung. Hier dagegen musste es sich um mehrere Räuber gehandelt haben.

"Wahrscheinlich waren es ganz gewöhnliche Spitzbuben", vermuteten die Nachbarn. "Knacks, der Prügel bezogen hat, will sich bloß herausreden."

Der Hund zweifelte sein Erlebnis schon selber an, da gab es kurz hintereinander einige weitere Diebstähle. In einem Dorf wurden am hellerlichten Tag die besten Pferde von der Koppel geholt, ohne dass die Knechte nebenan auch nur den Hemdzipfel eines Langfingers bemerkt hätten.

"Die Pferde waren plötzlich frei, ein Hü und Hott ertönte und sie jagten davon", berichteten sie. Einer der Knechte freilich glaubte einen grünlichen Schimmer gesehen zu haben und behauptete, es seien Gespenster gewesen. Gespenster, nun ja, aber was sollten die mit Kühen und Pferden?

Einen Tag später wurde mitten in der Smaragdenstadt eine Weinhandlung geplündert. Diesmal geschah es gegen Abend: Der Besitzer und ein Kunde sahen unvermittelt, wie unsichtbare Hände die Regale leerräumten. Verblüfft und entsetzt griff der Händler selber nach den Flaschen, wurde jedoch durch einen Faustschlag niedergestreckt. Glas splitterte, Wein floss über den Boden und der Kunde rannte schreiend aus dem Laden. Dabei prallte er gegen eine Gestalt, die ebenfalls nicht zu sehen war. Die Flaschen aber verschwanden auf geheimnisvollem Weg aus dem Geschäft und dem darunter liegenden Weinkeller - auf der Straße waren Hufgetrappel, das Knarren von Wagenrädern und Worte in einer schwer verständlichen Sprache zu hören. Dann ratterte das Gespann davon, ohne behindert zu werden, denn die Leute wichen vor dem unheimlichen Spuk zurück. Als der Händler sich aufgerappelt hatte, konnte er nur noch feststellen, dass sich all seine Waren in Luft aufgelöst hatten.

Pet Rivas Entführung

Solche Ereignisse sorgten natürlich für Aufregung. Das Fass zum Überlaufen aber brachte ein Geschehnis, das einen sehr angesehenen Bürger aus dem Land der Käuer betraf, den alten Fischer Pet Riva.

Pet, der meist am Fluss saß und angelte, konnte ein wenig zaubern. Damit hatte er zwar schon einigen Unfug angestellt, sich aber auch Verdienste erworben. So hatte er zum Beispiel vor einiger Zeit den Weisen Scheuch und seinen Ersten Minister Din Gior in Riesen verwandelt, wodurch die beiden gegen den Drachenkönig kämpfen konnten. Es war aus Versehen passiert, doch was schadete das. Zumal es ihm gelungen war, ihnen am Ende ihre richtige Gestalt wiederzugeben.

Der Fischer besaß eine Schaluppe, die mehr als nur eine stürmische Fahrt hinter sich hatte. Sie war noch gut in Schuss, lag aber meist ordentlich vertäut im Schilf, für Pet lediglich ein Angelplatz. Auch diesmal hatte er sein Stühlchen an Deck aufgeklappt, den Eimer für die Fische hingestellt, die Pfeife angezündet, sich zurechtgesetzt und die Angel ausgeworfen. Es war ein freundlicher Tag, der nur Angenehmes versprach.

Plötzlich hörte Pet hinter sich Geräusche. Es war, als ob am Ufer leise Schritte nahten, und sich gleich darauf jemand an der Vertäuung des Schiffs zu schaffen machte. Der Alte drehte sich um, konnte aber niemanden entdecken. Dessen ungeachtet raschelte es im Schilf, die Seile, die den Kahn hielten, lösten sich und es gab keinen Zweifel, dass mehrere Personen an Deck kletterten, mit Augen so wenig auszumachen wie die Luft.

"He, was geht denn hier los!", rief Pet, der nichts begriff, und sprang auf. Von irgendwelchen Unsichtbaren hatte der alte Einzelgänger zu diesem Zeitpunkt noch nichts gehört.

"Was geht los, wirst gleich merken", knurrte eine Stimme in schrecklichem Kauderwelsch und ehe der Fischer noch etwas entgegnen konnte, packten ihn fremde Fäuste an Schultern, Armen und Beinen, zwangen ihn zu Boden.

Pet, total überrascht, wollte sich wehren, hatte aber keine Chance. Er wurde gefesselt und an den Mast gebunden. Damit er nicht schreien konnte, stopfte ihm jemand einen Knebel in den Mund. Dann polterten Stiefel über die Planken, der Motor wurde angeworfen und die Schaluppe stampfte hinaus in die Strömung.

Wer ist das und wo wollen sie mit mir hin?, fragte sich der Fischer entsetzt. Er glaubte nicht an Gespenster, denn die Fäuste, die ihn gepackt, die Stiefel, die ihn getreten hatten, gehörten ganz offenbar zu Männern aus Fleisch und Blut. Ihre Kleider rochen muffig und ihre Sprache schien verstümmelt. Manchmal glaubte Pet sogar grünlich schimmernde Gestalten zu erkennen, die im nächsten Moment aber wieder verschwanden.

Sie kommen aus einem unbekannten Land und müssen etwas an sich haben, das sie vor unseren Augen verbirgt, überlegte der Alte. Schade, dass ich meine Zauberangel zu Hause gelassen habe. Mit ihrer Hilfe könnte ich mich befreien und diese Banditen zwingen, ihr wahres Gesicht zu zeigen.

Doch das war nur ein frommer Wunsch. Ohne jede Gegenwehr musste Pet die Entführung seines Schiffes hinnehmen. Nachdem die Unsichtbaren die Schaluppe zur Strommitte gesteuert hatten, fuhren sie flussabwärts. Dabei beschrieben sie einen Zickzackkurs. Sie waren bestimmt keine Seeleute.

Um etwas zu tun und sich bemerkbar zu machen, schlug der Fischer mehrmals mit dem Hinterkopf gegen den Mast. Es tat weh, hatte aber Erfolg. Tatsächlich zog ihm eine unsichtbare Hand den Knebel aus dem Mund. Eine Stimme krächzte:

"Was du willst?"

"Wissen, was ihr mit mir vorhabt. Wer seid ihr?"

Statt einer Antwort ertönte nur höhnisches Gelächter. Die Stimme fragte:

"Wo mehr Schiffe?"

"Lasst ihr mich frei, wenn ich's euch verrate?", sagte Pet.

"Vielleicht." Die Stimme klang spöttisch.

"Vielleicht genügt mir nicht."

Aus dem Nichts heraus bekam der Alte eine so heftige Ohrfeige, dass ihm schwarz vor Augen wurde. Der Knebel wurde ihm wieder in den Mund geschoben und für Sekunden war es still. Dann hörte er mehrere Stimmen flüstern, konnte aber nichts verstehen.

Pet Riva erwartete, dass die Unsichtbaren, so rüpelhaft sie auch vorgingen, erneut mit ihm reden würden, und legte sich eine Taktik zurecht. Doch er hatte sich geirrt. Aus dem Flüstern wurde Streit, der erst endete, als das Schiff stark zu schlingern begann - offenbar hatten sie das Steuer sich selbst überlassen. Lautes Fluchen ertönte und eine Stimme befahl:

"Schluss, auf Plätze!"

Was wohl bedeutete, dass die Banditen wieder an ihre Arbeit gehen sollten. Die Stimme gehörte wahrscheinlich dem Anführer.

"Was mit Gefangenem?", fragte jemand.

"Brauchen nicht mehr. In Fluss!"

Bevor der Alte noch richtig begreifen konnte, was das für ihn hieß, wurde der Befehl schon ausgeführt. Die Unsichtbaren banden ihn los, wobei seine Hände und Füße gefesselt blieben, packten ihn und warfen ihn einfach über Bord. Pet Riva versuchte vergeblich, sich entgegenzustemmen; wegen des Knebels im Mund konnte er nicht einmal schreien. Er stürzte in die Flut, die sich gurgelnd über ihm schloss, schnappte verzweifelt nach Luft und atmete durch die Nase Wasser ein. Er glaubte sein letztes Stündlein gekommen und verlor das Bewusstsein.

Aber Pet starb nicht, der Fluss war hier nicht allzu tief und eine Welle legte ihn, gerade noch rechtzeitig vor dem Ersticken, auf einer Sandbank ab. Von einem schrecklichen Husten geschüttelt, kam er zu sich und es gelang ihm, wenigstens den Knebel auszuspucken. Er kroch ganz auf die Sandbank, bevor ihm erneut die Sinne schwanden.

Der Fischer erwachte, weil jemand an ihm herumzupfte. Er schlug die Augen auf und blickte in ein Vogelauge.

"Ein Storch?", sagte er verwundert. "Ach, Klapp, du bist es. Wo befinde ich mich, was ist passiert?"

Es war der im ganzen Zauberland bekannte Stelzvogel, der hier am Fluss lebte und schon an so manchem Abenteuer des Scheuchs und seiner Freunde teilgenommen hatte. Er hielt den Kopf schief und erwiderte:

"Du liegst auf einer Sandbank mitten im Fluss. Was passiert ist, müsstest eher du mir erklären. Ich habe nur gesehen, wie du vom Deck deines Kahns stürztest. Wer hat dich gefesselt?"

Natürlich, die Fesseln! Pet richtete mit Mühe den Oberkörper auf und versuchte sie von den Handgelenken zu streifen. Es glückte nicht.

"Ich bin überfallen worden", sagte er, "sie wollten mein Schiff. Kannst du mir helfen, die Knoten zu lösen?"

"Wer hat dich überfallen? Ich habe niemanden gesehen."

"So sonderbar es klingen mag, sie waren unsichtbar. Weiß der Kuckuck, was das für Banditen sind."

"Unsichtbar? Schau an." Der Storch war weniger überrascht, als man denken könnte. Da er viel unterwegs und sehr neugierig war, hatte er bereits von den Diebstählen gehört. Er fügte hinzu: "Das ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Ich muss es sofort in der Smaragdenstadt melden."

Er wollte sich in die Lüfte erheben, aber Pet rief:

"Nicht so schnell! Du kannst mich doch nicht einfach hier liegen lassen."

"In Ordnung, ich helfe dir. Obwohl wir dadurch vielleicht wichtige Zeit verlieren." Er begann mit seinem langen Schnabel an den Knoten zu zerren.

"Nicht so, du ziehst ja alles noch fester", beschwerte sich Pet.

"Glaubst du, ich weiß nicht, wie man Fesseln löst? Hier in der Nähe hab ich einmal einen Delphin aus einem Netz befreit." Der Storch konnte sich nicht enthalten, diese Geschichte zu erwähnen, bei der es später um den Kampf gegen ein Seemonster gegangen war.

Nachdem er die Stricke zunächst stark angezogen hatte, schaffte er es tatsächlich, einen Knoten aufzuknubbeln. Der Fischer bekam endlich eine Hand frei und konnte sich nun selbst weiterhelfen.

"Danke, Klapp, das werde ich dir nicht vergessen", murmelte er.

"Du siehst, ich kenne mich mit Knoten aus. Jetzt muss ich aber endlich los."

"Und wie komme ich hier weg?", fragte Pet.

"Ich bitte den Scheuch, jemanden zu schicken", rief der Storch und schwang seine Flügel.

Der Alte winkte ab.

"Lass es, das dauert mir zu lange. Ich werde ans Ufer schwimmen." Er begann sich auszuziehen und seine Kleider zu einem Bündel zusammenzuknoten. Erst als der Storch schon gestartet war, fiel ihm noch etwas ein. "Sag dem Scheuch, dass sie auch andere Schiffe stehlen wollen!", rief er Klapp hinterher. "Sie haben mich gefragt, wo welche liegen."

Der große Vogel drehte den Kopf und klapperte kurz. Anscheinend hatte er verstanden.

Das Sportfest

In der Smaragdenstadt fand ein Sportfest statt. In der Nähe des Palastes war vor einigen Jahren ein großes Stadion mit Anlagen für alle möglichen Veranstaltungen errichtet worden.

Als Klapp die Stadt erreichte, waren die Wettkämpfe in vollem Gange. Auf der Bahn gab es ein Staffelrennen, im Innenkreis flogen die Wurfscheiben und seitlich schwangen sich die Stabhochspringer über Querlatten. Die Ränge waren gut gefüllt, denn Sport wurde im Land der Käuer seit einiger Zeit groß geschrieben. Vor allem die jungen Leute hatten viel Spaß daran.

Klapp hatte keine Ahnung von dem Sportfest und wunderte sich über den Beifall, der manchmal vom Stadion herüberbrandete. Gern hätte er nachgeschaut, was los war, aber der Stolz, von Pet Riva berichten zu können, trieb ihn zunächst zum Schloss. Wie gewohnt, flog er zum Fenster des Scheuchs und klopfte an die Scheibe. Da ihm niemand öffnete, schwang er sich auf den nächsten Sims und rief nach Betty Strubbelhaar, der Frau des Herrschers. Als sich dort gleichfalls keiner meldete, versuchte er's bei Din Gior. Doch auch der Minister war nicht da; der Palast, dessen Fenster zum Teil einladend offen standen, schien wie ausgestorben.

Der Storch war enttäuscht. Um nachzudenken, flog er aufs Schlossdach und zog ein Bein an.

"Was willst du hier, warum flatterst du so aufgeregt herum?", flötete jemand von der Giebelspitze nebenan.

Der Storch drehte sich halb um. Vor ihm saß Tütü, die Amsel.

"Ich bin nicht aufgeregt, ich habe wichtige Nachrichten für den Scheuch. Aber es ist keiner da."

"Wie sollten sie, wo im Stadion die Wettkämpfe stattfinden", erklärte Tütü. "Unser Herrscher nimmt selbst teil."

"Was denn", sagte Klapp fast empört, "der Scheuch nimmt an einem Sportfest teil, während die Unsichtbaren überall ins Land eindringen? Das ist aber nicht gerade weise."

"Was weise ist, kann unser Herrscher besser einschätzen als du", erwiderte Tütü. "Er wird schon wissen, was er tut."

Der Storch war beleidigt und beschloss, die Amsel keines Wortes mehr zu würdigen. Er startete erneut und flog zum Stadion. Nachdem er mehrere Kreise über dem weiten Rund gezogen hatte, entdeckte er die Strohpuppe in ungewohntem Trikot bei den Sprunggruben.

Bei dieser Gelegenheit muss erwähnt werden, dass der Scheuch eine Kapazität auf dem Gebiet des Stabhochsprungs war. Als sich der Sport in der Stadt verbreitete, hatte er diese Fähigkeit an sich entdeckt. Es hing damit zusammen, dass er sich mit Stäben hervorragend auskannte, hatte er doch vor langer Zeit, bevor ihm noch sein wunderbares Gehirn geschenkt worden war, auf einer Stange im Feld als Krähenschreck gedient.

Klapp ließ sich neben dem Scheuch nieder, der gerade eine neue Höhe anvisierte. Außer ihm waren bloß noch zwei Konkurrenten im Wettbewerb.

"Ich muss dich sprechen, Herrscher", klapperte der Storch. "Sofort, es ist sehr wichtig."

"Klapp, du? Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt. Wenn ich die nächste Höhe schaffe, kann ich gewinnen."

"Die Höhe, die Höhe! Und was ist mit den Unsichtbaren? Während du dich hier vergnügst, besetzen sie möglicherweise deinen Palast, in dem alle Fenster offen stehen."

"Na, na, im Schloss ist immerhin der Wächter Faramant", erwiderte der Scheuch. Er war gutmütig und nahm dem Storch die unrespektierliche Rede nicht übel. Die Unsichtbaren machten ihn nicht weiter besorgt. Es waren wohl bloß Diebe, die einen bestimmten Trick nutzten - man würde ihnen auf die Schliche kommen. In den Palast würden sie sich schon nicht wagen.

"Wir werden diese Räuber kriegen", sagte er noch. "Unsere Wachen sind angewiesen, gut aufzupassen."

"Und was im übrigen Land passiert, interessiert dich offenbar gar nicht? Gerade ist Pet Riva überfallen worden. Ich komme vom Fluss und ..."

Der Scheuch konnte nicht weiter zuhören, sonst hätte er die Frist für seinen Sprung überschritten. Er nahm Anlauf und schwang sich am Stab nach oben. Doch er war abgelenkt und riss die Latte herunter.

Ein enttäuschtes Aufstöhnen ging durch die Menge. Alle wollten den Herrscher siegen sehen.

Ein Kampfrichter kam angerannt.

"Was fällt dir ein, unseren Wettkampf zu stören!", fuhr er den Storch an. "Zuschauer haben hier nichts zu suchen."

"Zuschauer?", empörte sich Klapp. "Ich bin in wichtigen Staatsangelegenheiten herbeigeeilt."

Der Scheuch ärgerte sich über seinen misslungenen Versuch, meinte aber, den Namen Pet Rivas gehört zu haben.

"Hast du etwas von einem Überfall auf Pet, unseren alten Freund, gesagt?", erkundigte er sich.

"So ist es. Die Banditen haben seine Schaluppe gestohlen und ihn in den Fluss geworfen. Zum Glück konnte ich zu seiner Rettung beitragen. Er lässt dir ausrichten, dass sie noch mehr Schiffe rauben wollen."

Nun war der Scheuch ehrlich erschrocken.

"Der Storch soll noch einen Augenblick hier bleiben", sagte er zum Kampfrichter, "es scheint wirklich wichtig zu sein. Der Wettbewerb kann inzwischen ruhig weitergehen."

Dann zog er Klapp zur Seite und ließ sich von ihm alles genau erklären.

Wohin verschwinden die Unsichtbaren?

Pet Riva hatte sich bis auf die Unterhose ausgezogen. Er wollte gerade ins Wasser waten, um ans Ufer zu schwimmen, da nahte ein Boot. Eine dicke Frau saß darin. Sie setzte geschickt die Ruder ein, ließ sich flussabwärts treiben.

Pet winkte mit beiden Armen und rief:

"Heho, hierher, nimm mich mit, ich brauche Hilfe!"

Die Frau steuerte die Sandbank an. Ihr Boot war bis zum Rand mit Zuckerrüben beladen.

"Was hat dich denn hierher verschlagen?", fragte sie. "Wolltest wohl den Fluss durchschwimmen? In deinem Alter sollte man sich nicht mehr auf solche Abenteuer einlassen."

Pet erklärte ihr, was geschehen war. Die Frau fiel aus allen Wolken. Das mit den Unsichtbaren mochte sie nicht recht glauben, sie sagte jedoch:

"Ob deine Geschichte nun stimmt oder nicht, ich setz dich über. Beim Schwimmen säufst du womöglich noch ab."

"Und wohin willst du mit all diesen Rüben?"

"Flussabwärts zum Schwager. Er macht Sirup daraus. Den besten in der ganzen Gegend."