Die Vergangenheit schläft nur - Karl M. Krolin - E-Book

Die Vergangenheit schläft nur E-Book

Karl M. Krolin

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Beschreibung

Paul und Anna begegnen sich nach 50 Jahren zufällig wieder. Einst verband sie eine ambivalente Freundschaft, die nie zur Liebe wurde. Ein Briefwechsel entfacht Erinnerungen und unerwartete Nähe. Ein Treffen mit ihren Ehepartnern zu Silvester bringt alte Sehnsüchte ans Licht. Der Roman reflektiert Vergänglichkeit, Vergebung und die Kraft vergangener Momente.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Wiedersehen
Pauls erster Brief
Tagebucheintrag – 12. März
Annas Brief an Paul
Tagebucheintrag – 20. März
Pauls Brief an Anna
Annas Brief an Paul
Tagebucheintrag – 25. März
Pauls Brief an Anna
Zwei Menschen im Wartesaal zur Auferstehung
Anna in Reflexion
Annas Brief an Paul
Tagebucheintrag – 2. April
Zufall – das Spiel des Lebens?
Pauls Brief an Anna
Annas Brief an Paul
Anna in Reflexion
Tagebucheintrag – 28. Oktober
Pauls Brief an Anna
Annas Brief an Paul
Tagebucheintrag – 1. November
Pauls Brief an Anna
Annas Brief an Paul
Pauls Brief an Anna
Annas Brief an Paul
Die Tage im Hotel
Ein Bad in Schokolade
Vorbereitung auf das neue Jahr
„Darf ich bitten?“
Wünsche für das neue Jahr
Edvard Munch – „Der Tanz des Lebens“
Wolfgang fordert auf
Am Ende des Festes
Im Pool
Am Frühstückstisch
Das Ende des Konzerts und die Rückkehr zum Hotel
In der Lounge am Nachmittag
Das zweite Abendessen – Eleganz, Balance und Offenbarungen
Ankleiden – Augenblicke der Nähe.
Das Abendessen – Eleganz und Gespräche Das Restaurant war ein Ort voller Licht und Wärme. Der Tisch, an dem die vier saßen, war nahe am Fenster, mit Blick auf den See, der im Dunkeln still dalag. Ein veredelter Sekt wurde serviert, sein feines Prickeln spiegelte sich in der Leichtigkeit ihrer Gespräche.„Heute passt Fisch,“ sagte Anna, während sie ihre Stola ablegte. „Wild gehört in die Berge. Hier muss es aus dem Wasser kommen.“ Wolfgang nickte. „Außerdem passt Fisch besser zu einem Abend wie diesem. Elegant und leicht.“ „Wie ihr Frauen,“ fügte Paul hinzu und prostete Anna und Susanne zu. „Und wir Männer? Wir sind unkompliziert wie immer.“ Die anderen lachten, und die ersten Gänge wurden serviert – zart gebratener Wolfsbarsch und Seezunge, begleitet von einem regionalen Weißwein, der die Gespräche langsam in tiefere Bahnen lenkte. Das Metazentrum – Geschichten über Balance und Offenheit. Der Wein hatte ihre Worte geschmeidiger gemacht, ihre Gedanken schienen leichter den Weg nach außen zu finden. Es war Wolfgang, der das Gespräch erneut aufgriff, während er mit dem Finger über den Rand seines Glases strich. „Wir haben heute über das Metazentrum eines Schiffs gesprochen,“ begann er nachdenklich. „Und ich glaube, wir haben alle verstanden, wie wichtig es ist, um Stabilität zu haben. Aber was ist eigentlich unser Metazentrum – in unseren Beziehungen?“ Paul nahm das Thema auf, seine Stimme langsam und bedächtig, während er sein Weinglas drehte. „Vertrauen,“ sagte er schließlich. „Vertrauen ist wie das Metazentrum eines Schiffs. Es trägt alles – die Freude, den Kummer, die Lasten. Wenn das Vertrauen kippt, dann ... na ja, dann ist es schwer, wieder in die Balance zu kommen.“ Susanne nickte langsam. Ihre Gedanken schienen für einen Moment woanders zu sein, bevor sie antwortete. „Manchmal kippt es, weil wir uns nicht trauen, die Dinge zu benennen, die wirklich wichtig sind.“ Sie hielt inne und fuhr dann fort: „Vielleicht ist es nicht nur Vertrauen, sondern auch der Mut, den anderen immer wieder neu zu sehen – selbst in seinen Schwächen.“ Wolfgang, der bis dahin zugehört hatte, lachte leise. „Oder in seinen Fehlern. Wenn Anna nicht jedes Mal vergessen würde, die Heizung im Haus auszustellen, wenn wir nicht da sind, hätten wir schon längst mehr Geld für guten Wein.“ Die anderen lachten, und für einen Moment war die Schwere des Gesprächs verschwunden. Aber in Wolfgangs Blick lag mehr, etwas Tieferes, das er nicht sofort sagte. Schließlich fügte er hinzu, leise und mit einem leichten Lächeln: „Es war immer das Lachen gewesen, das alles zusammenhielt. Nicht das große, rauschende Lachen – sondern das kleine, alltägliche, das sagte: Ich bin noch hier.“ Anna sah ihn an, ihre Augen glänzten im Kerzenschein. Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. „Vielleicht ist es auch die Fähigkeit, loszulassen,“ sagte sie leise. „Ich erinnere mich noch, wie ich dachte, ich müsste alles lenken – wie der Kapitän auf der Brücke. Aber dann hast du mir gesagt: ‚Manchmal ist der beste Kurs, gar keinen zu haben.‘Und du hattest recht.“ Paul lächelte. „Das passt zu euch beiden. Wolfgang ist immer der, der Dinge ausgleicht, oder?“ Wolfgang nickte und prostete Anna zu. „Vielleicht. Aber Anna ist die, die mich daran erinnert, warum das wichtig ist.“
Persönliche Anekdoten – die Balance finden.
Die Umarmung – Vergewisserung in der Gemeinschaft
Wolfgang und Paul – Erinnerungen und Reflexionen
Wolfgang und Anna – Stabilität und Offenheit
Abreisetag
Der Abschied vor dem Hotel
Ein Moment der Überraschung

Die Vergangenheit schläft nur

Ein Briefroman

von

Karl M. Krolin

Karl M. Krolin

Heinrich-Kunst-Straße 10

26131 Oldenburg

Der Titel des Romans ist inspiriert von einem Zitat aus William Faulkners Werk Requiem for a Nun: ‚The past is never dead. It’s not even past.‘Es spiegelt die zentrale Thematik der Geschichte wider: die lebendige Präsenz der Vergangenheit in unserem heutigen Leben.

Wiedersehen

Die Glocke über der Ladentür klingelte leise, als Paul die Buchhandlung betrat. Es war einer dieser kleinen Läden, die wie aus der Zeit gefallen wirkten: enge Gänge, alte Holzregale, Bücherstapel auf dem Boden und der Duft von Papier, gemischt mit einer Spur Kaffee aus der Ecke, wo eine altersschwache Maschine vor sich hin brummte. Die Atmosphäre war ruhig, fast andächtig, und Paul ließ den Blick kurz durch den Raum schweifen. Er suchte ein Buch über Schifffahrt – ein neues Hobby, das er in den letzten Jahren für sich entdeckt hatte. Seine Laufbahn als Wasserbauingenieur war längst vorbei, doch das Meer und die Technik dahinter ließen ihn nie ganz los. Es war ein vertrauter Gedanke, ein kleiner Anker in einer Lebensphase, die sich manchmal anfühlte wie Treiben auf offener See. Paul schlenderte zu einem Regal, an dem „Geschichte und Technik“ stand, und ließ die Finger über die Buchrücken gleiten. Dabei fiel ihm eine Bewegung weiter hinten auf. Eine Frau stand vor einem der Regale, den Kopf leicht zur Seite geneigt, während sie mit der Hand über die Bücher fuhr. Es war nicht ungewöhnlich, jemanden so zu sehen, doch etwas an ihrer Haltung ließ ihn innehalten.

Er blinzelte, unsicher, ob er sich täuschte. Ihre Statur, die Art, wie sie die rechte Schulter ein wenig hochzog, während sie las – es war ihm vertraut. Zu vertraut, um Zufall zu sein. Sein Herz schlug schneller, und er hielt einen Moment den Atem an.

„Das kann doch nicht sein…“, murmelte er und bewegte sich langsam auf sie zu.

Die Frau griff gerade nach einem Buch, als er näher trat. Er blieb auf Abstand stehen, um sie nicht zu erschrecken. „Entschuldigen Sie… ich will nicht aufdringlich sein, aber – sind Sie Anna?“

Langsam drehte sie sich um. Ihre Augen musterten ihn, erst flüchtig, dann länger. Sie suchte offenbar nach etwas in seinem Gesicht, nach einem Anhaltspunkt in der Erinnerung. „Paul?“ Fragte sie schließlich, leise, fast zögernd.

Er nickte. „Ja. Ich bin’s.“

Sie sah ihn an, als versuchte sie, sich in ein Bild einzufügen, das sie längst begraben geglaubt hatte. „Das ist… ja, das ist lange her.“

„Fünfzig Jahre“, sagte er, mehr zu sich selbst als zu ihr. „Ein halbes Leben.“

Anna ließ den Blick kurz durch die Buchhandlung schweifen, als suchte sie nach einem Halt. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns jemals wiedersehen.“

„Ich auch nicht.“ Paul lächelte unsicher, die Situation fühlte sich surreal an. „Und dann ausgerechnet hier, zwischen den Büchern.“

Ein schwaches Lächeln huschte über ihr Gesicht, verschwand aber schnell wieder. „Bücher haben ein Talent dafür, uns an Dinge zu erinnern, die wir vergessen wollten.“

Er nickte, zögerte. „Ich hoffe, ich überrumpel dich nicht.“

„Überrumpeln?“ Sie lachte kurz, trocken. „Paul, nach fünfzig Jahren ist alles, was unerwartet kommt, mehr als das.“

Für einen Moment herrschte Stille zwischen ihnen. Nur das leise Rascheln von Seiten und das dumpfe Ticken einer Uhr irgendwo im Laden waren zu hören.

„Ich weiß nicht, ob ich das hier Schicksal nennen würde“, sagte er schließlich, „oder einfach nur Zufall. Aber ich weiß, dass ich es wichtig finde.“

„Wichtig?“ Sie zog die Augenbrauen leicht hoch.

„Ich meine… wichtig genug, um nicht einfach so weiterzugehen.“ Paul hielt kurz inne, unsicher, wie weit er gehen sollte. „Vielleicht könnten wir… ich weiß nicht, Briefe schreiben? Altmodisch, so wie früher.“

Anna schwieg, ihr Blick ruhte auf einem Punkt zwischen den Regalen, als suchte sie dort nach einer Antwort. Dann griff sie in ihre Tasche, zog einen zerknitterten Zettel hervor und schrieb langsam etwas darauf. „Ich verspreche nichts“, sagte sie leise und hielt ihm den Zettel hin.

„Das erwarte ich auch nicht“, sagte Paul, nahm den Zettel und betrachtete ihn kurz, bevor er ihn in die Tasche seines Mantels steckte.

Anna sah ihn an, für einen Moment schien sie noch etwas sagen zu wollen, doch dann schüttelte sie den Kopf. „Manchmal ist der Zufall nur ein Zufall, Paul. Nicht mehr.“

„Vielleicht.“ Er nickte langsam. „Aber manchmal reicht ein Zufall auch aus.“

Sie wandte sich um, ihre Schritte hallten leise auf dem Holzfußboden. Paul blieb stehen, sah ihr nach, den Zettel in der Hand, der plötzlich viel schwerer schien, als er sein sollte.

Pauls erster Brief

Noch am selben Abend saß Paul in seinem Arbeitszimmer. Vor ihm lag ein leeres Blatt Papier, daneben ein alter Füllfederhalter. Das Wiedersehen hatte etwas in ihm aufgerührt, etwas, das er nicht ignorieren konnte. Er nahm die Feder in die Hand und begann zu schreiben.

Liebe Anna,

Es fühlt sich seltsam an, dir diesen Brief zu schreiben – als würde ich eine Tür öffnen, die ich längst für verschlossen hielt. Und doch scheint es so natürlich, als hätte ich die Worte für dich all die Jahre bei mir getragen. Unsere Begegnung in der Buchhandlung war wie ein leises Wiedersehen mit einem Teil von mir, den ich fast vergessen hatte. Du, in Gedanken versunken mit einem Buch in der Hand – es war, als wäre die Zeit für einen Moment stehen geblieben.

Du hast gelächelt, als du mich erkannt hast, und für einen Augenblick war ich wieder der junge Paul aus unserer WG – der Paul, der viel zu oft seinen Kaffee kalt werden ließ, nur weil er heimlich beobachtete, wie du in deinem Morgenmantel in die Küche kamst. Ich erinnere mich daran, wie die Sonnenstrahlen an den Morgen durch die Gardine fielen und dein Haar leuchten ließen. Es waren kleine, unscheinbare Momente, und doch fühlten sie sich für mich damals bedeutender an, als ich zugeben wollte. Hattest du je eine Ahnung davon?

Seitdem sind viele Jahre vergangen, und ich frage mich oft, ob wir wirklich Entscheidungen treffen – oder ob es die Zeit ist, die uns wie ein Fluss lenkt, ob wir es wollen oder nicht. Susanne und ich haben keine Kinder – ein gemeinsamer Entschluss, der uns damals richtig erschien. Aber manchmal frage ich mich, ob wir dadurch etwas Wunderschönes verpasst haben. Was wäre gewesen, wenn unsere Wege anders verlaufen wären? Wenn ich den Mut gehabt hätte, damals zu sagen, was ich fühlte? Hätten wir uns als Familie wiedergefunden? Es ist eine Frage, auf die ich keine Antwort suche – aber sie begleitet mich dennoch.

Ich schreibe dir nicht, um in der Vergangenheit zu verweilen. Unsere Begegnung hat etwas in mir wachgerufen – etwas, das ich kaum benennen kann. Vielleicht ist es die Freude, mit jemandem zu sprechen, der mich kennt, wie ich einmal war. Jemand, der weiß, wer ich jenseits all der Jahre, der Erfolge und Fehler bin. Oder vielleicht ist es mehr – eine stille Erinnerung daran, dass es Verbindungen gibt, die die Zeit überdauern.

Es mag sein, dass diese Gedanken zu melancholisch klingen, aber für mich sind sie vor allem schön – weil sie zeigen, dass zwischen uns noch etwas lebt, selbst nach all der Zeit. Vielleicht empfindest du das ähnlich. Wenn ja, würde ich mich freuen, von dir zu hören. Lass uns reden, Anna – über die Bücher, die wir lieben, die kleinen Dinge, die uns beschäftigen, und die Träume, die wir uns bewahrt haben. Vielleicht ist es nie zu spät, eine alte Verbindung neu zu entdecken.

Herzlich, Paul

 

 

Tagebucheintrag – 12. März

 

Es sind zwei Monate vergangen, seit ich Anna den Brief geschrieben habe. Zwei Monate voller Fragen, Hoffnung – und, wenn ich ehrlich bin, auch Angst. Fast täglich habe ich in den Briefkasten geschaut, als könnte allein mein Blick eine Antwort herbeirufen. Es ist absurd, ich weiß. Ein Mann meines Alters, der sich von etwas so Einfachem wie einem Brief aus der Fassung bringen lässt. Doch dieser Brief bedeutet mehr.