Die Vorfahren der Nachfahren - Gerhard Pelzer - E-Book

Die Vorfahren der Nachfahren E-Book

Gerhard Pelzer

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Beschreibung

Korsika im Jahre 1962. Die makellose Schönheit dieses tanzenden Lichtes war wie eine Theateraufführung, in der er immer gegenwärtig war. Es war etwas Erdachtes von Erlebtem, in dem er eine Rolle einnahm, aber nie mitspielte. Dieses Licht war mit ihm mitten unter den Menschen, die er einmal gekannt hatte, die einmal eine Bedeutung in seinem Leben hatten. Und er sah auch alle jene, die vor ihm in seinem Haus lebten, seine Vorfahren. Er taucht sein Gesicht tiefer ins Wasser hinein. Zeit und Raum verschwinden, nur dieses Licht erzählt. Es führt und begleitet ihn bei seinen Reisen in die Jahre vor und nach seiner Geburt. So entschwand René an diesem Morgen der Realität des weltlichen Seins, tauchte ein in die schillernde Welt der anderen Seite, wo sein Leben zeitlos und ohne räumliche Beschränkung existierte.

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Seitenzahl: 132

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Korsika im Jahre 1962.

Die makellose Schönheit dieses tanzenden Lichtes war wie eine Theateraufführung, in der er immer gegenwärtig war. Es war etwas Erdachtes von Erlebtem, in dem er eine Rolle einnahm, aber nie mitspielte.

Dieses Licht war mit ihm mitten unter den Menschen, die er einmal gekannt hatte, die einmal eine Bedeutung in seinem Leben hatten. Und er sah auch alle jene, die vor ihm in seinem Haus lebten, seine Vorfahren. Er taucht sein Gesicht tiefer ins Wasser hinein. Zeit und Raum verschwinden, nur dieses Licht erzählt. Es führt und begleitet ihn bei seinen Reisen in die Jahre vor und nach seiner Geburt.

So entschwand René an diesem Morgen der Realität des weltlichen Seins, tauchte ein in die schillernde Welt der anderen Seite, wo sein Leben zeitlos und ohne räumliche Beschränkung existierte.

Die Vorfahren der Nachfahren ist ein Roman, der uns weit in die Zeit um 1755 zurückbringt. Zeit und Raum verschwinden, nur dieses Licht erzählt, es gibt nur eine Jetztzeit, einen nach menschlichen Maßstäben nicht definierten Moment, der zugleich Zukunft und Vergangenheit sein konnte. Das Verweilen an einem Ort und die Art des Seins waren nicht der Zeit, sondern dem Wunsch und Willen folgend.

Die Menschen werden

durch Menschen gemacht,

wie sie sind.

(Zitat des Autors, v. 25.12. 2024)

DiesesBuch istallengewidmet,

die immer da waren.

wenn man sie nicht gerufen hatte,

und

die immer für einen da waren,

wenn man sie brauchte.

Inhalt

Sein Haus

Die Mutter

René

Der Freiheitskampf

15. Juno 1755

Die Gefangenen

Die Wende

Das Fest

GerhardPelzer

Die Vorfahren

der

Nachfahren

Roman

Sein Haus

Der Vorhang an seinem Fenster war zu dieser Jahreszeit immer offen. Die ersten Strahlen der Sonne sollten ihn aufwecken, obwohl er wusste, dass die eigene Uhr noch zuverlässiger war als die so geliebte Morgensonne. Noch niemals in den vergangenen Jahrzehnten hatte er eine Uhr benutzt, auch nicht dieses wunderschöne Exemplar einer goldenen Taschenuhr mit Kette, die sein Vater ihm vererbt hatte. Er verließ sich lieber auf seine Uhr, die in ihm war, die ihn führte und weckte.

Ohne langes Aufsehen stand er auf, rieb sich mit den alten Fingern die Augen, wusch sich kurz mit kaltem Wasser aus einer Karaffe und zog sich an. Sein Haar blieb ungekämmt, wie er es einst vor langer Zeit zu tragen pflegte. Bis zu einem gewissen Grad war auch deshalb ein begehrenswertes Gefühl in seiner Erinnerung vorhanden, das ihm die Kraft zum Leben gab.

Das Alleinsein war nicht immer die bevorzugte Art seines Lebens, es hatte sich so ergeben und erfüllte ihn und die wenigen Erwartungen. Sein Leben war so beständig und verwurzelt wie die Olivenbäume, die seine geliebten Hügel überzogen. Sein Haus, das Haus am Meer, lag oberhalb einer von der Natur geschaffenen Bucht mit schroffen, aber auch glatten Felsformationen. Einst hatte der Vulkan auf der vorgelagerten Insel, weit draußen vor der Küste, sie als glühende Lava an Land gespült. Das heiße Gestein aus der Tiefe der Erde war die Schöpfung, die Spuren hinterlassen und zerstört hatte, um Schönes zu schaffen, um vom Leben zum Leben zu wandeln. Den Wassern des Meeres zur Gestaltung übergeben, hatten diese die wilden Steilküsten und Berge in ein malerisches Einöd mit wunderschönen Stränden und türkisfarbenem, glasklarem Wasser verwandelt.

Die ewige Brandung der Wellen schaffte zeitlose Wunder, um hier Gewachsenes zu behüten und zu erhalten. Natürliche Pfade waren entstanden und an manchen Stellen schien es, als wären Treppenstufen hinunter zum Strand in den Fels geschlagen worden. Das machte es den Menschen, die da kommen sollten, einfacher, den Fischfang zum Haus zu bringen, um dann oben auf den Klippen, gesalzen in Netzen, in der Sonne ausgelegt und durch den Wind getrocknet zu werden.

Einst lebten seine Eltern, Großeltern und Urgroßeltern in diesem massiven Haus aus beschlagenen Felsblöcken, das vor nunmehr fünf Generationen im frühen 18.Jahrhundert von ihren Bewohnern errichtet worden war. Im Innern des Hauses hatten sie überwiegend Steine, Holzverkleidungen oder Lehmputz als traditionelle Baustoffe verwendet. Fußböden und einfache Möbel waren, wie überall auf der Insel, aus Holz gefertigt.

Die Öffnungen für Türen und Fenster hatte man mit nahezu perfekt behauenen Felsbrocken und kunstvoll geformten Segmentbögen für die Träger gestaltet. Die doppelten Fenster mit ihren dunkelbraunen Verschlägen passten ins Bild, als wären sie von der Natur dazu bestimmt worden. Das Dach hatte nur eine leichte Neigung, mit von Hand geformten, roten Dachziegeln. Einen Dachboden gab es nicht, das Dach bildete die Decke der Stuben im oberen Stockwerk.

Ein etwa drei Meter hoher Anbau mit eigenem Dach auf der westlichen Seite des Hauses diente als Lagerraum für Vorräte. Zwei größere Anbauten waren für die Landwirtschaft mit Getreide, Oliven und Wein und für die Viehzucht von Schafen, Ziegen und Schweinen in der Nähe des Hauses gebaut worden.

Er liebte dieses Haus. Die Bauweise mit aus Felsen gehauenen Steinen erinnerte ihn an die Kunstwerke der alten Meister in den frühen ägyptischen Dynastien sowie an die den gesamten Mittelmeerraum beherrschende römische Kultur. Einige seiner Bücher, die von diesen Geschichten aus der Frühzeit erzählten, faszinierten ihn schon immer.

René hatte das Haus im Jahre 1935 bezogen. Seine Schwester lebte als einzige seiner Familie noch, hatte jedoch mit ihrem Mann ein Haus in Kalabrien bezogen und kein Interesse an dem Haus der Vorfahren gezeigt. Für die Renovierung hatte er sich lokale Handwerker gesucht, die mit der gebotenen Sorgfalt die Substanz des alten Hauses erhalten würden.

Drei Zimmer plus Haushaltsräume sollten es werden. Die frühere große Wohnstube wurde in eine Bibliothek umgestaltet. Die Zimmerleute fertigten neue Regale aus altem Holz, das er im kleinen Schuppen unter brüchigen Stoffplanen gefunden hatte. Teils sehr alte Bücher vergangener Zeiten, sowie die vielen Bücher aus seiner Studienzeit fanden hier eine neue Bleibe. Wissenschaftliche Werke großer und berühmter Autoren, aber auch namenlose Werke, die einmal eine Bedeutung hatten, reihten sich ein neben unzähligen Studien zum Thema Aufbruch im beginnenden 20. Jahrhundert.

Das Vermächtnis seines Vaters bestand aus Büchern, verstaubten Bildern, teils vergilbten Skizzen und Bruchstücken von Dokumenten der Familie, die mit Verzweigungen bis weit in das 15. Jahrhundert zurückreichten. Dieser Baum der Familie Rocca, wie er immer genannt wurde, zeigte die Spuren von Vorfahren, die sich mehrheitlich auf Korsika niedergelassen hatten. Einige wurden auf dem benachbarten Sardinien heimisch, ganz wenige hatten auf dem Festland gesiedelt.

Seine Großeltern, namentlich sein Großvater, hatten ganze Sammlungen von frühen Enzyklopädien erworben. Der in diesen großen Büchern mit ihren verzierten Buchrücken und der Goldschrift gesammelte Stand des Wissens des späten 18. Jahrhunderts war von unschätzbarem Wert. Die wirkliche Schatzkiste war aber wohl die bedeutendste Kollektion noch älterer Bücher, Schriften in kunstvollen Hüllen, Zeichnungen und Skizzen von Menschen früherer Generationen und eine Sammlung von postalischen Dokumenten.

Er war stolz auf seine neue Bibliothek und verbrachte so manche Stunden mit Lesen in diesen so geliebten Nachschlagewerken der Geschichte.

Nebenan, in der alten Kammer seiner Schwester, auf der zum Meer und dem Licht zugewandten Seite fand seine Staffelei mit allem, was man für wirkliche Liebe zum Malen benötigte, eine perfekte Bleibe.

Das Entstehen eines jeden Kunstwerkes mit Kohlestiften oder Ölfarben war wie ein Meilenstein im langen Weg der Zeit. Seine Sammlung umfasste viele solcher markanten Schöpfungen, wie er sie gerne nannte. Er hatte bewundernswerte Kunst entstehen lassen.

Jedes Werk hatte seinen eigenen Charakter und war immer Ausdruck eines Ereignisses oder Umstandes, der es verdiente, in Öl verewigt zu werden, wie er immer sinnreich bemerkte. Das Mischen der eigenen Farben stand am Beginn einer jeden künstlerischen Schöpfung. Eine besondere Technik erforderten seine beiden Lieblingsfarben, die er turchese für das alles durchdringende türkisfarbene Wasser und marciume ardente für das brennende rote Spektrum nannte. Sie waren das Herz für die so mannigfaltigen Werke, wo das Licht die Herrschaft über alles in die Natur hinein malt.

Die Küche mit offenem Feuer und einem alten Gussofen war das Schmuckstück des Hauses. Selbst die etwas in die Jahre gekommene Vitrine mit kleinen Türen und Butzenscheiben und dem für ihn erhaltenswerten Geschirr bereitete ihm sehr viel Freude.

Seit er sich erinnern konnte, liebte er schon immer das Kochen. Seine Mutter war neben der Arbeit auf den Feldern auch für ihre Schafe und Ziegen und den Haushalt zuständig. Eine wahre Künstlerin im Mittelpunkt des Hauses, in ihrer wohl einfachen, doch einmaligen Küche. Überall Regale mit diesen alten Töpfen und Schüsseln. Über dem offenen Feuer hing ein riesiger Topf mit heißem Wasser an einem großen Haken mit Kette an der Stubendecke. Gleich daneben stand, wie seit scheinbar ewigen Zeiten, das Schmuckstück der Küche, der Backofen. Auf der anderen Seite war eine Art Holzlager mit Scheiten auf den unteren Ebenen und dünnerem Reisig auf einem Regal darüber. Und alles war in Harmonie, wirkte zusammen gehörig und trug so maßgeblich zu seiner Liebe für dieses alte Haus bei.

Manchmal glaubt er heute noch immer den Duft der Suppen im Haus zu haben, mit dem frischen Thymian und Oregano. Die Eintöpfe mit Lammkeulen waren oft mit Lavendel und getrocknetem Salbei verfeinert. Eigentlich gab es nie ein Gericht, dass nicht zu dem Tag und der Gelegenheit passte, an dem es serviert wurde.

Der kleine, sehr alte Holztisch am Fenster war von Spuren seiner Nutzer gezeichnet und wurde Teil seiner Routine im Leben. Zwei etwas in die Jahre gekommenen Stühle erweckten den Eindruck, als ob sie mit dem Tisch schon ewig verbunden waren. Die drei waren Teil einer Bequemlichkeit und Harmonie, die er bei einem verträumten Blick hinaus zum Meer so liebte. Hier konnte er sich an einem Croissant mit Spiegelei und einer Scheibe Speck am Morgen genauso erfreuen wie an einem Eintopf nach den Rezepten seiner Mutter in einer der alten Holzschüsseln zur Abendzeit.

Er war glücklich und immer in Bewegung. Diese hatte in den vergangenen Jahren mehr und mehr seine Gedanken übernommen. Manchmal plätscherte die Zeit aber auch einfach dahin.

Die Küche blieb mit allem, was sie ausmachte, unverändert.

Das Schlafzimmer, mit Waschgelegenheit und einem Panoramablick aufs Meer, hatte er im oberen Teil seines Hauses eingerichtet und war zugänglich über eine leicht geschwungene, knarrende Treppe. Einer seiner Handwerker, der Schreiner Pietro Fassale, hatte die alten Holzstücke aus Eiche, die er in der großen Scheune hinter dem Haus entdeckt hatte, kunstvoll zu einem Element des Hauses gefertigt, dass wie die Krönung einer Schöpfung glänzte.

Es gab wenige, die ihn besuchten. Sein Nachbar, ein Fischer, lebte in einer alten Hütte, weit genug entfernt, wie er fand. Er mochte ihn schon immer, einen einfachen, gemütlichen Menschen, doch er war der Flasche zu oft zu nahe. Marcel war elf Jahre jünger als er. An manche gute und lustige Zeiten mit ihm erinnerte er sich gerne.

Als kleines Kind kam Marcel oft zu seiner Mutter, die er manchmal Tante Rocca oder Tante Letizia nannte. Klein und etwas unbeholfen, aber sehr fleißig, half er, die Schweine und Schafe zu füttern. Renés Mutter war wie eine gute Tante zu dem etwas abgemagerten Jungen, dessen eigene Mutter früh verstorben und dessen Vater die Familie mit fünf Kindern, 2 Jungen und drei Mädchen, allein versorgen musste.

Seine Hilfe wurde von der Tante Letizia oft mit getrocknetem Fisch und einem Holzkrug mit frischer Ziegenmilch belohnt, den er, noch warm, schnell nach Hause brachte.

Als er einmal viel zu hastig und zu schnell über Stock und Stein nach Hause lief, brach er sich den linken Unterarm. Seine Tante Letitzia hatte ihn gefunden, weil sie aus einem unbekannten Grund spürte, dass etwas nicht rechtens war.

Sein kleines Gesicht, voller Tränen und zerkratzt, saß er auf einem Felsen und schluchzte fürchterlich.

»Tan…te Letitzia, ..ich bin gestürzt … und schwer ver…letzt, die Mi..lch ist weg, die Kan..ne auch, und den Kä..se fi..nde ich auch n..icht me..hr.«

Meine Mutter nimmt ihn in den Arm, tröstet ihn und sagt:

«Na komm, kleiner Mann, wir kriegen das schon wieder hin, komm mit zu mir. Ich werde René bitten, mit frischer Milch, Käse und Brot zu deinem Vater zu gehen, sodass er sich nicht sorgen muss.«

Sie pflegte und verband seinen Arm, nachdem sie ihn wieder eingerenkt hatte, und wusch sein knabenhaftes Gesicht. Sie brachte ihn zu Bett, wo er bis zum Morgen träumte. Und Marcel, er lächelte sie nur an, war selig und glücklich und dankte es ihr mit einer lebenslangen Freundschaft.

René brachte die Milch und die anderen Sachen zu Marcels Vater, Gino Alkuto den er bislang nur selten gesehen hatte.

Die älteste Schwester von Marcel, Veronica, öffnete die etwas marode Tür zu der einfachen Hütte und bat ihn freundlich, doch einzutreten. Sofort erklärte er die Abwesenheit von Marcel, und alle waren dankbar und froh, dass ihm nichts Schlimmeres zugestoßen war. Signore Gino war ein sehr freundlicher Mann, dem der Tod seiner Frau und die Alleinerziehung seiner Kinder sichtbare Spuren gezeichnet hatten.

Mit welcher Freude und Dankbarkeit Marcels Geschwister René einen Stuhl am Tisch in der Stube anboten und ihm auch einen Becher für warme Milch gaben, beeindruckte ihn sehr. Sie waren so einfach in ihrer Art und doch schon so weise in ihrem jungen Leben. Diese Erfahrung in diesem Frühsommer des Jahres 1888 sollte einen großen Teil seines späteren Berufslebens beeinflussen.

Seine Eltern hatten ihren dritten Sohn René getauft. Als er aufwuchs, erläuterte sein Großvater Ghjuvanni ihm einmal, dass sein Name der Wiedergeborene bedeutet und er diesen Namen für ihn ausgesucht habe. Seine Mutter Letizia habe dann nur gesagt, dass er aufhören solle, dem Kind einen solchen Unsinn zu erzählen. Großvater habe dann seiner Mutter einen Blick zugeworfen, der mehr sagte, als Worte vermögen, doch das verstand René damals noch nicht.

In jungen Jahren teilte er sich eine Stube mit seinen älteren Brüdern, die ihn beschützten. Sie lehrten ihn, die Ziegen zu melken, das Stroh in den Ställen zu wechseln und die Schweine zu füttern. Es gab gelegentlich mal kleine Zwistigkeiten und eigentlich nur Streit, als er eines Tages ein kleines Ferkel, das er vor dem Schlachtmesser seines Großvaters beschützen wollte, in einem der Olivenhaine versteckte.

Er hatte ein fast inniges Verhältnis zu seinem Lieblingstier entwickelt und sich zu seinem Beschützer ernannt. Das Ferkel war gerade erst 6 Monate alt, rosa Fell, kleines Ringelschwänzlein, ganz süße Ohren und diese quiekenden Geräusche, die aus seiner Schnauze kamen, René verstand sie alle. Er würde lieber auf Schweinefleisch verzichten, als das arme Ferkel eines Tages als Schwein in einem Suppentopf zu finden. Großvater und Mutter benötigten lange und viel Überzeugungskraft, um ihm die Realitäten eines Lebens als Farmer auf Korsika zu erklären.

Schon in frühen Jahren entwickelte er einen Hang zu Erklärungen, die nicht einem Standard folgten, sondern Hintergrundwissen zum Besseren bereithielt, um gerechter zu sein.

Seine Mutter und seine Familie hatten von Anbeginn einen sehr hohen Stellenwert in seiner Entwicklung. Alles interessierte ihn, wann, wer lebte, wie sie hießen, wie viele Kinder sie hatten, wie hießen die Kinder, wie lebten sie?

Großvater Ghjuvanni war die einzige Quelle für die Antworten, und der wusste eine ganze Menge, aber nicht alles. René aber wollte immer alles wissen. Bis zu einem gewissen Grad muss der Großvater gewusst haben, dass sein Enkel einmal ein Wissenschaftler werden würde.

Wie in all den Jahren vorher ging René in den späten Augusttagen vor Anbruch des Tages und vor Sonnenaufgang runter ans Meer. Er liebte diese frühen Morgenstunden. Das hatte er sich so angewöhnt, weil diese Zeit immer sehr erfüllend und erfolgreich war, als er noch mit seinem kleinen Kutter hinausfuhr, um zu fischen. Die See war auch heute wieder ruhig, lange Wellen liefen mit einem fast gemütlichen Plätschern zum Strand, als ob sie spielen würden. Friedlich würde es für die nächsten Stunden sein.

Sein Boot, ein wenig heruntergekommen und pflegebedürftig, lag immer noch gut verzurrt am Sandstrand und geschützt hinter den Felsen. Er hatte es schon länger nicht mehr benutzt. Bis zu einem gewissen Grad hatte es seine Bedeutung für ihn verloren. Es war gegenwärtig und trotzdem aus vergangenen Tagen, und es passte zu ihm.