4,99 €
Ist der Ruf erst einmal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert! Er fährt ins Ausland. In den Urlaub. Irgendwohin. Irgendwann. Oder er fährt nicht. Trotzdem erlebt er was. Jemand. Aber: Er kann es nicht lassen. Es muss sein. Muss! Muss! Muss! Wirklich? So könnte es sein. Aber so muss es nicht gewesen sein. Oder vielleicht doch? Entscheide selbst! 19 Kurzgeschichten - Liebe, politische Fantasie, Horror, Weltgeschichte
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 172
Veröffentlichungsjahr: 2019
Mike Scholz
Ver… ?
Mike Scholz
Ver…?
Liebe und netteSchmusegeschichten
Impressum
© 2019 Mike Scholz
E-Mail: [email protected]
Coverdesign: Irene Repp
http://daylinart.webnode.com/
Bildrechte: © Igor Zhuravlov - 123rf.com; © lightwise - 123rf.com
Satz: Jana Walther
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback 978-3-7439-5308-6
e–Book 978-3-7439-5310-9
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Und wart Ihr alle schön artig? Denn vom Himmel hoch da komm ich her. Ich erzähle Euch die neuste Mär. Denn: Ist der Ruf erst einmal ruiniert, Lebt es sich ganz ungeniert!
Ver …?
„Großmutter, warum hast Du so große Augen?“„Damit ich Dich besser erleuchten kann!“
INHALT
Ich
Im Vorgarten der Hölle
In Nomine Padres et Filii et
Spiritus sancti – Amen!
Der Garten
Der Kloakenvielfüßler
Nachts
Zzzzschapp
Sinnespältlich
Der Aufstieg
Der Fisch
Der Lehrer
Der Streit
Lecker
Hilfe – Sample I
Hilfe – Sample II
Tief drin
Jeder Morgen
Alltäglich
Zweifel
Deine Augen
Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.
(Martin Luther)
Ich
Abtransport der kleinen Menschen im großen Teich im Himmel ist angesagt. Diejenigen, die jetzt angewiesen werden, in die Schleuse zu kommen, wandern in den verdickten Bauch werdender Mütter, wonach sie ihren Lebenstrip beginnen.
Jetzt rücken wieder welche ab. Doch was ist das? Einer, der eigentlich in der zweiten Reihe steht, schiebt seine winzigen Ellbogen raus, befördert einen anderen zur Seite und drängelt sich vor.
Gott, der Schutzpatron dieser Winzlinge, bemerkt dies. Donnernd lässt er seine Stimme über den Teich schallen. Und jeder hört ihn, ist gespannt auf die Lösung: "He he he, was soll das denn?? Du bist doch noch gar nicht dran!"
Der Drängler antwortet ihm selbstbewusst: "Dass er" – er zeigt auf den, den er weggestossen hat – "nicht so richtig wollte, konnte man doch eindeutig erkennen. Er lief so langsam, dass er dabei bald einschlief! Da gab ich ihm die Möglichkeit, noch eine Weile hier zu bleiben."
"Stimmt ja gar nicht", meldet sich der Weggestossene – flüsternd fast, ehrfurchtsvoll, kleinlaut.
"Klar stimmt das!" Der Drängler versucht hintenrum, den Weggestossenen runterzudrücken, damit dieser keinen Laut mehr von sich gibt. "Ich will endlich nach da unten!" Er zeigt auf die Erde. "Hier oben ist es mir zu langweilig, ich will endlich Action!"
"Du bist aber noch gar nicht dran!", tönt wieder der Allmächtige.
"Da ich noch nicht schreiben kann, ist es mir nicht möglich, einen schriftlichen Antrag zu stellen. Infolgedessen muss ich es mündlich machen: Ich möchte – nein, ich will– sofort auf die Erde!"
"Bist du damit einverstanden?", fragt der Allmächtige den Weggestossenen.
"Hast du noch Fragen?" Bedrohlich blickt der Drängler sein Opfer an.
Dem wird die Übermacht zu gross. Er zieht sich zurück.
Der Drängler wendet sich wieder Gott zu: " Okay, Sache geklärt."
"Ich sehe es! Vor allen Dingen, wie du es geklärt hast! Aber gut, dann komm! Doch zur Strafe wirst du eine Mutter zur Geburt bekommen, dass du dir wünscht, niemals dich vorgedrängelt zu haben…"
"Der werde ich schon zeigen, wo's langgeht!"
"Und da du jetzt schon frech bist, wirst du es auch unten sein!"
"Frechheit ist nur die direkte Form, die Wahrheit auszudrücken!"
"Du wirst jemanden lieben, und du wirst geliebt werden! Aber mit dieser Frechheit wirst du auch bei ihr immer wieder anecken, Probleme heraufbeschwören!"
Der Drängler starrt ihn trotzig an.
"Letzte Chance: Willst du immer noch sofort runterkommen und dein Leben mit Frechheit gespickt haben?"
" Ja!" Laut, vernehmlich.
"Dann ab!"
Der Geschmack des Todes ist auf meiner Zunge, ich fühle etwas, das nicht von dieser Welt ist.
(Wolfgang Amadeus Mozart)
Im Vorgarten der Hölle
Hell's Gate – angeboten als Sicht auf glühende, unheimliche und extrem heiße vulkanische Aktivitäten – 16 km entfernt von Rotorua am Whakatane Highway 30.
Das klingt gut, war mein erster Gedanke. Und heute fuhr ich dahin.
Ich komme an, parke mein Auto, sehe mich um: Vor dem Eingang ist eine Anzahl von übereinander gehäuften Steinen zu entdecken, aus denen Nebel aufsteigt. Und ein übler Gestank – nach menschlichem Kot oder ähnlichem – liegt in der Luft.
Ich werde bewegt zum Grinsen. Denn ich sah schon einige solcher Plätze, wo ein Teil des Namens war: Hölle. Und nicht immer erfüllte dann dieser Name seinen Anspruch.
Dieser Eindruck wird stärker, als ich eintrete: Ein Kasten steht dort, durch den man seinen Kopf stecken kann, um sich als teufelsähnliche Fratze fotografieren zu lassen. Lach, lach!
Aber ich kaufe mir ein Ticket – 9 Dollar kostet es – und hoffe, dass ich für dieses Geld etwas Gutes zu sehen bekomme. Ich durchschreite das Höllentor.
Plötzlich ist es einige Fahrenheit kälter. Doch ich kann nicht ins Warme zurücktreten, eine unsichtbare Macht verfolgt mich, will, dass ich mir alles bis zur Erschöpfung einverleibe: Der kühnste Gedanke einer Einöde hat sich vor mir aufgebaut – triste Steinlandschaft ist dafür der bessere Ausdruck; auf dem Wasser schwimmt nicht eine einzige Pflanze – dafür strahlt es Schwärze aus, erinnert an das Tote Meer. Und von diesen Steinen und aus diesem Wasser steigt Nebel auf, der gleiche, wie vor Hell's Gate, nur kräftiger.
Mein Blick fällt auf ein Schildchen: 1-Devilsbath. Ein großes Loch mit blanken Steinen, schwarzes Wasser blubbert dazwischen hervor. Und mein Lächeln gefriert plötzlich auf den Lippen, genauso wie es vorhin dem Rest des Körpers geschah.
Ich gehe weiter, doch überall zeigt sich mir das gleiche Bild: Einöde, Nebel, blubbernder, manchmal Fontänen ausstoßender Schlamm. Und langsam und immer mächtiger werdend flammt in mir ein Spiel auf, das mich nicht begeistert, gegen das ich aber nichts tun kann: Das kalte Grauen ist der Name von diesem Spiel! Horror, yeah! Zwar mag ich Horror, aber das hier ist kein Buch, ist kein Film, ist pure Realität! Nichts zum Witze machen! Nichts zum Lachen! Das vermisse ich, bin angewiesen, mich von Angst überfluten zu lassen.
Und mit jedem weiteren Schritt, den ich dem vorhergehenden folgen lasse, erhärtet sich der Eindruck, in was für eine Welt ich hineingeraten bin: Dies ist der Vorgarten zur Hölle!
Plötzlich – als wenn ich unbemerkt eine Schleuse durchtreten hätte, die mich in eine andere Dimension beamte – ist es unglaublich viel wärmer als noch vor einem Sekündchen der menschlichen Zeit und es zeigt sich mir (als wenn sie es besiegeln wöllte) eine völlig andere, vollkommen neue Welt: Mit Blumen in allen Farben, blühend in voller Schönheit; Insekten besteigen deren Kelche und vollführen darauf ein romantisch–leidenschaftliches Liebesspiel; viele Vögel zwitschern in den Büschen, zeigen, dass sie diese Welt hier genießen; ein kleiner niedlicher Bach nimmt seinen Lauf durch das Geläuf, lässt linde Strudel auf sich tanzen, die die Umgebung mit nach Süßem schmeckender Gischt erfüllen. Jetzt bin ich auf einmal in einem anderen Extrem! In dem Extrem der Schönheit, der Pracht, des Genusses.
Wie um dies zu bestätigen, schieben sich auf einmal zwei wunderschöne nackte Beine in mein Blickfeld. Und diese Beine wandeln anmutig in meine Richtung!
Nun will ich – natürlich – wissen, zu wem diese Beine gehören: Mein Blick wandert hoch, über den kurzen Minirock, den sexy Gürtel und der alles verheißenden knappen Bluse zum – Grauen ergreift mich erneut! Ein zur Faust geballtes Gesicht zeigt sich mir, ich muss mich fragen, ob Rose Madder hier nicht durchs Gelände streift. Auch sie hatte wunderschöne Beine! Auch sie war eine vollkommene Schönheit von den Beinen bis zum schwanenförmigen Hals! Doch – es passt zu dieser Welt. Alles hier bildet eine Symbiose zu einer dämonischen Einheit. Denn dieser Garten dient als Erholungspark für das Personal der Hölle! Ich bin im
VORGARTEN DER HÖLLE!
Weiter, langsam, sehr langsam, alles sehen, nichts weglassen, ich laufe in die Nähe der Löcher. Und bei dem Geblubber stelle ich mir vor, wie in der prächristlichen Zeit die Maoris ihre Nahrungsmittel hier garen ließen und dabei den Teufel angefleht haben, ihnen ihr Heil nicht zu versagen und ab und an auf die Erde zu kommen, um sie in eine Ekstase zu versetzen, damit sie ihre Laster ihm zu Ehren frönen konnten; das Personal kam für ihn – der Himmel war dann immer erfüllt von schwabbeligen kreischenden Abzessen und in blutroten Feuerkranz getauchten, mit Magnesium besprenkelten und darum gleißenden bohnenähnlichen Stecken, an denen konvexe Aureolen hausten. Wehe dem, der da mit einem Kreuz am Hals über die Insel schritt.
Plötzlich beginnt es zu regnen. Und ich bemerke, rund um mich herum ist alles ruhig, niemand streicht noch durch den Park. Wenn das Wasser hochspritzt, wenn einer vom Personal der Hölle vor mir auftaucht, dann wäre nur ich hier. Allein! Kein menschlicher Rettungsanker in Sicht! Keine Möglichkeit zu entkommen! Dann würde es sich für mich vielleicht erledigt haben! Und durch den Regen wird alles noch trister, versinkt in Grau, wird farblos, ist geeignet für dieses Szenario. Doch ich kann nicht anders, ich muss – langsam – weitergehen.
Ich komme zu einem Platz, welcher Sodom und Gomorrha genannt wird. In der Bibel steht geschrieben, dass Sodom und Gomorrha zwei Städte waren, deren Bevölkerung so sündigte, dass sie von Gott niedergebrannt wurden – Bevölkerung und Städte. Und hier liegen Löcher vor mir, deren Grund ich trotz so weit wie möglichen Herangehens nicht sehen kann. Nur den Nebel, der aus ihnen aufsteigt, kann ich gewahren. Der auch schwarz ist und blubbernd droht, zu jedem Zeitpunkt in den Himmel hinaufzusteigen zu einer Person, die ich niemals treffen möchte.
Meine Phantasie droht, mich zu zerbrechen. Nur schwer kann ich mich von dem Anblick trennen.
Das letzte sind die "Sulphur Christals". Eigentlich nicht schrecklich; aber die Erinnerung an den Rest des Gebietes trägt zur Inspiration bei: Ich sehe auf diesen Kristallen eine Figur, welche eine auf einem Sockel befindliche Schüssel hält – als wenn sie etwas kredenzen möchte.
Wer ist derjenige, der was gereicht bekommt?
Ich komme zurück zum Eingang. Der Regen hat sich stakkatisch verflüchtigt und das Café – es ist zugeschlossen. Niemand ist mehr hier?? Ich bin allein!! Was jetzt?? Wenn jetzt die Hölle aufbräche, niemand wüsste, wo ich bin, niemand könnte mir helfen, ich müsste allein den ungewissen Gang in die Unterwelt antreten! – Ich muss herausfinden, wie die Tür zu öffnen geht.
Nach einer Weile – Oder waren es Wochen, Monate, Jahre? – klappt es endlich. Und hier ist das Bildnis des Teufels, das durch den Regen etwas begossen aussieht. Über dieses Bildnis habe ich, als ich hier eintrat, noch gegrinst. Doch jetzt?
Ich springe über eine Kette, welche den Ausgang zur Freiheit versperrt, und verlasse diese Welt.
Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, bleibt ein Narr sein Leben lang.
(Martin Luther)
InNominePadres etFilii etSpiritus sancti –Amen!
Sonnabend morgen. Früh 6.30 Uhr. Ich recke mich und strecke mich, mach aber kein Häuflein hinter mich, dafür: Raus … aus Morpheus Armen, aus dem Bett, aus dem bisherigen Leben – eben raus, weil ich heute auf einen Wochenendausflug gehen werde, mich da abseile in eine Höhle durch einen Wasserfall, dann in der Luft abstürze, wobei ich aber am Bungy-Seil hänge und zum Schluss mit dem Schlauchboot fahren werde durch brodelndes, schäumiges, spritzendes Wasser, das sich dabei um große und kleine Felsbrocken drumrum windet und keinen Wettergott und keinen einen retten wollenden Delphin vorbeigucken lässt.
Um halb acht verlasse ich das Haus und frage mich belustigt, ob ich es jemals wiedersehen werde. Auch im Fitnesscenter und in der Schule erzählte ich, dass – sollte ich am Montag nicht erscheinen, ich irgendwo auf dem Grund liege, den Fischen „Guten Tag!“ sage. Lachen erntete ich dafür, und ich selber nehme meine Aussage auch nicht so ernst. Doch … beim Abseilen … das Seil, das mich halten soll, – „Huuauuhkrrh!“ Bungy–Jump: das Blut … zu Kopf, die Bänder um die Beine – Schluck! – die könnten … „Aaaaaah!“ White–Water–Rafting – die Gischt macht mich blind, die dortigen Piranhas … Zugang zur Lunge entdeckt, daran festgebissen, knabbern ab … brüllende Fluten schlagen über einem zusammen .. dann … Aber ich beschließe, mich erst an Ort und Stelle darüber zu ängstigen, mir jetzt noch keine Platte zu machen. Denn im Grunde genommen – ich liebe das Risiko – Risk is my life! – und hier wird es mir frei Haus geliefert!
Ich komme an der ersten Station, dem Abseilen, an. Und dort darf ich feststellen, wie der dortige Oberhäuptling – er spricht mit meinem Reiseleiter, schaut mich dabei dauernd an, spricht sehr schnell (englisch), und da mein Verstehen noch nicht das Beste ist, verstehe ich nur – wenn überhaupt – die Hälfte. Aber soviel … sein Gesichtsausdruck: Nein! Er will mich nicht haben zum Abstieg! Nicht mich! Alle anderen ja! Aber nicht mich! Dampfkessel-Überpfeifen! Brodeln … die Säfte in mir … „Schwapp! Schwapp!“ – Läuft er über? Heb ich gleich ab wieein Hub-Schrapp-Schrapp, bei dem man vergessen hat, ihn zu fixieren?
Mein Reiseleiter erzählt mir eine Weile später, dass … er – der Oberhäuptling – „Rrrrh! Er! … Er! … Er! …“ – er traut es mir nicht zu, diesen Gang durchzustehen. Und außerdem müssten immer drei Personen daran teilnehmen, aber … nur ich!
Jetzt … jetzt … jetzt … ich koche innerlich, äußerlich, überall! „Gluck, gluck, gluck!“ Bläschen steigen auf, die Erde stöhnt wegen dem seismischen Beben – auf diesen Bestandteil des Trips habe ich mich so gefreut, bin völlig darauf fixiert! Und ich aufgeben, weil das der Oberhäuptling so will? Nein!
Ich erkläre meinem Reiseführer, dass ich mir die Aktion voll zutraue und dass ich durch meine Behinderung gegenüber anderen den Vorteil habe, dass ich immer zuerst schaue, was ich mache, dass ich nicht gedenke, auf irgendwelche Stimmen – die immer nur „das Beste“ wollen wie das Ekelpaket Lehrer damals im Krankenhaus oder wie die vertrocknete Schnalle damals im Heckwasser des Lehrers, die der Meinung war, dass ihr irgendwelche psychologischen Bücher geweissagt hatten, einen Krüppel müsse man auf das Schärfste belügen, damit er sich momentan nicht aufregt und einen Herzkasper mit angelegten Ohren kriegt – zu hören und dann diese vielleicht auch noch zu befolgen. – Nein! Ich will das machen! Ende der Durchsage! – Mein Reiseführer akzeptiert dies auch, erklärt aber, dass da noch nach wie vor das Problem mit den drei Personen bestehe. Doch … Lunte, jetzt alles!
"Dann bezahle ich eben für drei!" Definitiv.
"Wollen Sie das wirklich? Es sind immerhin hundert Dollar mehr!"
Kurz flackern in mir Zweifel auf. Doch dann nicke ich, nicke mit entschlossenem Gesicht.
Er geht es klar machen.
Frische Luft um mich drumrum, sonnig. Vögel zwitschern, Grillen zirpen, Bienen schweben fast lautlos zur nächsten Farnblüte, um diese zu befruchten. Vorn legt sich eine Reh–Ricke auf das saftige Moos in Erwartung dessen, dass die Böcke ihren Kampf um sie ausgetragen haben. Oben kann man durch die Wipfel der Bäume fast nur ahnen, dass kaum ein Federwölkchen über das Firmament jagt. Es ist so angenehm warm, als wenn ein intensiver Sonnenstrahl auf eine von Ambrosia benetzte Wange trifft, die dabei von Apollo seinem Odem umspielt wird. Und unten … Ich stehe auf einem Board, welches … nicht mal einen halben Schritt breit. Und … glatt, scheinbar seifig, rutschig. Schwarzes, felsiges Loch. In der Ferne brüllt es auf, als wenn ein Zyklop gerade von einer Wespe gestochen wurde. Staub spritzt zwischen den Felsspalten in die Höhe.
Ich bin angebunden, zwar, habe jedoch alles … die ganze Verantwortung über meine Gesundheit, mein Leben, mein Dasein in meiner rechten Hand liegen – die mal vollständig gelähmt war –, denn mit der habe ich das Seil abzubremsen. Darf ich mich in ihre Obhut begeben? Ihr vertrauen? Mich auf sie verlassen?
„Jetzt Füße vom Board nehmen und im Freien hängen lassen!“
Ich will dem Folge leisten – doch … nein, es klappt nicht! Ich soll mich zurücklehnen – doch … auch das klappt nicht! Ich gehe auf die Knie, um abzuspringen, dadurch vielleicht wegzukommen – doch … das soll ich nicht!
Plötzlich weiß ich, warum es bei mir nicht klappt: Ich bin zu weit nach vorn geschnallt! Dadurch liegt die ganze Last auf den Zehenballen! Ich gebe dem Seil ein bisschen Nachschub. Doch … das soll ich nicht tun! Ich tue es trotzdem und lasse Richard – dem Oberhäuptling – wissen mit Nachdruck, dass es so sein müsse. Und … ja! Leere. Ich schwebe.
Plötzlich – stoße mit dem linken Schienbein gegen das hölzerne Board! – „Aaaaaaaauuuuuuuuuuuuuuh!“ Instinktiv lasse ich das Seil los und greife schnell nach dem Board.
Schrei: "Nicht das Seil loslassen! Nicht nach dem Board fassen!", erschreckt über mir.
Ich lasse wieder los. Greife nach dem Seil. Fasse ins Leere aber! Board zu weit weg! Wände zu weit weg! Kein Vorsprung zum dranlehnen! Kein Balken zum Umarmen! Kein … nichts! Ich rausche! Nach unten! Dem felsigen Boden von dem Loch zu! Er … größer, immer mehr, immer näher!
Unten.
Der Mann, der unten auf mich wartete, hatte das Seil gestoppt, so dass ich jetzt wieder große Sprüche faseln kann. Doch … noch raus aus dem Loch. Und … wieder glatt, schlierig gewichst, rutschig, ein nasser Boden, ich laufe auf allen vieren wie eine sabbernde Bulldogge, der das schwingende Spielzeug vor die Nase gehalten wird. Denn ich verspüre keine Lust, unsanft auf dem felsigen Boden zu landen und dann vielleicht wieder auf den Grund der Höhle abzurutschen.
Schließlich zeigt sich mir wieder das Tageslicht. Und obwohl wir nicht durch einen Wasserfall geklettert sind – Richard wollte das Risiko nicht eingehen –, ja, der erste Teil meiner Adventure–Reise: schön, ich lebe noch, ich danke Richard und dem Unterhäuptling, dass sie meinem jugendlichen Leichtsinn das Leben gerettet haben, der Natur, den Abenteuermöglichkeiten. „Yes, Sir!“
Bungy–Jump. Wir halten, befinden uns aber noch nicht am Ziel. Ich muss allerdings auf die Toilette. Und als ich wieder zurück, … Wo ist er hin?
Der Bus – wo?
Ich … nein, nein … erstmal Lage sondieren, dann sehen wir weiter! Mein Blick kreist über alles, jede Erhebung, jeden Hügel. Feststellen. Könnte ja sein, er ist … steckt irgendwo in einer Kuhle, … nicht mehr hier! … verbirgt sich irgendwo dahinter. Da! Dort vorn: Zwei Mädchen. Japanische Mädchen, die auch im Bus waren! „Na ja, kommt der Bus nicht, könnte man … “
Ich trete zu ihnen, frage, was hier los ist. Doch sie – ich rede doch englisch – sie verstehen mich nicht … wiedermal. Obwohl. Und bei ihnen bin ich mir ganz sicher, dass es nicht nur an meinem strengen Akzent liegt. Aber ich bin jetzt informationshungrig, darum wiederhole ich es noch einmal und fange an, es zu buchstabieren.
Schließlich hat es ihr schönes, aber nichtssagendes Friede-Freude-Eierkuchen-Lächeln umschifft und ich erfahre von ihnen, dass sie hier abgesetzt wurden, weil sie nicht am Bungy-Jump teilnehmen, zu viel Angst davor haben. Und „Bla bla bla.“ Insgesamt also: „Sch…eunenfresser kommen eher in den Himmel!“
Ich schaue mich um, was hier abläuft und entdecke ein sehr, sehr schnelles Boot, welches Passagiere an Bord hat und eine Speed-Tour mit ihnen macht. Auch entdecke ich ein Büro, von dem aus bestimmt alles organisiert wird.
Drinnen werde ich von einer hübschen, freundlichen jungen Frau angehört; und nach einem Anruf sagt sie mir, dass ich in einer halben Stunde abgeholt werde.
"Aber eigentlich könnte ich doch, wenn ich so lange warten muss, eine Bootstour mitmachen!", bemerke ich so ganz nebenbei.
„Na eigentlich könntest Du auch rüber kommen und an mir bisschen rumspielen!“, entgegnet sie nicht – leider. Dafür: "Tut, mir leid, wir sind schon ausgebucht!" Tiefes Bedauern quillt dabei aus ihren schokoladenfarbigen Äuglein. Oder hat sie es doch gesagt?
"Scheiße!“ – Die ganze Zeit habe ich mich bemüht, dieses Wort zu vermeiden, doch jetzt ist es doch raus wie ein Drängel-Furz aus der Musrinne. Aber – sie kann ja kein Deutsch – hoffe ich.
Sie reagiert darauf, woran ich merke, dass sie doch ein bisschen Deutsch spricht. Fällt mir aber nicht um den Hals – natürlich –, steht vielmehr auf und runzelt die Stirn.
Ich Böser aber auch. Tja: Bad Boy! Wiedermal!
Eine halbe Stunde später fährt sie mich rüber. Die Zeit vorher, als ich warten musste, … Hihi! Den Bürofrauen wird es sehr Recht sein, dass ich verschwunden bin. Und auch das Exemplar neben mir … es ist mich ja bald los! Denn – ja, wirklich: Ich Böser aberauch! – ich ging ihnen auf den Geist, auf den nicht vorhandenen Sack wie eine Made im Speck, die die Leckerbissen rausfrisst. Ich wollte unbedingt an so einer Bootsfahrt teilnehmen und sie kannten mein verquasseltes Mundwerk noch nicht. Sie fragten mich sogar, ob alle Deutschen so wären wie ich. "Nein, nur ich!" Da war ich mir ganz sicher! „Also, liebe Deutsche, ich hab Euch mal wieder mit Ruhm bekleckert! Ihr dürft mich ruhig lobpreisen!“