Die Venus-Verschwörung - Jana Winschek - E-Book

Die Venus-Verschwörung E-Book

Jana Winschek

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Beschreibung

Die vier Frauen Bea, Patricia, Leonie und Jenny könnten unterschiedlicher nicht sein und sind doch beste Freundinnen und bald auch heimliche Verbündete. Denn als eine aus ihrer Mitte von ihrem Ehemann schamlos betrogen wird, schließt das Quartett einen Pakt … und Die Venus-Verschwörung ist geboren. Schluss mit Liebesleid und Männerkatastrophen – ab sofort kümmern sich die Frauen nur noch um ihre eigenen Bedürfnisse. Sie machen sich die Welt, wie sie ihnen gefällt, und nehmen sich, was sie wollen und brauchen: unverbindliche Sex-Abenteuer mit ahnungslosen Männern. Die Regeln sind ganz einfach und schnell festgelegt: Keine Zugeständnisse, keine Gefühle, keine Kompromisse. Der Mann wird zum Objekt und der Sex Mittel zum Zweck. Endlich ist es nicht mehr das Ziel, 'den Richtigen' zu finden, sondern vielmehr, Spaß mit den vermeintlich Falschen zu haben. Die Freundinnen sind überrascht, wie befriedigend das (Sex-)Leben plötzlich sein kann, wenn man bei Männern nicht auf Nachhaltigkeit setzt. Trotzdem merken sie bald, dass es gar nicht so einfach ist, die gewohnte Richtung zu ändern, alle Hemmungen über Bord zu werfen und sich mal ganz egoistisch nur um die eigene Befriedigung zu kümmern. Die umtriebige Patricia, die patente Leonie, die disziplinierte Bea und das Küken Jenny müssen dabei mehr als einmal über ihren eigenen Schatten springen, aber erleben im Gegenzug, wie befreiend es sein kann, einfach nur seinen Spaß zu haben und nicht mehr zu wollen. Und ganz nebenbei entdeckt jede ganz neue Seiten an sich … Doch ausgerechnet die toughe Patricia, die Anführerin der Venus-Verschwörung, scheint sich auf einmal gegen alle Regeln zu verlieben und gefährdet damit die Mission der Clique. Ist der Spaß jetzt etwa schon wieder zu Ende? Die Venus-Verschwörung ist ein frecher, frivoler und humorvoller Roman über vier mutige Frauen, die ihren eingefahrenen Liebesalltag zurücklassen und fortan mit einem ganz besonderen Auftrag auf Männerjagd gehen.

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Jana Winschek

Die Venus-Verschwörung

Erotischer Roman

1

Der Pakt

Jetzt reicht es endgültig! Ich lasse mich nicht länger von der Unterhose eines Mannes unterjochen!«, schimpfte Bea, die normalerweise nichts aus der Ruhe bringen konnte, lauthals. Aber diesmal hatte er den Bogen überspannt. Schnaubend fiel sie auf das von Kissen und flauschigen Kunstfelldecken übersäte Sofa. Ihre Freundin Patricia quittierte ihren Wutausbruch mit einem anerkennenden Lächeln und setzte sich vor sie auf den dekorativ ausgebreiteten, hundertprozentig ökologisch geknüpften und mit Pflanzenfarben spinatisierten Teppich. Die schlanken Beine, die in schwarzen Lederleggins steckten, im Schneidersitz verschränkt.

»Was regst du dich auf, Mäuschen? Männer sind so! Das predige ich dir schon seit Jahren. Und es ist nicht die Unterhose, die uns Frauen gemeinhin betrügt, sondern der Inhalt.« Patricia schüttelte vehement den Kopf und schlug mit ihrer zarten Faust in ein Kissen, das von der herben Aktion eine Wutmulde davontrug.

»Und ob«, protestierte Bea und beugte sich vor, als wollte sie Patricia ein lang gehütetes Geheimnis anvertrauen, »die Unterhose ist die Krux, schließlich habe ich sie ihm gekauft, morgens frisch gewaschen, vor Weichspüler duftend auf den Stuhl neben die Socken gelegt, die ich hart umkämpft am Wühltisch erstanden habe und die seine Schweißfüße nicht zum Produzieren sauer riechender Milchbakterien anregen, sondern den ganzen Tag über trocken und warm halten!«

Patricia legte den Kopf schief und sagte: »Du hast uns nie erzählt, dass er auch noch Schweißfüße hat. Ich dachte, dein Mann sei nahezu perfekt und seine einzigen Mankos würden sich auf immer wieder unvermutet auftretenden Mundgeruch und aus Nase und Ohren sprießende Fellbüschel, sonst nur zu bestaunen bei Angorahasen und freilaufenden Hochlandrindviechern, belaufen.«

»Was bist du eigentlich, Patti, meine Freundin oder meine Feindin? So schlimm war das mit seinem Mundgeruch gar nicht, außerdem hatte er ein Problem mit dem Magen«, entrüstete sich Bea und nahm das zerknautschte Boxkissen schützend vor ihre wogenden Brüste. Wenn an ihr etwas im Verhältnis zu dem schmalen Körper herausragend war, dann das unnatürlich natürliche Dekolleté.

»Ich finde es gut, dass du von Sascha schon in der Vergangenheit redest. Das ist die beste Voraussetzung, um ihn gänzlich abzuschreiben. Und nenn mich nicht Patti!«

Patricia, von allen nur Patti genannt, hasste dies wie kratzende Wollpullover. Sie, die weltgewandte, elegante Mittdreißigerin, durchgestylt bis in die Augenbrauenspitzen.

»Patti – das klingt wie Pattex, ich bin doch kein Alleskleber! Patricia – das hört sich vielversprechend verführerisch an. Ihr seid immer nur zu faul, es richtig auszusprechen – Patricia, Patrisssia …« Wobei sie selbst ihren Namen derart über die Zunge zischen ließ wie ein Spanier sein Barcelona, mit einem weichen C statt mit einem harten Z.

»Sie hätten dich Patrick nennen sollen«, lästerte Jenny, die gerade aus der Küche kam und die hitzige Diskussion der Freundinnen unterbrach. Dicht gefolgt von Leonie, die selig einen Teller mit Schokotorte vor sich hertrug, als wäre er ein wertvoller Pokal. Die zwei hatten sich an den Backkünsten ihrer Freundin Bea verlustiert, die insbesondere dann anfing, in der Küche zur Höchstform aufzulaufen, wenn sie sich gerade mal wieder von ihrem Mann vernachlässigt fühlte oder hintergangen wurde. Auf diese Weise kam das Vierergespann fast jede Woche in den Genuss einer ihrer kalorienhaltigen Kuchenkreationen.

Bea verdankte es allein ihrem umtriebigen Ehemann und ihrem ebensolchen Stoffwechsel, dass sie trotz Dauerbackens kein Gramm zunahm. Vielleicht aber lag es auch einfach daran, dass sie kochte und backte, um andere zu verwöhnen, und sich selbst nur von Knäckebrot und Oliven ernährte.

Jenny, die Naschsüchtige der vier Freundinnen leckte sich die restlichen Schokoflocken aus den Mundwinkeln. »Also, ich verstehe gar nicht, wie Sascha eine Frau betrügen kann, die backt wie eine Konditormeisterin.«

Und Leonie pflichtete ihr freundschaftlich bei: »Ganz ehrlich, ich mag eigentlich keine Schokotorte, viel zu mächtig. Aber deine ist wirklich eine Sünde wert.«

»Ich weiß, ich weiß, Liebe geht durch den Magen, trotzdem ist Kochen und Backen eben nicht alles, was Männer an Frauen schätzen«, lamentierte Patricia, während sie sich gedankenverloren mit ihren schlanken Fingern durch die rot schimmernde Mähne fuhr.

Sofort sprang Bea vom Sofa auf, so abrupt, dass sogar Kater Walter sein schwarzes Fell aufstellte.

»Willst du damit etwa sagen, ich hätte einem Mann nichts anderes zu bieten als Erbsensuppe? Jetzt bin ich auch noch schuld daran, dass er lieber eine andere vögelt, die Ratatouille für gekochte Ratte hält und Auberginen nur zur Selbstbefriedigung benutzt?«

»Ach, mit Auberginen, aber die sind doch schon ziemlich dick …«, stolperte Jenny verlegen in Beas Wutausbruch, die Patricia mit giftigen Blicken zu einer Antwort herausforderte. So kannte Patricia ihre Freundin gar nicht. Dieser entschlossene Blick, die aufrechte Haltung. Ob sie so wohl auch ihrem Mann begegnete, wenn er ihr statt Blumen mal wieder nur dreckige Socken mit nach Hause brachte? Auf jeden Fall musste sie die Situation retten. Selbst wenn sie als emanzipierte, selbstständige junge Frau den manchmal doch eher biederen Lebenswandel ihrer einst so zielstrebigen Kollegin nicht ganz nachvollziehen, geschweige denn verstehen konnte. In ihren Augen hatte sich Bea damals vollständig aufgegeben, als sie Sascha kennenlernte. Dass Patricia ihn schon immer für einen Aufschneider hielt, hatte sie ihr schon nach der ersten Begegnung ohne falsche Scham gesagt.

Wenn Patricia etwas war, dann ehrlich, auch wenn es schmerzte. Sie war niemand, der einer Freundin bestätigte, dass ihr die neue Frisur hervorragend zu Gesicht stand, und insgeheim den Kopf darüber schüttelte. Nein, sie war es, die lauthals loslachte, wenn das Haardelirium mal wieder eingetreten war. Manche schätzten Patricias unverhohlene Offenheit, andere mieden sie deshalb – aber die konnten ihr eh gestohlen bleiben.

Trotzdem wusste selbst Patricia, dass jetzt gerade nicht der Moment war, seine eigene Einstellung zu den Dingen im Allgemeinen und zur Rollenverteilung zwischen Mann und Frau im Speziellen auf den Schultern ihrer ohnehin gebeutelten Freundin auszutragen. So viel Feingefühl besaß sogar sie, wenn oft auch erst im Nachhinein.

*

»Aber bitte, beruhige dich doch, Schätzchen, so habe ich das gar nicht gemeint! Ich wollte nur sagen, dass Männer Qualität nur selten zu schätzen wissen und im Notfall eben lieber an einer fremden Muschi naschen als einer selbst gezauberten Mousse au Chocolat.«

Hilfesuchend schaute sich Patricia nach ihren Mitstreiterinnen um, die allesamt, bis auf die wutschnaubende Bea, an ihrer Schokotorte mümmelten. Wie immer, dachte sich Patricia, die nehmen den Mund auch stets im falschen Moment zu voll. Bea zitterte erbost, ihr schossen bereits die Tränen in die Augen, als endlich die Älteste in der Runde den letzten Krümel aus ihren Backentaschen vertilgt hatte und schlichtend dazwischenging.

»Jetzt hört bloß auf, euch gegenseitig fertigzumachen. Wenn wir Frauen nicht mehr zusammenhalten, wer dann? Eine für alle, alle für eine«, salutierte Leonie und streckte ihre Faust in die Luft.

»Was ist denn das für ein dämlicher Machospruch?«, protestierte Jenny.

»Okay, wie wär’s dann mit ›Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen kriegen jeden Pimmel‹?«

»Das hört sich einfach nur billig an!«, beschwerte sich Jenny weiter und verzog angewidert das Gesicht.

»Ein bisschen billig schadet nie, meine Liebe. Es kommt eben auf die Mischung an, wie immer«, fügte Patricia verschwörerisch blinzelnd hinzu. Es war nicht zu übersehen, dass es in ihrem hübschen Kopf gerade hart arbeitete.

»Und woher weiß man, wann billig zu schäbig wirkt?«, hakte Jenny nach. Mit ihren 23 Jahren war sie das Nesthäkchen in der Runde, woran sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit unbedarft erinnerte.

»Na, das sollten wir Frauen doch im Blut haben, oder? Ich meine, wenn wir etwas besitzen, dann doch Gefühl und Intuition. Oder möchte das hier irgendjemand abstreiten?«

Kollektives Kopfschütteln.

»Wohin soll diese Diskussion eigentlich führen?« Leonie fischte mit manikürten Fingern die letzten Schokokrümel von ihrem Teller und schaute Patricia herausfordernd an.

»Zur weiblichen Revolution, zu einem Komplott!«

»Ich hab noch Kompott im Kühlschrank …« Bea verstummte, als sie Patricias strafender Blick traf.

»Wie meinst du das?«, fragte Jenny hellhörig und setzte sich neugierig wie ein kleines Mädchen, das von seiner Oma eine Geschichte erzählt bekommt, zu Patricia auf den Teppich. Auch die anderen Frauen schauten erwartungsvoll auf die rothaarige Femme fatale.

Schon immer hatten alle eine Spur der Bewunderung in ihren Blicken, wenn sie Patricia ansahen. Vielleicht schlich sich manchmal, aber nur manchmal, auch eine Spur von Neid in ihre begeisterten Gefühle für diese Frau, die ihr Leben so locker und leicht zu nehmen schien. Sie war diejenige im Bunde des Frauenquartetts, die sich am seltensten beschwerte. Immer einen frechen Spruch auf den Lippen, war in den meisten Fällen sie es, die eine andere von ihnen aus einem Alltagstief holte und ihr Mut zusprach. Oft härter als gewünscht, aber dafür umso wirkungsvoller. Patricia hätte sicher auch einen guten Drillmaster abgegeben. Kein Wunder, dass sie in der Kanzlei, in der sie arbeitete, in kürzester Zeit zum Juniorpartner befördert wurde. Sie, die zielstrebige Juristin mit Einserabitur und bestem Studienabschnitt des Jahrgangs. Sie hatte erreicht, was sie wollte, und sie hatte es sich verdient. Das sah nicht nur Patricia selbst so, sondern auch ihre Freundinnen, die sehr genau wussten, wie viel Ehrgeiz und Arbeit in ihrem beruflichen Erfolg steckten. Selbst privat hatte sie dabei noch alles im Griff. Ein fester Freund, schlimmstenfalls noch ein Ehemann, der ihr jeden Abend auf die Pelle rückte und sie ihrer Freiheit beraubte, kam für Patricia nicht infrage. Sie liebte das unverfängliche Abenteuer, die Spannung der Sekunde, in der es verheißungsvoll knisterte. Und bevor das Feuer erlosch, hatte sie sich längst aus dem Staub gemacht. Keine großen Gefühle, keine Szenen, keine falschen Erwartungen, keine Kompromisse.

Wenn die Freundinnen ehrlich waren, beneideten sie Patricia weniger um ihren Erfolg, sondern eher um ihre Entschlossenheit, die der einen oder anderen, typisch weiblich, öfter mal abhandenkam …

*

»Patricia, meine Süße, lass uns an deinem Geistesblitz teilhaben.« Leonie schlug erwartungsvoll die Beine übereinander und machte es sich in dem geblümten Hussensessel bequem, in dem Bea abends am liebsten ihren selbst gemachten Kräutertee trank und sich dabei von Sascha die Füße massieren ließ – zumindest in guten Zeiten. Inzwischen hatte er sich an fremden Füßen vergriffen, und leider auch noch etwas höher gegrapscht …

Patricia richtete sich auf dem Sofa auf, als wäre sie ein weiser Guru, der seinen Anhängern etwas mitzuteilen hatte, was von höchster Wichtigkeit war.

»Ich finde, es ist an der Zeit, dass wir uns vom Patriarchat befreien, unsere Befriedigung selbst in die Hand nehmen und den männlichen Befindlichkeiten keine Aufmerksamkeit mehr schenken.«

Die Mädels reckten etwas ahnungslos die Köpfe. Leonie war die Erste, die sich zu Wort meldete.

»Was soll das genau bedeuten, Patricia? Könntest du das für deine drei begriffsstutzigen Kolleginnen freundlicherweise noch mal verständlich formulieren?« Alle drei nickten zustimmend.

»Wir drehen den Spieß einfach um! Es kann doch nicht sein, dass wir uns allwöchentlich über irgendeinen dahergelaufenen Kerl …«

»Also so kannst du über Sascha ja nicht sprechen …« Beas kläglicher Einspruchsversuch wurde knallhart abgeschmettert.

»Bea! Du kannst den Schlamper doch nicht ernsthaft verteidigen wollen?«

»Ja, aber, er ist doch trotz allem mein Mann. Ich habe ihn mir ausgesucht. In guten wie in schlechten Zeiten, so hieß es doch vor dem Traualtar. Jetzt ist eben eine schlechte Zeit, und vielleicht muss man da einfach gemeinsam durch?«

Bea lief rot an, ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch bevor sich eine der Freundinnen zu ihr stürzen konnte, um sie zu bemitleiden und in ihrer Trauer zu unterstützen, ging Patricia energisch dazwischen.

»Moment mal, Mädels! Finger weg von der Abtrünnigen. Das kann ich jetzt nicht glauben. In guten wie in schlechten Zeiten, bla, bla, bla …« Patricia streckte die Zunge raus und steckte sich symbolisch den Finger in den Hals.

»DU wirst ihm in seiner schlechten Zeit ganz sicher nicht zur Seite stehen und ihm das Händchen halten, wenn er auf allen vieren angekrabbelt kommt, weil ihn seine neue Schnecke wieder abserviert hat. Nein, das wirst du nicht, nicht solange es uns gibt! Nicht wahr, Mädels?«

Kämpferisch reckte Patricia ihre Hand in die Luft und ballte sie zur Faust. Leonie und Jenny schauten erst verwirrt zur immer noch rot gefleckten Bea, dann zur strahlenden Patricia, bevor sie stumm mit dem Kopf nickten.

»Wäre er in die Pleite gerauscht, hätte er sich einen Fuß gebrochen oder eine ansteckende Krankheit – von mir aus. Das sind schlechte Zeiten, in denen eine Ehefrau zu ihrem Mann halten sollte, und umgekehrt. Aber ein Seitensprung oder auch mehrere – das ist keine Krankheit, das ist eine Frechheit, und dagegen werden wir uns wehren.«

Bea schluchzte: »Das ist ja ganz arg lieb von dir, Patti, aber … aber … dir hat er ja gar nichts getan.«

»Nenn mich nicht Patti … Wir sind Freundinnen, oder? Was er dir getan hat, hat er auch irgendwie mir und uns allen getan, oder Mädels?«

Leonie und Jenny konnten gar nicht anders, als wieder nickend zuzustimmen.

»Auf die gleiche Weise steht Sascha mit seinem fatalen Verhalten stellvertretend für alle anderen verheirateten oder liierten Männer auf dieser Welt. Vielleicht selbst für die, die Single sind, und von denen man nicht weiß, wie sie sich in einer Beziehung verhalten würden. Wie heißt es doch so schön: Vorsorge ist besser als Nachsorge oder so ähnlich …«

Jenny unterbrach Patricias Rede. »Das ist alles gut und schön oder besser gesagt schlecht und unschön – aber was sollen wir denn jetzt dagegen unternehmen, Patti?«

»Nenn mich nicht … ach, hat doch eh keinen Sinn, konzentrieren wir uns lieber auf unser Projekt.«

»Unser Projekt? Welches Projekt?« Bea hatte sich langsam wieder gefangen.

»Wir machen es jetzt mal genauso wie die!«

»Wie wer?« Jenny runzelte die Stirn.

»Na, wie die Männer. Wir nehmen uns, was wir wollen, ohne Rücksicht auf Verluste, Gefühle oder sonstige Fisimatenten!«

»Aber dann sind wir doch auch nicht besser …«, wollte Leonie protestieren, aber gegen Patricias energische Art kam selbst die resolute Steuerberaterin nicht an.

»Wollen wir besser sein, oder wollen wir unseren Spaß haben?«

»Spaß …«, murmelte Jenny und zog damit die ganze Aufmerksamkeit auf sich. »Ich will auch wissen, wie man seinen Spaß hat, und mal richtig auf die Trommel hauen.«

»Auf die Pauke«, korrigierte Patricia und wunderte sich über den kleinen Gefühlsausbruch der sonst so zurückhaltenden Jenny. »Lasst uns einen Pakt schließen. Ab sofort behandeln wir die Männer, wie sie es mit uns tun, nur eben schlauer, galanter und nicht ganz so plump und auffällig wie diese Neandertaler«, schlug Patricia vor.

»Das heißt?« Beas Aufmerksamkeit war geweckt, auch Leonie zog eine nachdenkliche Schnute.

»Jede von uns sucht sich ein Abenteuer. Ach was, mehrere! So viele sie kriegen kann, getreu dem Motto: Ran an den Mann! Wir wollen keine Beziehung, keinen Partner fürs Leben, sondern einfach nur unsere Bedürfnisse befriedigen. Ich meine, das kriegen wir doch wohl hin, oder?«

Jenny wackelte unschlüssig mit dem Kopf. Sie hatte von allen die wenigste Erfahrung und war schon froh, wenn sich überhaupt mal ein Mann für sie interessierte. Wie sollte sie also dieses Motto umsetzen. Patricia wäre nicht Patricia, würde sie die Unsicherheiten der anderen nicht spüren.

»Wir sind zu viert, wir unterstützen uns gegenseitig. Mädels, das ist unsere Chance, endlich selbstbestimmt Sex zu haben. Uns mal richtig gehen zu lassen, einfach mal egoistisch zu sein, und zwar im Bett! Stellt euch das doch mal vor! Ohne diesen lästigen Floh im Ohr, unbedingt einen Partner finden zu wollen, sich von seiner besten Seite zeigen zu müssen. Das fällt alles weg. Wir müssen uns nur ein bisschen anstrengen, um den Fisch an die Angel zu kriegen. Dann können wir alle Hemmungen ablegen, weil wir genau wissen, dass wir ihn danach nie wiedersehen, dass es nur um Sex geht, nur um Sex!«

Langsam, aber sicher schwappte Patricias Begeisterung auf die anderen über, nur Bea wippte noch kritisch mit den Fußspitzen auf dem Boden. Vor allem Jenny schien auf ungewohnt engagierte Weise infiziert. »Aber ihr müsst mir echt helfen, ich weiß doch gar nicht, wie ich das hinkriegen soll. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin für die Männer unsichtbar.«

»Keine Sorge, Häschen. Jede von uns kriegt ein Coaching in Sachen Männer und Sex. Und wenn wir erst mal drin sind, wird alles von ganz allein laufen, ihr werdet schon sehen. Das ist die Gelegenheit. Keine von uns ist gebunden – du auch nicht mehr, Bealein. Sieh es als Chance, deinem tristen Ehe-Sex zu entfliehen und mal wieder richtig Gaudi zu haben.«

»Aber ich …« Weit kam Bea mit ihrem Protestansatz nicht.

»Ich glaube, da ist was Wahres dran.« Leonie hatte sich inzwischen von den anderen unbemerkt aus ihrem Sessel erhoben und sich an Saschas Bar bedient. Genüsslich atmete sie das Aroma aus einem fingerbreit gefüllten Glas Whisky in ihre Kennernase.

»Ach?«, wunderte sich Patricia. Dass ich von dir mal diese Zustimmung bekomme, irritiert mich ja jetzt doch, mein Herz. Warst nicht du es immer, die meine Lebensweise als – sagen wir mal – ›prätentiös‹ bezeichnete?«

Leonie nahm einen Schluck Bourbon, bevor sie sich zurück in ihren Sessel setzte, den Kopf entspannt nach hinten gelehnt, und antwortete: »Sicher, Schätzchen, ich bin mit meinen schmalen 42 die Älteste von uns, deshalb muss ich Vernunft predigen, sonst nimmt mich doch keiner ernst. Aber weißt du, was ich nach zwei Ehen sagen kann? Und ich wiederhole mich gerne: Du hast recht. Was soll dieses ganze Getue, diese Koketterie von wegen Sexismus, wenn einem mal ein Mann einen lockeren Spruch zuwirft? Also mir schmeichelt das, wenn ich ein Kompliment zu meinem Aussehen bekomme, wenn einer meine Brüste lobt oder mir auf den Hintern starrt. Ich meine, wozu laufe ich denn ins Fitnessstudio und quäle mich bei diesem dämlichen antifeministischen Bauch-Beine-Po-Programm? Damit ich mich zu Hause vor den Spiegel stellen kann, um mir selbst anerkennend auf die Schultern oder den Hintern zu klopfen? Nein, ich will bewundert werden, und zwar nicht nur von mir! Viel schlimmer wäre es doch, wenn sich keiner dieser Schürzenjäger für dich interessieren würde, oder?«

Jenny, die gegen die mit gestreifter Strukturtapete bezogene Wohnzimmerwand lehnte, schaute betreten zu Boden.

Leonie kam gerade erst in Fahrt. »Ich meine natürlich, ab einem gewissen Alter sollten Frauen sich einfach nehmen, was sie brauchen. Wir müssen nur endlich damit anfangen! Wir setzen uns doch nur selbst unter Druck, wenn der Nächste stets der Richtige sein soll. Der Mann fürs Leben. Aber was haben wir davon? Nur Stress, verlorene Zeit und Ärger. Um uns interessant zu machen, zeigen wir uns wochenlang von unserer besten Seite, ziehen das erste Mal schmerzhaft in die Länge, nur damit er nicht denkt, wir wären leicht zu haben, und halten mit unseren Wünschen hinter dem Berg, damit er nicht zu früh verschreckt ist. Und dann diese ganzen leidvollen Kompromisse von Anfang an. Obwohl wir manchmal gleich spüren, dass uns irgendetwas stört, sei es seine Art zu lachen, wenn er noch den Mund voll hat, die Stimme am Telefon, die weibisch hoch wird, wenn er anfängt zu säuseln, oder dieses lästige Röcheln beim Orgasmus. Wir halten es aus, verschmähen unsere ureigene Intuition, nur in der Hoffnung, dass doch noch alles gut wird. Und das Ende vom Lied? Es wird doch nichts, und die ganze Liebesmüh war umsonst.«

Selbst Patricia verstummte kurzerhand und betrachtete Leonie ganz begeistert. Leonie leerte ihr Glas nach Abschluss ihrer Rede in einem Zug und reckte es dann triumphierend in die Höhe.

»Lasst uns diesen Pakt besiegeln, heute, jetzt, an diesem Abend. Wir werden es allen Männern zeigen, also einigen von allen, und wir werden es richtig krachen lassen!«

Als ob der Knoten endlich geplatzt wäre, lief Bea in die Küche, um Sekunden später mit einer eisgekühlten Flasche Sekt und vier Gläsern wiederzukommen.

»Das ist das Aufregendste, was ich in den letzten vier Jahren erlebt habe«, stammelte Bea hektisch, während sie den Korken mit einem lauten Knall aus der Flasche befreite.

Schäumend floss der Sekt in die Gläser. Die Gesichter der Freundinnen glänzten rot vor Aufregung, als hätten sie reife Äpfelchen anstelle ihrer Wangen. Jede nahm einen großen Schluck, Patricia leerte ihr Glas in einem Zug.

»Wir brauchen einen Namen?«, rief sie laut aus und hielt Bea ihr Glas zum Nachschenken hin.

»Was denn für einen Namen?«, fragte Jenny irritiert. Im Gegensatz zu den anderen nippte sie nur zaghaft an dem Alkohol.

»Na, wie wir uns nennen. Männer haben doch auch immer irgendwelche hochtrabenden Titel, wenn sie glauben, eine Mission zu haben, die die Welt verändert. Denk nur an die drei Musketiere, die Expendables, die Flippers …«

Leonie verdrehte die Augen, Jenny runzelte die Stirn und Bea schwieg.

»Ist das nicht ein bisschen zu viel des Guten?«, fragte Jenny verunsichert darüber, welche Ausmaße diese fixe Idee noch annehmen würde.

»Nein, ganz und gar nicht – man muss das Kind beim Namen nennen, das motiviert und fördert den Zusammenhalt.«

*

Es war spät geworden. Beas Gedanken machten sich selbstständig, als ihr Blick die weiße Wanduhr traf, deren Pendel sich im Takt der Sekunden bewegte, und verließen die Runde der Freundinnen. Normalerweise würde sie um diese Zeit Saschas Schlüssel im Türschloss hören und den Tisch bereits gedeckt haben. Wie immer hätte sie ihm etwas Leckeres gezaubert, vermutlich ein Gulasch oder Schnitzel oder sogar Rouladen.

Sascha mochte Fleisch, Bea war Vegetarierin – aber was tat man nicht alles für den Mann, den man liebte. Für einen Mann, der seine Frau belog und betrog. Sie hatte immer fest daran geglaubt, dass ihr dieses Desaster niemals passieren würde. Dass Sascha besonders geschäftstüchtig und fleißig war, wenn er erst gegen 20 Uhr nach Hause kam. Manchmal wurde es auch noch später, aber als Chef in einem Autohaus gab es eben keine geregelten Arbeitszeiten. Das war Bea immer klar, und sie hatte Verständnis dafür gezeigt, immerhin musste sie nicht arbeiten gehen, konnte sich ganz ihren Gewohnheiten hingeben, die sie sich erst aneignen musste, nachdem sie aufgehört hatte, zu arbeiten.

Ihren alten Job in der Pharmabranche hatte sie nach einem Burnout aufgegeben und ihre Zeit mit dem Herrichten des Hauses verbracht, das beide gemeinsam gebaut hatten. Auch das war eine anstrengende Aufgabe gewesen. Und als das Haus fertig war? Nach etlichen erfolglosen Bewerbungen ließ sie es eben einfach sein und richtete ihr Leben zwischen Tennisstunden, Golf und Yoga ein. Wie sie das früher nur alles geschafft hatte, als sie noch arbeiten ging? Heute weiß Bea, dass es auch Freizeitstress geben kann. Aber Klagen auf hohem Niveau, das war nicht ihr Ding. Bea beschwerte sich sowieso nur selten, auch dann nicht, wenn ihr Mann seine sogenannten ehelichen Pflichten immer mehr vernachlässigte. Wenn Sex zur Pflicht wird, sollte man es sowieso besser sein lassen.

An einem Abend wartete Bea besonders lange auf Sascha. Sie dachte, er hätte sich verspätet, doch er kam gar nicht. Nicht an diesem Abend und auch nicht am nächsten Morgen oder am nächsten Tag. In der Firma hatten die Angestellten Bea nur mitleidig angeschaut, als sie ihr sagten, dass der Chef im Urlaub sei. Eine gute Kundin habe ihn netterweise zum Flughafen mitgenommen. La Réunion. Sascha hatte Flugangst. War es Liebe, die ihm Flügel verlieh?

»Ich hab’s«, rief Bea lauter als beabsichtigt. Beinahe hätte Leonie vor Schreck ihr Glas umgestoßen, das sie bereits leicht beschwipst auf ihrem Knie balancierte.

»Rück schon raus! Aber alles, was mit Bums-Bienen, Rächerinnen der Nation oder den vier Orgasmus-Queens zu tun hat, ist nicht – das sag ich dir gleich«, giftete Patricia.

»Nicht nur du hast gute Ideen, meine Liebe. Lasst uns also anstoßen auf die Neugründung der einzigartigen, unaufhaltsamen und tabulosen … Venus-Verschwörung!«

2

Die Patin

Jede gute Verschwörung mit mafiösem Charme braucht einen Paten oder eine Patin. Wer sollte das anderes sein als Patricia? Einstimmig wurde die erfahrene Scheidungsanwältin unter tosendem Applaus der drei anderen Mitglieder der Venus-Verschwörung per Handzeichen gewählt. Die Mädels hatten eine Mission, und jede Mission brauchte einen Plan. Wo andere kriminelle Organisationen wirtschaftlich motiviert waren, war die Venus-Verschwörung körperlich engagiert. Sperma eintreiben war ihr Ziel. Nicht mit Gewalt, sondern mit den Waffen einer Frau oder besser gesagt mit den Waffen von vier durchtriebenen Frauen. Doch genau an dieser Durchtriebenheit musste noch etwas gearbeitet werden. Das wusste vor allem die Patin, die schon für den nächsten freien Abend eine erste Versammlung der Venus-Verschwörung anberaumte.

*

»Findest du das nicht ein bisschen überzogen mit dieser Sitzung, meine liebe Patricia? Deine Zielstrebigkeit in allen Ehren, aber …«, fragte Leonie möglichst verbindlich ins Telefon, während sie in ihrem Büro mit Blick auf die Alster die Steuerunterlagen eines Speditionsunternehmers wälzte.

»Wenn ich etwas anpacke, dann richtig. Außerdem brauchen einige von uns in dieser Sache Unterstützung. Oder meinst du etwa, Bea weiß nach fünf Ehejahren noch, wie man einen Mann für eine Nacht aufreißt? Und denk nur mal an Jenny. Die Kleine müssen wir unter unsere Fittiche nehmen.«

»Hmm, mag sein, aber artet das nicht eher in Stress aus?«

»Eine positive Entwicklung ist immer auch mit Konditionierung und Disziplin verbunden, sonst lässt man sich viel zu leicht wieder gehen und verliert sein Ziel aus den Augen.«

»Ach, ich dachte, es geht darum, Spaß zu haben?«

»Eben! Aber ein bisschen Struktur schadet nie. Wenn man die Sache richtig anzugehen weiß, kommt der Spaß viel schneller, als wenn man ziellos durch die Gegend streunt.«

»Streunen … wie sich das anhört. Als wären wir läufige Katzen.«

»… die nur mit ihrer Beute spielen wollen, anstatt sie zu erlegen. Du hast mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen.«

»Okay, bis später …« Leonie legte den Hörer wieder auf die Station und sah gedankenverloren durch die beschlagenen Scheiben nach draußen. Regentropfen lieferten sich ein Rennen in Richtung Fenstersims. Immer diese trüben Tage. Ein bisschen Unterstützung und gutes Zureden schadete nie, das wusste auch Leonie.

*

Nicht umsonst hatte sie sich damals für dieses spezielle Seminar angemeldet. Finden Sie Ihre innere Mitte und damit zu sich selbst, stand in asiatisch anmutenden Lettern auf dem Flyer, den sie bei dem Friseur ihres Vertrauens neben zwei anderen Visitenkarten von einem benachbarten Manikürestudio und einem Cateringservice für Biokost beiläufig eingesteckt hatte. Sie fand den Zettel erst wieder, als sie ihren ganzen Krempel von einer Handtasche in die andere räumte, die besser zu dem cremefarbenen Trenchcoat passte, den sie gemeinsam mit Ehemann Nummer zwei ausgesucht hatte. Damals, als noch alles in Ordnung schien und Leonie trotzdem spürte, dass sie Patricia schneller, als ihr lieb war, wieder um einen offiziellen Scheidungstermin bitten würde. Schon nach dem Ende ihrer ersten Ehe hatten sich die beiden Frauen angefreundet. Leonie bewunderte Patricia insgeheim für ihre klare, kompromisslose Art, die sie nicht nur bei Verhandlungen an den Tag legte. Diese schlanke, hochgewachsene Schönheit imponierte ihr, obwohl sie selbst mit sich eigentlich im Reinen war, wie sie dachte.

Aber auch Leonie hatte ihr Päckchen zu tragen. Wenn es um Männer ging, setzte ihr ansonsten klarer Verstand aus. Aus für sie unerklärlichen Gründen, angelte sie sich immer Typen, von denen sie sich mehr erhoffte, als sie am Ende halten konnten. Dabei gehörte Leonie nicht mal zu den Frauen, die den Männern die ganze Schuld in die Schuhe schoben. Sie selbst fühlte sich mitverantwortlich für das Scheitern ihrer Beziehungen, für das Misslingen ihrer Ehen. Im Grunde war anfangs alles in Ordnung gewesen, sonst hätte sie sicher nicht geheiratet und schon gar nicht zweimal. Doch insgeheim erschien es Leonie selbst merkwürdig, dass sie nach der Hochzeit immer in ein tiefes Loch fiel. Vielleicht war ihr Problem genau konträr zu dem der Frauen, die zu hohe Ansprüche hatten. Ihre Anforderungen an Männer waren eher gering, oberflächlich gesehen.

Sie wollte sich ihre eigenen Bedürfnisse nie eingestehen, war bereit, sich zurückzunehmen für eine harmonische Partnerschaft. Irgendwann platzte es dann doch immer aus ihr heraus, wenn sie genug davon hatte, sich selbst zu verraten, ihre Instinkte zu verleugnen. Dann waren die Männer wie vor den Kopf gestoßen, und sie wollte die Scheidung und damit die Chance auf einen neuen Versuch, von dem sie schon vorher wusste, dass er genauso enden würde, wenn sie sich selbst nicht änderte. War das der Fehler? War das der Fehler an ihr?

Finden Sie Ihre innere Mitte und damit zu sich selbst. Immer wieder las Leonie die Zeilen auf dem sonnenblumengelben Flyer, an dessen Rand sie ein dicker Buddha mit Speckfalten entspannt anlächelte. Was weiß der denn schon von mir, der kann doch nur dumm grinsen, hatte sie sich gedacht und die Werbung in zwei Hälften zerrissen wie ihr Leben nach jeder Scheidung.

Die Telefonnummer war noch zu lesen, also meldete sie sich an und Patricia gleich mit – als Unterstützung. Unterstützung schadete nie.

Rund 20 Frauen suchten in einem freundlichen Raum, der von Räucherstäbchen vernebelt und von Tageslicht erhellt wurde, nach ihrem inneren Selbst. Leonie stand also nicht alleine da mit ihrem Problem, und auch Patricia nahm bei der spirituellen Sitzung etwas mit, selbst wenn sie sich vorher gesträubt hatte, bei diesem »Quatsch« mitzumachen. Neben weisen Sprüchen, seine eigenen Bedürfnisse zu erspüren, auf sie zu hören und ihnen zu folgen, fanden Leonie und Patricia auch zwei Freundinnen: Bea und Jenny. Alle vier mussten gleichzeitig losprusten, als die spirituelle Vorturnerin in ihren weiten Pumphosen mit ungelenken Verrenkungen meinte, ihr eigenes Ich an ihrem Hintern zu ertasten. Von körperlicher Ertüchtigung, die eine Behandlung beim Physiotherapeuten nach sich zog, hielten alle vier nichts. Nach Kursende hatten sie ihr inneres Selbst zwar immer noch nicht gefunden, dafür aber eine gemütliche Kneipe mit Getränken für die körperliche Befriedigung auf den ersten Schluck.

3

Der Plan

Willkommen zu unserer ersten konspirativen Sitzung, meine lieben Mitglieder.« Wie Jesus auf dem Zuckerhut breitete Patricia zur Begrüßung die Arme aus, als wäre sie die Heilsbringerin persönlich.

»Und du bist dir ganz sicher, dass deine Kanzlei der richtige Ort für …« Jenny guckte sich schüchtern in dem kühlen, grau gestalteten Raum um, der außer einem Flipchart, einem Quadrat aus zusammengerückten Tischen, eingerahmt von ein paar ungemütlich wirkenden Schwingstühlen, nur noch einen freudlos plätschernden Zimmerbrunnen und einen einsamen Benjamini beherbergte. Von der Decke baumelten Metalllampen in U-Boot-Form, deren blendendes Licht dem Raum den Charme einer Zahnarztpraxis verlieh.

Unbehelligt stolzierte Patricia in ihren schwarzen hochhackigen Lederstiefeln (ohne Zehn-Zentimeter-Absätze ging sie nicht aus dem Haus) auf die Freundinnen zu und rückte ihnen zuvorkommend die Stühle zurecht.

»Aber sicher, hier lenkt uns nichts von unserem Vorhaben ab. Volle Konzentration auf unser Projekt ist somit garantiert.«

Mit einem tiefen Seufzer setzte sich Bea in einen der Schwinger, deren Ledersitz ihren Po kühl und unfreundlich in Empfang nahm. »Gibt es hier wenigstens etwas Motivierendes zu trinken? Sekt zum Beispiel?«

Beas Blick wanderte missmutig zu den Miniaturfläschchen mit Orangensaft und stillem Tafelwasser auf der Tischmitte, die dem Raum das Ansehen eines halbwegs menschlichen Orts verliehen.

Sofort erntete sie dafür einen Seitenhieb von Patricia. »Sekt? Wir müssen einen kühlen Kopf behalten, sonst wird das nichts.«

»Du hast gesagt, wir wollen Spaß haben.« Leonie wippte mit der Fußspitze an dem Metallgestell ihres Stuhls, die Arme schmollend verschränkt.

»Eben! War nur Spaß, Mädels! Hier, schaut mal!«

Patricia zog eine der großen weißen Metallschubladen eines Aktenschranks auf und schwenkte Sekunden später triumphierend zwei Flaschen Schampus in der Hand.

»Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, oder besser beides zusammen!«

Die Mädels applaudierten, nur Jenny presste den Zeigefinger auf ihren ungeschminkten Mund. »Pscht, nicht dass uns noch einer hört. Was sollen die denn von uns denken?«

»Dass wir ganz schlimme Finger sind … oh, pardon: werden«, lachte Patricia und klärte Jenny verständnisvoll darüber auf, dass sie mit Sicherheit alleine in der Kanzlei und alle anderen bereits ausgeflogen waren.

»Also, was hast du vorbereitet? Wir wollen ja schließlich nicht den ganzen Abend hier in diesen … na, nennen wir es mal heiligen Gemäuern der Rechtsverdrehungen verbringen!« Mit dieser Bemerkung fing sich Bea einen strafenden Blick von Patricia ein, dafür aber auch das zustimmende Nicken der anderen.

Diese Banausinnen, dachte sich Patricia und startete ungerührt mit ihren Ausführungen.

»Ich weiß nicht, ob ihr es wusstet, aber unsere Mission ist geradezu von historischer Bedeutung«, sagte Patricia vielversprechend.

»Was meinst du damit?« Bea hob die Augenbrauen.

»Na, überlegt doch mal, wie das früher war. Es ist ja noch gar nicht allzu lange her, da durfte eine Frau nicht mal ohne die Zustimmung ihres Mannes ein Konto haben, geschweige denn sich Arbeit suchen, wenn er sein Weibchen lieber hinter dem Herd stehen hatte. Es stand sogar mal im Gesetzbuch, dass Männer das Recht haben, den Wohnort der Frau zu bestimmen. Und Fußball spielen durften wir auch nicht. Jetzt stellt euch das heute mal vor, wo wir sogar offiziell uniformiert durch den Schlamm robben dürfen!«

»Ich will mir das lieber nicht vorstellen. Du, Patricia, im kurzen Höschen und Pumps auf dem grünen Rasen!« Leonie schüttelte kichernd den Kopf.

»Im Gegensatz zu dir, meine Liebe, mache ich überall eine gute Figur«, giftete sie scharf zurück.

»Ich finde das wirklich krass«, trennte Jenny die beiden Kampfhennen.

»Genau, meine Kleine!« Patricia fing sich schnell wieder. »Und heute haben wir sogar eine Frau als Kanzlerin. Das wäre damals unvorstellbar gewesen. Auch wenn unsere Mission weder finanziell noch politisch motiviert ist, hat auch die Venus-Verschwörung ihre Berechtigung. Wir legen jetzt einen Meilenstein und machen uns frei von den Männern, die uns irgendetwas vormachen oder über unsere Gefühle bestimmen wollen.«

Acht Hände trommelten anerkennend auf den Tisch.

Patricia gab sich wirklich Mühe, die Frauen davon zu überzeugen, dass es Sinn machte, den Männern jetzt auch auf erotischer Ebene Paroli zu bieten.

»Es ist doch immer noch so, dass eine Frau, die ihre Lust auslebt, schräger angesehen wird als ein Mann, der sich wie ein Hansdampf in allen Gassen benimmt. Wenn einer zum vierten Mal verheiratet ist und nebenbei noch zwei Geliebte hat und acht Kinder von neun Frauen, dann klopfen ihm seine Geschlechtsgenossen grunzend und voller Anerkennung auf die Schulter. Aber eine Frau wäre mit solch einer Vita schon längst aus dem Häkelkurs geflogen, begleitet von vernichtenden Rufen.«

»Das stimmt«, pflichtete Leonie bei, die ihre zwei gescheiterten Ehen auch eher als Makel empfand. Ein Mann würde das wohl mehr als Auszeichnung ansehen und unbeirrt weitermachen. Weiter machte auch Patricia, diesmal mit Erklärungen auf körperlicher Ebene.

»Meine Damen, darf ich vorstellen: das Objekt der Begierde – der Penis!« Stolz und mit einem breiten Grinsen präsentierte die Patin ihr selbst gezeichnetes Kunstwerk am Flipchart. Ein tiefes Raunen ging durch den Raum.

»Na, den Besitzer von diesem Bengel möchte ich auch mal kennenlernen«, sinnierte Leonie anerkennend.