Die Vergaberechtsreform 2016 durch die Richtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU, 2014/25/EU - Stefanie Kreuzer - E-Book

Die Vergaberechtsreform 2016 durch die Richtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU, 2014/25/EU E-Book

Stefanie Kreuzer

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Beschreibung

Der vorliegende Band vergleicht die Handhabung der Gestaltungsspielräume bei der Umsetzung der Vergaberichtlinie 2014/24/EU in Deutschland, Italien und Spanien am Beispiel der umweltbezogenen, sozialen und innovativen Aspekte. Zunächst werden die rechtlichen Grundlagen der Umsetzung von europäischen Richtlinien vermittelt sowie Entstehung, Zielsetzung, Aufbau und Inhalt des Vergaberichtlinienpakets 2014 und insbesondere der Richtlinie 2014/24/EU erläutert. Des Weiteren wird ein Einblick in die Vergaberechtssysteme der untersuchten Länder gegeben. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der vergleichenden Auswertung der Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2014/24/EU in Deutschland, Italien und Spanien. Dabei stellt die Autorin die ausgewählten Richtlinienartikel und nationalen Umsetzungsnormen unter Berücksichtigung einschlägiger Rechtsprechung einander gegenüber und analysiert die jeweiligen Umsetzungstechniken und -defizite der nationalen Gesetzgeber mit Blick auf den Harmonisierungserfolg.

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Seitenzahl: 478

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Wissenschaftliche Beiträgeaus dem Tectum Verlag

Reihe Rechtswissenschaft

Wissenschaftliche Beiträgeaus dem Tectum Verlag

Reihe Rechtswissenschaft

Band 124

Stefanie Kreuzer

Die Vergaberechtsreform 2016 durch die Richtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU, 2014/25/EU

Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Handhabung der ­Gestaltungsspielräume bei der Umsetzung der Richtlinie 2014/24/EU durch die nationalen Gesetzgeber in Deutschland, Italien und Spanien am Beispiel der umweltbezogenen, sozialen und innovativen Aspekte

Tectum Verlag

Stefanie Kreuzer

Die Vergaberechtsreform 2016 durch die Richtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU, 2014/25/EU. Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Handhabung der Gestaltungsspielräume bei der Umsetzung der Richtlinie 2014/24/EU durch die nationalen Gesetzgeber in Deutschland, Italien und Spanien am Beispiel der umweltbezogenen, sozialen und innovativen Aspekte

© Tectum – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2019

ePub 978-3-8288-7400-8

(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Werk unter der ISBN 978-3-8288-4403-2 im Tectum Verlag erschienen.)

Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag,

Reihe: Rechtswissenschaft; Bd. 124

ISSN 1861-7875

Zugl. Diss. der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, 2019

 

Alle Rechte vorbehalten

Informationen zum Verlagsprogramm finden Sie unter www.tectum-verlag.de

 

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben

sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek

The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available onlineat http://dnb.ddb.de.

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2018 von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer als Dissertation angenommen.

Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Jan Ziekow für seine wissenschaftliche und methodische Unterstützung während der gesamten Bearbeitungsphase meiner Dissertation.

Natürlich gilt mein Dank Herrn Michael Mirschberger, der maßgeblich zur Themenfindung beitrug.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Unterstützung durch das Bibliotheksteam des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb in München bei der Beschaffung und Bereitstellung spezieller Fachliteratur.

Frau Dr. Ines Marin und Frau Saskia Giuliano danke ich für die zahlreichen fachlichen und persönlichen Gespräche, Ratschläge und Anmerkungen auf dem Weg zur vorliegenden Arbeit.

Frau Avv. Gabriella Maggiora und Herrn Avv. Silvio Marzari aus Verona möchte ich für die fachliche Unterstützung bei der Bearbeitung der italienischen Fragestellungen danken.

Ebenso gilt mein Dank Herrn Abg. Juan Carlos Giménez-Salinas Framis aus Barcelona, der mir eine große Hilfe bei meinen Recherchen zum spanischen Teil war.

Besonders möchte ich mich bei meinen Eltern und meinem Bruder für die unermüdliche Stärkung und Motivierung bei der Erstellung dieser Arbeit bedanken.

Ihnen ist diese Arbeit gewidmet.

Inhaltsverzeichnis

1. Teil: Einleitung

A. Einführung in die Problemstellung, Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit

B. Gang und Methodik der Untersuchung

I. Gang der Untersuchung

II. Methodik: Rechtsvergleich

2. Teil: Grundlagen der Richtlinienumsetzung und Überblick zum Vergaberichtlinienpaket 2014

A. Grundlagen der Umsetzung von europäischen Richtlinien

I. Funktion der Richtlinie und Prinzip der gestuften Verbindlichkeit

II. Richtlinienerlass durch den europäischen Gesetzgeber

1. Kompetenzgrundlage und Wahl der Handlungsform

2. Erlassverfahren

III. Umsetzung durch die Mitgliedstaaten

1. Anforderungen an eine ordnungsgemäße Umsetzung durch die Mitgliedstaaten

a. Verbindlichkeit hinsichtlich des zu erreichenden Ziels der Richtlinie

b. Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten hinsichtlich Form und Mittel zur Zielerreichung

aa. Zuständige innerstaatliche Stellen

bb. Umsetzungsmittel

cc. Materielle Umsetzungsspielräume bzw. Spielraum der Rechtsangleichung

2. Nicht fristgerechte Umsetzung der Richtlinie und deren Konsequenzen

a. Unmittelbare Wirkung der Richtlinie

b. Gebot der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts

c. Staatshaftungsansprüche des Einzelnen

B. Überblick zum Vergaberichtlinienpaket 2014 und zur Richtlinie 2014/24/EU

I. Entstehungsgeschichte des Vergaberichtlinienpakets 2014

II. Zielsetzung und Leitgedanken des Vergaberichtlinienpakets 2014

III. Erlass des Vergaberichtlinienpakets 2014

1. Primärrechtliche Vorgaben der Grundfreiheiten des AEUV

a. Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV

b. Warenverkehrsfreiheit, Art. 34 AEUV

c. Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV

2. Kompetenzgrundlage zum Vergaberichtlinienerlass und Wahl der Handlungsform

3. Erlassverfahren

IV. Inhalt und Vorgaben der Richtlinie 2014/24/EU

1. Überblick über den Regelungsinhalt im Allgemeinen

a. Aufbau der Richtlinie 2014/24/EU

b. Geltungsbereich und Adressatenkreis

c. Wesentliche Neuerungen der Richtlinie 2014/24/EU

2. Überblick über die in der Richtlinie 2014/24/EU zu untersuchenden Aspekte

a. Umweltbezogene Aspekte – Inhalt und Verortung innerhalb der Richtlinie

b. Soziale Aspekte – Inhalt und Verortung innerhalb der Richtlinie

c. Innovative Aspekte – Inhalt und Verortung innerhalb der Richtlinie

3. Differenzierung zwischen mitgliedstaaten- und auftraggeberadressierten Vorschriften

3. Teil: Die Handhabung der Richtlinienumsetzung durch die nationalen Gesetzgeber in Deutschland, Italien und Spanien

A. Die gewählte Form der Umsetzung der Richtlinie 2014/24/EU

I. Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber

1. Ausgangslage vor Richtlinienumsetzung

2. Vergaberechtsmodernisierungsgesetz und Vergaberechtsmodernisierungsverordnung

3. Gesetzgebungsverfahren

4. Wesentliche strukturelle und inhaltliche Neuerungen des deutschen Vergaberechts

II. Umsetzung durch den italienischen Gesetzgeber

1. Ausgangslage vor Richtlinienumsetzung

2. Decreto legislativo 50/2016 und Decreto Legislativo 56/2017

3. Gesetzgebungsverfahren

4. Wesentliche strukturelle und inhaltliche Neuerungen des italienischen Vergaberechts

III. Umsetzung durch den spanischen Gesetzgeber

1. Ausgangslage vor Richtlinienumsetzung

2. Das neue Ley de contratos del sector público (LCSP 2017)

3. Gesetzgebungsverfahren

4. Wesentliche strukturelle und inhaltliche Neuerungen des spanischen Vergaberechts

IV. Auswertung

B. Die nationale inhaltliche Umsetzung der Richtlinie 2014/24/EU im Einzelnen

I. Grundsätze der Auftragsvergabe, Art. 18 II RL 2014/24/EU

1. Normenüberblick Deutschland

2. Vorgaben des Art. 18 II RL 2014/24/EU

a. Standort, Struktur und Adressat der Vorschrift

b. Inhalt der Vorschrift

3. Umsetzung in Deutschland

a. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: keine Regelung im GWB a.F.

b. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: § 128 I GWB n.F. (Auftragsausführung)

aa. Standort und Struktur der Vorschrift

bb. Inhalt der Vorschrift

c. Bewertung der Umsetzung

4. Umsetzung in Italien

a. Normenüberblick Italien

b. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: keine Regelung im D. Lgs. 163/2006

c. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: Art. 30 D. Lgs. 50/2016 (Principi per l’aggiudicazione e l’esecuzione di appalti e concessioni)

aa. Standort und Struktur der Vorschrift

bb. Inhalt der Vorschrift

d. Bewertung der Umsetzung

5. Umsetzung in Spanien

a. Normenüberblick Spanien

b. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: keine Regelung im Real Decreto 3/2011

c. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: Art. 201 LCSP 2017 (Obligaciones en materia medioambiental, social o laboral)

aa. Standort und Struktur der Vorschrift

bb. Inhalt der Vorschrift

d. Bewertung der Umsetzung

6. Auswertung

II. Innovationspartnerschaften, Art. 26 III i.V.m. Art. 31 RL 2014/24/EU

1. Normenüberblick Deutschland

2. Vorgaben des Art. 26 III i.V.m. Art. 31 RL 2014/24/EU

a. Standort, Struktur und Adressat der Vorschriften

b. Inhalt der Vorschriften

3. Umsetzung in Deutschland

a. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: keine Regelung im GWB a.F.

b. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: § 119 VII GWB n.F. (Verfahrensarten) i.V.m. § 19 VgV n.F. (Innovationspartnerschaft)

aa. Standort und Struktur der Vorschriften

bb. Inhalt der Vorschriften

c. Bewertung der Umsetzung

4. Umsetzung in Italien

a. Normenüberblick Italien

b. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: keine Regelung im D. Lgs. 163/2006

c. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: Art. 59, co. 1 D. Lgs. 50/2016 (Scelta delle procedure) i.V.m. Art. 65 D. Lgs. 50/2016 (Partenariato per l’innovazione)

aa. Standort und Struktur der Vorschriften

bb. Inhalt der Vorschriften

d. Bewertung der Umsetzung

5. Umsetzung in Spanien

a. Normenüberblick Spanien

b. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: keine Regelung im Real Decreto 3/2011

c. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: Art. 131.2 (Procedimiento de adjudicación) i.V.m. Art. 177 LCSP 2017 (Caracterización del procedimiento de asociación para la innovación)

aa. Standort und Struktur der Vorschriften

bb. Inhalt der Vorschriften

d. Bewertung der Umsetzung

6. Auswertung

III. Gütezeichen, Art. 43 RL 2014/24/EU

1. Normenüberblick Deutschland

2. Vorgaben des Art. 43 RL 2014/24/EU

a. Standort, Struktur und Adressat der Vorschrift

b. Inhalt der Vorschrift

3. Umsetzung in Deutschland

a. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: keine Regelung im GWB a.F.

b. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: § 113 S. 2 Nr. 5 GWB n.F. (Verordnungsermächtigung) i.V.m. § 34 VgV n.F. (Nachweisführung durch Gütezeichen)

aa. Standort und Struktur der Vorschriften

bb. Inhalt der Vorschriften

c. Bewertung der Umsetzung

4. Umsetzung in Italien

a. Normenüberblick Italien

b. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: Art. 68, co. 9 D. Lgs. 163/2006 (Specifiche tecniche)

c. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: Art. 69 D. Lgs. 50/2016 (Etichettature)

aa. Standort und Struktur der Vorschrift

bb. Inhalt der Vorschrift

d. Bewertung der Umsetzung

5. Umsetzung in Spanien

a. Normenüberblick Spanien

b. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: Art. 117.6 Real Decreto 3/2011 (Reglas para el establecimiento de prescripciones técnicas)

c. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: Art. 127 LCSP 2017 (Etiquetas)

aa. Standort und Struktur der Vorschrift

bb. Inhalt der Vorschrift

d. Bewertung der Umsetzung

6. Auswertung

IV. Auswahl der Teilnehmer und Auftragsvergabe – Allgemeine Grundsätze, Art. 56 I UAbs. 2 RL 2014/24/EU

1. Normenüberblick Deutschland

2. Vorgaben des Art. 56 RL 2014/24/EU

a. Standort, Struktur und Adressat der Vorschrift

b. Inhalt der Vorschrift

3. Umsetzung in Deutschland

a. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: keine Regelung im GWB a.F.

b. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: keine Regelung im GWB n.F.

c. Bewertung der Umsetzung

4. Umsetzung in Italien

a. Normenüberblick

b. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: keine Regelung im D. Lgs. 163/2006

c. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: Art. 94, co. 2 D. Lgs. 50/2016 (Principi generali in materia di selezione)

aa. Standort und Struktur der Vorschrift

bb. Inhalt der Vorschrift

d. Bewertung der Umsetzung

5. Umsetzung in Spanien

a. Normenüberblick Spanien

b. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: keine Regelung im Real Decreto 3/2011

c. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: keine Regelung im LCSP 2017

d. Bewertung der Umsetzung

6. Auswertung

V. Ausschlussgründe, Art. 57 IV UAbs. 1 lit. a RL 2014/24/EU

1. Normenüberblick Deutschland

2. Vorgaben des Art. 57 IV UAbs. 1 lit. a RL 2014/24/EU

a. Standort, Struktur und Adressat der Vorschrift

b. Inhalt der Vorschrift

3. Umsetzung in Deutschland

a. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: § 97 VI GWB a.F. i.V.m. § 6 VI EG VOL/A a.F. bzw. § 4 IX VOF

b. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: § 124 I Nr. 1 GWB n.F. (Fakultative Ausschlussgründe) i.V.m. § 42 VgV n.F. (Auswahl geeigneter Unternehmen; Ausschluss von Bewerbern und Bietern)

aa. Standort und Struktur der Vorschriften

bb. Inhalt der Vorschriften

c. Bewertung der Umsetzung

4. Umsetzung in Italien

a. Normenüberblick Italien

b. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: Art. 38 D. Lgs. 163/2006 (Requisiti di ordine generale)

c. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: Art. 80 D. Lgs. 50/2016 (Motivi di esclusione)

aa. Standort und Struktur der Vorschrift

bb. Inhalt der Vorschrift

d. Bewertung der Umsetzung

5. Umsetzung in Spanien

a. Normenüberblick Spanien

b. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: Art. 60 Real Decreto 3/2011 (Prohibiciones de contratar)

c. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: Art. 71.1 letra b LCSP 2017 (Prohibiciones de contratar)

aa. Standort und Struktur der Vorschrift

bb. Inhalt der Vorschrift

d. Bewertung der Umsetzung

6. Auswertung

VI. Zuschlagskriterien, Art. 67 RL 2014/24/EU

1. Normenüberblick Deutschland

2. Vorgaben des Art. 67 RL 2014/24/EU

a. Standort, Struktur und Adressat der Vorschrift

b. Inhalt der Vorschrift

3. Umsetzung in Deutschland

a. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: § 97 V GWB a.F.(Allgemeine Grundsätze) i.V.m. § 19 IX, § 21 I EG VOL/A (Prüfung und Wertung der Angebote, Zuschlag) bzw. § 16 VII EG VOB/A a.F. (Wertung) bzw. § 11 V, VI VOF (Aufforderung zur Verhandlung, Angebotsabgabe, Auftragserteilung)

b. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: § 127 I GWB n.F. (Zuschlag) i.V.m. § 58 VgV n.F. (Zuschlag und Zuschlagskriterien)

aa. Standort und Struktur der Vorschriften

bb. Inhalt der Vorschriften

c. Bewertung der Umsetzung

4. Umsetzung in Italien

a. Normenüberblick Italien

b. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: Art. 81 D. Lgs. 163/2006 (Criteri per la scelta dell’offerta migliore), Art. 83 D. Lgs. 163/2006 (Criterio dell’offerta economicamente più vantaggiosa)

c. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: Art. 95 D. Lgs. 50/2016 (Criteri di aggiudicazione dell’appalto)

aa. Standort und Struktur der Vorschrift

bb. Inhalt der Vorschrift

d. Bewertung der Umsetzung

5. Umsetzung in Spanien

a. Normenüberblick Spanien

b. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: Art. 150 Real Decreto 3/2011 (Criterios de valoración de las ofertas)

c. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: Art. 145 LCSP 2017 (Requisitos y clases de criterios de adjudicación del contrato)

aa. Standort und Struktur der Vorschrift

bb. Inhalt der Vorschrift

d. Bewertung der Umsetzung

6. Auswertung

VII. Bedingungen für die Auftragsausführung, Art. 70 RL 2014/24/EU

1. Normenüberblick Deutschland

2. Vorgaben des Art 70 RL 2014/24/EU

a. Standort, Struktur und Adressat der Vorschrift

b. Inhalt der Vorschrift

3. Umsetzung in Deutschland

a. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: § 97 IV S. 2 GWB a.F.

b. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: § 128 II GWB n.F. (Auftragsausführung) i.V.m. § 61 VgV n.F. (Ausführungsbedingungen)

aa. Standort und Struktur der Vorschrift

bb. Inhalt der Vorschrift

c. Bewertung der Umsetzung

4. Umsetzung in Italien

a. Normenüberblick Italien

b. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: Art. 69 D. Lgs. 163/2006 (Condizioni particolari di esecuzione del contratto prescritte nel bando o nell’invito)

c. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: Art. 100 D. Lgs. 50/2016 (Requisiti per l’esecuzione dell’appalto)

aa. Standort und Struktur der Vorschrift

bb. Inhalt der Vorschrift

d. Bewertung der Umsetzung

5. Umsetzung in Spanien

a. Normenüberblick Spanien

b. Rechtslage vor Richtlinienumsetzung: Art. 118 Real Decreto 3/2011 (Condiciones especiales de ejecución del contrato)

c. Rechtslage nach Richtlinienumsetzung: Art. 202 LCSP 2017 (Condiciones especiales de ejecución del contrato de carácter social, ético, medioambiental o de otro orden)

aa. Standort und Struktur der Vorschrift

bb. Inhalt der Vorschrift

d. Bewertung der Umsetzung

6. Auswertung

C. Übergreifende Auswertung der Umsetzungsmaßnahmen in Deutschland, Italien und Spanien

I. Umsetzungstechniken

II. Fehlerquellen und Umsetzungsdefizite

III. Beurteilung des Harmonisierungserfolgs

4. Teil: Schlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Teil: Einleitung

A. Einführung in die Problemstellung, Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit

„Wirksamere Investitionen in Bildung, Forschung und Innovation, eine entschlossene Ausrichtung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft sowie die vorrangige Schaffung von Arbeitsplätzen und die Bekämpfung von Armut“1: mit diesen Maßnahmen möchte die Europäische Union bis zum Jahr 2020 intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum fördern, um ihre fünf Kernziele in den Bereichen Beschäftigung, Forschung und Entwicklung, Klima und Energie, Bildung, soziale Eingliederung und Armutsbekämpfung zu erreichen. Inhalte dieser Ziele sind unter anderem die Erreichung der Beschäftigung von 75 % der 20- bis 64-Jährigen, die Aufwendung von 3 % des Unionsbruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung, die Steigerung des Anteils der 30- bis 34-Jährigen mit abgeschlossener Hochschulbildung auf mindestens 40 %, Armutsbekämpfung (Senkung der Zahl der von Armut betroffenen Menschen um mindestens 20 Millionen) und die Erreichung der Klimaschutz- und Energieziele (z. B. Verringerung von Treibhausgasemissionen um 20 %, Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien auf 20 %).2

Ausgangspunkt für diese fünf Kernziele ist die auf zehn Jahre angelegte europapolitische Strategie „Europa 2020“.

Sie wurde von der Europäischen Kommission im Jahr 2010 als Nachfolgerin der Lissabon-Strategie begründet, um die Wettbewerbsfähigkeit und Ressourceneffizienz der Europäischen Union weiter zu steigern.

Zur Verwirklichung dieser strategischen Ziele in der Praxis hat die Europäische Union ein wirtschaftspolitisches Steuerungssystem ausgearbeitet, mit dessen Hilfe sie mitgliedstaatliche sowie europaweite Maßnahmen im Hinblick auf die Zielerreichung koordiniert.3

Insbesondere das öffentliche Beschaffungswesen, das einen großen Bereich für die Verwendung öffentlicher Mittel ausmacht – allein in Deutschland hat die öffentliche Beschaffung ein Volumen von über 350 Milliarden Euro pro Jahr –4 hat nicht nur die Funktion, die Vergabe von Aufträgen im öffentlichen Sektor zu regeln, sondern eignet sich auch für die Implementierung von unionspolitischen Maßnahmen. Den öffentlichen Auftraggebern kommt hier eine Vorreiterrolle und Vorbildfunktion zu.5

Deutlich wird dies vor allem an der jüngsten europäischen Vergaberechtsreform aus dem Jahr 2016, bei der die Verwirklichung von „Europa 2020“ im Vordergrund steht.

Denn laut Richtliniengeber spielt die öffentliche Auftragsvergabe im Rahmen der Strategie „Europa 2020“ „eine Schlüsselrolle als eines der marktwirtschaftlichen Instrumente, die zur Erzielung eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums bei gleichzeitiger Gewährleistung eines möglichst effizienten Einsatzes öffentlicher Gelder genutzt werden sollen. Zu diesem Zweck müssen die Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe […] überarbeitet und modernisiert werden, damit die Effizienz der öffentlichen Ausgaben gesteigert […] und es den Vergabestellen ermöglicht wird, die öffentliche Auftragsvergabe in stärkerem Maße zur Unterstützung gemeinsamer gesellschaftlicher Ziele zu nutzen.“6

Um diesen Zielen nachzukommen, ist eines der Leitmotive des Vergaberichtlinienpakets 2014 die stärkere Verankerung und Berücksichtigung umweltbezogener, sozialer und innovativer Aspekte in den verschiedenen Stadien des Vergabeverfahrens bei der öffentlichen Beschaffung oberhalb der EU-Schwellenwerte. Dies spiegelt sich in den gesamten Vorschriften der Richtlinie 2014/24/EU7 wider.

Zur Sicherstellung der europaweiten Implementierung der Strategie sollte die Umsetzung der neuen Vorgaben des Richtlinienpakets durch die nationalen Gesetzgeber in allen EU-Mitgliedstaaten bis zum 18. April 2016 erfolgen.

Mit der nachstehenden Untersuchung soll im Rahmen eines Rechtsvergleichs zwischen Deutschland, Italien und Spanien geklärt werden, ob und wie die nationalen Gesetzgeber in Deutschland, Italien und Spanien die oben genannten Vorgaben der neuen Vergaberichtlinien 2014/23/EU8, 2014/24/EU, 2014/25/EU9 im Hinblick auf die umweltbezogenen, sozialen und innovativen Aspekte umgesetzt haben.

Ziel dieser Arbeit ist es, zunächst die für die ökologische, soziale und innovative Auftragsvergabe relevanten Richtlinienregelungen herauszuarbeiten, deren Umsetzung in Deutschland, Italien und Spanien im Lichte des Unionsrechts zu bewerten und abschließend ein ländervergleichendes Fazit zu ziehen.

Dabei wird untersucht, welche unterschiedlichen Methoden die nationalen Gesetzgeber in Deutschland, Italien und Spanien zur Richtlinienumsetzung angewandt haben, welche Gestaltungsspielräume bei der Umsetzung gegeben waren, in welchem Umfang die nationalen Gesetzgeber diese Gestaltungsspielräume genutzt haben, welche nationalen Umsetzungsdefizite nach der Umsetzung gegebenenfalls jeweils bestehen und welche Auswirkungen die unterschiedlichen Umsetzungstechniken auf den Umsetzungserfolg haben.

Schließlich soll diese Arbeit sowohl dazu beitragen, Erkenntnisse zu den unterschiedlichen Techniken der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Unionsrichtlinien zu gewinnen, als auch anhand des konkreten Beispiels des Vergaberechts als Lenkungsinstrument der europäischen Wirtschaftspolitik aufzeigen, inwieweit die Richtlinie als Harmonisierungsmittel erfolgreich eingesetzt wurde.

B. Gang und Methodik der Untersuchung

I. Gang der Untersuchung

Die Ausarbeitungen in Teil 2 befassen sich in Kapitel A zunächst mit den allgemeinen rechtlichen Grundlagen der Umsetzung von europäischen Richtlinien.

In Kapitel B werden dem Leser grundlegende Informationen zum Vergaberichtlinienpaket 2014 vermittelt, indem zunächst ein historischer Überblick über die Unionsgesetzgebung im Bereich des Vergaberechts gegeben wird und die Entstehungshintergründe des aktuellen Richtlinienpakets dargestellt werden. Des Weiteren werden die europarechtlichen Kompetenzgrundlagen für den Erlass des Richtlinienpakets erarbeitet sowie die primärrechtlichen Vorgaben der Grundfreiheiten des AEUV samt der relevanten Rechtsprechung des EuGH erläutert. Zum besseren Verständnis der in Teil 3 folgenden Umsetzungsanalyse werden Zielsetzung und Leitgedanken des Vergaberichtlinienpakets erörtert.

Im letzten Abschnitt des zweiten Teils erfolgt ein Überblick über Zusammensetzung, Aufbau und Inhalt des Richtlinienpakets. Ein besonderes Augenmerk gilt in diesem Zusammenhang der Richtlinie 2014/24/EU, deren Aufbau, Geltungsbereich und Adressatenkreis sowie den in ihr enthaltenen wesentlichen Neuerungen. Abschließend werden die später zu untersuchenden umweltbezogenen, sozialen und innovativen Aspekte anhand von Erwägungsgründen und Kommissionsmitteilungen erläutert und deren Regelungsstandort innerhalb der Richtlinie 2014/24/EU verortet. Die dadurch ermittelten Ergebnisse können sodann in Teil 3 zur Bewertung der Umsetzung der Richtliniennormen in das jeweilige nationale Recht herangezogen werden.

In Teil 3 wird die Umsetzung der Richtlinienregelungen in Deutschland, Italien und Spanien dargestellt, wobei in Kapitel A zunächst ein Überblick über die vom jeweiligen nationalen Gesetzgeber gewählte Umsetzungsform gegeben wird.

Im Anschluss werden in Kapitel B die Regelungen der Richtlinie, die im Zusammenhang mit umweltbezogenen, sozialen und innovativen Aspekten stehen, zunächst einzeln erläutert und deren Regelungsinhalt erörtert. Sodann wird ihre Umsetzung in die nationalen Rechtsordnungen untersucht. Dabei werden die jeweilige korrespondierende nationale Umsetzungsvorschrift unter Einbeziehung der relevanten Rechtsprechung sowie die entsprechende vor Richtlinienumsetzung geltende Vorschrift, sofern vorhanden, dargestellt und mit den Richtlinienvorgaben verglichen. Aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse wird schließlich die Bewertung der Umsetzung vorgenommen und die durch die Richtlinie tatsächlich erreichte Harmonisierung in Deutschland, Italien und Spanien gemessen.

Am Ende des dritten Teils werden in Kapitel C die Ergebnisse zu den Umsetzungsmaßnahmen in Deutschland, Italien und Spanien übergreifend ausgewertet, wobei Umsetzungstechniken, Fehlerquellen und Harmonisierungserfolg dargestellt werden.

Die Arbeit schließt in Teil 4 mit einem Fazit zum Rechtsetzungsinstrument der Richtlinie und einem Ausblick zur künftigen Setzung von vergaberechtlichem Sekundärrecht durch den Unionsgesetzgeber.

II. Methodik: Rechtsvergleich

Als Methodik der Untersuchung wurde der Rechtsvergleich als „vergleichende wissenschaftliche Betrachtung mehrerer Rechtsordnungen“10 gewählt.

Dessen primäre Funktion ist – neben der Funktion als Hilfsmittel für den Gesetzgeber, als Auslegungsinstrument, als Hilfe in der Forschung und Lehre und als Vorbereitung für die Rechtsvereinheitlichung – die Erkenntnis.11 Abstrakt gesprochen können durch die Erforschung und den Vergleich verschiedener Rechtsordnungen und deren Hintergründe weitere Methoden und Institute für die Lösung gesellschaftlicher Konflikte erschlossen werden.12 Oftmals kann die Kombination von Teilen unterschiedlicher durch den Rechtsvergleich aufgezeigten Lösungen neue, innovative Lösungen nahe legen. Rechtsvergleichung ermöglicht somit zum einen die Erfassung des gesellschaftlichen Problems und zum anderen das Erkennen der angemessensten bzw. „passendsten“ rechtlichen Lösung des Problems.13

Das Grundprinzip der Rechtsvergleichungsmethodik ist das der Funktionalität.14 Dabei werden nicht allein parallele Begriffe, Rechtsinstitute und dogmatische Konstrukte verglichen, sondern es wird vor allen Dingen geprüft, welche Lösungen für ein bestimmtes soziales Problem in den unterschiedlichen Rechtsordnungen vorhanden sind.15 Für den Vergleich heranzuziehen und zu berücksichtigen sind dabei alle nationalen Rechtsinstrumente, die zur Lösung dieses Problems beitragen sollen, unabhängig davon, welchem Rechtsgebiet ein Instrument oder eine Regelung rein systematisch zuzuordnen ist.16 Entscheidend für den Rechtsvergleich sind die „Funktion der Regel“ und „das in der Rechtswirklichkeit durchgesetzte Recht“.17

Auf dem Rechtsgebiet des Vergaberechts bietet sich der Rechtsvergleich an, da das Vergaberecht seit jeher von europäischen Vorgaben geprägt und stetig Gegenstand von europäischen Reformbestrebungen ist.18 So sorgen die einen einheitlichen Rahmen vorgebenden EU-Vergaberichtlinien sowie die Rechtsprechung des EuGH auf dem Gebiet des Vergaberechts für eine zunehmende Unitarisierung des nationalen Vergaberechts der EU-Mitgliedstaaten.19

Die Umsetzung des Europarechts durch die einzelnen Länder und die daraus folgende kontinuierliche Anpassung und Angleichung der nationalen Vergaberechtssysteme – aber auch die bestehenden Unterschiede – können im Rahmen eines Rechtsvergleichs gut dargestellt sowie im Hinblick auf die nationalen Umsetzungsmethoden verglichen und ausgewertet werden. Eine lediglich isolierte nationale Betrachtungsweise vermag dabei aufgrund des starken Einflusses des europäischen Rechts nicht zu den gleichen Ergebnissen kommen wie ein unter Einbeziehung europarechtlicher Vorgaben vorgenommener länderübergreifender Rechtsvergleich.20

Die aus der Vogelperspektive erfolgende rechtsvergleichende Gegenüberstellung bietet überdies die Möglichkeit, die Vor- und Nachteile der verschiedenen Vergaberechtssysteme transparent zu machen und Verbesserungen und Alternativlösungen für die eigene Rechtsordnung zu erkennen.

Im Hinblick auf die rechtsvergleichende Methodik im Rahmen der vorliegenden Untersuchung erfolgt in einem ersten Schritt die Darstellung des Inhalts der europäischen Ausgangsnormen. In einem zweiten Schritt werden in Länderberichten die jeweiligen richtlinienumsetzenden nationalen Rechtsordnungen im Allgemeinen und die jeweiligen richtlinienumsetzenden nationalen Rechtsnormen im Besonderen dargestellt und erläutert. Im dritten Schritt wird die jeweilige nationale Umsetzung kritisch bewertet. Schließlich erfolgt im letzten Schritt die vergleichende Analyse und Auswertung der nationalen Umsetzungsmethoden und -normen.

Hinsichtlich der Auswahl der im Rechtsvergleich zu betrachtenden Rechtsordnungen sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen. Ausgehend von der Rechtskreistheorie werden die Rechtsordnungen der Welt grundsätzlich nach ihrem Stil systematisiert.21 Wesentlich für die Zuordnung zu einem Rechtskreis sind als Stilkriterien insbesondere die Rechtssprache, das soziale und politische System, die historische Entwicklung, die Rechtstradition und die technische Ausgestaltung der Rechtsordnung anhand von Rechtsquellen und ihrer Anwendung.22 Nicht unwesentlich für die Länderauswahl beim Rechtsvergleich ist überdies auch der sprachliche und kulturelle Zugang des rechtsvergleichenden Juristen, denn nur bei entsprechender sprachlicher und landesspezifischer Kenntnis lassen sich Feinheiten der nationalen Rechtsordnungen und der zu vergleichenden Normen sowie rechtskulturelle Hintergründe verstehen und für einen Vergleich entsprechend verwerten.

Unabhängig von der Rechtskreiszuordnung haben ein Rechtsvergleich allein zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Thematik der Richtlinienumsetzungsprüfung das besondere Ziel, das Funktionieren des Binnenmarktes herauszuarbeiten. Durch den Rechtsvergleich allein EU-geprägten nationalen Rechts wird ermöglicht, nationale Unterschiede und Defizite spezifisch herauszuarbeiten und somit womöglich weitere Angleichungsmaßnahmen auf EU-Ebene vorzubereiten.

Gewählt wurde die vorliegende Länderkombination, da sie sich in erster Linie eignet, aufschlussreiche Erkenntnisse für den europäischen Harmonisierungserfolg des Vergaberichtlinienpakets zu gewinnen.

Denn zwar wird das Vergaberecht der europäischen Mitgliedstaaten durch das europäische Sekundärrecht seit vielen Jahren angeglichen, sodass z. B. die Grundsätze des Vergabeverfahrens, die Verfahrensarten und die Eignungs- und Zuschlagskriterien im Groben zunehmend gleichlaufen.23

Nationale Unterschiede bestehen jedoch aufgrund divergierender landesspezifischer Rahmenbedingungen durchaus, insbesondere hinsichtlich der Struktur des Vergaberechts (z. B. Regelung des Vergaberechts ober- und unterhalb der Schwellenwerte einheitlich oder separat), der normativen Ausgestaltung des Vergaberechts (Verordnung versus Gesetz; mehr- oder einstufiges Vergaberechtssystem), der Zuordnung des Vergaberechts zum öffentlichen Recht oder Privatrecht sowie nicht zuletzt hinsichtlich der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung der materiellen Normen im Zusammenhang mit umweltbezogenen, sozialen und innovativen Aspekten.

So ist davon auszugehen, dass in den gewählten Mitgliedstaaten die Umsetzung in nationales Recht sowohl förmlich als auch inhaltlich sehr unterschiedlich gehandhabt wird.

Dabei können sich Unterschiede etwa bei der Wahl des Umsetzungsmittels ergeben, da die Umsetzung direkt durch ein formelles Gesetz oder zweistufig zunächst durch ein materielles Ermächtigungsgesetz erfolgen kann. Des Weiteren kann die zeitliche Komponente der Umsetzung abweichen und Einfluss auf die nationale Rechtslage haben, da eine nicht fristgerechte Umsetzung die (teilweise) unmittelbare Anwendung der Richtlinienvorschriften zur Folge hat.

Auch die Ausnutzung des von der Richtlinie vorgegebenen Gestaltungsspielraums sowie das jeweilige nationale Konzept der Implementierung der europäischen Vorgaben können divergieren, da einerseits die wortgleiche Übertragung der Richtlinie in nationales Recht, andererseits aber auch die bloße Anpassung der bereits bestehenden Charakteristika nationaler Rechtsstrukturen an die europäischen Vorgaben erfolgen kann.

Auch können sich aus dem teilweise ungleichen Verständnis des Vergabewesens der Länder Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede ergeben. So ist die öffentliche Auftragsvergabe in Italien und Spanien dem Verwaltungsrecht,24 in Deutschland dagegen dem Privatrecht zuzuordnen.25

Die vorliegende Länderkombination ermöglicht die Untersuchung von drei unterschiedlichen Rechtskulturen und zwei unterschiedlichen Rechtskreisen: Italien und Spanien als romanische Rechtskreise, Deutschland als deutscher Rechtskreis.26 Dadurch können etwaige aufgrund der unterschiedlichen Rechtskreiszugehörigkeit bestehende Unterschiede der nationalen Vergaberechtssysteme und Umsetzungsmethoden transparent gemacht werden.

Des Weiteren handelt es sich bei den ausgewählten Ländern um Länder, in denen ungleiche politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie große kulturelle Unterschiede bestehen, sodass repräsentative (Querschnitts-)Ergebnisse für die Beurteilung der Harmonisierung in Europa erlangt werden können.

Ein weiterer Aspekt für die vorliegende Länderauswahl ist die starke Außenhandelsbeziehung zwischen den Staaten, die auch bei der grenzüberschreitenden Vergabe nicht zu vernachlässigen ist.27 So steht Italien als Exportziel der Bundesrepublik Deutschland an sechster Stelle (von insgesamt 239). Im Rahmen des Imports belegt Italien mit den nach Deutschland importierten Produkten den fünften Platz (von insgesamt 239). Spanien liegt in beiden Bereichen leicht hinter Italien: als Exportziel Deutschlands belegt es den elften, im Importbereich den zwölften Platz.

Im Hinblick auf die Beziehung der Länder bei der direkten (d.)28 und indirekten (ind.)29 grenzüberschreitenden öffentlichen Auftragsvergabe lässt sich für den Zeitraum zwischen 2009 und 2015 feststellen, dass Italien an deutsche Bieter 6 % (d.) und 14 % (ind.) seiner öffentlichen Aufträge vergab. Umgekehrt erhielten italienische Bieter 4 % (d.) und 3 % (ind.) der Zuschläge von deutschen öffentlichen Auftraggebern.30

In Spanien wurden 9 % (d.) und 14 % (ind.) der öffentlichen Aufträge an deutsche Bieter vergeben. Umgekehrt erhielten spanische Bieter 3 % (d.) und 1 % (ind.) der Zuschläge von deutschen öffentlichen Auftraggebern.

Mit Blick auf die vorangegangenen Überlegungen können somit die folgenden Ziele der vorliegenden rechtsvergleichenden Untersuchung formuliert werden: Zunächst soll ein Überblick zu den europarechtlichen Grundlagen des Vergaberechts sowie zu den nationalen Vergaberechtssystemen ermöglicht werden. Zweitens soll eine detaillierte Erläuterung der einzelnen konkreten Normen der Vergaberichtlinie 2014/24/EU gegeben werden. Abschließend soll auf Basis des Erarbeiteten eine Auswertung der nationalen Umsetzungsmethoden sowohl im Allgemeinen als auch im Hinblick auf die ausgewählten Normen sowie eine kritische Betrachtung der Harmonisierung erfolgen.

1 Website der Europäischen Kommission, Europa 2020 im Überblick – Prioritäten, abrufbar unter http://ec.europa.eu/europe2020/europe-2020-in-a-nutshell/priorities/index_de.htm# (Stand: 31.07.2017).

2 Europa 2020 – Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum, KOM(2010) 2020 endg., S. 5.

3 Website der Europäischen Kommission, Europa 2020 im Überblick – Prioritäten, abrufbar unter http://ec.europa.eu/europe2020/europe-2020-in-a-nutshell/priorities/index_de.htm# (Stand: 31.07.2017).

4 Ilse Beneke M.A. (Leiterin Kompetenzstelle nachhaltige Beschaffung, Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern), Vortrag zum Thema „Die neue Bedeutung der nachhaltigen Beschaffung im deutschen öffentlichen Auftragswesen“ am 08.06.2017 im Rahmen der Tagung „Nachhaltigkeitsstrategien im Zuge der Modernisierung der europäischen Vergaberechtsvorschriften“ am Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung.

5 Auch Hattenhauer/Butzert, ZfBR 2017, 133; auch Gaus, NZBau 2013, 401.

6 EWG (2) RL 2014/24/EU.

7 Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, ABl. 2014 Nr. L 94, 65 ff.

8 Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe, ABl. 2014 Nr. L 94, 1 ff.

9 Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG, ABl. 2014 Nr. L 94, 243 ff.

10 Koch/Magnus/Winkler von Mohrenfels, IPR und Rechtsvergleichung, S. 277 Rn. 3.

11 Vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 14.

12 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 14.

13 Koch/Magnus/Winkler von Mohrenfels, IPR und Rechtsvergleichung, S. 278 Rn. 5.

14 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 33.

15 Haase, JA 2005, 235; Grossfeld, Kernfragen der Rechtsvergleichung, S. 12; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 33.

16 Koch/Magnus/Winkler von Mohrenfels, IPR und Rechtsvergleichung, S. 280 Rn. 11 u. S. 281 Rn. 13.

17 Koch/Magnus/Winkler von Mohrenfels, IPR und Rechtsvergleichung, S. 13.

18 Vgl. 2. Teil B. I., S. 48 ff.; Ziekow, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, Einl. GWB Rn. 1, 3 ff.

19 Burgi, Vergaberecht, 64.

20 Braun, Vergaberecht 2007, 17.

21 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 67 ff., Haase, JA 2005, 235; Koch/Magnus/Winkler von Mohrenfels, IPR und Rechtsvergleichung, S. 282 Rn. 26.

22 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 62 ff.

23 Burgi, Vergaberecht, 64.

24 Franke/Brugger, Vergaberecht 2016, 400 f.; Frank, Die Koordinierung der Vergabe öffentlicher Aufträge in der EU, S. 57; Merino-Blanco, Spanish Law and Legal System, S. 29 u. 211; Vaquer, Contract Law in Spain, S. 209 f.

25 Ziekow, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, Einl. GWB Rn. 35; Frank, Die Koordinierung der Vergabe öffentlicher Aufträge in der EU, S. 57; Burgi, Vergaberecht, 64.

26 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 73.

27 Vgl. hierzu und im Folgenden Statistisches Bundesamt, Rangfolge der Außenhandelspartner der BRD, abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Aussenhandel/Tabellen/RangfolgeHandelspartner.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 14.06.2018).

28 Bei der direkten grenzüberschreitenden öffentlichen Auftragsvergabe befindet sich das Bieterunternehmen nicht im gleichen Land wie der öffentliche Auftraggeber.

29 Bei der indirekten grenzüberschreitenden öffentlichen Auftragsvergabe befindet sich der Bieter im gleichen Land wie der öffentliche Auftraggeber, ist jedoch eine Tochterfiliale bzw. -zweigniederlassung des im Ausland befindlichen Bieterhauptunternehmens.

30 Vgl. hierzu und im Folgenden EU Commission, Measurement of impact of cross-border penetration in public procurement – Final Report, abrufbar unter https://publications.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/5c148423-39e2-11e7-a08e-01aa75ed71a1/language-en (Stand: 14.06.2018), S. 24, 58 u. 60.

2. Teil: Grundlagen der Richtlinienumsetzung und Überblick zum Vergaberichtlinienpaket 2014

A. Grundlagen der Umsetzung von europäischen Richtlinien

Im Hinblick auf den im dritten Teil folgenden Vergleich der Umsetzung der Richtlinie 2014/24/EU in Deutschland, Italien und Spanien werden zunächst ergänzend zu den im zweiten Teil unter Kapitel B. erfolgenden richtlinienspezifischen Darstellungen die rechtlichen Grundlagen zum Rechtsinstrument der Richtlinie und zu deren Umsetzung in die nationalen Rechtsordnungen erläutert.

I. Funktion der Richtlinie und Prinzip der gestuften Verbindlichkeit

Das Rechtsinstrument der Richtlinie ist im Abschnitt „Rechtsakte der Union“ in Art. 288 I, III AEUV geregelt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist die Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.

Daran lässt sich erkennen, dass bei der Richtlinie im Gegensatz zur Verordnung gem. Art. 288 I, II AEUV31 das Prinzip einer gestuften bzw. zweistufigen Verbindlichkeit gilt, nach welchem die Richtlinie nicht selbst unmittelbar Recht in den Mitgliedstaaten setzt, sondern von diesen noch im Hinblick auf das mit ihr zu erreichende Ziel auszuführen ist.32

Auf der ersten Stufe steht damit der Erlass der Richtlinie durch den Unionsgesetzgeber (Vorgabe der Ziele durch die Europäische Union), auf der zweiten Stufe die individualisierte Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten (nationaler Betätigungsspielraum).33

An diesen Erläuterungen wird der Charakter der Richtlinie deutlich: Sie ist kein Instrument der Rechtsvereinheitlichung, sondern eines der Rechtsangleichung, denn sie überlässt den Mitgliedstaaten einen Spielraum bei der Umsetzung und soll die nationalen Rechtsordnungen im Hinblick auf deren Regelungsgehalt harmonisieren, nicht ersetzen.34 Dadurch entstehen – anders als bei der EU-Verordnung, die sich wie ein „Gesetzesschirm“ über die Mitgliedstaaten legt und somit selbst schon einheitliches Recht in allen Mitgliedstaaten schafft – verschiedene, sich innerhalb eines vorgegebenen abgesteckten Rechtsrahmens bewegende inhaltlich ähnliche bzw. übereinstimmende Rechtsnormen.35 Die Richtlinie ist damit ein Rechtsetzungsinstrument der Union, das einen Kompromiss zwischen der Schaffung einheitlichen Rechts innerhalb der Union und der Bewahrung nationaler Eigentümlichkeiten der Mitgliedstaaten ermöglicht, und ist insofern vor allem in Themenbereichen vorgesehen, die nur einer Angleichung, jedoch nicht zwingend einer Vereinheitlichung des nationalen Rechts bedürfen.36

Der Detailgrad der Angleichung nationalen Rechts durch eine Richtlinie richtet sich nach deren Regelungsintensität. Je detaillierter die Richtlinie, desto weniger Gestaltungsfreiraum bleibt den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung und desto einheitlicher werden die nationalen Rechtsordnungen nach Richtlinienumsetzung sein. In der Praxis existieren sowohl sehr allgemein gehaltene Rahmenrichtlinien mit größerem Umsetzungsspielraum als auch detaillierte Richtlinien mit einer „erheblichen normativen Dichte“37, bei denen der Mitgliedstaat keinen allzu großen Umsetzungsspielraum hat.38

Wie präzise und detailliert die Vorgaben einer Richtlinie unionsrechtlich zulässigerweise sein dürfen, ist nicht gesetzlich festgelegt, jedoch ist die Zulässigkeit von Richtlinien mit erheblichem Detailgrad mittlerweile allgemein anerkannt.39 Der europäische Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der Europäischen Union die Freiheit, die Richtlinie so detailliert wie nötig zu gestalten und den Handlungs- und Entscheidungsspielraum des Mitgliedstaates bei der Umsetzung erheblich zu begrenzen, sofern dies das mit der Richtlinie verfolgte Ziel verlangt.40

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass den Mitgliedstaaten jedenfalls ein Minimum an Gestaltungsspielraum (zumindest „größer Null“) eingeräumt sein muss, da technisch sonst eine Verordnung vorläge, die dann einer anderen Ermächtigungsgrundlage bedürfte.

II. Richtlinienerlass durch den europäischen Gesetzgeber

1. Kompetenzgrundlage und Wahl der Handlungsform

Art. 288 AEUV selbst stellt keine Ermächtigungsgrundlage dar, sondern definiert lediglich die verschiedenen Rechtsetzungsformen des Sekundär- und Tertiärrechts.41

Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung gem. Art. 5 I S. 1, II EUV wird die Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben. Dies bedeutet, dass die Union nur auf der Grundlage einer spezifischen Rechtsgrundlage und nur zur Verwirklichung der durch AEUV oder EUV niedergelegten Ziele im Rahmen des Richtlinienerlasses tätig werden darf.42 Sie muss demnach Verbandskompetenz und das handelnde Organ Organkompetenz gem. Art. 13 II S. 1 EUV haben.43 Außerdem ist sie bei der Ausübung ihrer Legislativkompetenzen an die Prinzipien der Subsidiarität, Art. 5 I, III EUV, und der Verhältnismäßigkeit, Art. 5 I, IV EUV, gebunden.44

Nach dem Subsidiaritätsprinzip gem. Art. 5 I, III EUV darf die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig werden, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.

Da die Wahl des Sekundärrechtsetzungsinstruments durch die Ermächtigungsgrundlage festgelegt wird, ist die Wahl der Richtlinie als Rechtsetzungsinstrument grundsätzlich abhängig von der Ermächtigungsgrundlage. Diese wiederum ergibt sich aus dem durch die Richtlinie zu regelnden Sachbereich. Für den Richtlinienerlass kommen verschiedene Vorschriften des AEUV in Betracht. Zu nennen ist hier als zentrale Vorschrift insbesondere Art. 114 I AEUV, der eine umfassende Kompetenz der Europäischen Union zum Richtlinienerlass (Rechtsangleichung) zur Verwirklichung des Binnenmarktziels aus Art. 3 III S. 1 EUV, Art. 26 AEUV enthält.45

Weitere Ermächtigungsgrundlagen zur Rechtsangleichung mit dem Ziel der Binnenmarktverwirklichung sind z. B. Art. 46 AEUV (Arbeitnehmerfreizügigkeit), Art. 50, 52 II AEUV (Niederlassungsfreiheit), Art. 53 AEUV (gegenseitige Anerkennung von beruflichen Befähigungsnachweisen), Art. 59, 62 AEUV i.V.m. Art. 52 II bzw. Art. 53 AEUV (Dienstleistungsfreiheit).46 Diese gehen als speziellere Kompetenzgrundlagen Art. 114 I AEUV grundsätzlich vor.47

Die Normen, auf die sich der Europäische Rat und die Europäische Kommission für den jeweiligen Richtlinienerlass stützen, befinden sich bei jeder Richtlinie in deren „Präambel“ vor den Erwägungsgründen.

Nach Art. 114 I AEUV kann die Richtlinie als „Maßnahme zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben“, erlassen werden. Sofern Art. 114 I AEUV allein als Ermächtigungsgrundlage herangezogen wird, muss die Richtlinie im Verhältnis zu den anderen in Art. 288 AEUV aufgezählten Handlungsinstrumenten abgewogen werden, da Art. 114 I AEUV keine spezifische Handlungsform vorsieht, sondern nur „Maßnahmen“, sodass für die Rechtssetzung alle in Art. 288 AEUV genannten Handlungsinstrumente in Betracht kommen.48

Der bei der Wahl der Maßnahme zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus Art. 5 I, IV EUV besagt, dass „die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen“ dürfen. Im Rahmen des „erforderlichen Maßes“ sind alle drei Stufen der Verhältnismäßigkeit zu beachten: Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit.49 Es ist die Maßnahme zu wählen, die die Mitgliedstaaten in ihrer Autonomie am wenigsten einschränkt.50 Das Gebot der Verhältnismäßigkeit bezieht sich sowohl auf die Wahl der Handlungsform als auch auf den Inhalt der Maßnahme, also auf Regelungsbreite und -tiefe.51

Die Maßnahme muss zunächst geeignet sein, das von ihr angestrebte Ziel zu erreichen. Im Rahmen der Geeignetheit steht den Unionsorganen ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der der gerichtlichen Überprüfung kaum zugänglich ist.52 Nur bei offensichtlicher Ungeeignetheit der Maßnahme kann die gerichtliche Aufhebung einer Maßnahme erfolgen.53

Im Rahmen der Erforderlichkeit ist zu prüfen, ob die Maßnahme unter mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige ist, die den Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten am geringfügigsten beschränkt.54 In diesem Prüfungsschritt sind Kriterien wie die „Wirkungsintensität der gewählten Handlungsform, die Regelungsdichte, das Harmonisierungsniveau, die finanziellen Folgen und die Rücksichtnahme auf die organisatorische und verfahrensrechtliche Autonomie der Mitgliedstaaten“55 zu betrachten. Abhängig von ihrem Regelungsgegenstand darf die Richtlinie auch sehr regelungsintensiv sein und so detaillierte Vorschriften schaffen, dass sich daraus nahezu gleichförmiges Recht in den Mitgliedstaaten ergibt.56

Hinsichtlich der Wahl des Rechtsetzungsinstruments herrscht eine „Mittelhierarchie“57, nach welcher unter anderem die in Art. 288 AEUV aufgeführten Maßnahmen im Hinblick auf ihre Einschränkungsintensität einer Rangfolge unterliegen: so gilt „ein Vorrang von gegenseitiger Anerkennung vor Harmonisierung, von Unterstützungsmaßnahmen vor einer Reglementierung, von Rahmenregelungen vor detaillierten Regelungen, von Empfehlungen vor Richtlinien und von Richtlinien vor Verordnungen“.58 Im Hinblick auf die Auswahl der Richtlinie als Rechtsetzungsinstrument im Gegensatz zur Verordnung kann davon ausgegangen werden, dass diese eine sanftere Übernahme des Regelungsgehalts in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zulässt.59

Schließlich ist gem. Art. 5 IV EUV i.V.m. Art. 5 S. 5 SubsProt (Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit) im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Angemessenheit der Maßnahme (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) zu prüfen, das heißt, ob die Maßnahme zum angestrebten Ziel in angemessenem Verhältnis steht.

Wird der Richtlinienerlass auf Art. 114 I AEUV und Art. 53 I AEUV gestützt, ist – bei Erfüllen der in Art. 53 I AEUV genannten Voraussetzungen – die einzige Handlungsform die Richtlinie, da Art. 53 I AEUV vorsieht, dass der Rat zur Erleichterung der Aufnahme und Ausübung selbstständiger Tätigkeiten „Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise sowie für die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Tätigkeiten“ erlässt. Von Art. 53 I AEUV umfasste Sachbereiche sind unter anderem das öffentliche Auftragswesen, das Bank- und Finanzwesen, Versicherungen, das Medien- und Telekommunikationswesen, die Energieversorgung sowie die allgemeine Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise.60

2. Erlassverfahren

Europäische Richtlinien werden im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen. So erlassen nach Art. 114 I S. 2 AEUV das Europäische Parlament und der Europäische Rat die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, dem Mitentscheidungsverfahren.

Das Mitentscheidungsverfahren nach Art. 289 I, 294 AEUV untergliedert sich in die Phase der ersten (Art. 294 I bis VI AEUV) und zweiten Lesung (Art. 294 VII bis XV AEUV).61

Das alleinige Initiativrecht hat die Europäische Kommission, Art. 17 II S. 1 EUV.62 In der ersten Phase des Mitentscheidungsverfahrens legt sie dem Parlament und dem Rat gleichzeitig ihren vollständigen Richtlinienvorschlag vor.63 Jedoch können auch Rat (Art. 241 AEUV) oder Parlament (Art. 225 AEUV) die Kommission zur Vorbereitung von Vorschlägen auffordern, sofern ihnen dies zur Verwirklichung des Binnenmarktziels erforderlich scheint.64

In der ersten Lesung nimmt das Parlament gegebenenfalls nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses65 und des Ausschusses der Regionen66 gem. Art. 304 und 307 AEUV zu diesem Vorschlag Stellung und leitet seinen Standpunkt (z. B. Billigung des Vorschlags, Billigung des Vorschlags mit Abänderungen, Ablehnung des Vorschlags) an den Rat zu dessen erster Lesung weiter, Art. 294 III AEUV.67 Die Kommission kann ihren ursprünglichen Vorschlag im Hinblick auf die in der Stellungnahme enthaltenen Punkte des Parlaments überprüfen und gegebenenfalls abändern, Art. 293 II AEUV.68

Nach Prüfung des durch das Parlament übermittelten Standpunkts trifft der Rat auf Grundlage des Inhalts des Standpunkts des Parlaments seine Entscheidung, wie z. B. den Erlass des Rechtsakts, den Erlass des Rechtsakts nach Billigung etwaiger vorgeschlagener Änderungen des Parlaments, die Festlegung und Begründung seines eigenen Standpunkts oder die Ablehnung des Rechtsakts.69

Sofern die Entscheidung des Rates darin bestand, seinen Standpunkt festzulegen, gibt er diesen als „gemeinsamen Standpunkt“ samt Begründung zur weiteren Prüfung und Entscheidung in der zweiten Lesung an das Parlament weiter.70

In dieser zweiten Lesung kann das Parlament diesem binnen drei Monaten ausdrücklich zustimmen oder untätig bleiben71, sodass der Rat den Rechtsakt daraufhin mit qualifizierter Mehrheit erlassen kann.

Andererseits besteht die Möglichkeit der gänzlichen Ablehnung des gemeinsamen Standpunkts, was den Nichterlass des Vorschlags zur Folge hat, Art. 294 VII lit. b AEUV.

Schließlich kann das Parlament aber auch mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder Änderungswünsche am gemeinsamen Standpunkt mitteilen, die dem Rat und der Kommission sodann zur erneuten Stellungnahme zugeleitet werden, Art. 294 VII lit. c AEUV.

In diesem Falle folgt darauf die zweite Lesung des Rates, in welcher dieser binnen drei Monaten auf Grundlage des Inhalts des Standpunkts des Parlaments nach zweiter Lesung seine Entscheidung trifft.

Eine Möglichkeit ist dabei der Erlass des Rechtsakts nach Billigung der in der zweiten Lesung vorgeschlagenen Änderungen des Parlaments mit qualifizierter Mehrheit, Art. 294 VIII lit. a AEUV. Sofern die Kommission die vorgeschlagenen Änderungen ablehnt, kann der Rat gem. Art. 294 IX AEUV nur einstimmig entscheiden.

Erfolgt keine oder eine nur teilweise Billigung durch den Rat, wird gem. Art. 294 VIII lit. b AEUV der Vermittlungsausschuss einberufen, dessen Ziel es ist, binnen sechs Wochen die Einigung über einen gemeinsamen Entwurf des Rechtsaktes auf Grundlage der Standpunkte des Rates und des EU-Parlaments in zweiter Lesung zu erzielen. Sofern der Vermittlungsausschuss innerhalb dieser Frist keinen gemeinsamen Entwurf billigt, gilt der Rechtsakt als nicht erlassen, Art. 294 XII AEUV.

Wird eine Einigung in Form eines gemeinsamen Entwurfs durch den Vermittlungsausschuss fristgemäß erzielt, wird dieser an Parlament und Rat zur Billigung und zum Erlass des Rechtsakts weitergeleitet, wobei dafür im Parlament die Mehrheit der abgegebenen Stimmen und im Rat die qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, Art. 294 XIII AEUV.

Die Zuständigkeit des Europäischen Parlaments und des Rates für den Richtlinienerlass ergibt sich aus der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage sowie der allgemeinen Aufgabenverteilung gem. Art. 16, 17 EUV.

Nach Einigung zwischen den Organen über die finale Fassung des Rechtsakts und nach Überarbeitung durch die Dienste der Rechts- und Sprachsachverständigen des Parlaments und des Rates wird der Rechtsakt von den Präsidenten des Parlaments und des Rates und von den beiden Generalsekretären unterzeichnet, Art. 297 AEUV.

Schließlich wird der unterschriebene Richtlinientext im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und tritt zwanzig Tage nach Veröffentlichung oder anderenfalls zu einem anderen festgelegten Zeitpunkt in Kraft, Art. 297 I S. 2 AEUV.

III. Umsetzung durch die Mitgliedstaaten

Die Mitgliedstaaten, an die die Richtlinie gerichtet ist, sind zu ihrer Umsetzung innerhalb der vorgegebenen Umsetzungsfrist verpflichtet, Art. 288 III AEUV, Art. 4 III EUV.

Dabei sind in der Praxis grundsätzlich drei Alternativszenarien mit unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen zu unterscheiden: die fristgerechte und korrekte Umsetzung innerhalb der Umsetzungsfrist, die nicht fristgerechte Umsetzung der Richtlinie und die daraus folgende (teilweise) unmittelbare Wirkung der Richtlinie im nationalen Recht und schließlich das von der Umsetzung unabhängige geltende Gebot der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts.

Im Folgenden werden die verschiedenen Szenarien samt deren rechtlichen Konsequenzen dargestellt.

1. Anforderungen an eine ordnungsgemäße Umsetzung durch die Mitgliedstaaten

a. Verbindlichkeit hinsichtlich des zu erreichenden Ziels der Richtlinie

Nach Art. 288 III AEUV ist die Richtlinie für jeden adressierten Mitgliedstaat hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Unter „Ziel“ im Sinne des Art. 288 III AEUV ist das von der Richtlinie vorgegebene Ergebnis zu verstehen.72 Den Mitgliedstaaten ist damit aufgetragen, den von der Richtlinie angestrebten Rechtszustand herbeizuführen.73 Dies beinhaltet die Umsetzung der Richtlinie innerhalb der vorgegebenen Umsetzungsfrist durch den Erlass von Rechtsakten.74 Auch nach erfolgter Umsetzung der Richtlinie gilt die Verbindlichkeit fort. Die Mitgliedstaaten dürfen ihr harmonisiertes nationales Recht nachträglich nicht entgegen den Richtlinienvorgaben abändern.75

b. Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten hinsichtlich Form und Mittel zur Zielerreichung

Nach Art. 288 III AEUV ist den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel überlassen. Unter „Form“ und „Mittel“ i.S.d. Art. 288 III AEUV sind die Methoden zur Erreichung der Richtlinienziele zu verstehen, insbesondere im Hinblick auf das erlassende Organ, das anzuwendende Verfahren sowie die Entscheidung über die Rechtsqualität der Bestimmungen.76 Den Mitgliedstaaten soll dadurch die Möglichkeit eingeräumt werden, bei der Durchführung der Richtlinie die Rechtstechnik zu wählen, die die Besonderheiten ihres nationalen Rechtssystems berücksichtigt.77

aa. Zuständige innerstaatliche Stellen

„Innerstaatliche Stellen“ i.S.d. Art. 288 III AEUV sind alle mitgliedstaatlichen Organe, die für die Ausführung der Richtlinie zuständig sind, neben Regierungen und dem Parlament auch Gerichte und Kommunen.78 Sie alle sind verpflichtet, im Rahmen ihrer innerstaatlichen Kompetenz das Ziel der Richtlinie durch geeignete Maßnahmen zu erreichen.79 Die Umsetzungspflicht hat nach außen der Gesamtstaat, sodass ihn bei etwaigem Ausbleiben der Umsetzung ein Vertragsverletzungsverfahren trifft.80

bb. Umsetzungsmittel

Unter „Mittel“ i.S.d. Art. 288 III AEUV ist das „Medium der Umsetzung im mitgliedstaatlichen Recht“81 zu verstehen. Es muss das Mittel gewählt werden, das sich am besten zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Zwecks eignet.82 Nicht zwingend ist die Umsetzung auf zentraler Ebene durch ein Parlamentsgesetz oder eine Rechtsverordnung notwendig, es kann auch ein allgemeiner rechtlicher Rahmen auf zentraler oder regionaler Ebene ausreichen, wenn dieser die vollständige Anwendung der Richtlinie „in hinreichend bestimmter und klarer Weise gewährleistet [und] die Begünstigten in der Lage sind, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen.“83

Grundsätzlich sind also, sofern mit der Richtlinie Rechte Einzelner begründet werden sollen, folgende Anforderungen an die Zulässigkeit des Umsetzungsmittels zu stellen:

Das Gebot der Publizität muss erfüllt sein, das heißt die Betroffenen müssen von ihren Rechten und Pflichten Kenntnis erlangen können.84 Des Weiteren muss die nationale Regelung zwingend sein, also eine verbindliche Norm mit Außenwirkung, die klar und eindeutig formuliert ist.85 Überdies müssen sich die Betroffenen vor nationalen Gerichten und Behörden auf die ihnen Rechte verleihenden Regelungen berufen und diese durchsetzen können.86

Gesetz und Rechtsverordnung als Umsetzungsmittel genügen jedenfalls diesen Anforderungen der Publizität, Klarheit und Bestimmtheit.87 Eine bloße richtlinienkonforme Verwaltungspraxis dagegen wird diesen Voraussetzungen nicht gerecht, da sie sich dynamisch verändern kann und die Rechtslage nicht erkennbar macht.88

Soweit die zum Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist existierenden nationalen Rechtsvorschriften den Anforderungen der Richtlinie schon genügen, reicht im entsprechenden Gesetz ein Hinweis auf die Richtlinie, sofern von der Richtlinie gefordert.89

cc. Materielle Umsetzungsspielräume bzw. Spielraum der Rechtsangleichung

Ob für die Mitgliedstaaten materielle Umsetzungsspielräume bestehen, hängt von der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung der Richtlinie ab.90 Sofern die Ziele der Richtlinie vom Unionsgesetzgeber im Einzelfall sehr detailliert definiert wurden, haben dies die Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung zu beachten, da sie durch die Umsetzung die volle Wirksamkeit der Richtlinie gewährleisten müssen.91 Auch können die einzelnen Richtliniennormen abhängig von der zu regelnden Materie konkretere (z. B. exakte Fristen) oder abstraktere Vorgaben (z. B. Gebot der Gleichbehandlung) enthalten, was vom nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung zu beachten ist.92 Zu einer wörtlichen Übernahme des Richtlinientextes sind die Mitgliedstaaten nicht grundsätzlich verpflichtet.93 Solange die Erkennbarkeit der Richtlinienvorgaben nicht beeinträchtigt wird, können die Mitgliedstaaten die Umsetzung in einen breiteren nationalen Rahmen integrieren.94 Dabei können sie die Vorgaben der Richtlinie z. B. in ein bereits bestehendes nationales Gesetz bzw. eine bereits bestehende nationale Regelungsstruktur integrieren. In jedem Fall ist aber zu beachten, dass die zur Umsetzung erlassenen Normen dem Gedanken der Richtlinie Rechnung tragen und dem darin vorgegeben Ziel dienen.95

Zusammenfassend ist es den Mitgliedstaaten somit überlassen, die Richtlinieninhalte und -vorgaben in ihren individuellen nationalen Rechtsrahmen einzufügen. Sie haben dabei jedoch – unter Berücksichtigung der oben genannten Anforderungen – sicherzustellen, dass die Richtlinie volle Wirksamkeit im nationalen Rechtssystem entfaltet und das von der Richtlinie vorgegebene Ergebnis tatsächlich erreicht wird.96

Grundsätzlich richten sich Richtlinien in ihrer Gesamtheit zwar an die Mitgliedstaaten,97 jedoch sind im Hinblick auf das etwaige Bestehen von Umsetzungsspielräumen auch die einzelnen Richtlinienvorschriften zu berücksichtigen. Dabei ist insbesondere der Wortlaut der konkreten Vorschriften, insbesondere der Adressat und das Vorliegen von Spielraum- bzw. Ermessensbegriffen zu betrachten. Eine Richtlinienvorschrift kann beispielsweise an die Mitgliedstaaten adressiert sein, wenn ihr Wortlaut direkt an die Mitgliedstaaten gerichtet ist (z. B. „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass […]“). Sie kann aber auch an die von der Richtlinie Betroffenen gerichtet sein (z. B. „Die öffentlichen Auftraggeber müssen gewährleisten, dass […]“). Die unterschiedliche Adressierung eröffnet unterschiedliche Spielräume bei der materiell-inhaltlichen Umsetzung der Richtlinienvorgaben.

So ist anzunehmen, dass die an die von der Richtlinie Betroffenen gerichteten Vorschriften den Mitgliedstaaten keinen Spielraum bei der Umsetzung ermöglichen, da sie schon in ihrem Wortlaut keine Spielräume erkennen lassen. Die an die Mitgliedstaaten gerichteten Vorschriften dagegen geben dem Mitgliedstaat den Rahmen vor und überlassen ihm die Umsetzung in den Grenzen der oben genannten Vorgaben.

Des Weiteren ist auch das Gewähren von Gestaltungsfreiräumen durch den Richtliniengeber im Wortlaut der Vorschrift zu beachten. Beispielsweise kann den Mitgliedstaaten oder den von der Richtlinie Betroffenen ein Gestaltungsspielraum durch die Auswahlmöglichkeit verschiedener Handlungsalternativen eingeräumt sein oder durch die schlichte Möglichkeitseinräumung (z. B. „Die Mitgliedstaaten/Die öffentlichen Auftraggeber können vorsehen/gestatten, dass […]“).

Für die Feststellung etwaiger Gestaltungsspielräume im Hinblick auf einzelne Richtlinienvorschriften ist somit der Wortlaut der jeweiligen Norm in seiner Gesamtheit zu betrachten.

Das Vorliegen von Gestaltungsspielräumen bei der Umsetzung des Vergaberichtlinienpakets 2014 wird im Kapitel B, Abschnitt IV, 3. und im dritten Teil im Rahmen der Darstellung der in dieser Arbeit zu untersuchenden Artikel der Richtlinie 2014/24/EU behandelt.98

2. Nicht fristgerechte Umsetzung der Richtlinie und deren Konsequenzen

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Richtlinie innerhalb der vorgegebenen Frist umzusetzen. Ein Berufen des Mitgliedstaats auf rechtliche oder praktische innerstaatliche Probleme, die einer fristgerechten Umsetzung der Richtlinie womöglich (tatsächlich oder angeblich) im Wege standen, ist unzulässig.99 Erfolgt die Umsetzung der Richtlinie durch den Mitgliedstaat verspätet oder defizitär, wird die praktische Wirksamkeit der Richtlinie erheblich beeinträchtigt und hat für das nationale Rechtssystem des betroffenen Mitgliedstaats Konsequenzen. Dann kommen die vom EuGH entwickelten Institute zur Korrektur dieser Umsetzungsdefizite zur Anwendung: die unmittelbare Wirkung von Richtlinien, die richtlinienkonforme Auslegung,100 und der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch.101

a. Unmittelbare Wirkung der Richtlinie

Grundsätzlich sind gem. Art. 288 III AEUV nur die Mitgliedstaaten Adressaten der Richtlinie. Den einzelnen Wirtschaftsteilnehmer treffen die Wirkungen einer Richtlinie nur mittelbar durch die mitgliedstaatlichen Umsetzungsmaßnahmen. Allerdings kann die Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen unmittelbare Wirkung entfalten. Diese Rechtsfigur der unmittelbaren Wirkung von Richtlinienvorschriften ist aufgrund des Effizienzgebotes aus Art. 4 III EUV und des Grundsatzes von Treu und Glauben von EuGH und Literatur uneingeschränkt anerkannt.102

Die Voraussetzungen für die unmittelbare Wirkung von Richtlinienbestimmungen sind die nicht (vollständig und korrekt) erfolgte Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht trotz Ablaufs der Richtlinienumsetzungsfrist, die inhaltlich hinreichend genaue und bestimmte Formulierung der betreffenden Vorschrift, sodass daraus unmittelbar Rechte abgeleitet werden können und die Unbedingtheit der betreffenden Vorschrift.103 Darüber hinaus darf die unmittelbare Wirkung der Richtlinienvorschrift nicht zu einer unmittelbaren Verpflichtung eines Einzelnen gegenüber dem Staat oder einem anderen Einzelnen führen.104

Der Mitgliedstaat kommt seiner Umsetzungspflicht nicht nach, wenn er die Richtlinie nicht innerhalb der Umsetzungsfrist umgesetzt oder nur unzutreffend in das nationale Recht implementiert hat.105 Die Umsetzungsfrist wird durch die Richtlinie selbst vorgegeben.106

Die Richtlinienvorschrift ist hinreichend genau und bestimmt sowie unbedingt, wenn sie durch ein Gericht unmittelbar auf einen konkreten Sachverhalt angewandt werden kann und sie dem nationalen Gesetzgeber keinen Umsetzungsspielraum lässt („Self executing“).107

Der Einzelne darf durch die Richtlinienbestimmung in keiner Weise verpflichtet werden.108 Zu seinen Gunsten dagegen kann sich der Einzelne gegenüber staatlichen Stellen auf Richtlinienvorschriften berufen (vertikale Wirkung).109 Eine umgekehrte vertikale Wirkung (Verhältnis Staat gegenüber Bürger) ist unzulässig.110

Liegen die oben genannten Voraussetzungen – die für jede Richtlinienvorschrift gesondert zu prüfen sind – vor, sind die nationalen Behörden und Gerichte verpflichtet, die in Frage stehende Richtliniennorm von Amts wegen anzuwenden und widersprechendes nationales Recht außer Acht zu lassen.111

b. Gebot der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts

Nach dem Grundsatz des „effet utile“ aus Art. 288 III AEUV i.V.m. Art. 4 III EUV besteht zum einen die Pflicht des nationalen Gesetzgebers, das nationale Recht so zu erlassen bzw. zu ändern, dass die europarechtlichen Vorgaben ihre volle praktische Wirksamkeit erlangen können.112

Zum anderen folgt aus der Umsetzungsverpflichtung aus Art. 288 III AEUV i.V.m. Art. 4 III EUV auch das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts.113 Danach haben alle Träger öffentlicher Gewalt der Mitgliedstaaten zur Erfüllung der Umsetzungsverpflichtung beizutragen, indem sie bei der Rechtsanwendung die Erreichung der Richtlinienziele gewährleisten und nationales Recht „… im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie“ auslegen.114

Diese Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung besteht aus Gründen der Rechtsklarheit erst ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist und nicht schon bei Erlass der Richtlinienbestimmung.115

Darüber hinaus besteht sie auch dann noch, wenn die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht bereits erfolgt ist.116

Vor Ablauf der Umsetzungsfrist sind die Mitgliedstaaten bereits verpflichtet, den Erlass von Vorschriften, die geeignet sind, das in der Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen, zu unterlassen.117 Dies beinhaltet keine Pflicht für die Mitgliedstaaten, das nationale Recht vor Ablauf der Umsetzungsfrist richtlinienkonform auszulegen.118 Eine richtlinienkonforme Auslegung von nationalen Vorschriften durch die mitgliedstaatlichen Gerichte – etwa durch die richtlinienkonforme Ausfüllung von nationalen Generalklauseln – bereits vor Umsetzungsfristablauf ist jedoch zulässig.119

c. Staatshaftungsansprüche des Einzelnen

Sollte einem Wirtschaftsteilnehmer durch eine fehlerhaft bzw. nicht fristgemäß umgesetzte Richtlinie mangels unmittelbarer Anwendbarkeit der Richtlinie und mangels Herbeiführung eines Ergebnisses durch richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts ein Schaden entstehen, steht diesem ein Schadensersatzanspruch gegen den nicht umsetzenden Mitgliedstaat zu.120 Diese vom EuGH entwickelte Rechtsfigur beruht auf dem Grundsatz des effektiven Schutzes der Rechte der Unionsbürger, auf dem Prinzip des „effet utile“, auf der aus Art. 4 III EUV folgenden Pflicht zur Behebung der Folgen eines Unionsrechtsverstoßes sowie auf Art. 340 II AEUV, aus dem sich das Prinzip der Haftung öffentlicher Stellen für die durch sie in ihrer Amtstätigkeit verursachten Schäden ergibt.121

Voraussetzung für die Haftung des Mitgliedstaates im Falle der nicht erfolgten Umsetzung einer Richtlinie ist, dass die umzusetzende Richtlinie dem Einzelnen Rechte verleiht, dass der Inhalt dieser Rechte auf der Grundlage der Richtlinie bestimmt werden kann und, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen die Umsetzungspflicht und dem eingetretenen Schaden besteht.122 Der Verstoß des Mitgliedstaates muss überdies ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht sein.123 Im Falle der Nichtumsetzung einer Richtlinie liegt ein derartiger Verstoß stets vor.124

Zum Umfang der Entschädigung ist das mitgliedstaatliche Recht heranzuziehen, wobei das Unionsrecht vorgibt, dass der Schadensersatz zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Verhältnis zum erlittenen Schaden angemessen sein muss.125 Bei der Anwendung des nationalen Rechts ist zu beachten, dass das nationale Recht nicht ungünstiger ausgestaltet sein darf als bei entsprechenden innerstaatlichen Haftungsansprüchen (Diskriminierungsverbot bzw. Äquivalenzgebot) und die Erlangung der Entschädigung nicht praktisch unmöglich gemacht oder erschwert werden darf (Effektivitätsgebot).126

Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs erfolgt mangels unionsrechtlicher Regelungen nach den jeweiligen mitgliedstaatlichen Bestimmungen unter Beachtung des Diskriminierungsverbots und Effektivitätsgebots,127 z. B. in Deutschland nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.

B. Überblick zum Vergaberichtlinienpaket 2014 und zur Richtlinie 2014/24/EU

Um eine artikelspezifische Untersuchung der Richtlinie 2014/24/EU vornehmen zu können, ist es von Vorteil, die Hintergründe und Motive des Richtliniengebers für deren Erlass zu kennen. Im Folgenden wird daher ein Überblick zum gesamten Vergaberichtlinienpaket im Hinblick auf dessen Entstehungsgeschichte, dessen Zielsetzung und dessen Erlass sowie zur Richtlinie 2014/24/EU im Besonderen gegeben.

I. Entstehungsgeschichte des Vergaberichtlinienpakets 2014

Das aus den Richtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU und 2014/25/EU bestehende Vergaberichtlinienpaket aus dem Jahr 2014 ist nicht die erste Maßnahme des Unionsgesetzgebers zur Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Vergaberechts, sondern stellt nur einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Europäisierung des Vergaberechts dar.

Der europäische Gesetzgeber erließ bereits in den 1970er Jahren die ersten grundlegenden Vergabekoordinierungsrichtlinien, die das Ziel verfolgten, den Binnenmarkt zu vollenden, indem die mitgliedstaatlichen Märkte der öffentlichen Beschaffung für Unternehmen aus allen Mitgliedstaaten geöffnet werden sollten.128

Dabei handelte es sich um die im Jahr 1971 erlassene Richtlinie zur Koordinierung von Vergaben öffentlicher Aufträge im Bausektor und die im Jahr 1976 erlassene Richtlinie zur Koordinierung von Vergaben öffentlicher Aufträge im Liefersektor.129

Weitere umfassende europäische sekundärrechtliche Regulierungen der vergaberechtlichen Vorschriften erfolgten ab dem Jahre 1988, nachdem mit der Einheitlichen Europäischen Akte die Herstellung des Binnenmarktes beschlossen wurde.130 In diesem Zuge wurden beispielsweise zunächst die Vergabekoordinierungsrichtlinien für den Bau- und Liefersektor aus den Jahren 1971 und 1976 novelliert.131 Weiter folgte der Erlass der Rechtsmittelrichtlinie zur Sicherstellung der Einhaltung des europäischen Primär- und Sekundärrechts bei der Auftragsvergabe im Nichtsektorenbereich.132 Kurz darauf wurden 1990 die Sektorenkoordinierungsrichtlinie für Vergaben von Bau- und Lieferleistungen in den ursprünglich ausgeschlossenen Sektoren Energie-, Wasser-, Verkehrsversorgung und Telekommunikation133 sowie 1992 die Sektorenrechtsmittelrichtlinie für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Sektorenbereich134 erlassen. Auch die Richtlinie zur Koordinierung der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge wurde im Jahr 1992 erlassen.135 Weitere Reformen der Koordinierungsrichtlinien erfolgten in den 1990er Jahren.136

Nachdem die Kommission im Jahr 1996 im Grünbuch über das öffentliche Auftragswesen zu dem Ergebnis gekommen war, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Vergaberegeln noch nicht zufriedenstellend waren, wurde das EU-Legislativpaket zur Reform der EG-Richtlinie für öffentliche Aufträge verabschiedet.137

Durch das von der Europäischen Union im Rahmen dieser Vergaberechtsreform erlassene Richtlinienpaket wurden die bisherigen Richtlinien abgelöst und das System des Vergaberechts grundlegend reformiert und geändert.138

Die Richtlinien 93/37/EG (Richtlinie über Vergabe von Bauleistungen), 93/36/EG (Richtlinie über Vergabe von Lieferleistungen), und 92/50/EG (Richtlinie über Vergabe von Dienstleistungen) wurden im Zuge der Reform zusammengefasst und durch die Richtlinie 2004/18/EG139 ersetzt. Die Richtlinie 2004/17/EG140 aktualisierte die bisherige Richtlinie 93/38/EG (Sektorenrichtlinie).

Hinzugetreten sind die Richtlinie 2009/81/EG141 und die Richtlinie 2009/33/EG142 sowie die Rechtsmittelrichtlinie 2007/66/EG143 zur Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge, die die beiden zuvor bestehenden Rechtsmittelrichtlinien 89/665/EWG und 92/13/EG überholte.144

Die Richtlinie 2004/18/EG diente dem Ziel, die Texte der Vorgängerrichtlinien 92/50/EWG, 93/36/EWG und 93/37/EWG zu vereinfachen und zu modernisieren. Aus Gründen der Klarheit erfolgte die Aktualisierung durch Neufassung in einem einzigen Text.145 Sie sollte die in AEUV und EUV niedergelegten Grundsätze und Freiheiten für die öffentliche Auftragsvergabe in die Praxis umsetzen.146 Ihr Ziel war die transparente Gestaltung der Vergabe öffentlicher Aufträge und die Schaffung eines unionsweiten Vergabemarktes, auf dem die europäischen Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen EU-weit anbieten können.147