Die Weisheit des friedvollen Kriegers - Dan Millman - E-Book

Die Weisheit des friedvollen Kriegers E-Book

Dan Millman

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  • Herausgeber: Heyne
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2011
Beschreibung

Der Weg in eine Spiritualität des 21. Jahrhunderts

Millionen begeisterter Leser weltweit folgten Dan Millman auf dem »Pfad des friedvollen Kriegers«. Immer wieder wurde der Autor gebeten, die oft kryptischen Aussagen und Verhaltensweisen seines Lehrers Socrates näher zu erklären. Endlich löst Dan Millman diese Rätsel. Und er entwickelt die Botschaft weiter im Sinne einer offenen, modernen Spiritualität für das neue Jahrhundert.

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Seitenzahl: 262

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Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel »Wisdom of the Peaceful Warrior. A Companion to the Book that Changes Lives« bei H. J. Kramer, P.O. Box 1082, Tiburon, California 94920, USA.

Ansata Verlag Ansata ist ein Verlag der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

ISBN 978-3-641-07871-3V002

Copyright © 2006 by Dan Millman

Passagen aus dem Pfad des friedvollen Kriegers: © 1980, 1984, 2000 by Dan Millman, published by H. J. Kramer / New World Library

Passagen aus der deutschen Ausgabe Der Pfad des friedvollen Kriegers: © 2000 by Ansata Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Diese Passagen wurden aus dem Amerikanischen übersetzt von Thomas Lindquist.

Layout/Herstellung: Gabriele Kutscha Gesetzt aus der Meridien bei C. Schaber Datentechnik, Wels

www.penguin.de

Für alle, die durch die Dunkelheit gehen,dem Licht entgegen,um das Leben in seiner ganzen Tiefe auszuloten

Weisheit beginnt mit Staunen.

Sokrates (470 – 399 v. Chr.)

Inhaltsverzeichnis

WidmungInschriftEinleitungÜber das Vorwort zum - Pfad des friedvollen KriegersÜber die Tankstelle am Rainbow’s EndÜber das erste Buch - Sturm der Veränderung
Zu Kapitel eins - Ein Hauch von MagieZu Kapitel zwei - Das Netz der IllusionenZu Kapitel drei - Der Sprung in die Freiheit
Über das zweite Buch - Lehrjahre eines Kriegers
Zu Kapitel vier: Das Schwert wird geschärftZu Kapitel fünf: Der Weg in die BergeZu Kapitel sechs: Freude jenseits des Denkens
Über das dritte Buch - Glücklich ohne Grund
Zu Kapitel sieben: Die letzte SucheZu Kapitel acht: Die Pforte öffnet sichZum Epilog: Lachen im WindZum Schluss
Anhang - Eine Chronologie in BüchernCopyright

Einleitung

Einem erleuchteten Geist erstrahlt die ganze Welt in hellem Licht.

Ralph Waldo Emerson

 

 

Stellen wir uns vor, ich wäre eines schönen Frühlingstages im Jahre 2006 aus reiner Nostalgie nach Berkeley gefahren und hätte einen Spaziergang durch den Tilden Park gemacht. Plötzlich wäre mein alter Mentor vor mir aufgetaucht und hätte keinen Tag älter ausgesehen als zu dem Zeitpunkt, als wir uns trennten.

Nehmen wir ferner an, er hätte ein Exemplar des Pfades des friedvollen Kriegers in der Hand gehalten und hätte gesagt: »Vieles hast du durchaus richtig verstanden, Dan, aber einiges ist doch ein bisschen unklar geblieben. Setz dich, ich möchte dir noch ein paar Dinge erklären.«

Natürlich hätte er damit wie üblich recht. Schließlich entsprach ja alles, was ich gehört, erinnert und in dem Buch erzählt hatte, meinem damaligen Bewusstseinsstand.

Seit jener sternenklaren Winternacht im Jahr 1966, in der wir uns zum ersten Mal begegneten, sind nun schon mehr als vierzig Jahre vergangen. Das Buch Der Pfad des friedvollen Kriegers wurde aber erst 1980 geschrieben. Ich berichte darin über die Erfahrungen und Lektionen, die ich im Anschluss an unsere Begegnung machte und erhielt. Von den Episoden, die ich darin wiedergebe, haben sich viele tatsächlich so abgespielt, aber nicht alle. Doch die zeitlosen Lehren, die das Buch ausmachen, haben nichts von ihrem Wahrheitsgehalt verloren.

Die Weisheit des Pfades des friedvollen Kriegers ist nicht meine Weisheit, nicht einmal die von Socrates – sie gehört uns allen. Bereits in den Analekten des Konfuzius, in den Schriften Platos und Aristoteles’ kamen diese Grundwahrheiten und Erkenntnisse zum Ausdruck, aber auch in den Lehren Jesu, Buddhas, Mohammeds, Lao Tzus, Chuang Tzus, Hilles und anderer. Doch nur die wenigsten von uns werden all diese alten Texte studieren können. Deshalb ist jede nachkommende Generation darauf angewiesen, dass neue Stimmen sie an unser globales Weisheitserbe erinnern, und zwar in einer Sprache, die der jeweiligen Zeit und Kultur entspricht. Ich bin eine dieser Stimmen, mehr nicht.

Im Laufe der Jahre wurde ich von vielen Lesern gebeten, die Lehren, die mein erstes Buch enthält, zu präzisieren und näher zu erläutern. Kein Wunder, mitunter hat Socrates tatsächlich ziemlich unerhörte Statements und paradoxe Hinweise von sich gegeben – so etwa, wenn er gegen die Mäßigkeit wetterte, manche meiner Fragen nur mit einem Achselzucken beantwortete oder mit dem mysteriösen Hinweis auf die » Geschäftsregeln«.

2006, als in den USA der Film zum Buch herauskam, wurde mir dann klar, dass die Zeit reif war, ein neues Licht auf den Pfad zu werfen. Deshalb habe ich mich entschlossen, den vorliegenden Band zu schreiben. Er enthält Schlüsseldialoge und -szenen aus dem Buch, jeweils gefolgt von Kommentaren, die die ursprünglichen Lehren vertiefen und erläutern.

Ich würde mir wünschen, dass ihr diese Texte lest, als hätte Socrates selbst sie geschrieben. Denn paradoxerweise hat er das vielleicht sogar getan.

 

Dan Millman Sommer 2006

Über das Vorwort zum

Pfad des friedvollen Kriegers

Die Straße geht voran, voranvon jener Tür, da sie begann.Nun ist sie schon weit fortgeschritten,ich muss ihr nach in schnellen Tritten.Bis dann auf einen Weg sie trifft,wo viele Ziele sich begegnen.Und wohin dann?Ich weiß es nicht.

J. R. R. Tolkien

Realitätscheck 1

Sonderbare Begebenheiten haben sich in meinem Leben zugetragen, und alles fing an im Dezember 1966, in meinem ersten Studienjahr an der University of California, in Berkeley. Und zwar eines Morgens, kurz nach drei, als ich Socrates zum ersten Mal begegnete – an einer Tankstelle, die die ganze Nacht offen hatte.

 

 

Es war mir immer wichtig zu betonen, dass sich im Pfad des friedvollen Kriegers Fakten und Fiktion, Erinnerung und Erfindung, Autobiografisches und Fantasie vermischen. Um möglichen Verwirrungen vorzubeugen, wird das Buch im Handel deshalb auch unter der Kategorie »Persönliches Wachstum/Roman« geführt, jedenfalls in den USA.

Pablo Picasso hat einmal gesagt: »Kunst ist eine Lüge, die uns hilft, die Wahrheit zu erkennen.« Dies wirft einige größere Fragen auf: Was ist eigentlich Wahrheit? Und was Wirklichkeit? Es heißt, wir sollten uns auf unsere Sinneswahrnehmungen verlassen. Dabei reflektiert doch alles, was wir wahrnehmen, nur unsere persönliche, subjektive Wirklichkeit, gefiltert durch unsere Überzeugungen, Assoziationen und Interpretationen.

Selbst die Intelligentesten von uns sind nicht davor gefeit, Gedrucktes oder Gesendetes mit der Wirklichkeit, der Wahrheit, zu verwechseln. Eine Bekannte von mir hat beispielsweise erzählt, dass sie vom Balkon ihrer Wohnung in Manhattan aus miterlebte, wie die Türme des World Trade Center am 11. September 2001 in sich zusammenfielen. Da sie ihren Augen nicht traute, stürzte sie in die Wohnung und schaltete den Fernseher an, um zu sehen, ob es wirklich geschah. Ein anderes Beispiel: Wie viele von uns glauben wohl, dass hoch entwickelte Yogis in der Lage sind, sich an zwei Orten gleichzeitig aufzuhalten oder in der Luft zu schweben – und zwar nicht etwa, weil sie sich persönlich davon überzeugen konnten, sondern weil sie etwas darüber gelesen oder gehört haben? Möglicherweise gibt es solche Phänomene tatsächlich. Werden sie aber dadurch »wahr«, dass jemand darüber schreibt?

Die Schwerkraft und andere Aspekte der Wirklichkeit existieren einfach, ob wir nun an sie glauben oder nicht. Aber in den fließenden Gewässern der Spiritualität ist es ratsam, Unterscheidungsvermögen, kritisches Denken und gesunden Menschenverstand an den Tag zu legen. Lest den Pfad des friedvollen Kriegers und andere spirituelle Bücher also durchaus mit Spaß an den Geschichten, der Inspiration und den transzendentalen Hintergründen, die sie euch vermitteln, vernachlässigt aber bei allem Vertrauen auch nie den Verstand, und verlasst euch auf eure unmittelbaren Erfahrungen.

Desillusionierung: Die Suche beginnt

Das Leben schenkte mir reichen Lohn – aber keine Zufriedenheit, keinen inneren Frieden.

 

 

Auch von diesem Satz, der die Leere am Anfang meiner Sinnsuche beschreibt, haben sich unzählige Leser in die Geschichte hineinziehen lassen. Die meisten von uns sehnen sich nach »Mehr«, ohne dass wir dieses »Mehr« genau ausloten oder definieren könnten. Im 19. Jahrhundert hat es der Philosoph Henry David Thoreau einmal so ausgedrückt: »Manche Menschen gehen ihr ganzes Leben lang angeln, ohne sich darüber klar zu werden, dass sie eigentlich gar keinen Fisch mögen.«

Was wir suchen, ist die befreiende Ahnung vom größeren Ganzen, ein Gefühl inneren Friedens und Erfülltseins, das über den Alltag hinausweist. Das ist das Ziel jeder Religion, jeglicher Spiritualität und inneren Suche. Derselbe zwingende Drang, der einst die Pioniere Amerikas nach Westen zog, lässt die Menschen heute ihr Wohl im geheimnisumwitterten Fernen Osten suchen.

In den Entwicklungsländern kämpfen immer noch Millionen und Abermillionen von Menschen ums schiere Überleben. Deren primäres Anliegen ist es, nicht zu verhungern. Und »für einen Verhungernden ist das Brot Gott«, wie Mahatma Gandhi einmal sagte.

Wir aber, die wir das Glück haben, unter komfortableren Umständen zu leben, in denen genügend Nahrung und ein Dach über dem Kopf relativ sicher sind, haben Zeit, Muße und Energie genug, um nach Höherem zu streben – nach Erfüllung, Sinn und Selbstverwirklichung.

Diejenigen von uns, die es auf dem westlichen Weg der Äußerlichkeiten – Leistung, Erfolg, materieller Reichtum, Status und Besitz – besonders weit gebracht haben (oder mitbekamen, wie sehr sich die Eltern darum bemühten), fanden heraus, dass das alles zwar nicht schlecht ist, aber weder inneren Frieden noch Glücksgefühle verschafft.

Wir, die wir uns keinerlei Illusionen über Erfolge im Äußeren mehr machen, wenden uns eher dem nach innen gerichteten Pfad des Fernen Ostens zu. Geld, Besitz, Status und andere Äußerlichkeiten verlieren an Bedeutung. Wir vereinfachen unser Leben, verabschieden uns von äußerlichen Symbolen und dem ganzen Schnickschnack und suchen Antworten in uns selbst. Wir meditieren und erforschen die inneren Pfade der verschiedenen esoterischen Traditionen. Viele im Inneren Suchende bekommen allerdings Schwierigkeiten mit ihren weltlichen Verantwortungen wie Miete, Haushalt, Beruf.

Der Weg des friedvollen Kriegers beinhaltet die Tugenden des Westens ebenso wie die des Ostens, das Außen und das Innen, Körper und Geist, die linke und die rechte Hirnhälfte, den Kopf und das Herz, Vernunft und Vertrauen, Wissenschaft und Mystik, sowohl moderne Technologien als auch die Weisheit der Urvölker, Konventionen ebenso wie Transzendenz. Das Leben ist kein Entweder-Oder, sondern die Integration scheinbarer Gegensätze. Als friedvolle Krieger haben wir den Kopf in den Wolken und die Füße fest auf dem Boden. Wir streben nach einem friedvollen Herzen und einem kriegerischen Geist zugleich.

Dieser Ansatz bietet keine Garantie für ständigen inneren Frieden oder Zufriedenheit – das wäre auch unmöglich, denn die Gefühle sind so wechselhaft wie das Wetter. Vielmehr steht er für eine realistische, ausgeglichene Lebensweise.

Wie leben?

Nie war es mir in den Sinn gekommen, dass ich erst lernen müsste, richtig zu leben; dass es bestimmte Fähigkeiten gab und eine gewisse Art, die Welt zu sehen, die ich erst kennenlernen musste, bevor ich erwachen konnte für ein einfaches, glückliches und unkompliziertes Leben.

 

 

Das konventionelle Denken, wie es in Filmen wie Pleasantville oder Die Truman Show zum Ausdruck kommt, beruht auf allgemein akzeptierten Illusionen. Die mögen oberflächlich vielleicht ganz reizvoll sein, doch dahinter verbirgt sich das, was Thoreau meinte, als er von einem »Leben in stiller Verzweiflung« sprach. Früher glaubten wir, wenn wir in der Schule gute Noten, dann einen guten Job und jeder 1,5 Kinder hätten – wenn wir also genau das täten, was man von uns erwartete –, könnten wir uns aufs Wochenende, den Urlaub und den Ruhestand freuen und hätten ein insgesamt gutes, erfülltes Leben.

Und bis zu einem gewissen Maß gehören solche gewöhnlichen Vergnügungen tatsächlich zu einem guten Leben mit dazu. Allerdings nur, wenn wir sie nicht im Halbschlaf konsumieren und uns nicht wie Schmarotzer aufführen, deren gesamte Bildung aus Gemeinplätzen und den Parolen billiger Massenmedien besteht.

Wie andere Wege der Weisheit besteht auch der Pfad des friedvollen Kriegers nicht nur aus einer höheren Weltsicht, sondern beinhaltet auch bewährte Praktiken zur Harmonisierung und Integration von Körper, Geist und Seele.

Doch an welche Regeln müssen wir uns halten, welche Perspektive einnehmen, um erwachen zu können? Vielleicht geheime esoterische Praktiken für Leute, die wie Mönche und Nonnen in Höhlen sitzen, meditieren, innere Wärme produzieren oder ihre Kundalini-Energie die Wirbelsäule hochsteigen lassen?

Oder liegt des Rätsels Lösung etwa doch offen vor uns, unmittelbar im Hier und Jetzt, im Alltagsleben? Geht es womöglich darum, unsere Gedanken und Gefühle zu akzeptieren, statt gegen sie anzukämpfen, und sich verantwortungsbewusst, konstruktiv und freundlich zu verhalten, egal, ob es uns gerade danach ist oder nicht?

Diese tägliche Praxis ist das Kernstück meiner Lehren. Wir alle sind friedvolle Krieger in der Ausbildung – genau hier, genau jetzt.

Realitätscheck 2

Dieses Buch beruht auf der Geschichte meines Abenteuers mit Socrates – aber es ist auch ein Roman. Der Mann, den ich hier Socrates nenne, hat wirklich gelebt. Aber seine Art, in meiner Welt in Erscheinung zu treten, war so vielfältig mit anderem verwoben, dass ich nicht immer sagen könnte, wo die Grenze liegt zwischen ihm und anderen Lehren und Erfahrungen. Die Dialoge habe ich frei nacherzählt, manchmal habe ich die zeitliche Reihenfolge verändert. Und ich habe Gleichnisse und Geschichten eingestreut, um seine Lehren zu verdeutlichen, die ich – dies war Socrates’ Wille – weitergeben sollte.

 

 

Socrates war tatsächlich ein Mensch aus Fleisch und Blut. Als wir uns begegneten, erinnerte er mich sofort an Sokrates, den Weisen aus dem alten Griechenland, und deshalb nannte ich ihn so.

Zwischen unserer ersten Begegnung und der Veröffentlichung meines ersten Buches lag mehr als ein Jahrzehnt. In dieser Zeit bin ich viel gereist, traf andere Mentoren und Meister und gewann in der Schule des täglichen Lebens größere Klarheit, mehr Durchblick und Reife. Als ich mich dann schließlich hinsetzte, um den Pfad des friedvollen Kriegers zu formulieren, sprach der Weise von der Tankstelle, den ich Socrates nannte, für viele Lehrer, deren gesammelte Weisheit er zum Ausdruck brachte.

Wenden wir uns jetzt dem Anfang der Geschichte zu. Ich war auf dem Weg ins College, um ein neues Leben zu beginnen. Alles änderte sich in dem Moment, als ich die alte Texaco-Tanke betrat und über mein Schicksal stolperte.

Über die Tankstelle am Rainbow’s End

Das Einzige, was man braucht, ist eineChance.

Jesse Owens

 

 

 

»Jetzt fängt das Leben an«, so dachte ich, als ich Mom und Dad »Goodbye« winkte und mich mit meiner alten Karre, Marke Valiant, in den Straßenverkehr stürzte. Hinten im Kofferraum und auf den Sitzen lagen die Siebensachen, die ich für mein erstes Collegejahr eingepackt hatte. Ich war gut aufgelegt, ich war frei und zu allem bereit.

 

 

Eigentlich entfaltet sich das Leben Moment für Moment wie ein ständiger Fluss; im menschlichen Erleben scheint es aber Wendepunkte zu geben, an denen sich plötzlich Türen öffnen, die vorher gar nicht zu erkennen waren. Genauso empfand ich meine Fahrt nach Berkeley ins College. Ich war super Stimmung und strotzte nur so vor Optimismus. Im Sportseminar erwarteten mich meine Mannschaftskollegen – vielversprechende neue Freunde, neue Chancen.

Keinerlei Ahnung hatte ich, wer oder was sonst noch auf mich zukommen sollte. Die nächsten Jahre standen erst einmal ganz im Zeichen von Vorlesungen und Seminaren, neuen Trainingstechniken und -methoden. Doch irgendwann fing dann das mit den düsteren Träumen an, die mich schließlich auch in Socs alte Tankstelle führten.

Realitätscheck 3

Auf dem Bürgersteig blieb ich instinktiv stehen. Es war so ein komisches Kitzeln im Nacken. Ich wusste, er beobachtete mich. Vorsichtig spähte ich über die Schulter. Keine fünfzehn Sekunden waren vergangen – aber er stand dort oben auf dem Dach! Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schaute zum Sternenhimmel hinauf.

Fassungslos starrte ich den leeren Stuhl an, wo er eben noch gesessen hatte. Ich schaute hinauf, wo er stand. Es war unmöglich! Hätte ich zugeschaut, wie jemand an einem von Mäusen gezogenen Riesenkürbis ein Rad wechselt – es hätte mich weniger überrascht.

 

 

Wie schon gesagt, beruht Der Pfad des friedvollen Kriegers auf einer Mischung aus vielen persönlichen Erlebnissen und ein wenig Fantasie.

Ich habe Socrates nicht aufs Dach der Tankstelle springen sehen. Im Buch habe ich es so beschrieben, dass er auf einem Stuhl saß und dann wenig später auf dem Dach war. An einer späteren Stelle im Text hat er meinen Kopf berührt und ich sah oder meinte zu sehen, dass er wie in Zeitlupe aufs Dach sprang. Sah ich da etwas, was ich sehen wollte, oder wollte Socrates, dass ich es sah? Im Subtext der Geschichte werden solche Fragen durchaus gestellt.

Was aber, wenn Socrates gar nicht über erstaunliche athletische Talente verfügt, sondern von einem Schamanen gelernt hätte, das Zeitgefühl anderer Menschen zu verändern? Dann wären vielleicht nicht nur ein paar Sekunden vergangen, während ich mich von der Tankstelle entfernte, sondern einige Minuten, und Socrates hätte genügend Zeit gehabt, in aller Ruhe aufs Dach zu steigen (und später wieder herunterzukommen).

In Anlehnung an Ockhams Rasiermesser, eine These, die auf den Franziskanermönch Wilhelm von Ockham zurückgeht, könnte man sagen, dass die einfachste Theorie häufig auch die beste ist. Einigen wir uns also darauf, dass ich die Geschichte um einige magische Elemente ergänzt habe. Wie im Buch beschrieben, ließ sich Socrates einige besondere Dinge einfallen, um mein Interesse wach zu halten. Ich habe beschlossen, dasselbe für meine Leser zu tun.

Was mich zu Socrates hinzog, war natürlich nicht sein Sprung aufs Dach, sondern etwas viel Grundlegenderes und Tiefgreifenderes. Es gibt eine schöne Geschichte über einen Wandermönch, der dem Buddha begegnete und spürte, dass er etwas ganz Besonderes an sich hatte. »Bist du ein Krieger?«, fragte er. Der Buddha schüttelte den Kopf. »Ein Zauberer vielleicht?« Als Buddha verneinte, fragte der Mönch weiter: »Dann bist du aber bestimmt ein König oder ein Heiliger?« Wieder schüttelte Buddha den Kopf. »Ja, aber was ist es dann, das dich von anderen Menschen unterscheidet? «

»Ich bin erwacht«, sagte der Buddha.

Im Traum auf einen erwachten oder erleuchteten Menschen zu stoßen ist schon ziemlich erstaunlich. Mehr brauchte ich gar nicht, um mich vom Licht, das von Socrates ausging, wie eine Motte anziehen zu lassen. Allein das veränderte den ganzen weiteren Verlauf meines Lebens.

Narren unter sich

»Ich bin ein Narr, sagen Sie?« Es klang streitlustiger, als ich wollte.

»Wir sind doch allesamt Narren«, meinte er gutmütig. »Manche wissen es, und manche wissen es nicht. Du bist mir, so scheint’s, einer von letzterer Sorte.«

 

 

Im Tarot – dem heiligen Kartenspiel, das in archetypischen Bildern die Lebensreise des Menschen – Erfahrung, Entwicklung und Erwachen – nacherzählt, gibt es unter den Großen Arkana die Karte Der Narr. Sie zeigt einen Spaßvogel (er steht für kindliche Unschuld), der den Blick in den strahlenden Himmel gerichtet hat und unmittelbar vor einem tiefen Abgrund (den Irrungen und Wirrungen des Lebens) steht.

Das meinte Socrates mit »Narr«: einen unschuldigen, naiven, vom Licht geblendeten Menschen mit allen möglichen idealistischen Gedanken und unbewiesenen Überzeugungen im Kopf, voller Selbsttäuschungen. Diesem Sündenfall entgehen nur die wenigsten; er scheint zur menschlichen Entwicklung einfach dazuzugehören.

Unseren Kindern wünschen wir, dass er ihnen erspart bleiben möge, dass sie unschuldig, aufgeschlossen und spontan bleiben – die Hürden des Lebens umschiffen. Doch die Abenteuer des Narren lassen sich nicht vermeiden. Auf unserer Lebensreise gewinnen wir an Weisheit, und ihre Stationen bereiten uns auf unsere letztendliche Bestimmung vor.

Jenseits der Erleuchtung bleiben wir alle Schlafwandler in einer von uns selbst erschaffenen subjektiven Wirklichkeit. Das Wort »Narr« kommt allerdings ziemlich barsch daher. Sagen wir also lieber, dass jeder von uns seine närrischen Momente hat, seine intelligenten, brutalen, aber auch seine freundlichen Momente, seine verrückten und seine friedlichen Augenblicke.

Socrates wollte natürlich nie sagen, dass er mich für bescheuert hielt. Er richtete sich an mein Selbstbild, an meine Illusion, die Weisheit mit Löffeln gefressen und »alle Tassen im Schrank« zu haben. Ihm war vollkommen klar, dass ich erst das Gesicht verlieren, loslassen, mich mit meinen Schatten und Ängsten konfrontieren musste, bevor ich mich für mehr öffnen konnte. Das trifft auf uns alle zu. In Socrates’ Worten ausgedrückt: »Bevor du spirituell werden kannst, musst du es erst einmal zu menschlicher Reife bringen.«

Schlafen, träumen und aufwachen

»Woher weißt du, dass du nicht schon dein ganzes Leben verschlafen hast? Woher weißt du, dass du nicht auch jetzt schläfst, in diesem Moment?« Er sprach mit seltsamem Nachdruck in der Stimme.

Eine gute Methode, die Kunst des luziden Träumens – des Aufwachens im Traum – zu erlernen, besteht darin, sich tagsüber immer mal wieder zu fragen: »Ist das jetzt ein Traum?« Die Antwort darauf lautet dann in der Regel: »Nein, ich träume nicht.« Wenn du dich aber einmal daran gewöhnt hast, dir diese Frage häufiger zu stellen, mag der Tag kommen, an dem du bemerkst, dass du tatsächlich träumst. Dann wirst du sofort luzide – wachst also mitten im Traum auf.

In diesem Zustand des luziden Träumens kannst du deinen Traum aktiv erschaffen, statt nur passiv darin mitzuspielen: Dann kannst du fliegen oder Ungeheuer in Gänseblümchen verwandeln. Der Prozess des luziden Träumens ist schon sehr alt. Bereits die tibetischen Mönche übten sich darin. Sie nannten diese Praxis Bardo-Arbeit – im Rahmen ihrer Kosmologie erkundeten sie dabei den traumartigen Zustand zwischen den Lebenszeiten, zwischen dem Tod und der nächsten Wiedergeburt.

Die Metapher des Schlafens, Träumens und Erwachens hat noch eine tiefere Bedeutung. Erwachte Lehrer vertreten die Auffassung, dass wir nicht nur des Nachts schlafen und träumen, um dann am Morgen wieder aufzuwachen, sondern auch im Wachzustand verwirrt von einer Erfahrung in die nächste taumeln, verstrickt in unsere Überzeugungen, Assoziationen und Interpretationen von der Wirklichkeit – ganz so, als würden wir träumen.

Wege in den Traum

»Mir scheint, Socrates, als hätte ich dich schon mal gesehen.« »Ja, das hast du«, sagte er.

Und wieder sprang diese Tür in meinem Inneren auf, wo Traum und Wirklichkeit in eins verschmelzen.

»Jetzt weiß ich es, Socrates!«, rief ich. »Ich hatte immer wieder einen Traum, und du kamst darin vor.«

Ich schaute gespannt zu ihm hinüber, aber sein Gesicht verriet keine Regung.

»Weißt du, ich komme in den Träumen vieler Menschen vor. Du übrigens auch. Also gut, erzähle mir deinen Traum.«

 

 

Im Pfad des friedvollen Kriegers spreche ich häufig von Träumen, jenen dunklen Quellen der Psyche, die Sigmund Freud gern als »Königsweg zum Unbewussten« bezeichnete. Meine Begegnungen mit Socrates dienten als Brücke zwischen der Traumwelt – dem Reich des Unbewussten – und der Alltagsrealität. Auch Schamanen und Mystiker überschreiten diese Brücke zwischen den Welten, genau wie Menschen, die an Schizophrenie leiden. Der Unterschied ist nur der, dass sich die Schamanen und Mystiker bewusst zwischen diesen Welten bewegen und den Unterschied kennen; Menschen, die unter geistiger Verwirrung leiden, sind dazu nicht in der Lage.

Im Buch und im Film erhält Dan viele Traumbotschaften aus anderen Welten. Innerhalb dieser Realität bewegt sich Socrates offenbar ähnlich frei wie die Schamanen der Senoi aus Malaysia, für die der Traum genauso wirklich ist wie das Leben im Wachzustand (wenn nicht noch realer). Allmorgendlich bitten sie ihre Kinder, von ihren Träumen zu erzählen und quittieren die Berichte meistens mit »Ein guter Traum!«.

Die meisten von uns kennen diese Déjà-vu-Erlebnisse, wenn wir das Gefühl haben, jemanden schon zu kennen, dem wir noch nie begegnet sind. Und manche träumen Dinge, die später dann tatsächlich eintreten. Viele erinnern sich kaum an ihre Träume, messen ihnen keine größere Bedeutung zu oder glauben sogar, überhaupt nicht zu träumen. In Wirklichkeit hat aber jeder von uns ein reichhaltiges Traumleben. Zugang dazu können wir finden, wenn wir bereit sind, mitten in der Nacht aufzuwachen und uns Notizen zu machen. Mitunter haben unsere Träume verborgene oder symbolische Bedeutung, aber manchmal besteht die Botschaft auch bloß darin, dass wir vor dem Schlafengehen zu viel Pizza gegessen haben.

Jedenfalls haben mir meine Erlebnisse mit Socrates zu größerer Klarheit über das Reich der Träume und des Unbewussten verholfen. Er war in beiden Welten zu Hause, während ich damals noch in keiner ganz aufgewacht war.

Ein lebendes Beispiel

Etliche waren in Party-Stimmung. Sie ließen ihr Radio dröhnen, während wir sie bedienten. Socrates störte das alles nicht. Er lachte und plauderte mit den Leuten. Andere waren schlechter Laune und gaben sich besondere Mühe, unfreundlich zu sein. Aber jeden behandelte er mit derselben Höflichkeit, als ob er sein persönlicher Gast wäre.«

Der amerikanische Schriftsteller James Baldwin hat einmal geschrieben: »Kinder hören selten auf das, was die Eltern sagen; ganz sicher aber ahmen sie sie nach.« Für Erwachsene gilt genau dasselbe. Im Laufe der Zeit bekam ich mit, wie Socrates aß, wie er sich bewegte und wie er atmete. Aus seinem ganz einfachen Umgang mit anderen lernte ich mehr, als er mir mit Worten je hätte beibringen können. Alle seine Kunden, ob jung oder alt, behandelte er mit der Höflichkeit und dem Respekt, den er auch einem Ehrengast entgegengebracht hätte.

Natürlich gab es Ausnahmen, und auch darüber berichte ich in dem Buch. Dann spielte Socrates den Exzentriker. Aber selbst unter diesen Umständen handelte er immer ganz bewusst und überlegt – es war Teil seiner paradoxen Lehrmethode, von der nicht nur ich profitierte.

Wie anders könnte unser Leben doch sein, wenn uns stets bewusst wäre, dass in jedem Menschen, dem wir begegnen – egal, wie sehr uns seine Persönlichkeit im Moment vielleicht auch irritieren mag –, die Buddha-Natur, das Licht Jesu Christi zum Ausdruck kommt.

Was Socrates mich ohne Worte lehrte, erinnert mich an etwas, das der große Humanist und Arzt Albert Schweitzer einmal sagte: »Das eigene Beispiel ist nicht das Wesentliche im Umgang mit anderen. Es ist das Einzige, was zählt.«

Praktische Weisheit: Schüler und Lehrer

»Du hast mir noch immer nicht gesagt, wie wir uns gegenseitig behilflich sein können.«

»Sehr einfach«, sagte er. »Ich hätte ganz gerne noch ein letztes Mal einen Schüler. Und du – das sieht doch jeder – brauchst dringend einen Lehrer.«

»Oh, Lehrer habe ich genug«, protestierte ich, ein wenig vorschnell.

»Wirklich?« Er sah mich an. »Aber ob du den richtigen Lehrer hast oder nicht, das hängt davon ab, was du lernen willst.«

 

 

Socrates war keineswegs anti-intellektuell. Er hatte durchaus einen gewissen Respekt vor akademischen Zeugnissen. Allerdings überbewertete er sie nicht. Ihm war klar, dass ein Universitätsabschluss auch seine Grenzen hat. Eines Tages kam er mir mit einem seiner Bonmots (davon hatte er so ziemlich zu jedem Thema eins auf Lager): »Ein Experte ist jemand, der mehr und mehr Wissen über weniger und weniger anhäuft, bis er schließlich alles über gar nichts weiß.«

Höhere akademische Weihen setzen in der Regel viele Jahre intensiven Studierens voraus. Das heißt, jemand hat viel Hirnschmalz aufgebracht und strenge Initiationsrituale über sich ergehen lassen, um in die Welt des Intellekts aufgenommen zu werden. Ein solches Studium ist eine echte Leistung und aller Ehren wert. Socrates zögerte jedoch nie, auf den Unterschied zwischen begrifflichem Wissen und praktischer Weisheit hinzuweisen.

So erzählte er mir einmal die Geschichte von einem jungen indischen Gelehrten, der sich von einem Fährmann über einen tiefen, wilden Fluss bringen ließ. Der junge Mann erzählte dem Fährmann von seinen Studien und akademischen Leistungen. Dieser fragte ihn: »Hast du an der Universität eigentlich auch schwimmen gelernt?«

»Nein«, antwortete der junge Gelehrte.

»Das ist aber schlecht«, meinte daraufhin der Fährmann, »das Boot sinkt nämlich.«

Wenn wir uns auf einen Marathon vorbereiten, brauchen wir ein bestimmtes Training; verfolgen wir ein bescheideneres Ziel, wollen etwa eine längere Treppe steigen können, ohne aus der Puste zu kommen, muss das Training nicht ganz so rigoros sein. So hängt auch die Frage, welche Art von Lehrer wir brauchen, ganz davon ab, was wir lernen wollen. Wichtig ist, Mentoren zu finden, die die Pfade bereits beschritten und die Berge erklommen haben, die wir uns vornehmen. Und wenn du dann einen Lehrer gefunden hast, der deinen Bedürfnissen entspricht, höre ihm gut zu, vor allem aber: Beobachte ihn – denn sein Vorbild ist viel wichtiger als alles, was er sagt.

Das tägliche Leben als Schule des Göttlichen

»Die ganze Welt«, sagte er, mit einer Handbewegung den Horizont umfassend, »ist eine Schule, Dan. Das Leben ist der einzige wirkliche Lehrer. Es bietet uns so viele Erfahrungen! Und wenn es nur auf die Erfahrung ankäme, um den Menschen Weisheit und Glück zu schenken, dann müsste jeder alte Mensch ein erleuchteter Meister sein, weise und glücklich.

Aber die Lehren, die wir aus der Erfahrung ziehen könnten, sind meistens versteckt. Ich kann dir helfen, die Welt klarer zu sehen und sie zu erfahren.«

 

 

Genau wie Socrates betrachte auch ich diesen Planeten als göttliche Schule und den Alltag als unser Klassenzimmer. Die Herausforderungen, denen wir begegnen – in unseren persönlichen und geschäftlichen Beziehungen, in Bezug auf Gesundheit, Finanzen und Beruf –, sowie die Konsequenzen, die unser Handeln hat, bringen uns garantiert alles bei, was wir brauchen, um uns weiterentwickeln zu können. Das Alltagsleben verschafft uns das spirituelle Hanteltraining, das den Geist stärkt, während wir den gebirgigen Pfad erklimmen.

Mit anderen Worten: Der Pfad selbst erschafft den Krieger. Der Lehrstoff wiederholt sich so lange, bis wir ihn intus haben. Und wenn wir die einfachen Lektionen nicht lernen, werden sie immer schwerer. Man sagt ja nicht umsonst: »Erfahrung ist der beste Lehrmeister.« Aber die Studiengebühren können ganz schön hoch sein.

Jede Seele muss sowohl durchs Licht als auch durch die Dunkelheit. Lehrer und geistige Führer können nur den Weg beleuchten und uns eine Landkarte zur Verfügung stellen, indem sie uns immer wieder an das erinnern, was wir auf einer tieferen Ebene zwar alle schon wissen, aber doch immer wieder vergessen. Wir vergessen, erinnern uns und vergessen erneut; wir stolpern, fallen hin und rappeln uns wieder auf, immer voran, zwei Schritte vorwärts, einen zurück. Auch das ist der Pfad.

Erfahrung und Weisheit

»Du glaubst alle möglichen Fakten – aber wissen tust du nichts.«

 

 

In meinem ganzen begrifflichen Denken war ich völlig von der Diskussion mit Socrates in Anspruch genommen und fuchtelte sinnlos mit dem Fensterwischer herum, den er mir in die Hand gedrückt hatte, als ich ihn nach dem Unterschied fragte, den er zwischen Wissen und Weisheit machte. Sinngemäß antwortete er: »Du weißt, wie man eine Windschutzscheibe sauber macht. Weisheit besteht darin, es zu tun.«

Wissen können wir vieles; von anderen Leuten, aus Büchern, Zeitungen und dem Internet können wir uns alle möglichen Daten, Zahlen, Fakten und differenzierte Informationen besorgen. Weisheit jedoch erwächst aus Lebenserfahrung. Sie riecht nach dem Schweiß, der sich bildet, wenn wir versuchen, unsere niederen Bestrebungen zu überwinden und in Übereinstimmung mit den universellen Gesetzen zu leben – beziehungsweise den » Geschäftsregeln«, wie Socrates sagte.

Körperwissen

»Was hast du vor mit mir? Willst du mich vielleicht mit deinen Informationen füllen?«, protestierte ich.

»Nein, nein, ich will dich nicht mit neuen Informationen vollstopfen. Ich will dir das ›Körperwissen‹ zeigen. Alles, was du wissen musst, steckt in dir. Alle Geheimnisse des Universums sind in deinen Körperzellen enthalten. Aber du hast den Blick nach innen noch nicht gelernt. Du kannst nicht in deinem Körper lesen. Bisher hast du nur Bücher gelesen und deinen Professoren gelauscht – und gehofft, sie möchten recht haben.«

 

 

Taisen Deshimaru, ein japanischer Schwertmeister, sagte immer: »Lernt mit dem ganzen Körper zu denken.« Er empfahl eine alternative Art zu sein, zu handeln und zu leben – Entscheidungen eher aus dem Bauch heraus zu treffen, instinktiv und intuitiv, statt sich ausschließlich auf das Gehirn zu verlassen, das die verschiedenen Möglichkeiten gegeneinander abwägt, um auf die Lösung zu kommen.

Genau wie Deshimaru hatte auch Socrates das ganz eigene (instantane) Wissen des Körpers begriffen. Er hatte seinen Körper darauf trainiert (und gelernt, darauf zu vertrauen), dass er immer genau wusste, was er essen, wie er sich bewegen und unbefangen reagieren sollte, völlig ohne Erwartungen und Vorurteile. Wie sagte doch einer seiner Mentoren (in Socrates – der friedvolle Krieger) einmal: »Erwarte nichts, aber sei auf alles vorbereitet.«

Verstehen und Erkennen

»Verstehen, weißt du, ist eindimensional. Es ist ein Begreifen mit dem Intellekt. Das Ergebnis ist ein Wissen, wie du es hast. Erkennen dagegen ist dreidimensional. Es ist ein Begreifen mit dem ganzen Körper – mit Kopf, Herz und Instinkten zugleich. Die Voraussetzung dafür ist eine klare Erfahrung.«