Die Verratenen - Frank Callahan - E-Book

Die Verratenen E-Book

Frank Callahan

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Verraten und verkauft hatte man die Caldwell-Brüder. An einen mexikanischen Haciendero, der ein Teufel in Menschengestalt war. Auf seiner riesigen Hacienda im Arizona-Sonora-Grenzland trieb er ein makabres Spiel. Es war so grausam, dass es selbst die harten, kampferprobten Caldwell-Brüder erschauern ließ. Der Haciendero nannte es das Mörderspiel. So wie in alten Zeiten die Sklaven in der Arena, so wurden hier die Gefangenen in einem sonnendurchglühten Canyon gezwungen, um das nackte Leben zu kämpfen. »Du kommst zu spät, Caldwell«, sagte Buster Hollyway, der Sheriff von Calabasa im Arizona Territorium, und zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, dass du den langen Ritt aus Texas umsonst unternommen hast. Dein Bruder John wurde vor vier Tagen entlassen und ist seines Weges geritten!« Ringo Caldwell musste das erst einmal verdauen und lehnte sich schwer in den Sessel zurück, der dicht vor dem altersschwachen Schreibtisch des Gesetzeshüters stand. Dann aber straffte sich sein schlanker und großgewachsener Körper. Der Texaner zupfte an einem Ende des Bartes, der bis übers Kinn hing, und stieß dann den Stetson in den Nacken. Hellblondes und lockiges Haar spitzte hervor. In Ringo Caldwells blaue Augen trat ein nachdenklicher Ausdruck. »Das verstehe ich nicht ganz, Sheriff«, sagte Ringo in der den Texanern eigenen, schleppenden Sprechweise. »Johns Brief erreichte mich vor vier Wochen. Er schrieb, dass er noch zwei Jahre hier im Gefängnis abzusitzen hat. Ich ritt sofort los.

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Seitenzahl: 125

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die großen Western – 414 –Die Verratenen

Frank Callahan

Verraten und verkauft hatte man die Caldwell-Brüder. An einen mexikanischen Haciendero, der ein Teufel in Menschengestalt war. Auf seiner riesigen Hacienda im Arizona-Sonora-Grenzland trieb er ein makabres Spiel. Es war so grausam, dass es selbst die harten, kampferprobten Caldwell-Brüder erschauern ließ. Der Haciendero nannte es das Mörderspiel. So wie in alten Zeiten die Sklaven in der Arena, so wurden hier die Gefangenen in einem sonnendurchglühten Canyon gezwungen, um das nackte Leben zu kämpfen. Und bis jetzt war es noch keinem dieser Verdammten gelungen, sein Leben zu retten …

»Du kommst zu spät, Caldwell«, sagte Buster Hollyway, der Sheriff von Calabasa im Arizona Territorium, und zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, dass du den langen Ritt aus Texas umsonst unternommen hast. Dein Bruder John wurde vor vier Tagen entlassen und ist seines Weges geritten!«

Ringo Caldwell musste das erst einmal verdauen und lehnte sich schwer in den Sessel zurück, der dicht vor dem altersschwachen Schreibtisch des Gesetzeshüters stand.

Dann aber straffte sich sein schlanker und großgewachsener Körper. Der Texaner zupfte an einem Ende des Bartes, der bis übers Kinn hing, und stieß dann den Stetson in den Nacken. Hellblondes und lockiges Haar spitzte hervor. In Ringo Caldwells blaue Augen trat ein nachdenklicher Ausdruck.

»Das verstehe ich nicht ganz, Sheriff«, sagte Ringo in der den Texanern eigenen, schleppenden Sprechweise. »Johns Brief erreichte mich vor vier Wochen. Er schrieb, dass er noch zwei Jahre hier im Gefängnis abzusitzen hat. Ich ritt sofort los. Jetzt aber sagst du mir, dass John bereits wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Das passt doch irgendwie nicht zusammen!«

Buster Hollyway lächelte mit schmalen Lippen. In dem breitflächigen Gesicht zuckte dabei kein Muskel. Dann stützte der Sheriff der kleinen Ortschaft Calabasa, die nur zwanzig Meilen von der mexikanischen Grenze entfernt lag, den Kopf in beide Hände.

»Na gut, Caldwell, ich will’s dir erklären. Es ist alles sehr einfach. Dein Bruder wurde begnadigt. Die restliche Strafe wurde ihm geschenkt.

Nun ist er wieder ein freier Mann. Das alles ist sehr überraschend für uns alle gekommen. Bestimmt konnte er dir das nicht mehr mitteilen. Ich denke, dass John Caldwell längst auf dem Trail nach Texas ist. Ihr müsst euch verfehlt haben.«

Nach wie vor lag Misstrauen in Ringo Caldwells Augen. So leicht gab er sich nicht zufrieden.

»Wie lange war mein Bruder hier im Gefängnis eingesperrt?«, fragte er den Sternträger.

»Ein Jahr, Caldwell. Es war wirklich kein Zuckerlecken für ihn. Er musste im Steinbruch arbeiten. Er hats aber gut überstanden, obwohl dort viele harte Burschen vor die Hunde gegangen sind!«

»Was hatte mein Bruder verbrochen?«

»Postkutschenüberfall! Zum Glück gab es weder Tote noch Verwundete. Dein Bruderherz wurde schon wenige Minuten nach dem Überfall von mir und einem Aufgebot gestellt. Wir fanden die Beute in seinen Satteltaschen. Es war eine leichte Angelegenheit für die Geschworenen und den Richter, zu einem Urteilsspruch zu gelangen.«

»Er soll eine Stage Coach überfallen haben?«, wunderte sich der Texaner. »Das verstehe ich aber beim besten Willen nicht. John ist zwar ein rauer Bursche, der manchmal auf dem schmalen Grat zwischen Gut und Böse wandelt, doch er ist noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten.«

»Einmal ist immer das erste Mal«, brummelte Buster Hollyway. »Ich kanns nicht ändern, Caldwell. So ists nun einmal gewesen. So und nicht anders. Du solltest nach Texas zurückkehren. Bestimmt erwartet dich dort bereits dein Bruder. Wenn mich nicht alles täuscht, wollte er wirklich ins Land der tausend grünen Hügel und der Cowboys zurück.«

»Hatte mein Bruder nicht ganz in der Nähe eine kleine Pferderanch, bevor er eingesperrt wurde?«, fragte Ringo Caldwell und sah es für einen Herzschlag lang in den rauchgrauen Augen des Sheriffs aufblitzen.

»Keine Ahnung, Caldwell. Darum habe ich mich nie gekümmert. Das ist auch nicht meine Aufgabe. Dein Bruder hat niemals von einer Pferdezucht gesprochen. Tut mir leid. Kann ich noch etwas für dich tun?«

Ringo Caldwell schüttelte den Kopf und stand auf.

»Danke für die Auskünfte, Sheriff.«

Buster Hollyway nickte nur.

Der Texaner blieb an der Tür stehen und wandte sich dem Gesetzeshüter nochmals zu.

»Hat mein Bruder die Postkutsche genommen, oder ist er davongeritten? Das würde mich noch interessieren.«

»Da bin ich ebenfalls überfragt, Caldwell. Ich begleitete deinen Bruder bis zum Gefängnistor, hinter dem für ihn die unerwartete Freiheit lag. Dann stiefelte er davon.«

Ringo lächelte sanft, während Buster Hollyway aufstand, zu ihm trat und die Tür öffnete. Davor standen zwei uniformierte Wächter.

»Bringt Mister Caldwell hinaus, Jungs!«, befahl Hollyway. Und zu Ringo gewandt sagte er: »Du solltest dich nicht allzu sehr sorgen, Caldwell. Deinem Bruder geht es gut. Er ist sicher heilfroh, wieder auf freiem Fuß zu sein. Bestimmt findet er nach Texas zurück. Good Bye.«

Einige Minuten später stand Ringo Caldwell vor dem düsteren Bau, in dem das Gefängnis untergebracht war. Es wurde von einer hohen Mauer umgeben, an der Wachtposten patrouillierten. Es gab sogar zwei Wachtürme, von denen aus das gesamte Gelände zu überblicken war.

In der Ferne erkannte Ringo einen Bergrücken, dessen Flanke wie ein angenagter Käse aussah. Dort befand sich der Steinbruch, in dem die Strafgefangenen schuften mussten.

Ringo Caldwell schlenderte zu seinem Rapphengst, zog sich in den Sattel und nickte den beiden Wächtern zu.

»Danke, Gents. Ich finde schon alleine hinaus und denke, dass mich eure Kollegen am Tor durchlassen.«

Nach diesen Worten ritt der Texaner an. Und er fühlte erst jetzt so richtig die Enttäuschung in sich aufsteigen, dass er den Bruder verfehlt hatte.

*

»Los, hau schon ab, Mister, ehe wir dir Beine machen. Das Gelände ist für jeden gesperrt. Hast du die Schilder übersehen, oder kannst du nicht lesen?«

»Schon gut, Mister«, antwortete Ringo Caldwell ruhig. »Ich bin nur neugierig und wollte mir mal den Steinbruch aus der Nähe ansehen. Immerhin hat mein Bruder hier geschuftet.«

Der bullige Wächter senkte den Karabiner um keinen Inch.

»John Caldwell ist sein Name gewesen«, fuhr der Texaner fort und ignorierte die auf ihn gerichtete Waffe. »Hast du ihn gekannt?«

»Ich gebe keinerlei Auskünfte, Mister. Da musst du dich schon an den Sheriff wenden. Und nun solltest du verschwinden, ehe ich dich verhafte. Dann aber garantiere ich dir, dass du den Steinbruch besser kennenlernst, als es dir lieb sein wird!«

Nun klirrte die Stimme des bulligen Aufsehers.

Ringo Caldwell zog wortlos den Vierbeiner herum und ritt in Richtung Calabasa davon.

Die kleine Ortschaft lag ungefähr zwei Meilen vom Steinbruch entfernt. Das Gefängnis befand sich zwischen der Town und dem angenagten Felsen, aus dem die Sträflinge mühevoll die Steinquader herausschlugen.

Die Sonne verglühte hinter einem Gipfel der Asooso Mountains in einem flammenden Feuermeer. Als Ringo Caldwell die Mainstreet von Calabasa erreichte, legten sich die ersten dunklen Schleier über das Gelände.

In den Häusern flammten Kerosinlampen auf. Einige Männer musterten den Reiter mit forschenden Blicken, der auf einen Saloon zuhielt und dort vom Rücken des Vierbeiners stieg.

Dem großgewachsenen Mann schallte Stimmenlärm entgegen, als er auf die Pendeltüren zumarschierte. Der Duft von gebratenem Fleisch ließ Ringo das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Erst jetzt merkte er so richtig, wie hungrig und durstig er war. Er betrat die Whiskytränke. Es roch nach Schweiß, Tabak und Alkohol. Einige Männer saßen an den Tischen und unterhielten sich. Sie verstummten, als sie den Fremden eintreten sahen.

Auch mehrere Männer am Tresen wandten sich dem schlanken Mann zu, der den tiefgeschnallten Revolver auf unmissverständliche Weise trug.

Ringo Caldwell tippte gegen die Krempe des Stetsons und marschierte, auf die Theke zu, hinter der ein dicker, glatzköpfiger Mexikaner Gläser spülte und den neuen Gast neugierig musterte.

»Hallo«, sagte Ringo mit tiefer Stimme. »Ich hätte gegen ’nen Whisky, ein Bier und etwas für die Lobos in meinem Magen nichts einzuwenden. Lässt sich das einrichten?«

Der Glatzkopf nickte eifrig und schenkte ein Glas mit Whisky voll. Danach zapfte er ein Bier, das er über den Tresen schlittern ließ, und verschwand in einem Nebenraum, in dem jemand lautstark mit Töpfen und Pfannen hantierte.

Es dauerte nicht lange, dann tauchte der Salooner wieder auf, nickte zufrieden und fuhr sich mit dem Handrücken über die spiegelnde Glatze, um einige besonders hartnäckige Fliegen zu verscheuchen.

»Meine Frau haut Ihnen ein Steak in die Pfanne, Mister. Dazu gibt es Bratkartoffeln und grüne Bohnen. Wenn Sie sonst noch Wünsche haben, dann …«

»Schon gut«, winkte Ringo Caldwell ab. »Ich hoffe nur, dass die Portion nicht zu klein ausfällt. Sie sollten noch mal die Luft aus dem Bierglas lassen. Übrigens, der Gerstensaft schmeckt ausgezeichnet.«

»Das Bier braut ein Mann aus Old Germany«, antwortete der Wirt freudestrahlend. »Und er versteht sehr viel davon!«

Die übrigen Männer am Tresen nickten zu den Worten des Glatzkopfs und unterhielten sich dann wieder, nachdem ihnen klar geworden war, dass der Fremde keinen Streit suchte.

Eine Viertelstunde später setzte sich der Texaner an einen Ecktisch und ließ sich das Essen schmecken.

»Ausgezeichnet«, lobte Ringo später, als der dicke Salooner den leeren Teller abholen wollte. »Würden Sie sich ’nen Moment zu mir setzen und mir eine Frage beantworten, die mir auf der Seele brennt?«

Der Wirt zögerte, zog sich dann aber einen Stuhl herbei, setzte sich und sah den Fremden erwartungsvoll an. »Ich wollte meinen Bruder John Caldwell im Gefängnis besuchen, doch dort sagte mir der Sheriff, dass John bereits vor vier Tagen entlassen wurde. Mich würde interessieren, ob Sie meinen Bruder in den letzten Tagen gesehen haben?«

Der Dicke bearbeitete schon wieder die Glatze, die erneut von einigen Fliegen als Landebahn angeflogen wurde.

»John Caldwell«, murmelte er. »Tut mir leid, Mister, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann. Ich kenne Ihren Bruder von früher, denn er ist oft hier gewesen, ehe die dumme Sache mit dem Stage-Coachüberfall passierte.«

Der Salooner sah sich unauffällig um, als fürchte er, beobachtet zu werden, doch kaum jemand der übrigen Gäste blickte herüber.

»Ich hielt damals und halte auch noch heute Ihren Bruder für unschuldig, Mister. Doch ich möchte mir nicht den Mund verbrennen. Sie sollten zu Joanna Perkinson reiten. John Caldwell und die junge Frau waren vor der Verurteilung miteinander befreundet. Miss Perkinson zog später auf die kleine Pferderanch und pflanzt dort Gemüse und andere Dinge an, die sie nach Calabasa verkauft. Das Girl müsste am besten wissen, wo sich Ihr Bruder aufhält. Ich beschreibe Ihnen gern den Weg zur ehemaligen Pferderanch. Sie sollten aber bei niemandem verlauten lassen, dass ich Ihnen diesen Tipp gegeben habe.«

Ringo Caldwell nickte.

»Das verspreche ich Ihnen, Mister. Und nun sollten Sie mir den Weg beschreiben. Anschließend möchte ich zahlen!«

*

Ringo Caldwell parierte den Rapphengst, als er das kleine Tal erreichte, in dem die ehemalige Pferderanch seines Bruders liegen sollte.

Der Texaner drehte den Kopf und blickte auf seiner Fährte zurück. Seit über einer Stunde wurde er das Gefühl nicht los, verfolgt zu werden. Zwar hatte er mehrere Pausen auf dem Ritt von Calabasa zum Valley eingelegt, doch niemanden entdecken können.

Ringo wartete erneut einige Minuten hinter einem Dickicht, doch außer den vertrauten Lauten der Natur konnte er keine verdächtigen Geräusche vernehmen, die durch die nächtliche Stille an seine Ohren drangen.

Er ritt weiter und entdeckte auch schon bald den Lichtschein einer Kerosinlampe, der ihm den Weg wies. Die Lampe brannte im Innern eines Blockhauses, das unter einigen Bäumen erbaut worden war.

Fünf Pferdelängen vor dem Gebäude zügelte der Texaner den Rapphengst und stützte sich mit beiden Händen auf das Sattelhorn. Alles blieb ruhig.

Noch immer fiel anheimelnder Lichtschein aus dem geräumigen Blockhaus.

»Ist hier jemand?«, rief Ringo Caldwell.

»Aber ja doch, Mister!«, erklang eine helle Stimme von seitlich auf. Gleichzeitig wurde eine Winchester repetiert. »Sie sollten ganz ruhig im Sattel sitzen bleiben und mir sagen, was Sie von mir wollen!«

Ringo drehte leicht den Kopf und erkannte die zierliche Gestalt einer jungen Frau zwischen den Büschen, die mit einem Gewehr auf ihn zielte.

Der Texaner lächelte verhalten.

»Sind Sie Miss Perkinson?«

»Seit mehr als zwanzig Jahren, Mister. Dürfte ich nun erfahren, wer Sie sind und was Sie hier zur nächtlichen Stunde wollen?«

»Keine Sorge, Miss. Mein Name ist Ringo Caldwell – Johns Bruder. Vielleicht stimmt Sie diese Tatsache friedlicher.«

Joanna Perkinson zuckte zusammen, doch sie senkte den Lauf der Winchester noch immer nicht.

»Ich sehe Sie mir erst mal aus der Nähe an. Bis jetzt konnte ich keine Ähnlichkeit zwischen Ihnen und John feststellen. Vielleicht ist das, aber auch nur ein hundsgemeiner Trick, um …«

Die junge Frau schwieg und trat einige Schritte näher auf den Reiter zu, der regungslos auf dem Pferderücken verharrte.

Silbernes Mondlicht legte einen milchigen Schein auf das kurz geschnittene und lockige Haar des Girls. Es trug Jeans und eine knapp sitzende Bluse, die deutlich die fraulichen Formen erkennen ließ.

Blaue Augen musterten Ringo forschend, und er sah, dass die Nasenflügel der jungen Frau zu beben begannen.

»Ich bin einige Jahre älter als mein Bruder«, sagte Ringo ruhig. »Die Ähnlichkeit zwischen John und mir ist nicht besonders groß. Das muss ich zugeben. Ich kann Ihnen aber gern …«

»Schon gut!«

Joanna Perkinson senkte das Gewehr.

»Darf ich absteigen, Miss?«

Joannas Busen hob und senkte sich schwer. Das Girl schloss sogar für einen Herzschlag die Augen, und ein tiefer Seufzer entwich dem weit geöffneten Mund mit den lockenden Lippen.

»Herzlich willkommen, Ringo«, hauchte sie dann. »Darauf habe ich lange warten müssen. Dein Bruder hat früher viel von dir gesprochen, doch er wollte erst die Ranch aufbauen, ehe er sich in Texas meldet.«

Joannas Stimme bekam einen bitteren Unterton.

»Dann wurde John verurteilt und …«

Die blondhaarige Frau blieb mit hängenden Schultern stehen und wirkte sehr niedergeschlagen in diesen Sekunden.

Ringo Caldwell sprang aus dem Sattel und nahm ihr die Winchester aus den Händen.

»Lass uns über alles reden, Joanna«, bat er. »Ist John hier auf der Ranch? Auch ihn würde ich gerne sprechen!«

»Was …?«, ächzte Joanna Perkinson. »Er ist doch im Gefängnis und muss dort für ein Verbrechen büßen, das er niemals begangen hat.«

Ringo Caldwell schüttelte den Kopf. »Sheriff Buster Hollyway sagte mir, dass mein Bruder vor vier Tagen entlassen wurde. Begnadigt, wie er es ausdrückte. Ich hatte gehofft, ihn hier auf der Ranch zu finden!«

Joanna starrte den Texaner entsetzt an und presste dann die sonst so vollen Lippen hart aufeinander.

»Johnny ist nicht hier gewesen«, hauchte sie und war den Tränen nahe. »Und er wusste doch ganz genau, dass ich hier auf ihn all die lange Zeit wartete. Warum nur ist er nicht zu mir gekommen …?«

*

Einige Minuten später saßen sich Ringo Caldwell und Joanna Perkinson in dem kleinen, doch sehr gemütlich eingerichteten Wohnzimmer gegenüber. Das Girl hatte sich noch immer nicht völlig unter Kontrolle.

Hin und wieder zuckten ihre Schultern, und mehr als einmal wischte sich die junge und reizvolle Frau mit dem Handrücken über die Augen, als würde sie vom Lichtschein der Kerosinlampe geblendet.

Ringo nippte an dem Whiskyglas, ehe er es klirrend auf die blank gescheuerte Tischplatte zurückstellte.