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Die DDR, der Unrechtsstaat, das Politbüro, die Mauer ...
Vergiß es! Vergiß es! Vergiß es! ...
Sollte man das vergessen? Bautzen, der Knast, die Leipziger Montags-Demos ...
Vergiß es! Vergiß es! Vergiß es! ...
Sollte man das vergessen? Wirklich?
Wunderschön
Sie sind im Gebirge. Ganz allein. Wirklich allein?
In Nomine padres ...
Allein auf Reisen, obwohl - er ist behindert. Lässt sich aber freiwillig auf Gefahren ein, auf lebensgefährliche Gefahren. Wird er es überleben?
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Nebel. Dämmerlicht. Schemenhafte amorphe Gestalten im Hintergrund. Ein Auto zwischen den Schwaden. Es liegt in einem Straßengraben.
Er hat seinen Namen vergessen, der Rüde. Denn schon lang trottet er durchs Geläuf, schon lang hat er sein Herrchen nicht mehr gesehen, schon lang ist es her, dass sein Herrchen abgeholt wurde. Und jetzt sieht er diesen Wagen. Er verharrt.
Nach einer Weile schleicht er sich vorsichtig an. Schaut sich ständig um; sein Kopf fängt an zu rotieren wie ein in Schwung gebrachter Kreisel - die Tür steht offen, niemand sitzt drin.
Das Wagenblech riecht kalt und muffig. - Oder? - Wie verbranntes Fleisch, um genauer zu sein. Halluzination?
Im Auto wird der Geruch noch stärker, weitet sich aus bis zum Schier-Erdrücken.
"Klingklooong!"
Der Geruch hat sich geändert. Stattdessen scheint jetzt ein Bilderbuch an seiner Nase zu kleben: ein Mann, bekleidet mit grauer Hose, braunem Fleischerhemd und brauner Schiebermütze, er streift soeben an einem Hosenbein ein vor Blut triefendes grausam langes Messer ab - Na, war das nicht eine vor Wut sabbernde Knarre und das in doppelter Ausführung? - und schaut sich dabei gehetzt um - aus dem Hintergrund: "Komm Erich!", und er fängt an, immer schneller werdend ins Nichts zu verschwinden. Doch er taucht wieder auf, diesmal allerdings in eine Uniform gesteckt, in eine schneeweiße, mit 2 Sternen auf den gewundenen Epauletten; und viele Gesichtslose schütteln ihm die Hände, manche klopfen ihm sogar auf die Schulter - Erich schüttelt sie unwirsch und herrisch ab und starrt durchdringend in die Ferne - ein einförmiges Zittern der Knie und angstvolles Flattern in den Augen greift nun um sich. Direkt hinter ihm prangt an der Wand ein goldener Ährenkranz, der Hammer und Zirkel in sich einschließt, links hinter ihm steht ein junger, eine fette Hornbrille zur Schau tragender, heiser krächzender Stiefelhalte...
Ein langgezogenes schrilles Kreischen. Das erbarmungsvolle Jaulen eines Wolfes antwortet. Eine Krähe singt ihr hölzernes Lied, eine Spinne hat den Wunsch erwogen, ihn als Halter für ihre Fliegenjagd zu benutzen.
Der Rüde aber dreht seine Nase wie von Marrionettenbügel bewegt zurück ins Auto. Wo Erich immer noch posiert. Diesmal allerdings klopft er mit basiliskischem Gesicht auf den Tisch, während hinter ihm eine Mauer steht, an der bei jedem Pochen ein Mensch umfällt. Und gönnt sich dabei höhnisch lächelnd hin und wieder einen Happen von der rohen Eingeweide und den ausgezackten Schenkel und den durchlöcherten Armen und den starren Augen aus den ihm ständig servierten Schüsseln, wobei jedes Mal ein saftiges Platschen ertönt, dem ein Knacken folgt wie das einer gezündeten Atombombe und wo den Schlusstakt ein Gullyloch spielt, das gerade ausgesaugt wird. Dabei rinnt Blut zwischen den löchrigen, mit schwarzen Kronen übersäten Zähnen hervor. Und der Rüde - er wittert den Gestank toter Menschen.
Seitenwechsel. Der Rüde gelangt an ein Ortseingangsschild, dass schon ein bisschen verwaschen ist, auf dem er nur noch "Ba t e " erkennt. Und wo in der Ferne ein gelblicher, viereckiger Kasten ins Licht rückt, auf dem ein abgehärmter spindeldürrer Mann seine von Blutergüssen übersäte Glatze in den Wind hält.
Der Rüde muss stocken. Es geht in seinem Kopf weiter: Sein Herrchen, das damals von drei Männern mit schwarzen Ledermänteln abgeholt wurde und auf Nimmer-Wiedersehen verschwand, hebt warnend den Zeigefinger. Sah der auf dem Kasten ...
Das Kreischen kommt näher. Der Wolf jault nicht mehr, die Krähe krächzt nicht mehr, die Spinne windet sich in ihren eigenen Fäden über seinem linken Ohr; aber etwas nicht Bestimmbares hat sich zum Kreischen dazugesellt. Der Rüde spitzt die Ohren. Da: Pock, Schlppf. Pock, Schlppf. Pock, Schlppf ... Doch noch hat er Zeit.
"Wir sind das Volk! Wir sind das Volk!", schallt es da im Hintergrund, lange Lichterketten säumen das anschwellende Gemurmel. Im Vordergrund aber wieder Erich, diesmal auf einer Anklagebank. "Ich liebe Euch doch alle. Wenn ich diesen Fehler gemacht haben sollte, bitte ich um ... verzeihige ich diesen Fehler." Gelächter brandet auf, schwillt zum Orkan an, nur kaum zu hören das beklemmende Schluchzen. Und Erich - ein gebrochener Mann. Nichts mehr da von dem, der einem anderen die Kehle aufschlitzte, der die Menschen zur Verzweiflung trieb, der Kadaver zum Frühstück verspeiste, der die Menschen zum Wrack machte. Tore schließen sich nun hinter ihm, Gittertore folgen.
Das Kreischen nun atmosphärische Störung, die Augen koppeln sich von der Nase ab.
Erich sitzt wieder auf der Anklagebank.
Das Unbestimmbare ist abgeebbt, der Hund nickt.
Erich vergräbt den Kopf zwischen den Händen.
Der Boden fängt an, sich zu drehen, von konträren Stößen immer wieder unterbrochen.
Die Geschworenen erscheinen, Erich steht auf.
Der Hund beginnt zu sinken wie in einen morastigen Sumpf. Das Auto bleibt stehen. Der Hund kämpft, doch umso mehr er sich bewegt, umso schneller sinkt er; ein Gleißen tritt auf seine Pupillen.
Der Richter: "Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Das Verfahren gegen den Angeklagten Erich Mielke ..."
Plötzlich steht jemand über dem Sumpf und zieht an seiner Pfote.
"... wird wegen Haftunfähigkeit eingestellt."
Die ihn retten wollende Hand - die eines Skelettes, eine Sense über dem Mann.
Erich jetzt auf der Klägerseite.
Der Hund hängt in der Luft. Mittlerweile ohne Schwanz.
"Die Klage auf Haftentschädigung ..."