Die Wahrheit über Asperger-Autisten - Günter Förster - E-Book

Die Wahrheit über Asperger-Autisten E-Book

Günter Förster

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Beschreibung

Günter Förster wurde 1957 in Nauheim im Kreis Groß-Gerau geboren. Schon immer war es sein Wunsch, eines Tages ein Buch zu schreiben. Weil ihm Beruf Familie und Hobbys genug Zeit ließen, konnte dieser Wunsch vor einiger Zeit Realität werden. Er wählte damals eines seiner seit Kindheitstagen beliebten Themen: Zeit und Raum. Das Schreiben und Veröffentlichen hatte viel Freude bereitet, aber ein weiteres Projekt war nicht geplant. Das änderte sich, als ihm immer mehr bewusst wurde, wie sehr Asperger-Autisten immer öfter im Gespräch sind. Und wieviel Wissen, aber auch Unwissen, darüber verbreitet wird. Sein eigener, längst erwachsener Sohn, ist Asperger-Autist. So entschloss er sich kurzerhand, auch über dieses Thema ein Büchlein zu verfassen. Das Besondere an diesem Buch ist, dass es aus Schicht des Sohnes erzählt wird. In dem Buch wird ausführlich auf die medizinischen Symptome eingegangen. In erster Linie wird aber vermittelt, wie die alltägliche Sicht auf die Welt und deren Wahrnehmung, aus der Perspektive von Betroffenen aussieht. Oder besser, aussehen kann, weil, wie bei allen Menschen, kein Asperger dem anderen gleicht. So sind Verhaltensweisen von Aspergern in Art und Intensität sehr unterschiedlich. Nicht zuletzt wird deutlich gemacht, welche Überraschungen das Leben für Eltern bereithält, die ein Kind mit Asperger-Syndrom haben. Sie werden Alltagserlebnisse und Verhaltensweisen so konkret lesen, wie Sie Ihnen kein Arzt schildern wird. Manches wird vielleicht Resignation, Trauer, ja sogar Wut hervorrufen. In diesen Momenten wird es sinnvoll sein, sich vor Augen zu führen, dass der Asperger für sein Verhalten oft nichts kann. An anderen Stellen wird sicherlich Staunen und Bewunderung aufkommen. Und so manche Anekdote wird Sie auch zum Schmunzeln bringen. Nach der Lektüre dieses durchaus auch als Ratgeber zu verstehenden Buches werden Sie sicher ein ganz anderes Bild über Asperger-Autisten haben als zuvor.

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Günter Förster, 1957 in Nauheim, im Kreis Groß-Gerau geboren, schrieb vor einiger Zeit sein erstes Buch über eines seiner liebsten Themen: Zeit und Raum. Sein eigener, längst erwachsener Sohn, ist Asperger-Autist. So entschloss sich Förster kurzerhand, auch über dieses Thema ein Büchlein zu verfassen. Das Besondere an diesem Buch ist, dass es aus Schicht des Sohnes erzählt wird. In dem Buch wird ausführlich auf die medizinischen Symptome eingegangen. In erster Linie wird aber vermittelt, wie die alltägliche Sicht auf die Welt und deren Wahrnehmung, aus der Perspektive von Betroffenen aussieht. Oder besser, aussehen kann, weil, wie bei allen Menschen, kein Asperger dem anderen gleicht. So sind Verhaltensweisen von Aspergern in Art und Intensität sehr unterschiedlich. Nicht zuletzt wird deutlich gemacht, welche Überraschungen das Leben für Eltern bereithält, die ein Kind mit Asperger-Syndrom haben. Sie werden Alltagserlebnisse und Verhaltensweisen so konkret lesen, wie Sie Ihnen kein Arzt schildern wird. Manches wird vielleicht Resignation, Trauer, ja sogar Wut hervorrufen. In diesen Momenten wird es sinnvoll sein, sich vor Augen zu führen, dass der Asperger für sein Verhalten oft nichts kann. An anderen Stellen wird sicherlich Staunen und Bewunderung aufkommen. Und so manche Anekdote wird Sie auch zum Schmunzeln bringen. Nach der Lektüre dieses durchaus auch als Ratgeber zu verstehenden Buches werden Sie sicher ein ganz anderes Bild über Asperger-Autisten haben als zuvor.

Für Bobby-Tenny, meinen längsten Begleiter

Günter Förster

Die Wahrheit über Asperger-Autisten

Ich bin anders – aber nicht blöd!

© 2019 Günter Förster

Weitere Mitwirkende: Sohn des Autors

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7497-2432-1

Hardcover:

978-3-7497-2433-8

e-Book:

978-3-7497-2434-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Alle Ereignisse, die in diesem Buch erwähnt werden, wurden nach bestem Wissen so beschrieben, wie sie sich wirklich zugetragen haben. Es wurden weder Ereignisse noch Personen hinzuerfunden. Um sicher zu gehen, keine Persönlichkeitsrechte zu verletzen, wurden die Namen aller erwähnten Personen geändert.

Vorwort

Das Syndrom

Asperger-Kriterien

Non-Neurotypische-Kriterien

Ankunft mit Verspätung

Die nächsten Jahre

Das Grundstückloch

In den Kindergarten

Spezialinteressen: Mein erstes Spezialgebiet – der Bäckerladen!

Über Spezialgebiete, Redewendungen und Ähnliches

In die Schule

Nochmal operiert

Meine Spezialinteressen

Mein zweites Spezialgebiet – Straßenbahnen!

Nie langweilig

Endlich erlöst

Noch ein Umzug

Verloren und vergessen

Von Funklöchern und Bänderrissen

Der neue Hansi und seine Lilli

Über Missverständnisse, Enttäuschungen u Strafen

Menschen sterben

2001 – ein ereignisreiches Jahr

Mama gibt nicht auf

Mein erstes Praktikum

Die Klassenfahrt

Das Geburtstagsgeschenk

Nach der Diagnose

Mein zweites Praktikum

Der Führerschein

Die Jahre in Abensberg

Zurück in der Heimat

Wer wird Millionär?

Zwänge

Meine grünen Freunde

Bücher

Und heute?

Was ich noch sagen möchte:

Vorwort

Nur dass Du’s gleich weißt: Ich bin anders – aber nicht blöd!

Viele Leute verwechseln das, weil sie keine Ahnung haben. Und das sollst Du auch gleich wissen: Dieses Büchlein hier hat mein Papa geschrieben, nicht ich selbst. Mein Papa wollte das so machen, damit Du, so hofft er zumindest, das, was er da alles aufgeschrieben hat, besser verstehst. Er wollte dadurch erreichen, dass Du die Welt möglichst so sehen kannst wie ich sie sehe, und deshalb war ich damit einverstanden. Mein Papa schrieb dieses Büchlein für alle die sich für das Asperger-Syndrom interessieren. Besonders aber für Leute, die mit Asperger-Menschen zu tun haben, und deswegen etwas darüber wissen sollten. Aber ganz besonders hat er es für Asperger-Menschen geschrieben, und sehr ganz besonders für die Eltern von Asperger-Kindern – damit die nicht immer so traurig zu sein brauchen. Es gibt nämlich ganz viele Leute die solchen Eltern Quatsch erzählen und somit Angst machen. Die behaupten nämlich einfach Asperger wären behindert – so ein Quatsch! Jetzt hast Du’s bestimmt schon kapiert: Ich bin Asperger-Autist. Du kannst aber auch einfach kurz Aspie sagen. Die Eltern und ich finden den Ausdruck Aspie viel schöner. Papa sieht das so: Asperger klingt eher steif und ahnungslos. Aspie, so meint er, klingt eher lustig und als ob man denken würde was soll‘s, der ist halt Aspie, aber nicht blöd. Deswegen sage ich ab jetzt auch Aspie und nicht Asperger.

Aspies darf man einfach ohne zu fragen duzen, ganz egal wie alt sie sind. Man darf das zum Beispiel auch bei Ausländern. Selbst wenn die schon erwachsen sind und alleine Straßenbahn fahren können, ich hab‘ das selber schon des Öfteren mitgekriegt. Bei Ausländern muss man auch zusätzlich noch so komisch sprechen – das muss man bei Aspies nicht. Zu Aspies die bereits erwachsen sind, darf man einfach Du sagen, aber kann sonst ganz normal mit ihnen reden, zum Beispiel: So wie Du das macht ist es nicht richtig, bitte versuche es mal so … Bei Ausländern muss man hingegen sagen: Das nix gut, musst Du machen so …! Oder jedenfalls so ähnlich. Auf jeden Fall finde ich das manchmal ganz schön ungerecht, dass man zu Ausländern und Aspies einfach Du sagen darf, ohne zu fragen, und deswegen sage ich in diesem Büchlein auch einfach Du zu Dir. Ebenfalls ohne zu fragen, ob Dir das nun gefällt oder nicht! Mich fragt ja auch keiner und die Ausländer auch nicht, meistens jedenfalls.

Es gibt auch freundliche Leute. Die sagen nicht einfach Du ohne zu fragen, sondern Sie. So wie es normalerweise gemacht wird unter freundlichen Erwachsenen, sagen die Sie zu Aspies und auch zu Ausländern, und das finde ich viel besser, weil es schöner ist, weil man dann ja gleich weiß, dass die nicht denken man wäre sowieso blöd. Und diese freundlichen Leute sprechen zu Ausländern meistens auch ganz normale Sätze, das finde ich viel schöner. So, jetzt erkläre ich Dir aber erst einmal, was ein Aspie überhaupt ist.

Das Syndrom

Es gibt zwei verschiedene Arten ganz normaler Menschen. Bei beiden dieser Menschenarten gibt es manche sehr schlaue, viele schlaue, sehr viele normale und ein paar doofe. Das macht also keinen Unterschied. Die beiden Arten verhalten sich aber unterschiedlich, und deshalb denkt die eine Art oft, die Leute der anderen Art wären alle doof und umgekehrt. In Wirklichkeit können die Leute aber gar nichts dafür zu welcher Art sie gehören, weil das schon von Geburt aus gesteuert ist. Die eine Art sind Asperger-Autisten, also Aspies, und die andere Art sind die Anderen. Du würdest vielleicht sagen die Normalen, aber wie ich Dir ja eben erst erklärt habe, wärst Du dann nicht korrekt. Deshalb halte ich es für sinnvoller diese Leute als neurotypisch zu bezeichnen. So nennt man seit einiger Zeit Leute, deren neurologische Entwicklung mit dem übereinstimmt was die meisten Menschen als normal – zum Beispiel bezogen auf ihre Sozialkompetenzen – ansehen. Man könnte auch sagen: Wer wie die Masse ist, ist neurotypisch.

Genau genommen kann man die Anderen, die Keine Aspies sind, auch noch unterteilen in verschiedene Gruppen: Manche haben zum Beispiel eine unheilbare Krankheit und manche nicht. Es gibt auch verschiedene Autisten, aber die um die es hier jetzt geht, sind die Aspies. Und die andere Gruppe, das sind alle anderen, die keine Autisten sind, und die nenne ich ab jetzt die Neurotypischen. Genauer brauchen wir die Gruppen hier nicht zu unterteilen, weil sich das Büchlein nur um die dreht, die Aspies sind, und zum Vergleich um die, die keine Autisten sind und sich deshalb für normal halten und die Aspies nicht.

Weil es nach dem aktuellen Wissen der Leute die sich damit recht stark beschäftigen, je nach den angewandten Kriterien für Aspies, pro einem Aspie vierhundert bis sechshundert Neurotypische gibt, glauben viele Neurotypische, nur sie wären normal und wir Aspies nicht. So kann man sich täuschen. Man hat auch herausgefunden, dass wir Aspies im Durchschnitt genauso intelligent sind wie die Neurotypischen. Manche Aspies sind sogar hochbegabt, oder haben etwas das Neurotypische Inselbegabung nennen, obwohl es in Wirklichkeit überhaupt nichts mit einer Insel zu tun hat. Das ist zum Beispiel so eine doofe Angewohnheit von den Neurotypischen. Die sagen sehr oft Sachen die sie gar nicht meinen, und dann wundern sie sich total, dass wir Aspies nicht verstehen was die wollen.

>>> So war es ja damals auch bei dem Herrn Dreizehn mit dem Papierkorb, das erzähl ich später noch genauer. <<<

Es wäre doch viel logischer, wenn die Neurotypischen sagten, die oder der hat eine spezielle Begabung für die Sache soundso. Eine Inselbegabung liegt ja nur vor, wenn jemand eine ganz spezielle Begabung für Inseln hat. Zum Beispiel, dass der Betreffende von sehr vielen Inseln weiß wo die sind und wie groß die sind und wie viele Leute darauf wohnen und wie das Wasser heißt, wo die Insel drin ist. Verstehst Du? Sonst ist es keine Inselbegabung, sondern eine spezielle Begabung. Aber solche Begabungen haben die Neurotypischen manchmal genauso. Weil das Asperger-Syndrom keine Krankheit ist, kann man es natürlich auch nicht heilen. Allerdings glauben manche Leute, auch Ärzte, dass es doch eine Krankheit ist. Doch viele glauben auch es ist nur eine Normalvariante der menschlichen Informationsverarbeitung, und das glaubt auch mein Papa heute. Neurotypische sind halt eher emotional gesteuert und lernen durch Intuition, während Aspies eher logisch gesteuert sind und durch Instruktion lernen. Aber beide Varianten des Menschseins sind normal und verdienen in gleichem Maße Akzeptanz.

Übrigens sind Aspies meistens männlich. Man glaubt heute, auf einen weiblichen Aspie kommen mindesten zwei bis drei männliche. Früher hat man sogar gemeint zehn. Bevor man drei oder vier Jahre alt ist, fällt meistens keinem auf, wenn man Aspie ist.

Weil die Neurotypischen sich anders verhalten als wir Aspies, und wir deren komischen Verhaltensarten nicht nachvollziehen können, halten uns die Neurotypischen schnell mal für seltsam oder doof. Jedoch könnten wir das umgekehrt ebenso behaupten. Das Problem ist nur, dass es in Verhältnis so viele Neurotypische und so wenige Aspies gibt. Da fühlen sich die Neurotypischen automatisch im Recht. Die Ärzte und Therapeuten, die über das Syndrom Bescheid wissen, sind ja auch fast immer Neurotypische, so dass es denen schwerfällt zu glauben auch wir wären normal – nur anders. Ich kann das aber verzeihen, die meinen das nicht böse.

Was meinst Du zum Beispiel was passieren würde, wenn es auf vierhundert bis sechshundert Aspies nur einen Neurotypischen gäbe? Wahrscheinlich dächten dann die Aspies sie wären alleine normal und die Neurotypischen nicht. Da würden die Neurotypischen bestimmt ganz schön blöde aus der Wäsche gucken. Oder was meinst Du? Und überhaupt wären dann natürlich die heutigen Aspies die Neurotypischen, denn sie wären ja dann die Leute, deren neurologische Entwicklung mit dem übereinstimmt was die meisten Menschen als normal – zum Beispiel bezogen auf ihre Sozialkompetenzen – ansehen. Wie gesagt: Wer wie die Masse ist, ist neurotypisch.

Was das für komische Verhaltensarten sind, die die heutigen Neurotypischen an sich haben, und die wir Aspies nicht nachvollziehen können, das erkläre ich Dir später noch.

Jedenfalls wussten die Leute noch nicht viel vom Syndrom, als ich noch klein war.

>>> Noch nicht einmal die Frau Professor aus Mainz.<<<

Das ist deshalb so, weil alles immer ganz viele Jahre dauert, bis es mal so gut erkannt und erforscht ist, dass es viele kennen und darüber vieles wissen.

Ich wurde erst im Jahr 1984 geboren.

>>> Ich hatte die Nabelschnur um den Hals, aber die Hebamme hat sie schnell weggemacht. <<<

Und es war schwer, einen zu finden, der gemerkt hatte, dass ich das Syndrom habe, obwohl es schon ab Mitte der 1920er Jahre diskutiert wurde, und da waren es noch etwa sechzig Jahr bis ich geboren wurde. Das Syndrom wurde nach einem Kinderarzt aus Österreich benannt

>>> (da war ich schon im Urlaub), <<<

weil der schon viel darüber verstanden hatte, und der hieß Hans Asperger. Er hatte im Jahr 1943 einen Aufsatz über das Syndrom geschrieben. Damals hieß es aber noch nicht Asperger-Syndrom, und deswegen hatte er es autistische Psychopathie genannt. Der Aufsatz wurde seinerzeit aber nicht besonders beachtet, vielleicht auch weil damals Krieg war. Von der internationalen Forschungsgemeinschaft wurde das Asperger-Syndrom leider erst nach 1981 beachtet. Und erst gegen Ende der 1980er Jahre wurden dann von verschiedenen Leuten erstmals Diagnosekriterien formuliert. Aber weil sich die Leute nicht einig waren, waren die Kriterien ganz verschieden. Im Jahre 1992 wurde das Asperger-Syndrom dann endlich in das internationale medizinische Klassifikationssystem (ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgenommen, und im Klassifikationssystem der American Psychiatric Association (Amerikanische Psychiatrische Organisation), erscheint es erst seit 1994. Du musst bedanken, da war ich mittlerweile schon zehn Jahre alt.

>>> Welcher neoexpressionistische Maler wurde durch das Auf-den-Kopf-Stellen seiner Motive bekannt?

A) Anselm Kiefer

B) Markus Lüpertz

C) Lucian Freud

D) Georg Baselitz <<<

Das Syndrom ist nicht bei allen Aspies gleich ausgeprägt. Manche tun sich schwer damit diese und andere jene rätselhaften Eigenarten der Neurotypischen zu verstehen oder das Verstehen solcher Eigenschaften zu erlernen. Es gibt Aspies, die generell mit den rätselhaften Eigenarten der Neurotypischen besonders wenige Probleme haben. Andere wiederum haben extrem viele Probleme damit. Aus Sicht der Neurotypischen erstreckt sich das Syndrom deswegen auch vom krassen Fall bis weit in die Normalität hinein. Das heißt, in ihren Augen wirken weniger stark betroffene Aspies wie ganz normale Neurotypische, die nur eine „ganz normale“ Schüchternheit oder Eigenbrötlerei an den Tag legen.

Die rätselhaften Eigenarten mit denen die meisten Aspies Verständnisprobleme haben, sind die, wo man beim Reden mit dem Körper ganz bestimmte Sachen machen muss, welche zu dem Gesagten scheinbar passen. Meistens betrifft das die Arme oder die Hände und fast immer das Gesicht. Weil Aspies normalerweise nicht wissen wann man, welche Sachen wie machen soll, mögen die meisten von uns diese Dinge nicht. Diese Sachen nennt man Gestik, Mimik und Blickkontakt. Wenn man jemanden lieb hat, und mit ihm etwas Wichtiges besprechen will, ist das mit dem Blickkontakt für die Neurotypischen ganz schön wichtig. Das weiß ich von Papa. Der hat sich nämlich mal ganz schön geärgert, als ich ihm nicht in die Augen reingeguckt habe, weil mir das nicht besonders angenehm ist, so in die Augen zu gucken. Weil die Neurotypischen meistens nicht wissen, dass Aspies Gestik, Mimik und Blickkontakt nicht gerne machen, weil wir die Regeln nicht kennen oder weil die Neurotypischen nicht wissen, dass wir Aspies sind oder beides, deswegen stufen sie unser Kontakt- und Kommunikationsverhalten als merkwürdig und ungeschickt ein. Erst recht wenn die bemerken, dass wir sonst ganz normal intelligent sind. Diese Einstufung stimmt aber nicht, denn umgekehrt wäre es genauso. Käme auf vierhundert bis sechshundert Aspies nur ein neurotypischer Mensch, dann wären nämlich die Neurotypischen diejenige, welche wegen ihres merkwürdigen und ungeschickten Kontakt- und Kommunikationsverhaltens auffällig werden würden. Wegen all ihrer rätselhaften und überflüssigen Gestik, Mimik und dem stechenden Blickkontakt.

Damit die Neurotypischen wissen, ob sie jemanden als Asperger ansehen sollen oder nicht, haben sie sich Kriterien ausgedacht. Nach diesen Kriterien ist man immer dann ein Aspie, wenn man folgende Voraussetzungen erfüllt:

Asperger-Kriterien

Es folgen die Kriterien wie sie der schwedische Professor der Kinder- und Jugendpsychiatrie Christopher Gillberg mit seiner Frau Carina Gillberg zusammen festgelegt hat. Aktuell überarbeitete Versionen können minimal davon abweichen.

(Die Anmerkungen sind von mir hinzugefügt, damit Du besser verstehen kannst, was gemeint ist, oder wie sich das Kriterium jeweils auswirken kann.)

A.Soziale Beeinträchtigung (mindestens zwei der folgenden Merkmale):

A1. Unfähigkeit, mit Gleichaltrigen zu interagieren.

A2. Mangelnder Wunsch, mit Gleichaltrigen zu interagieren.

A3. Mangelndes Verständnis für soziale Signale.

(Anmerkung: Aspies sind meistens mit wenig Empathie ausgestattet und können deshalb die Gefühle und Gedanken von anderen nicht gut verstehen und sich nicht hineinfühlen, und deshalb auch nicht wie erwartet reagieren.)

A4. Sozial und emotional unangemessenes Verhalten.

(Anmerkung: Wegen der geringen Empathie reden Aspies oft schnell und viel, und bemerken oft nicht, ob der Zuhörer an dem Thema überhaupt interessiert ist oder nicht.)

B. Eingeengte Interessen (mindestens eines der folgenden Merkmale):

(Anmerkung: Aspies haben Spezialinteressen, die den anderen in der Sache oder in ihrer Intensität ungewöhnlich erscheinen. Andererseits werden diese Spezialinteressen dermaßen intensiv verfolgt, dass dabei oft geradezu unglaubliche Leistungen erbracht werden. Hans Asperger soll geschrieben haben: „Es scheint, dass für Erfolg in der Wissenschaft oder in der Kunst ein Schuss Autismus erforderlich ist“.)

B1. Ausschluss anderer Aktivitäten.

B2. Repetitives Befolgen der Aktivität.

B3. Mehr Routine als Bedeutung.

C. Repetitive Routinen (mindestens eines der folgenden Merkmale):

(Anmerkung: Für Aspies ist es meist sehr wichtig, ihre äußere Umgebung und Tagesabläufe möglichst gleichbleibend zu gestalten. Plötzliche Veränderungen können sie sehr nervös machen.)

C1. Für sich selbst, in Bezug auf bestimmte Lebensaspekte.

C2. Für andere.

D.Rede- und Sprachbesonderheiten (mindestens drei der folgenden Merkmale):

D1. Verzögerte Entwicklung.

D2. Oberflächlich gesehen perfekter sprachlicher Ausdruck.

D3. Formelle, pedantische Sprache.

(Anmerkung: Aspies erzählen sehr detailorientiert, dabei fügen sie manchmal selbst ausgedachte Wörter hinzu. Es kommt auch zu abrupten Themenwechseln und Einwürfen, die an der Stelle nicht recht zu passen scheinen, aber was wichtig scheint, wird in das Gespräch eingebettet. Damit Du besser verstehst, was ich meine, erzähle ich so auch in diesem Büchlein, und schreibe den Text dieser Einwürfe fett und in dreifacher spitzer Klammer. So:

>>> Text <<<

Es gibt keinen großen Unterschied zwischen Wichtigem und Unwichtigem. Manche Formulierungen klingen wie auswendig gelernt oder wie aus einem Buch vorgetragen.)

D4. Seltsame Sprachmelodie, "fremder" Akzent, eigenartige Stimmmerkmale.

D5. Beeinträchtigtes Verständnis, einschließlich Fehlinterpretationen von wörtlichen/implizierten Bedeutungen.

(Anmerkung: Aspies nehmen Redewendungen so lange wörtlich, bis sie diese als solche erkennen und sich behalten. Noch schwerer ist das Erlernen von sogenannten rhetorische Fragen, zum Beispiel: wie lange willst Du das noch so machen, weil diese Fragen ebenfalls ernst und wörtlich genommen werden. Für Aspies ergibt es nicht den geringsten Sinn, etwas zu fragen, was man so gar nicht wissen will. Sie beantworten diese Fragen daher ernst, gewissenhaft und wahrheitsgemäß, und sind dann völlig geschockt, wenn sie anschließend als frech, unverschämt, oder sonst wie beschimpft werden. Für Aspies sind alle Fragen Fragen, und alle nehmen sie gleich ernst. Sie können auch nicht verstehen warum die Leute manchmal Sachen machen die sie Ironie oder Necken nennen oder ähnliche Dinge.)

E. Nonverbale Kommunikationsprobleme (mindestens zwei der folgenden Merkmale):

(Anmerkung: Aspies haben großes Interesse an Kontakten zu ihren Mitmenschen. Sie werden jedoch, wenn sie zu anderen Kontakt aufnehmen wollen, wegen ihrer „falschen“ Körpersprache, oft als komisch und befremdend; gefühlslos, schüchtern, desinteressiert wahrgenommen, wodurch eine Kontaktaufnahme häufig scheitert. Auch erscheinen den Neurotypischen die Spezialinteressen der Aspies in der Sache oder in ihrer Intensität ungewöhnlich.)

E1. Begrenzter Blickkontakt.

E2. Begrenzte Gestik.

E3. Unbeholfene oder linkische Körpersprache.

E4. Begrenzte Mimik.

E5. Unangemessener Ausdruck.

E6. Eigenartig starrer Blick.

F. Motorische Unbeholfenheit:

F1. Mangelnde Leistung bei Untersuchung der neurologischen Entwicklung.

(Ungelenke Bewegungen, Ungeschicklichkeit sowie grob- und feinmotorische Koordinationsstörungen.)

Du musst jetzt aber unbedingt folgendes bedenken: Gäbe es so viele Aspies wie Neurotypische, und so wenig Neurotypische wie Aspies, dann hätten die Aspies die Oberhand und würden sich für normal halten und oftmals die heutigen Neurotypischen für doof. Dann hätten die Aspies Kriterien herausgegeben an denen man die heutigen Neurotypischen erkennt. Natürlich hießen diese dann nicht Asperger-Kriterien, und wie sie heißen würden, können wir nicht wissen. Deswegen nennen wir sie einfach Non-Neurotypische-Kriterien.

Und diese Kriterien-Liste könnte dann ungefähr so aussehen:

Non-Neurotypische-Kriterien

Es folgen die Kriterien wie sie ein Professor der Kinder- und Jugendpsychiatrie namens Soundso mit seiner Frau zusammen festgelegt hat. Aktuell überarbeitete Versionen können minimal davon abweichen.

A. Soziale Beeinträchtigung (mindestens zwei der folgenden Merkmale):

A1. Kann überwiegend in erster Linie nur mit Gleichaltrigen gut interagieren.

A2. Mangelnder Wunsch, mit Nicht-Gleichaltrigen zu interagieren.

A3. Verwendet zweifelhafte soziale Signale.

A4. Sozial und emotional zweifelhaftes Verhalten.

B. Auffällige Interessenlage (mindestens eines der folgenden Merkmale):

B1. Sehr viele oberflächliche Interessen, kaum ernsthafte Spezialinteressen.

B2. Unkonzentriertes und abschweifendes Befolgen der Aktivität.

B3. Kaum Interesse an routinierten Abläufen.

C. Unzureichende repetitive Routinen (mindestens eines der folgenden Merkmale):

C1. Für sich selbst.

C2. Für andere.

D. Rede- und Sprachbesonderheiten (mindestens drei der folgenden Merkmale):

D1. Beschleunigte Entwicklung.

D2. Imperfekter sprachlicher Ausdruck.

D3. Lässige, unpräzise Sprache.

D4. Seltsame Sprachmelodie, "fremder" Akzent, eigenartige Stimmmerkmale.

D5. Maßloser Hang zu rätselhaften Redewendungen.

E. Seltsames nonverbales Kommunikationsverhalten (mindestens zwei der folgenden Merkmale):

E1. Unangenehmer, stechender Blickkontakt.

E2. Übertriebene Gestik.

E3. Übertriebene Körpersprache.

E4. Übertriebene Mimik.

E5. Unangemessener Ausdruck.

E6. Unruhiger, nervöser Blick.

F. Motorik auffällig elegant:

F1. Überdurchschnittliche Leistung bei Untersuchung der neurologischen Entwicklung.

(Elegante Bewegungen, hohe Geschicklichkeit, sowie überdurchschnittliches grob- und feinmotorisches Koordinationsvermögen.)

Jetzt hast Du gelernt, wie man das Asperger-Syndrom definiert. Nun sollst Du erfahren, wie sich das in meinem Leben und in dem meiner Eltern bisher ausgewirkt hat. Das klappt am einfachsten, wenn ich Dir von meinem Leben erzähle. Dabei werde ich darauf achten, dass alle Kriterien aus der Liste von Professor Gillberg angeschnitten werden. Da siehst Du dann, dass ich, wie die meisten Aspies, von manchen Kriterien stärker und von anderen schwächer betroffen bin. Von wieder anderen Kriterien fühle mich überhaupt nicht betroffen. Lass Dich überraschen. Am besten fange ich mit meiner Geburt an und höre mit meiner heutigen Situation auf. Es kann aber auch sein, dass ich nicht immer chronologisch weitererzähle. Mal sehen.

Ankunft mit Verspätung

Bobby-Tenny ist schon älter als ich. Ich habe den schon so lange, wie ich mich zurückerinnern kann und er ist fast immer bei mir. Er ist ein kleines Hündchen und er ist mir wichtig. Einmal hat er ein Auge verloren. Aber da hat die Mama schnell ein neues dran genäht. Der Bobby-Tenny hat zuerst der Mama gehört. Der Papa hat ihn irgendwann im Jahre 1983 in Mainz auf einer Tankstelle gekauft, weil er ihm so gut gefallen hat, obwohl der Papa schon erwachsen ist, und der Bobby-Tenny aus Stoff, und Stofftiere sind ja eigentlich in erster Linie bloß für Kinder da, weil Erwachsene normalerweise nicht mit Stofftieren spielen. Deshalb ist es ja auch etwas komisch, dass der Papa den Bobby-Tenny damals der Mama geschenkt hat, weil sie ebenfalls schon Erwachsen war. Die Mama hat das Geschenk zwar angenommen, aber damit gespielt hat sie erst später, als ich dabei war. Bis dahin hatte sie ihn immer an ihr Bett gestellt, und das hat den Papa gefreut, weil er ihr den Bobby-Tenny ja nicht zum Spielen geschenkt hat, sondern nur weil er so goldig, also schön ist, und er die Mama lieb hat. Auf jeden Fall gehört der Bobby-Tenny jetzt schon lange mir, und ich nehme ihn oft mit, wenn ich irgendwohin gehe oder fahre.