Die Weihnachtsdiebin. Eiskalt erwischt - C.K. Zille - E-Book
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Die Weihnachtsdiebin. Eiskalt erwischt E-Book

C.K. Zille

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Beschreibung

Wenn weihnachtliche Romantik zu einem spannungsvollen Katz und Maus Spiel wird - für alle, die Zimtsterne und Cosy Crime mögen! Die Studentin Kira will zusammen mit einer kleinen Gruppe von Gaunern einen Coup landen. Schnell hat die hübsche Diebin sich das Vertrauen des Direktors erschlichen, in dessen Museum sich die begehrten Stücke befinden. Doch sie hat nicht mit dem smarten Polizisten Jan gerechnet, der nicht nur Kiras Pläne sondern auch ihre Gefühle gehörig durcheinanderwirbelt. Ein romantischer Krimi im weihnachtlichen München. »Tolle Personen, rasante und spannende Handlung, ein wenig ironisch und sehr weihnachtlich. Wunderbar.« ((Leserstimme auf Netgalley)) »Weihnachten mit Spannung und Romantik, eine Kombination, die mir sehr gut gefallen hat und deshalb gebe ich gerne eine Leseempfehlung.«  ((Leserstimme auf Netgalley))

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© 2020 Piper Verlag GmbH, München

Redaktion: Cornelia Franke

Covergestaltung: Annika Hanke

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock und Pixabay genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Cover & Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Für unsere Geschwister

Britta, Stefan

und Johannes

Kapitel 1

»Das ist er!« Niklas’ Flüstern war so leise, dass Kira es zwischen den Geräuschen des Weihnachtsmarktes kaum verstand. Passanten plauderten, ihre Stimmen vermischten sich mit dem Gedudel von Weihnachtsliedern, die vom Chinesischen Turm zu ihnen herunterdrangen, und dem Rauschen einer Fritteuse. Der Geruch von Fett, Mandeln und Glühwein lag in der Luft. Ein behagliches, fast schon karamelliges Wintergefühl hüllte sie ein. So kurz vor Weihnachten fehlte nur noch der Schnee, um den Münchener Weihnachtsmarkt in ein Winterwunderland zu verzaubern.

Mit ihrem Blick folgte Kira Niklas’ Fingerzeig in Richtung eines kaum besuchten Standes, die wenigsten schenkten der Auslage ihre Aufmerksamkeit. Kira rieb ihre Hände aneinander, die nur in dünnen Handschuhen steckten. Zu dünn für diese Kälte. Doch nicht der Stand wurde von ihr ausgiebig gemustert, sondern der bärtige Mann, der an dessen Rand den Vorbeiziehenden lächelnd zunickte, vermutlich in der Hoffnung, sie würden ihn ansprechen.

Es würde ein Kinderspiel sein, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, da war Kira sich sicher. Trotzdem haderte sie noch einen Augenblick, ihr Puls beschleunigte sich. Wochenlang war sie mit Niklas und den anderen beiden in ihrem Team diesen Plan durchgegangen, nun durfte sie den Start nicht vermasseln. In Gedanken sagte sie sich immer wieder ihre Decknamen. Sie würde sich als Antonia Sorokin vorstellen, und Niklas spielte ihren Bruder Sascha. Angeblich waren sie hier, um ihre Großmutter zu besuchen, und der Rest würde sich hoffentlich von allein ergeben.

Ungeduldig stieß Niklas ihr seine Hand in den Rücken. Es war Zeit, loszulegen.

Langsam und mit interessiertem Blick ging sie auf den Stand zu. Beim Näherkommen erkannte sie, dass auf dem Verkaufstresen Poster, Postkarten und Prospekte lagen. Die flüchtigen Blicke der Passanten huschten darüber hinweg, kaum einer interessierte sich für die Auslage, die schließlich mit kandierten Äpfeln, Schmalzgebäck und gebrannten Mandeln konkurrierte. Die Frau hinter den Papierbergen wärmte sich ihre Finger an einem Heißgetränk, vielleicht ein Glühwein oder ein Kräutertee, und erwiderte Kiras Lächeln.

»Oooh, schau mal, Bruderherz! Weißt du noch, wie wir als Kinder mit Oma und Opa immer in das Museum gegangen sind?« Mit gespielter Begeisterung griff Kira nach einem der Flyer. »Ach, wie gerne würde ich wieder hingehen. Über die Feiertage hat es bestimmt geschlossen.«

»Schön, dass junge Menschen noch Freude an unserer Ausstellung haben«, erklang die warme Stimme des dunkelhaarigen Mannes mit Vollbart, auf den sie es abgesehen hatten. Sein russischer Akzent war unverkennbar. »Alexander Petrikov, Museumsleiter.«

»Ist nicht Ihr Ernst!« Mit weit aufgerissenen Augen drehte Kira sich zu Niklas um. »Hast du das gehört? Der Museumsleiter! Ich bin Antonia Sorokin, das ist mein Bruder Sascha.« Innerlich atmete Kira auf, dass sie trotz ihrer brodelnden Aufregung die ausgemachten Decknamen benutzt hatte.

»Beruhige dich, Antonia. Er ist auch nur ein normaler Mensch.« Schmunzelnd legte Niklas seinen Arm um Kira, was sich seltsam vertraut anfühlte. Sie kannten sich schon lange, hatten intime Momente geteilt, aber das lag mehrere Jahre zurück. Kira war überrascht und geschmeichelt gewesen, als Niklas sich bei ihr gemeldet und sie um Hilfe gebeten hatte. Nun spielte er ihren Bruder, mimte die Vertrautheit in abgewandelter Form nach, die sie einst empfunden hatten.

Niklas war ein typischer Bad Boy gewesen, die Art Mann, die Mädchen vergötterten und auf die sie sich einließen, um ihre Eltern zur Weißglut zu treiben. Der heiße, geheimnisvolle Nachbar von schräg gegenüber, dem man ständig über den Weg lief. Eine schillernde Abwechslung zu ihrem tristen und deprimierenden Leben.

Nicht nur äußerlich hatte er sich verändert, seine dunklen Haare waren länger geworden, erste Falten zogen sich über sein Gesicht. Außerdem war er früher deutlich charmanter gewesen. Vielleicht lag seine angespannte Gereiztheit auch an diesem wichtigen Coup. Hatte er Angst, dass sie dem nicht gewachsen war?

Niklas wandte sich an Petrikov: »Meine Schwester studiert Kunstgeschichte und liebt Museen. Ihres haben wir als Kinder sehr oft besucht.«

»Sie müssen mir unbedingt erzählen, wie das so ist, ein Museum zu leiten.« Kiras Augen funkelten begeistert, das Lächeln brachte ihr eiskaltes Gesicht zum Brennen. Trotzdem legte sie einen Hundeblick auf, denn sie wusste, wie überzeugend ihre großen, blauen Augen wirkten.

Petrikov lachte kurz, ihm schien die Aufmerksamkeit zu gefallen. Schnell wurde er jedoch wieder ernst. »Es ist nicht leicht. Jedes Jahr kämpfen wir erneut ums Überleben. Dieses Mal rettet uns ein Künstlerwettbewerb mit Auktion, bei dem uns die Stadt nicht unwesentlich unterstützt. Daher findet über die Feiertage unsere Winterzauber-Aktion statt.«

Schockiert hielt Kira sich eine Hand vor den Mund. So würde es zumindest auf Petrikov wirken, obwohl sie bloß den Hauch eines Triumphlächelns verbarg. Dieser Kerl war tatsächlich so redselig, wie sie sich erhofft hatten. »Ich wusste gar nicht, wie schlecht es um das Museum steht. Unsere kranke Oma wäre am Boden zerstört, wenn sie es noch realisieren könnte. Dieses Museum war wie ein zweites Zuhause für sie. Ein Stück Heimat.«

Niklas war während des Gesprächs an die Auslage herangetreten und hielt Kira nun einen Zettel unter die Nase. An Petrikov gerichtet sagte er: »Künstlerwettbewerb, Auktion, Sie fahren wirklich einiges auf. Alles im winterlichen Ambiente? Mit Weihnachtsmann und allem Drum und Dran?«

»Weihnachtliche Dekoration, Lichterketten, …«, zählte der Museumsleiter auf, bis ihn Niklas unterbrach.

»Kein Weihnachtsmann?«

»Nein«, antwortete er leicht verwirrt.

Das war Kiras Einsatz. »Ich weiß, worauf du hinauswillst, Brüderchen. Wir waren schon auf einigen Veranstaltungen und den größten Erfolg erzielt man, wenn man etwas Besonderes bietet. Herr Petrikov, gestatten Sie uns, Ihnen zu helfen? Bitte! Uns liegt wirklich eine Menge an diesem Museum. Unserer Oma würde das so viel bedeuten.«

»Ich weiß nicht, wie wollen Sie mir denn helfen?« Leicht überfordert sah er von Kira zu Niklas.

»Ich habe da schon eine Idee! Wie wäre es, wenn …« Ihr Redefluss wurde durch den plötzlichen Gesang von Katy Perry unterbrochen.

Petrikov hob eine Hand und griff nach seinem Handy. »Entschuldigen Sie mich, bitte. … Ja? … Natürlich, es läuft alles wie geplant, Frau Bürgermeisterin. … Nein, machen Sie sich keine Sorgen.« Während er sprach, wandte er sich von Kira und Niklas ab und lief einige Schritte weiter, sodass sie nicht mithören konnten.

»Wo will er hin?«, fragte Kira vollkommen perplex.

»Shit, ich glaube, der hat nicht vor hierzubleiben.« Fluchend murmelte Niklas vor sich hin, sodass Kira sich erschrocken umschaute, ob jemand mitgehört hatte. Die Frau vom Museum starrte jedoch gedankenverloren an ihnen vorbei in die Menge der vorüberziehenden Passanten, von denen nur wenige kurz stehen blieben. Keiner nahm wirklich Notiz von ihnen, alle waren in dieser hektischen Zeit, wenige Tage vor Weihnachten, in ihre eigenen Probleme vertieft. Hatte Kira vorhin noch das Gefühl gehabt, der Weihnachtsmarkt wäre besinnlich, so wurde ihr nun die Unruhe und Angespanntheit bewusst. Von wegen verträumtes Wunderland. Nicht nur der Schnee fehlte, sondern auch die Feierlichkeit. Ebenso Petrikov, der sich immer weiter von ihnen fortbewegte.

»Wir müssen hinterher!« Kira wollte dem Museumsleiter schon nachlaufen, der sich von der Menge an Wintermänteln davontreiben ließ.

Jäh hielt Niklas sie am Arm zurück und zog sie einige Schritte vom Stand weg, mitten in die drängelnde Menschenmenge hinein. »Nein, ich habe eine andere Idee. Wir haben ihm die erste Saat ins Hirn gepflanzt. Lass sie erst einmal keimen. Morgen wirst du ihn rein zufällig treffen und mit ihm unsere Idee besprechen. Bis dahin wird er sich selbst Gedanken gemacht haben.«

Drängend schob er sie in die Menge, auch sie ließen sich treiben und schieben. Kiras Blick blieb an der Eisstockbahn hängen, zwei Jungs sprangen jubelnd in die Höhe. Gerne hätte auch Kira ihr Glück bei diesem Spiel versucht, aber sie war nicht zum Vergnügen hier. Niklas zog sie am Chinesischen Turm vorbei, dessen warme Lichter die Besuchermenge einhüllten. Die Musik dröhnte hier unangenehm laut, doch nach einer Weile bogen sie in eine Seitengasse ein, in der es keine Stände mehr gab. Kalter Wind blies ihnen entgegen, als wolle er sie zurück in die wärmende Menschenmenge treiben. Die Geräuschkulisse mit ihren schwermütigen Weihnachtsliedern rückte in den Hintergrund, sodass Kira sogar das Klacken ihrer Absätze an den Wänden widerhallen hörte.

»Wo soll ich ihn treffen? Ich glaube kaum, dass er morgen wieder hier sein wird. Er bereitet mit Sicherheit im Museum alles vor.« Frustriert zog sie ihre kalten Hände in die Ärmel ihres langen, hellgrauen Mantels, um sie ein wenig aufzuwärmen.

»Petrikov ist ein Gewohnheitstier. Jeden Morgen geht er auf dem Weg zum Museum bei einem kleinen Café vorbei und frühstückt. Dort wirst du ihn abfangen. Rein zufällig natürlich.« Wie gut Niklas doch vorbereitet war. Deshalb war er solch eine Bereicherung für das Team, er war der Planer. Er wusste über jede Person genau Bescheid.

Wenn sie seinen Bericht ein wenig sorgfältiger gelesen hätte, dann hätte sie sich bestimmt an dieses Detail erinnert. Doch sie hatte sich zu sehr auf ihren eigenen Lebenslauf und den Kerl von der Polizei konzentriert. Dieser Grassl, der sich um die Sicherheit beim Winterzauberevent kümmerte, durfte ihnen nicht in die Quere kommen. Für ihn hatte Kira sich eine große Palette an Ablenkungsmanövern ausgedacht. Nicht umsonst war Kunstgeschichte ihr Alibistudium.

Jetzt war es aber zunächst wichtig, dass sie überhaupt ins Museum reinkamen. »Ich werde mein Bestes versuchen.«

Niklas antwortete mit eindringlicher Stimme: »Versuchen ist nicht genug, Kira. Du musst dich da einschleusen! Und wenn du dich an Petrikov heranmachen musst, dann wirst du es tun! Mach ihm den Mund wässrig, in jeglicher Hinsicht. Darum bist du schließlich dabei!«

»Ist ja gut!« Ein wenig störte es sie schon, dass Niklas auf einmal meinte, sie wäre bloß dafür da, um den Museumsleiter zu verführen. Hatte es nicht ursprünglich geheißen, sie habe durch ihre russische Abstammung beste Voraussetzungen, ein freundschaftliches Verhältnis zu Petrikov aufzubauen? Ihr Vater war Russe, ihre Oma war wie eine Mutter für sie gewesen und hatte ihr die russischen Traditionen beigebracht. Je länger sie jedoch mit Niklas und den beiden anderen Typen zusammenarbeitete, desto mehr fühlte sie sich wie ein billiges Ablenkungsmanöver. Zumal sie nicht einmal die echten Namen der beiden kannte, die sich Sandmann und Frikadelle nannten.

Bis auf Niklas, der sich selbst Trojaner nannte, hatte sie die beiden Herren nur ein einziges Mal gesehen. Niklas war derjenige, der das Team aufgestellt hatte, und er hatte ihr auch ihren Decknamen verpasst: Sirene. Wie diese Fantasiegestalten, die ahnungslose Seemänner in ihr Verderben lockten. Der Name machte klar, was von vornherein Niklas’ Absicht gewesen war.

Sandmann war der Hintermann des Projektes, er hatte die Kontakte, und er würde später dafür sorgen, dass das Zielobjekt unbemerkt den Besitzer wechselte. Der Kerl musste ein angesehener Verbrecher sein, vollkommen integriert, angeblich ließ er meist andere für sich arbeiten.

Frikadelle hingegen, warum auch immer dieser Kerl so hieß, kümmerte sich um diverse Materialien und kannte sich mit allerlei Sicherheitstechniken aus. Wobei Niklas in dieser Hinsicht der eigentliche Profi war. Er sollte das Schloss knacken und den tatsächlichen Diebstahl durchführen. Und Kira? Nun, die Jungs brauchten weibliche Ablenkung, um an die nötigen Informationen zu kommen. Informationen, die Niklas trotz sorgfältigster Recherche fehlten.

 

Kurze Zeit später hatten sie die kleine Ferienwohnung erreicht, die sie für diese Woche gemietet hatten. Schweineteuer, wenn man um Weihnachten einen Platz in München suchte, aber so waren sie zumindest in Laufnähe des Museums. Niklas erstattete den anderen sogleich Bericht von Phase 1 ihres Plans, während Kira sich unter der Dusche aufwärmte.

Das Rauschen des Wassers hüllte sie für den Augenblick in eine warme Umarmung, ließ ihre Haut prickeln und ihre Gelenke auftauen. Sie musste sich etwas einfallen lassen, um auch im Wintermantel sexy auszusehen, wenn sie Petrikov mit ihrem Sirenengesang verführen wollte. Es behagte ihr nicht, sich an einen mindestens zwanzig Jahre älteren Mann heranzumachen, der einen Bierbauch vor sich hertrug und nach Altmännerparfüm roch. Aber manches ließ sich nicht vermeiden. Trotz der Abneigung würde sie es durchziehen. Der Plan hing immerhin davon ab, dass sie die nötigen Informationen besorgte. So war das nun einmal. Bei einem normalen Job bekam man auch nicht immer Aufgaben, die einem Spaß machten.

Am nächsten Morgen musste sie Petrikov unbedingt von ihren guten Absichten überzeugen, sonst würde ihnen der größte Coup aller Zeiten durch die Lappen gehen. Und daran wollte sie nicht schuld sein.

Kapitel 2

Als Jan die U-Bahnstation verließ, hatte er das Gefühl, er könne den Schnee bereits riechen. Das entsprang jedoch mehr seinem Wunschdenken als der Realität, denn es war zwar klirrend kalt, doch München hüllte sich noch in ein düstergraues Vorweihnachtskleid. Jan sehnte sich nach dicken, fluffigen Schneeflocken – nicht aus romantischen Gründen, aber sein Snowboard stand bereits frisch gewachst im heimischen Wohnungsflur bereit. Grinsend dachte er an das Boarding-Eldorado, das in den nächsten Tagen auf ihn wartete. Wenn er erst bei seinen Eltern in Garmisch angekommen war, würde es kein Halten mehr geben, egal, ob die Münchner ihre Weihnachten weiß oder lilablassblau feierten.

Er blies sich in die kalten Hände, während er die Maillingerstraße entlangging. Grassl würde heute aus dem Urlaub zurückkommen. Er war ein gutmütiger, von allen geschätzter Kollege, der, seitdem seine Kinder erwachsen waren, die ungeliebte Weihnachtsschicht übernahm und über die Festtage in ihrer Abteilung die Stellung hielt. Jan würde die offenen Fälle mit ihm besprechen, und schon hieß es für ihn: »Ab auf die Piste!« Wieder blies Jan in seine steif gefrorenen Finger. Es war ein bisschen voreilig gewesen, seine Handschuhe bereits in den Koffer zu packen. Doch heute Mittag wollte er keine Zeit verlieren, wenn er Richtung Süden aufbrach.

Bei dem Gedanken an den Weihnachtsverkehr beschleunigte er seinen Schritt und lief zügig auf den hohen Metallzaun des Bayerischen Landeskriminalamts zu. Die jungen Linden, die der Straße in den warmen Monaten das typische Münchner Flair verliehen, reckten ihre kahlen, dunklen Äste in den Himmel, als wollten auch sie um Schnee bitten. Das Drehkreuz quietschte leise, als Jan das Gelände betrat.

Oben im Büro angekommen zog er sich den Mantel aus, obwohl er so durchgefroren war, dass er ihn am liebsten anbehalten hätte. Dann holte er sich einen heißen Becher Kaffee, dessen Duft ihm aus der kleinen Küche auf der gegenüberliegenden Seite des Gangs entgegenwaberte. Während der Computer hochfuhr, legte er beide Hände um die Tasse. Wohltuend kroch ihm die Wärme in die Finger. Ein Geräusch lenkte seinen Blick zur Tür. Gerade wollte er Grassl freudig begrüßen, da trat stattdessen sein Chef ins Büro.

»Herr Berger, guten Morgen!«, grüßte der Dienststellenleiter überschwänglich und zog sich Grassls leeren Stuhl heran.

Jan runzelte die Stirn. Wenn Herr Hartmann so fröhlich daherkam, war Vorsicht geboten. Nicht umsonst nannten sie ihn insgeheim Teflon-Klaus. Denn kein zweiter verfügte über eine Aalglätte wie er, mit der er sich stets aus unangenehmen Situationen herauswand und auf dem politischen Parkett herumglitschte. Egal, was Teflon-Klaus auch tat, versprach oder verbockte – an dem Kerl blieb nichts hängen.

»Herr Hartmann?«, antwortete Jan verhalten.

Sein Chef zeigte strahlende Schneidezähne und legte behutsam die Fingerspitzen aneinander. »Der arme Kollege Grassl hatte einen Unfall.«

»Oh, das tut mir leid«, antwortete Jan aufrichtig. Viel zu langsam ging ihm auf, worauf Teflon-Klaus hinauswollte.

»Er hat sich beim Skifahren die Schulter schwer verletzt und ist bis auf Weiteres krankgeschrieben. Es tut mir leid, aber Sie werden für ihn einspringen müssen, Herr Berger.«

»Ich? Wieso denn ich?« Jan ahnte bereits, dass es keinen Ausweg für ihn gab, außer sich vielleicht selbst die Schulter zu brechen. Kampflos wollte er seinen Snowboardurlaub jedoch nicht aufgeben.

»Es tut mir leid, Herr Berger. Sie sind der Einzige hier ohne Kind. Sie sind mit ihrem Urlaub nicht an Schulferien gebunden.« Teflon-Klaus lächelte sein aalglattes Lächeln, und Jan fühlte förmlich, wie er daran abglitt.

»Ja und? Ich habe Eltern! Es ist doch Weihnachten!«, rief er in einem verzweifelten Anflug von Rebellion. »Die freuen sich auf mich. Und ich mich natürlich auch auf sie.«

»Das glaube ich Ihnen gern.« Teflon-Klaus nickte mitfühlend. »Aber Ihre Eltern wohnen zum Glück nicht am Ende der Welt, sodass Sie sie im Grunde jedes Wochenende besuchen können. Und sicherlich verstehen die völlig, dass Familien mit Kindern bei der Urlaubsplanung Vorrang haben. Schließlich machen Kinder erst den Zauber der Weihnacht aus.« Er beugte sich über den Schreibtisch und klopfte Jan aufmunternd auf die Schulter.

Mit gerunzelter Stirn überlegte Jan fieberhaft, ob es sinnvoll war, spontan ein bisher unerwähntes Kind aus dem Ärmel zu schütteln, da fuhr Teflon-Klaus fort:

»Außerdem habe ich einen Spezialauftrag für Sie, Herr Berger.« Er zwinkerte Jan verschwörerisch zu, was ihm beinahe Angst machte. »Herr Grassl hatte die Aufgabe, Sicherheitsfirmen und Polizeieinsatz bei den Winterzauber Museumstagen zu koordinieren. Das werden Sie übernehmen.«

»Die Winterzauber-was?« Was wollte er? Sein Winterzauber war gerade den Bach runtergegangen!

»Herr Berger, Herr Berger, was sind Sie nur für ein Kulturbanause.« Teflon-Klaus hob den Zeigefinger und schaute ihn über den Rand seiner Lesebrille tadelnd an. Jan wusste immer weniger, ob er lachen, weinen oder ausrasten sollte.

»Das Museum für Russische Kunst und Kultur veranstaltet dieses wunderbare Event mit Künstlerwettbewerb, Sonderausstellung und Auktion. Das wird fantastisch!« Enthusiastisch klatschte Teflon-Klaus in die Hände. »Ich habe der Bürgermeisterin versprochen, dass alles glattlaufen wird. Ich zähl’ auf Sie, Herr Berger!« Und damit glitschte er zur Tür hinaus und ließ Jan verdutzt und grimmig in seinem Büro zurück.

»Verdammt«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Unglücklich starrte Jan auf seinen Bildschirm, bis er sich schließlich seufzend aufraffte, und lustlos zu Grassls Schreibtisch schlurfte.

Sonst machte er sich über den älteren Kollegen immer lustig, dass der wohl nie im digitalen Zeitalter ankommen würde. Heute war er trotz des Spotts froh, dort einen ordentlich geführten, prallen Ordner mit der Aufschrift Winterzauber Museumstage vorzufinden. Bei jedem anderen hätte er sich erst durch das halbe Laufwerk klicken müssen.

Noch im Stehen schlug er ihn auf. Zuallererst hatte Grassl einen Werbeflyer der Veranstaltung abgeheftet. Die Auktion fand am ersten Weihnachtsfeiertag statt, das hieß, es blieben ihm knapp drei Tage Vorbereitungszeit. Zumindest in diesem Punkt hatte Teflon-Klaus recht – den Besuch bei seinen Eltern konnte er sich abschminken.

Seufzend ließ er den Ordner auf den eigenen Schreibtisch plumpsen. Die Kaffeetasse machte einen empörten Satz. Jan nahm sie und ging, um sie in der Teeküche erneut zu füllen. Bevor er seine Mutter anrief, musste er sich stärken. Dass sie sich wirklich auf seinen Besuch freute, war keine Lüge gewesen. Weihnachten war ein besonderes Familienfest für sie, auch wenn ihr Junge inzwischen schon erwachsen war. Hinzu kam, dass sie sich seit ihrem Geburtstag im Oktober nicht mehr gesehen hatten.

»Das ist nicht dein Ernst!?«, schrillte ihre Stimme wenig später aus dem Telefonhörer. »Bub, das kannst du mir nicht antun!«

»Tut mir leid, Mama, aber nicht ich tu dir das an, sondern mein Chef.« In dem Moment, in dem Jan diesen Satz aussprach, bereute er ihn sogleich.

»Vielleicht sollte ich dann mit deinem Chef reden!«, rief seine Mutter wie befürchtet. Jan konnte förmlich sehen, wie sie resolut die Faust in die Seite stemmte. Doch selbst sie würde an Teflon-Klaus abglitschen. Und wenn die anderen Kollegen Wind davon bekamen, dass seine Mutter den Chef anrief, weil sie ihn an Weihnachten unbedingt nach Hause holen wollte, wäre ihm deren Spott sicher. Er musste eine andere Taktik ausprobieren, wenn er nicht als Muttersöhnchen gelten wollte.

»Das wird nichts bringen, Mama«, sagte er in beschwichtigendem Tonfall. »Ich habe über die Feiertage einen Spezialauftrag, den nur ich erledigen kann.« Die Worte erzielten die gewünschte Wirkung. Seine Mutter beruhigte sich augenblicklich.

»Einen Spezialauftrag?«, fragte sie mit unverkennbarem Stolz in der Stimme.

»Ja, aber das ist geheim, Mama. Das musst du für dich behalten«, versuchte er den Schaden, den er gerade anrichtete, zu begrenzen.

»Natürlich, Jan, du kannst dich immer auf mich verlassen. Das weißt du doch. Was ist das für ein Spezialauftrag?« Nun war seine Mutter neugierig statt wütend – vom Regen in die Traufe.

»In München findet über die Feiertage eine große Kunstauktion statt. Ich muss dafür sorgen, dass dabei alles glatt läuft.« Er senkte die Stimme. »Den anderen Kollegen traut mein Chef das nicht zu, Mama. Das ist eben zu wichtig.«

Nun schien seine Mutter vor Stolz nahezu zu platzen. Jan trank betroffen von seinem Kaffee und fühlte sich schlecht. Allerdings würde er sich noch schlechter fühlen, wenn er ihr den wahren Grund für seine Sonderschicht erzählt hätte. Dann hätte seine Mutter wieder damit angefangen, dass aus der Beziehung mit Sibylle wunderschöne Enkel hätten entstehen können. Sie wusste, dass Jan ein Familienmensch war, und Sibylle sich irgendwann Kinder wünschte. Dass es mit ihnen trotzdem nicht geklappt hatte, wollte nicht in ihren Kopf. Als wäre eine ähnliche Einstellung zum Leben ein Garant für die ewige Liebe. Seither mied Jan das Thema lieber. Wüsste seine Mutter, dass sie sich noch gelegentlich trafen, würde sie gleich wieder die Hochzeitsglocken läuten hören. Für sie waren Liebe und Sex untrennbar miteinander verknüpft – vielleicht ein Generationenproblem. Er seufzte in seine Tasse.

Während seine Mutter versicherte, dass sie ihm Plätzchen schicken würde, und aufzählte, welche Sorten sie schon gebacken hatte, fiel sein Blick auf Grassls leeren Schreibtisch. Wie er den Kollegen beneidete. Schulterverletzung hin oder her. Wenigstens war er in diesem Winter schon auf der Piste gewesen.

Kapitel 3

Kira hatte das Gefühl, wertvolle Zeit zu verschwenden. Seit einer halben Ewigkeit kniete sie nun vor ihrem Koffer. Ihre Aufgabe war schwieriger, als sie klang: unauffällig sexy sein. Wenn eine Frau sich an einen älteren Mann heranmachte, durfte das keinesfalls geplant aussehen. Das war die Kunst. Eine Kunst, von der sie wenig Ahnung hatte, und von der sie nie gedacht hatte, dass sie sie brauchen würde. Wieder dachte sie daran, wie falsch Niklas ihr ihre Rolle bei diesem Coup verkauft hatte. Ein unwohles Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit. Das würde sie nicht auf sich beruhen lassen. Was bildete sich Niklas eigentlich ein?!

Nach langem Überlegen entschied sie sich für ein rotes Strickkleid, eine schwarze Strumpfhose und hohe Stiefel. Sie schminkte sich nur leicht, ein wenig Wimperntusche sowie ein passender Lippenstift zum Kleid. Einen Hauch von Parfum, ihre blonde Mähne fiel ihr locker über die Schultern. Zufrieden lächelte sie sich im Spiegel selbst zu. Sie hoffte inständig, dass sich ihre Aufgabe bewältigen ließ, ohne zu offensiv auf Petrikov zuzugehen.

Das kleine Café, in dem Petrikov immer frühstückte, lag in der Nähe des Museums. Somit auch nicht weit entfernt von ihrer Wohnung. Nach wenigen Gehminuten hatte sie das hell erleuchtete Gebäude erreicht. Die Fenster waren mit riesigen roten und goldenen Papiersternen geschmückt, umgeben von warmweißen Lichterketten. Kurz vor acht Uhr waren noch nicht alle Tische besetzt, an der Theke bildete sich jedoch eine Schlange. Als sie eintrat, kam ihr ein Schwall warmer, nach Gebäck duftender Luft entgegen.

Wie zuvor geplant, war Kira vor Petrikov eingetroffen. Sie entschied sich für einen Tisch am Fenster, von dem aus sie die Fußgängerzone gut überblicken konnte. Gespräche übertönten das leise Klappern von Geschirr, hin und wieder wehte kalter Wind zu ihr hinüber, wenn jemand die Tür öffnete. Bei einer Bedienung bestellte Kira Kaffee und ein Croissant in der Hoffnung, dass auch der Museumsleiter bald eintreffen und sich am besten zu ihr an den Tisch setzen würde. Die Schlange an der Theke wurde mittlerweile so lang, dass die Menschen bereits in der offenen Tür standen. Kira fröstelte, nicht nur wegen der kalten Luft, sondern auch aufgrund ihrer Aufgabe.

Die Kaffeetasse wärmte ihre steifen Finger, das Croissant hatte Kira kaum angerührt. Zu wild schlug ihr das Herz in der Brust aus lauter Angst, sie würde gleich alles vergeigen. Da entdeckte sie ihn. Petrikov hatte die Hände im langen, grau-braunen Mantel vergraben, dazu eine passende Mütze auf dem Kopf und steuerte geradewegs am Café vorbei.

Nein! Das durfte nicht wahr sein! Warum zum Teufel kam er nicht wie jeden verdammten Morgen herein? Sie musste hinterher. Sofort! Schnell schnappte Kira sich ihren Mantel und die Handtasche, ließ Kaffee und Croissant stehen und eilte zur Tür. Bevor sie nach draußen huschen konnte, packte sie jemand am Arm.

»Junge Frau, haben Sie nicht etwas vergessen?« Ein strenger Blick traf sie von einer Mittvierzigerin, die eine weiße Schürze mit dem Schriftzug des Cafés trug.

Verwirrt sah Kira zurück zum Tisch, zählte leise murmelnd durch: »Handtasche, Mantel, Handy und Mütze sind in der Tasche.« Sie schüttelte ihren Kopf. »Nein, ich habe alles.«

»Bezahlen!« Mit Nachdruck in der Stimme und eisernem Griff schob die Frau sie zur Kasse.

»Tut mir leid.« Kleinlaut kramte sie einen Zehneuroschein heraus und warf ihn auf die Glastheke. Sie hatte keine Zeit, auf ihr Wechselgeld zu warten. »Stimmt so!«, rief sie und drängte sich, ohne sich zu verabschieden, an den Leuten vorbei zur Tür. Hoffentlich war es noch nicht zu spät.

Ihre Absätze klackerten in lautem Stakkato auf der Straße. Das Museum lag nur wenige Gehminuten vom Café entfernt. Wie viel Zeit hatte sie gerade verschwendet? Zwei Minuten? Konnte sie Petrikov noch einholen? Sie brauchte eine Abkürzung – gab es keinen schnelleren Weg? Kiras Gedanken liefen auf Hochtouren, doch der kürzeste Weg war der, den Petrikov eingeschlagen hatte. Noch eine Ecke, dann war das Museum bereits in Sichtweite. Die kalte Luft reizte ihre Atemwege, bei jedem Schritt musste sie aufpassen, nicht umzuknicken. Wenn sie Petrikov entdeckte, würde sie nach ihm rufen müssen. Kein Zufall mehr, aber sie musste ihn treffen, bevor er im Gebäude verschwand, zu dem sie noch keinen Zutritt hatte.

Keuchend sprintete Kira um die Ecke, holte tief Luft, um nach Petrikov zu rufen, doch schon das »Pe… « blieb ihr im Hals stecken. Verdammt, wo war er? Der erste Schock ließ sie erstarren, sie hatte ihn verpasst. Sie hatte das Projekt versaut! Tränen bahnten sich an, stiegen ihr in die Augen, die sie schnell wegblinzelte, bevor sie ihre Wimperntusche verschmierten. Es war vorbei, und sie war schuld. Nicht nur Niklas würde sie verantwortlich machen, auch Sandmann und Frikadelle würden die hübsche Sirene nie mehr bei einem Coup um Hilfe bitten. Die Aussicht auf finanzielle Unterstützung war damit futsch. Sie würde nie ihr Studium beenden. Sie würde nicht für ihre Oma sorgen können.

Mit hängenden Schultern drehte Kira sich um, ihr war auf einmal so heiß. Das war mit Sicherheit die Wut und die Scham über ihr eigenes Versagen. Während sie zurück um die Hausecke stürmte, riss sie sich den Mantel von den Schultern, fluchte dabei leise über sich selbst und stieß mit voller Wucht mit jemanden zusammen.

»Pass doch auf!«, fauchte sie frustriert, ehe sie erkannte, wem sie durch den Zusammenstoß den Kaffee to go aus der Hand geschleudert hatte. Petrikov!

Sekunden verstrichen, in denen sie den Museumsleiter einfach nur anstarrte. Und dieser sah seinem Kaffee nach, der auf dem Kopfsteinpflaster eine dampfende, braune Pfütze hinterließ.

»Großer Gott, es tut mir so leid. Ich …« Sie ging vor dem Mann in die Hocke und hob den Kaffeebecher auf, um vielleicht noch etwas zu retten.

»Schon in Ordnung. Kann jedem mal passieren. Sind Sie nicht die junge Frau von gestern?«

»Ja! Herrje, Sie sind Herr Petrikov. Das ist mir ja so peinlich.« Unglaublich, dass sich das Blatt noch gewendet hatte. Das Schicksal gab ihr eine zweite Chance. »Ich kaufe Ihnen einen neuen Kaffee, versprochen.« Sie lächelte ihn entschuldigend an, natürlich nicht ohne ihren Hundeblick.

Petrikov winkte geschmeichelt ab. »Das ist nicht nötig.«

Kira hatte lange Zeit nicht geahnt, wie dieser Blick auf die meisten Männer wirkte. Doch Niklas hatte ihr eingeschärft, dass sie, wenn sie die Kerle unschuldig und gleichzeitig geheimnisvoll verführerisch ansah, alles bekommen würde. »Dann lassen Sie es mich wenigstens anders gutmachen, in Ordnung?«

»Das müssen Sie wirklich nicht, Frau … äh.« Er schien ihren Nachnamen vergessen zu haben. Das war nicht schlimm, umso besser, wenn er sich nicht daran erinnerte.

»Nennen Sie mich einfach Antonia.« Mit einem Wimpernaufschlag trat sie näher an ihn heran. »Ich mache es auf jeden Fall wieder gut. Darf ich Sie ein Stück begleiten? Erinnern Sie sich noch an die Idee meines Bruders? Wir würden so gerne helfen, Ihre Aktion zu etwas Besonderem zu machen. Zu einem Ereignis, dass so schnell niemand vergessen wird!«

»Ja, stimmt. Da war etwas mit einem Weihnachtsmann, wenn ich mich recht erinnere?«

Kira deutete in die Richtung, die zum Museum führte und setzte sich langsam in Bewegung, um ihn zu begleiten. So leicht würde er sie nicht mehr loswerden.

»Richtig!« Ihre Freude musste sie nicht spielen, anscheinend hatten sie es tatsächlich geschafft, ihre Saat in sein Hirn zu pflanzen.

»Aber ich hatte überlegt, ob wir nicht auf das russische Weihnachtsfest eingehen könnten. Das ist zwar erst im Januar, aber Väterchen Frost und Snegurotschka würden so gut in das Ambiente des russischen Museums passen.«

»Genau das hatte ich mir auch gedacht!«, rief Petrikov auf einmal erfreut, doch seine dichten Augenbrauen zogen sich einen Moment später zusammen. »Die Bürgermeisterin hat diesen Vorschlag leider gnadenlos abgeschmettert. Die Deutschen seien zur typischen Weihnachtszeit deutlich spendabler als im Januar, meinte sie. Leider sind wir auf die Spenden der Münchner angewiesen.«

Kira wurde schnell klar, dass sie hier nicht nur Petrikov, sondern auch die Bürgermeisterin überzeugen musste. Da konnte sie mit den ihr vertrauten, russischen Traditionen wenig ausrichten. Zumindest hatte sie den Kurator so auf ihre Seite gezogen. »Na dann nehmen wir einfach einen Weihnachtsmann und den dazu passenden Engel?«, schlug sie spontan vor. Das entsprach zwar nicht ihrem Plan, würde aber auch klappen.

»Ein wirklich interessanter Gedanke. Wie hatten Sie … vielleicht sollten wir zum Du wechseln, Antonia? Ich bin Alexander.«

Das wusste sie schon längst. Viel länger, als er glaubte. »Freut mich wirklich sehr, Alexander.«

»Wie hattet ihr euch das Ganze denn vorgestellt?«

Während ihres kurzen Gesprächs hatten sie den Haupteingang des Museums fast erreicht.

»Nun der Weihnachtsmann könnte auf die Ausstellung aufmerksam machen, und wir haben Ideen zu ein paar speziellen Aktionen. Dadurch würde man das Museum weiter hervorheben und nicht nur die Ausstellung.«

»Das klingt nicht schlecht«, sagte Petrikov nachdenklich und haderte, ob er sich von ihr verabschieden oder sie mit hineinnehmen sollte.

»Wie gesagt, uns liegt wirklich viel an dem Fortbestand deines Museums. Unsere kranke Oma war so oft mit uns hier. Sie ist zwar mittlerweile dement, aber …« Da dieser Teil ihrer Geschichte der Wahrheit entsprach, verfiel sie sogar in ehrliche Traurigkeit.

»Ich habe die Hoffnung, dass sie vielleicht bei einem Besuch im neuen Jahr …« Nun kullerte eine Träne über ihre Wange. »Wir sind nun einmal eine Künstlerfamilie, unsere Oma ist in Krasnojarsk geboren und aufgewachsen. Tut mir leid, Alexander.« Sie lächelte leicht, woraufhin der Museumsleiter nickte.

»Eine Künstlerseele, ich verstehe.«

»Ja, wir wollen nicht bezahlt werden, uns geht es allein um die Erinnerung und die Kunst.«

»Das ist sehr nobel. Wie wäre es, wenn wir die Idee im Warmen genauer besprechen? Dann werde ich sehen, was ich machen kann.«

Ende der Leseprobe