Mit friedvollem Herzen und dem Geist eines Kriegers - Dan Millman - E-Book

Mit friedvollem Herzen und dem Geist eines Kriegers E-Book

Dan Millman

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Beschreibung

Dan Millmans Bücher über den »Friedvollen Krieger« und dessen geheimnisvollen Lehrer Socrates begeistern Millionen Menschen in aller Welt. Nun enthüllt Dan erstmals die wahre Geschichte hinter seinen Bestsellern. Mit viel Witz und Weisheit zeichnet er seine Suche nach einem sinnerfüllten, glücklichen Leben nach. Angeleitet von vier charismatischen Mentoren, erlebt er spektakuläre bewusstseinserweiternde Erfahrungen, durch die er schließlich selbst zum friedvollen Krieger wird, dessen Erkenntnisse das Leben so vieler Menschen tief geprägt haben.
Ein ebenso spannendes wie inspirierendes Leseerlebnis für alle, die Mit friedvollem Herzen und dem Geist eines Kriegers ihre wahre Bestimmung entdecken und leben wollen.

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Das Buch

Dan Millmans Bücher über den »Friedvollen Krieger« und dessen geheimnisvollen Lehrer Socrates begeistern Millionen Menschen in aller Welt. Nun enthüllt Dan erstmals die wahre Geschichte hinter seinen Bestsellern. Mit viel Witz und Weisheit zeichnet er seine Suche nach einem sinnerfüllten, glücklichen Leben nach. Angeleitet von vier charismatischen Mentoren, erlebt er spektakuläre bewusstseinserweiternde Erfahrungen, durch die er schließlich selbst zum friedvollen Krieger wird, dessen Erkenntnisse das Leben so vieler Menschen tief geprägt haben.

Ein ebenso spannendes wie inspirierendes Leseerlebnis für alle, die mit friedvollem Herzen und dem Geist eines Kriegers ihre wahre Bestimmung entdecken und leben wollen.

Der Autor

Dan Millman, in jungen Jahren einer der besten Kunstturner Amerikas, später Coach von Spitzensportlern, unterrichtet seit nunmehr fast vierzig Jahren verschiedenste Formen des körperlich-geistigen Trainings. Seine Werke über die Lebenshaltung des friedvollen Kriegers sind zu wahren Kultbüchern geworden und haben eine Auflage von mehreren Millionen in neunundzwanzig Ländern erreicht.

DAN MILLMAN

Mit friedvollem Herzenund dem Geist eines Kriegers

Auf der Suche nach dem guten Leben

Aus dem Amerikanischen übersetztvon Juliane Molitor

WILHELMHEYNEVERLAGMÜNCHEN

Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel Peaceful Heart, Warrior Spirit. The True Story of my Spiritual Quest bei New World Library, Novato, California, einem Imprint von Simon & Schuster, Inc., New York, USA.

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Copyright © 2022 by Dan Millman

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2023 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

This Translation published by exclusive license from New World Library and the agency of Agence Schweiger.

Alle Rechte sind vorbehalten.

Covergestaltung: Guter Punkt, München, nach einer Designvorlage von © Bruce Oliver / theBookDesigners

Covermotiv: © Shutterstock.com

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-30600-7V001

www.heyne.de

Gewidmetmeiner persönlichen Familie, meiner erweiterten Familieund meiner spirituellen Familie.Möge diese Spur aus Brotkrumen euch helfen, euren eigenen Weg zu finden.

Mögen die Sterne euch führendurch den dunklen und mit Sonnenflecken gesprenkelten Wald,

auf gewundenen Pfaden der Leidenschaft.

Mögt ihr aus euren Wanderungen lernen …

so dass ihr stärker und weiser zurückkehrt,

ins Hier und Jetzt, wo ihr euch zuhause fühlt.

AGNIESZKARAJCZAK

Inhalt

Vorwort: Ein unerwartetes Leben

Schlüsselbegriffe

Erster Teil: Grundlagen

1 Prägende Momente

2 Wiedergeburt

3 Hohe Ansprüche

4 Erwachsenwerden

5 Planänderung

6 Treibsand

7 Trainerjahre

8 Tage an der Fakultät

Zweiter Teil: Die vier Mentoren

9 Der Professor

10 Der Guru

11 Der Kriegerpriester

12 Der Weise

Dritter Teil: Lehren und Lernen im neuen Jahrtausend

13 Aha-Momente

14 Der Weg geht weiter

Epilog: Hier und Jetzt

Danksagung

Vorwort

Ein unerwartetes Leben

Nicht jeder, der wandert, verirrt sich.

J. R. R. TOLKIEN

Ich möchte Ihnen eine wahre Geschichte erzählen. Vor langer Zeit habe ich mich auf die Suche nach Sinn in der modernen Welt gemacht. In den folgenden Jahren habe ich mich von einem jungen Sportler zu einem älteren Lehrer für praktische (einige nennen es auch spirituelle) Lebenskompetenz entwickelt. Die Ereignisse haben sich so entfaltet, wie ich sie beschreibe – nicht metaphorisch oder in einer parallelen Dimension, sondern in der stürmischen Arena des Alltags.

Seit mittlerweile Jahrzehnten beschreibe ich in meinen Büchern und Vorträgen, wie man das Leben mit einem friedvollen Herzen und einem Kriegergeist angehen kann. Dieser offene Weg, der jedem zugänglich ist, wurde gebahnt in jahrzehntelangem Training in Turnen und Kampfkunst und mithilfe spiritueller Führer, die ich unterwegs kennengelernt habe. Einsicht kam erst nach einer langen Vorbereitungszeit, nach vielen Kurskorrekturen und demütigenden Weckrufen.

Ich bin zwar von vielen Autoren und Vorbildern inspiriert worden, aber vier Mentoren hatten den größten Einfluss auf mein Leben und meine Arbeit. Ich werde sie im zweiten Teil dieses Buches namentlich nennen, aber hier beziehe ich mich auf die archetypischen Rollen, die sie bei unseren Begegnungen gespielt haben.

Der Professor: Ein bolivianischer Wissenschaftler und Mystiker, der eine Schule gründete, auf deren Lehrplan ein Erbe spiritueller Übungen aus vielen Traditionen stand, die schrittweise zur Erleuchtung führen.

Der Guru: Ein in Amerika geborener spiritueller Meister, dessen radikale Lehren über bereits bestehende Techniken hinausgingen, dessen späteres Verhalten mir jedoch Lektionen ganz anderer Art erteilte.

Der Kriegerpriester: Ein Kampfkünstler, Metaphysiker, Heiler und charismatisches spirituelles Schlitzohr mit der Fähigkeit, Seelen zu retten und mir Türen zu meiner künftigen Karriere und Berufung zu öffnen.

Der Weise: Ein Fan der Wirklichkeit, dessen paradoxe Lehre – einfach und vielschichtig, praktisch und idealistisch zugleich – eine neue Klarheit bewirkte, die im bewussten Handeln im gegenwärtigen Moment wurzelt.

Meine ersten beiden Mentoren, der Professor und der Guru, inspirierten mich, Der Pfad des friedvollen Kriegers zu schreiben, während der Kriegerpriester und der Weise alles Folgende beeinflussten. Jeder von ihnen hatte seine eigenen Begabungen und blinden Flecken. Sie erschienen in einem ganzen Feld mit anderen Lehrern, Gurus und spirituellen Autoritäten, einige wohlwollend, andere gefährlich oder verblendet. Es war nicht immer einfach, den einen Typ vom anderen zu unterscheiden. Die Umstände, die mich zu jedem Mentor hingezogen haben, und warum ich schließlich weitergezogen bin, bilden den Kern meiner Geschichte.

Manche Leser fragen jetzt vielleicht: Was ist mit deinem Lehrer Socrates? Ist er einer der vier Mentoren? Wenn nicht, warum ist er keiner der vier? Diese Frage ist verständlich, weil sich in der Friedvoller-Krieger-Saga meines ersten Buchs Autobiografie und Fiktion vermischen und gerade genug Mehrdeutigkeit bleibt, um dem alten Weisen von der Tankstelle, den ich Socrates nannte, einen Hauch von Mysterium zu verleihen.

Um diese Mehrdeutigkeit aufzulösen, hier eine kleine Offenbarung: Ich bin Socrates. Das heißt, die literarische Figur, die ich nach dem alten Griechen benannt habe, ist eine Projektion meiner eigenen Psyche. Ich war nicht Socs Schüler, sondern vielmehr sein Schöpfer. Als meine Muse half er mir bei seiner eigenen Schöpfung. Unsere Dialoge waren aber keine erinnerten Gespräche. Sie flossen aus mir heraus, während ich sie schrieb. Mein Roman Socrates. Der friedvolle Krieger von 2007 vermittelt das imaginäre Leben dieser literarischen Figur und die Erfahrungen, die ihren Geist geformt haben.

Anders ausgedrückt: Socrates ist real. Dan Millman ist eine fiktive Figur. Diejenigen unter meinen Lesern und Seminarteilnehmern, die sich einen Lehrer wie Socrates wünschten, hatten ihn die ganze Zeit. So wie der junge Artus, der Merlin hatte, wie Frodo, der Gandalf hatte, wie Luke Skywalker, der Yoda hatte, wie Daniel-san, der Mr. Miyagi hatte, und wie Carlos Castaneda, der Don Juan Matus hatte – Mentoren und Schüler aus Leben und Legende –, so hatte ich meinen Socrates. Seine Lehren wurden aus den Erfahrungen geboren, die ich in den folgenden Kapiteln beschreiben werde.

Ein Memoirenschreiber mag noch so akribisch sein – er bleibt doch ein unzuverlässiger Erzähler und seine Erinnerung an die eigene Vergangenheit ein Flickenteppich, weil sie durch persönliche Filter und Vorurteile läuft. Als Protagonist meines eigenen Lebens wäre es für mich ein Leichtes, ein Selbstporträt in Farben zu malen, die im Laufe der Zeit immer rosiger, geistreicher oder bedeutungsvoller erscheinen. Doch habe ich alle Ereignisse so genau wie möglich erzählt und meine eigenen Erinnerungen mit denen von Freunden und Familienmitgliedern verglichen. Ich hoffe, dass Authentizität und Offenheit sämtliche Mängel kompensieren. Was folgt, ist die Geschichte einer transformativen Suche und musste bis jetzt warten, um erzählt zu werden.

»Jetzt« ist schon immer meine Lieblingszeit gewesen. Und die folgende Geschichte ist zwar meine, aber der Weg gehört uns allen.

DANMILLMAN, SOMMER 2021

Schlüsselbegriffe

Spiritualität

Das, was inspiriert und erhebt.

Manche, wie ich, fangen gerade erst an, eine Ahnung von der mächtigen Religion des ganz gewöhnlichen Lebens zu bekommen –von einer Spiritualität der frisch gewischten Böden,

des Geschirrs, das sich stapelt, und von der Wäsche,

die auf der Leine hängt und im Wind weht.

ADAIRLARA

Weisheit

Perspektive. Realitätssinn. Verstehen.

Wissen spricht, aber Weisheit hört zu.

JIMIHENDRIX

Erleuchtung

Erwachen zur Wirklichkeit. Eine Erkenntnis. Eine Übung.

Man wird nicht dadurch erleuchtet,

dass man sich Lichtgestalten vorstellt,

sondern durch Bewusstmachung der Dunkelheit.Letzteres ist jedoch unangenehm

und daher nicht sehr populär.

CARLGUSTAVJUNG

Gott

Alles, was ist.

Wohin ihr euch auch immer wendet, dort ist Gottes Angesicht.

MOHAMMED

Erster Teil

Grundlagen

Wir erinnern uns nicht an Tage,

sondern an Momente.

CESAREPAVESE

Erfahrung mag der beste Lehrer sein, aber wann machen wir die ersten prägenden Erfahrungen – bei der Geburt, bei der Empfängnis oder, wie manche Weisen behaupten, in früheren Leben? Wie auch immer die Antwort lautet, wir können uns wohl darauf einigen, dass unser erwachsenes Selbst aus den Samen unserer Kindheit erwächst.

Die Momente meiner eigenen Kindheit haben den Grundstein für alles gelegt, was dann folgte. Für mich war es eine faszinierende Übung, Ereignisse aus meiner Jugend zu überdenken, die sowohl unerwartet als auch irgendwie unvermeidlich waren. Mein Leben und meine Karriere als Lehrer und Autor ergeben erst in der Rückschau einen Sinn.

In diesem ersten Teil des Buches lege ich meine Karten alle auf den Tisch – die, die an mich ausgeteilt wurden, und die, die ich ausgespielt habe. Ich hoffe, meine Leser genießen das Spiel, während es sich entfaltet.

Kapitel 1

Prägende Momente

Es gibt Zeiten, in denen dein einziges

verfügbares Transportmittel

ein Vertrauensvorschuss ist.

MARGARETSHEPHERD

Vorfrühling 1964. London, 10:15 Uhr GMT.

World Trampoline Championship in der Royal Albert Hall – und ich bin dabei. Nachdem ich die ersten beiden Doppelsaltos mit Drehung im Zehnsprung-Programm absolviert habe, ist die Luft raus. Mein letzter Sprung floppt total. Sekundenbruchteile scheinen sich in Ewigkeiten zu dehnen. Wie soll ich da jetzt rauskommen?

Nun, angesichts der Tatsache, dass ich frühmorgens von Kalifornien her eingeflogen war, mit nur vier Stunden unruhigem Schlaf, kam mein Versagen nicht ganz überraschend. Dieser eingefrorene Moment, hoch oben in der Hallenluft, hatte eine geradezu traumhafte Qualität. Ja, warum denn jetzt nicht träumen? Zu Hause war es doch gerade 02:15 Uhr.

Als ich wenig zuvor die Wettkampfetage der Royal Albert Hall betreten hatte, konnte ich mir das kontrollierte Chaos auf der Ebene darunter anschauen: Athleten aus vierzehn Ländern, die sich auf vier Trampolinen aufwärmten. Ich sah Gary Erwin, den amtierenden Meister der National Collegiate Athletic Association (NCAA), im sogenannten Taucher-Stil brillieren. Ihn hatte ich bereits im Fernsehen gesehen. Dann erregte Wayne Miller meine Aufmerksamkeit. Er zeigte ein Element, das er selbst erfunden hatte und das deshalb seinen Namen trug. Ich selbst hatte es nie hingekriegt. Immerhin war ich der aktuelle Landesmeister der US Gymnastics Federation (USGF). Deshalb hatte man mich auch eingeladen.

Gary, Wayne und ihre Trainer (die, wie ich erfuhr, auch in der Jury sitzen würden) waren schon Tage zuvor angereist, wegen der Zeitumstellung. Und ich selbst? War gerade mal achtzehn Jahre alt, litt unter Jetlag und fühlte mich mutterseelenallein.

Niemand, der gesehen hatte, wie ich ein paar grundlegende Aufwärmsequenzen machte, hätte auf mich gewettet. Ich musste nicht auf Gottvertrauen, sondern auf Selbstvertrauen bauen. Es spielt keine Rolle, wer die Aufwärmübungen gewinnt, sagte ich mir.

Erst als ich für meine Endrunde auf dem Trampolin stand, wurde mir klar, dass ich alles andere als allein war. Ich ließ meinen Blick über das erwartungsvolle Publikum schweifen, das mucksmäuschenstill verharrte, und über die Jury. Dann blinzelte ich hoch zum Sprecherpult und erkannte nicht nur George Nissen, den Erfinder des Trampolins und Veranstalter der Meisterschaften, sondern zu meiner Verwunderung und Freude auch Xavier Leonard, meinen früheren Klassenlehrer und ersten Trampolintrainer. Er strahlte stolz zu mir herüber!

Ein Schauer war mir über den Rücken gelaufen.

Und jetzt, hoch droben in der Luft, wo die Decke der mächtigen Halle fast bedrohlich nahe zu kommen scheint, da steht alles auf dem Spiel: Ich muss weitermachen, ganz einfach weitermachen – etwas tun, irgendetwas! Und ich tue es. Nicht mein Bewusstsein entscheidet darüber, sondern mein Körper: Und siehe, meine Bewegungen geschehen von ganz allein, ein komplizierter Ablauf folgt auf den anderen.

»Zen-Springen« würde ich es heute nennen, was ich da erlebte. Vollendung in Bewegung durch Nicht-Denken (Mushin), wie die Samurai-Krieger es nannten. Ein Zustand der Vertiefung, den heutige Psychologen als Flow oder Gipfelerfahrung bezeichnen.

Sportarten wie Tennis, Golf, Baseball und Schwimmen erfordern von Spitzenkönnern immense athletische Fähigkeiten, aber es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass jemand beim Training zu Tode kommt. Sportarten wie Trampolinspringen und Turnen, Free-Solo-Klettern, Big-Wave-Surfen, Base-Jumping dagegen sind etwas anderes. Sie erfordern nicht nur extreme körperliche Herausforderungen, sondern auch den Geist eines Kriegers, weil wortwörtlich alles auf dem Spiel steht – jederzeit. Ein einziger Moment der Unaufmerksamkeit, ein einziger Ausrutscher, und es kann für immer vorbei sein.

Vor Jahren hatte ich mir mit einem Freund ein riskantes Herausforderungsspiel auf dem Trampolin geliefert, bei dem ich einen Salto rückwärts nach dem anderen machte, bis mein Freund einen besonders schwierigen Bewegungsablauf aufrief, nämlich einen doppelten Salto rückwärts mit doppelter Drehung. Sein Kommando schien meinen Verstand sofort stillzulegen und richtete sich direkt an mein Körperbewusstsein. Jedenfalls führte ich den Ablauf wie von selbst aus, ohne willentliche Anstrengung. Es fühlte sich beängstigend und aufregend zugleich an, auf diese Weise über die eigenen Grenzen hinauszugehen. Nie aber hätte ich mir träumen lassen, welch tiefe Bedeutung diese spielerische Unbeschwertheit gewinnen kann, bis jener eingefrorene Moment in der Royal Albert Hall sich förmlich in Luft auflöste.

Keine Vergangenheit, keine Zukunft, kein Selbst. Nur kinästhetisches Bewusstsein, während mein Körper Sprünge und Wendungen wie am Fließband vollführt: ein Doppelsalto mit voller Drehung, eine weitere Mehrfachdrehung ...

Da ich mir unterdessen gar nicht mehr sicher war, wie viele Durchgänge ich schon absolviert hatte, musste ich mich auf das unterschwellige Zählen verlassen, in dem ich jahrelange Übung hatte. Ich schloss mit einem Eindreiviertel-Salto rückwärts und einem Doppelsalto rückwärts aus der Bauchlage – und landete schließlich sicher auf den Füßen. Das war‘s. Ich blickte auf und streckte die Arme nach oben, wie alle Turner es zum Abschluss tun, und genoss den Applaus.

Als ich zu meinem Platz zurückkehrte, spürte ich, dass mir viele Hände auf Schulter und Rücken klopften. Jetzt erst drang die Realität durch: Ich habe die Trampolin-Weltmeisterschaft gewonnen. Nur vage kann ich mich heute erinnern, Gary und Wayne die Hand geschüttelt zu haben, als ich das Siegertreppchen bestieg. Musik ertönte, während George Nissen mir einen silbernen Pokal überreichte. Blitzlichter zuckten, Kameras klickten.

Als ich mit dem Taxi zurück nach Heathrow fuhr, um meinen Heimflug anzutreten, fiel mir auf, dass der Fahrer rein gar nichts von dem Wettkampf wusste, ebenso wenig wie die Massen von Londonern und Touristen, die durch ihr eigenes Leben eilten. Auch in der Sportgeschichte war dieser Tag nicht mehr als eine Fußnote. Für mich selbst war das anders. Nichts weniger als mein Sinn für die Möglichkeiten des Lebens hatte sich verändert. Nein, ich würde nie selbst eine sportliche Legende werden, aber schon nach achtzehn Lebensjahren hatte ich eine innere Erfahrung gemacht, die mir nie mehr genommen werden konnte.

Mit einem Seufzer der Erleichterung machte ich es mir auf meinem Sitz bequem, als der Flieger abhob. Obwohl zutiefst erschöpft, konnte und wollte ich nicht schlafen. Stattdessen driftete ich ab in einen Fluss der Erinnerungen an all das, was mich an diesen Punkt gebracht hatte ...

Anfänge

Als Kleinkind lebte ich in einer Mietwohnung am Silver Lake Boulevard, einer belebten Durchgangsstraße in Los Angeles, die der Familienüberlieferung zufolge fast der Ort meines Hinscheidens geworden wäre, als ich in den schnell fließenden Verkehr hinauswatschelte, um einen Ball zu holen, der auf die Straße gehüpft war. Mein Vater, der mich kurz aus den Augen gelassen und mir damit meinen kleinen Ausflug ermöglicht hatte, riss mich von der Bordsteinkante zurück und verpasste mir die einzige Tracht Prügel meiner Kindheit.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass ich früh Risiken eingegangen bin: Auf einem Strandausflug mit der Familie stürzte ich mich in die heranrollenden Wellen. Ich ging zu Boden, geriet unter Wasser und erblickte erst einen blauen Himmel mit kleinen Wölkchen und dann sonnenbeschienene Muscheln, die auf dem sandigen Boden funkelten, bevor die starken Arme meines Vaters mich, plappernd, aus der Brandung hoben.

Als ich sechs Jahre alt war, zogen wir in unser eigenes Haus in einem Viertel mit Einwanderern aus Japan und Lateinamerika, deren Kinder meine Schulkameraden wurden. Ich spielte vor allem mit Steve Yusa, der neun Jahre alt war, so alt wie meine Schwester DeDe, und ganz schön pfiffig. Was immer ich von Steve gelernt habe, gab ich an meine jüngeren Freunde aus der Nachbarschaft weiter, an Timmy und Tootie. Schon damals spielte ich die Doppelrolle: Schüler und Lehrer.

Eines Nachmittags begleitete ich Steve und seine älteren Freunde, die ein im Bau befindliches Haus erkunden wollten, um von der Dachschalung in luftiger Höhe die Aussicht zu genießen. Sechs Meter tiefer war ein großer Sandhaufen aufgeschüttet: Sofort-Abenteuer.

Steve sprang als Erster, dann seine Freunde. »Du bist dran, Danny«, rief er zu mir hoch.

Ich näherte mich dem Rand und machte dann mit klopfendem Herzen einen Schritt zurück. »Los!«, schrie Steve.

»Ich kann nicht, es ist zu hoch!«

»Komm schon!«, entgegnete er. Dann sagte Steve etwas, woran ich mich für den Rest meines Lebens erinnere: »Hör auf zu denken, spring einfach!« Also bin ich gesprungen. Dieser Moment des Mutes brachte mir ein paar schwerelose Flugsekunden ein, gefolgt von einer sanften Landung, bei der ich bis zu den Knien im Sandhaufen versank. Wir verbrachten die nächste Stunde damit, immer wieder hochzuklettern und vom Dach zu springen. So kam ich auf den Geschmack, was draufgängerische Stunts betrifft, und fand es spannend, am Rand der Angst zu spielen.

Schon bald landete ich wieder auf dem Boden der Tatsachen. Früh im Kindergarten angemeldet und stets das jüngste Kind in meiner Klasse, war ich sozial weniger reif und körperlich kleiner als die anderen, langsamer im Begreifen mathematischer Konzepte und nicht in die Geheimnisse eingeweiht, die für meine Altersgenossen keine zu sein schienen. Ich fühlte mich wie Clark Kent und träumte davon, ein Superheld zu werden.

Vielleicht ist das der Grund, aus dem Peter Pan und Superman in meiner Kindheit eine so große Rolle gespielt haben. Rückblickend muss Peter die ewige Kindheit und Freiheit verkörpert haben, während Superman Macht und menschliches Potenzial repräsentierte. Und beide konnten fliegen. Auf der Suche nach Höhe kletterte ich auf Bäume, schwang mich an Seilen hoch und sprang mit provisorischen Fallschirmen von niedrigen Dächern, weil ich mich so danach sehnte, mich über die alltägliche Welt zu erheben.

Damals war meine Welt klein und mein Horizont begrenzt. Meine Mutter, die meine frühen Ansichten beeinflusste, sprach von der Zahnfee, dem Osterhasen, dem Weihnachtsmann und Gott als gleichwertigen Fiktionen. Den Einfluss meines Vaters habe ich hauptsächlich im Bereich Gesundheit und Fitness gespürt. Vater fühlte sich verpflichtet, mich über meine jüdische Herkunft aufzuklären, und ermutigte mich, es mit der Hebräischen Schule zu versuchen, aber sie passte nicht zu mir. Ohne Verbindung zu religiösen Lehren oder Traditionen musste ich meinen eigenen Weg finden, der sich in einem wachsenden, sich ständig verändernden Glauben an das geheimnisvolle Wirken der natürlichen Welt ausdrückt. 

Bumerangs und ein Luftgewehr

In den 1950er-Jahren wanderte ich durch ein Reich der Fantasie, an das ich episodische Erinnerungen habe. Mein Cousin Davy und ich waren so hypnotisiert von den Zauberer-Angestellten bei Hollywood Magic, dass wir unser Taschengeld mal für eine Finger-Guillotine, mal für ein verschwindendes Kartenspiel ausgaben. Wir haben auch Bumerangs im Park geworfen, und ich war bald geschickt genug mit der Lederpeitsche, um Davy einen Strohhalm aus dem Mund zu reißen. In meiner Kindheit habe ich mir auch Kenntnisse in Jo-Jo-Stunts angeeignet, im Steinschleuderschießen, im Frisbeewerfen, im Schwingen an Tarzan-Lianen, im Zwirbeln von Lassos und darin, alles in Reichweite mit ihnen einzufangen. Nach einem Abstecher zum Bauen und Fliegen eines Kastendrachens nahm ich Fechtunterricht, bevor ich mich mit meiner eigenen Charlie-McCarthy-Handpuppe ins Bauchreden vertiefte.

Das Einüben all dieser Fähigkeiten hat mich früh gelehrt, dass alles nur so lange schwierig ist, bis es einfach wird.

Nach langem Bitten und Flehen kaufte mir mein Vater ein Luftgewehr und überreichte es mir zusammen mit einem Vortrag über seine sichere Verwendung. Ich war ein guter Schütze und übte mit der gleichen obsessiven Leidenschaft, mit der ich mich meinen früheren Beschäftigungen gewidmet hatte. Aber eines Tages zielte ich aus einer Laune heraus auf den winzigen Umriss eines Vogels, der drei Häuser entfernt auf einem Draht saß. Natürlich rechnete ich nicht damit, ihn zu treffen. Ich feuerte den Schuss ab und sah den Vogel fallen. Weil ich fürchtete, den Vogel verletzt zu haben, und er jetzt vielleicht leiden müsse, rannte ich die Straße hinunter, stieg eine Treppe hinauf und kletterte auf das Dach. Der Vogel lag tot da mit einem Loch im Kopf, von der Kugel aus meinem Luftgewehr.

Ein paar Wochen später, als ein Spatz über uns hinwegflog, hielt ich den Lauf meines Gewehrs lässig gen Himmel und schoss wild, also ohne zu zielen. Im nächsten Moment stürzte der Vogel in ein Gebüsch. Entsetzt rannte ich los, um nach ihm zu suchen. Als ich mich dem Busch näherte, hob der Spatz ab und flog davon, sehr zu meiner Erleichterung.

Noch am selben Tag verschenkte ich das Luftgewehr.

Tutus, Strumpfhosen und ein Trampolin

Als ich zehn Jahre alt war, gaben zwei scheinbar unzusammenhängende Ereignisse einen Hinweis auf meine Zukunft.

Weil meine Mutter, die in einem Modern-Dance-Kurs Klavier spielte, keinen Babysitter bezahlen wollte, fand ich mich umgeben von Trikots und Tutus in einer Gruppe wieder, die aus ungefähr zehn Mädchen und mir bestand. Wir trugen alle Strumpfhosen, weil unsere Lehrerin darauf bestand. Trotz meiner anfänglichen Zurückhaltung lernte ich durch Modern Dance Muskelbeherrschung, Geschmeidigkeit, Rhythmus und wie man sich auf Zehenspitzen bewegt.

In jenem Sommer entdeckte ich auf einem Tagescamp zufällig ein altes Bodentrampolin, das mich von der Schwerkraft befreite, wenn auch nur für ein paar Sekunden. Danach verbrachte ich jede freie Minute damit, darauf zu hüpfen, meistens allein, und einen Salto vorwärts zu versuchen. In meiner letzten Woche versuchte ich wiederholt, es ganz herum auf meine Füße zu schaffen, bis ich mich so schnell überschlug, dass ich auf dem Gesicht landete und es mir so schlimm aufschürfte, dass sich Schorf auf meiner Stirn, meinen Wangen, meinem Kinn und meiner Oberlippe bildete. Aber ich stand auf meinen Zehenspitzen, und mein Enthusiasmus war ungebrochen.

Ein Jahr sollte vergehen, bis ich ein anderes Trampolin fand.

Fieslinge

Als Kind mochte ich Bücher wie Ferdinand, der Stier, in dem der Stier-Protagonist lieber still dasitzt und an den Blumen riecht, als im Ring zu kämpfen. Kleiner als meine Klassenkameraden und manchmal zu gesprächig, als gut für mich war, erregte ich die Aufmerksamkeit eines wütenden Jungen, der mich schlug. Eher überrascht als verletzt, ging ich ihm anschließend aus dem Weg.

Ein zweiter Vorfall ereignete sich in der sechsten Klasse. Ein anderer Junge mochte mich nicht – aus Gründen, die vermutlich keiner von uns verstand. Irgendwie beeinflusste er meine Klassenkameraden dahin gehend, dass sie nicht mehr mit mir redeten. In den nächsten paar Tagen hatte ich Angst, zur Schule zu gehen. Ich hatte Magenschmerzen und keinen Appetit mehr. Dann erwischten mich der Schläger und ein paar seiner Freunde auf dem Heimweg von der Schule. Erst drohten sie mir, und dann boxte mir einer in den Magen. Als sie meine Tränen sahen, waren sie zufrieden und machten sich aus dem Staub. Nach ein paar weiteren Tagen, in denen ich von allen gemieden wurde, außer von meinen zwei besten Freunden (sie sprachen nur flüsternd mit mir), war ich verzweifelt genug, meine Lehrerin zu fragen, ob ich vor der Klasse etwas sagen dürfe. Verwirrt stimmte sie zu und bat alle, still zu sein. Mit zitternder Stimme erzählte ich den anderen Kindern, wie sehr es mich störe, dass niemand mit mir reden wolle. Danach normalisierte sich alles wieder, aber ich fing an, darüber nachzudenken, warum sich Menschen wohl so verhielten.

In diesem Sommer führte ich meine jüngeren Schützlinge Tootie und Timmy zum Spielplatz am Silver Lake. Ich hatte mein Lasso dabei. Als ich ihnen zeigte, wie man das Lasso wirft, umringten uns drei Schläger, bedrohten mich und forderten das Lasso. Mit bebenden Lippen und schlotternden Knien gab ich es ihnen. Sie benutzten es, um mich direkt vor dem Spielplatz an einen Telefonmast zu fesseln. Dann gingen sie lachend fort und überließen es Timmy und Tootie, mich wieder loszubinden. Mit tränenfeuchten Wangen und gesenktem Kopf ging ich nach Hause. Meine jungen Freunde folgten mir schweigend.

Der Ruf des Kriegers

Schließlich kochten meine kindliche Angst und mein Kummer über und verwandelten sich in Wut. Ich war es leid, mich so eingeschüchtert zu fühlen, und fragte meinen Vater, wie ich lernen könne, mich zu verteidigen. Er nahm mich mit in ein Boxstudio, aber ich wollte nicht geschlagen werden oder jemand anderen schlagen. Also arrangierte er ein paar Privatstunden bei Bruce Tegner, einem Hollywood-Karate-Sensei von George Reeves, der Superman im Fernsehen spielte. Sensei Bruce brachte mir ein paar Bewegungen bei, die mein Selbstvertrauen stärkten. Das Beste war, dass er mir eine Autogrammkarte von Superman schenkte.

Als ich elf Jahre alt war, veränderte sich mein Körper. Und in meiner Nachbarschaft veränderte sich auch etwas. Auf einem leeren Grundstück die Straße hinauf stand jetzt ein neues japanisches Kulturzentrum. Am Eröffnungstag sahen Papa und ich uns eine Judo-Show an, bei der Kinder größere Erwachsene mittels Hebelkraft auf die Matte warfen. Jeder der Angreifer landete mit einem dumpfen Schlag und fing den eigenen Sturz ab, ohne sich zu verletzen. Schon eine Woche später nahm ich regelmäßig mit vielen japanischen Schülern Gruppenunterricht in einem Dojo (Schule des Weges). Ich mochte die Verbeugungsrituale sowie meinen Gi, das Gewand mit dem brandneuen weißen Gürtel.

Im Laufe der Monate lernte ich Judorollen, Fall- und Wurftechniken. Ein freundlicher, rothaariger Riese mit schwarzem Gürtel namens Gene LeBell ließ sich von uns Kindern auf die Matte werfen. Alle waren begeistert. Bei meinem ersten Turnier mit einem Jungen in meinem Alter, der 9 Kilo mehr wog als ich, versuchte ich einen Kopfwurf (Tomoe-nage). Er fiel auf mich und hielt mich unten. Das Judo-Training wich bald anderen Interessen, etwa an Akrobatik, wo mein Erfolg nicht vom Versagen anderer abhing.

Kapitel 2

Wiedergeburt

Ein Lehrer beeinflusst die Ewigkeit.

Er kann nie sagen, wo sein Einfluss aufhört.

HENRYADAMS

Wie sagt man so schön: »Die beiden wichtigsten Tage in deinem Leben sind der Tag, an dem du geboren wirst, und der Tag, an dem du erfährst, warum.« An meinem ersten Morgen in der Mittelstufe war ich dabei, einen wichtigen Grund herauszufinden: Mein Klassenlehrer Xavier Leonard, ein ehemaliger Akrobat, kündigte an, eine Nachmittagsgruppe zu gründen, einen Trampolin- und Tumblingclub. »Wer möchte mitmachen?« Meine Hand schoss nach oben.

Dieser Club und die Akrobatik wurden zu meinem täglichen Anker, zu meinem Lebensmittelpunkt. Außerhalb des Unterrichts trainierte ich meine Trampolin-Fähigkeiten in meiner Fantasie und machte einen Handstand nach dem anderen in unserem Wohnzimmer und fiel immer wieder in ein paar Wurfkissen auf dem Parkettboden. Schon bald lernte ich Rad zu schlagen, stabil auf den Händen zu stehen und sicher darauf zu springen und erwarb elementare Fähigkeiten auf dem Trampolin.

Am Ende meines ersten Semesters war ich der Einzige im Club, der auf Mr. Leonards Schultern balancieren und dann abspringen, auf dem Trampolin landen und einen Purzelbaum zurück auf seine Schultern machen konnte.

Eines Nachmittags, nachdem alle anderen Kinder gegangen waren, betrat ein lächelnder Mann die Turnhalle. Mr. Leonard stellte mir seinen alten Freund George Nissen vor, den Erfinder des Trampolins. Mr. Nissen bat mich, ihm ein paar Sprünge zu zeigen. Ich war plötzlich befangen, wollte aber unbedingt gefallen. Daher machte ich ein paar einfache Saltos und merkte selbst, dass sie nicht ganz vollkommen waren. Dann führte ich einen schwierigen Trick vor, den ich gerade erst gelernt hatte. Er heißt Cody – ein Rückwärtssalto aus der Bauchlage. Als Mr. Nissen sah, wie ich mich abkämpfte, sprang er auf, zeigte mir einen Dreiviertelsalto rückwärts mit Landung auf dem Bauch und sagte: »Wenn du erst einmal diesen Ablauf schaffst, Danny, wird dir der Cody anschließend leichterfallen. Warum probierst du es nicht mal?«

Ich lehnte ab und murmelte: »Mache ich … vielleicht morgen.« (Normalerweise zu allem bereit, hatte ich diesmal Angst, es zu vermasseln und vor Mr. Nissen dumm dazustehen.) Er zuckte mit den Achseln und sprach mit Mr. Leonard über andere Dinge.

An diesem Abend ging ich wie unter einer dunklen Wolke nach Hause.

Sieben Jahre später sollte ich George Nissen in der Royal Albert Hall in London wiedersehen.

Durch Widrigkeiten: Stärke

Die Fieslinge und Mobber waren auf dieser Klassenstufe noch schlimmer. Zwischen zwei Schulstunden kam mir ein Junge, den ich nicht einmal kannte, auf dem Flur entgegen, verzog höhnisch das Gesicht und nannte mich einen »dreckigen Juden«. Dann drehte er sich um und ging weg. Es war das erste Mal, dass ich die Wörter dreckig und Jude zusammen hörte. Da ich regelmäßig duschte, verwirrten mich seine Worte, und sein Tonfall erschütterte mich.

Kurz darauf meinte sich ein anderer Schlägertyp mich beim Verlassen der Turnhalle vorknöpfen zu wollen. Ich versuchte auszuweichen und vermied Augenkontakt. Doch er nahm mich in den Schwitzkasten und drohte, mir eine reinzuhauen, während sich Schaulustige um uns versammelten.

Ich stand nach vorn gebeugt, wie eingefroren in seinem festen Griff. Sämtliche Judo-Techniken, die ich gelernt hatte, waren plötzlich wie weggeblasen. Da erinnerte ich mich an eine einfache Bewegung, die mein Vater mir einmal gezeigt hatte. Es war wieder einer dieser »Hör auf zu denken und spring«-Moment: Ich schob ein Bein hinter die Beine des Fieslings, richtete mich abrupt auf und breitete die Arme weit aus.

Es funktionierte! Er fiel nach hinten auf den Beton, stand aber schnell auf und verfluchte mich. Dann aber ging er einfach weg. Ich stand da, durchgeschüttelt von einem Hormoncocktail aus Adrenalin und Hochgefühl.

Danach begann ich unter den wachsamen Augen meines Sensei Gordon Doversola mit Okinawa-te, einer Kampfkunst, bei der die linearen Schläge und Tritte des japanischen Karate mit den fließenden, kreisenden, tierähnlichen Bewegungen des chinesischen Wushu kombiniert werden.

Akrobatendämmerung

Am Ende dieses Schuljahres kündigte Mr. Leonard das Ende der Welt an –meiner Welt jedenfalls: seinen Wechsel zu einer Schule am anderen Ende der Stadt. Ab dem nächsten Jahr also kein Mr. Leonard, kein Trampolin- und Tumblingclub mehr. Zum ersten Mal in meinem jungen Leben war ich so überwältigt von Trauer, dass ich Tränen vergoss, um ein schmerzliches Gefühl des Verlustes zu lindern.

Mr. Leonard spürte meinen Kummer, fuhr mich am darauffolgenden Wochenende ein paar Meilen nach Burbank und parkte vor einem Betonblockgebäude, durch dessen Panoramafenster eine Reihe von sechs Bodentrampolinen zu sehen war. Wenn ich mir jemals ein himmlisches Reich vorgestellt hätte, so hätte es ausgesehen. Dann stellte er mich Jess und Abby Robinson vor, die bald so etwas wie Ersatzeltern für mich wurden. Und ich lernte Trampoline Inc. kennen. Es sollte mein zweites Zuhause werden.

In den nächsten fünf Jahren wartete ich jeden Dienstagabend und jeden Samstagmorgen vor der Tür, bis Jess und Abby kamen, um aufzuschließen, und zur Ladenschlusszeit mussten sie mich hinausschieben. Zunächst sorgten meine Eltern für meinen Hin- und Rücktransport, aber dann fand ich selber hin und wieder zurück – mit dem Bus, inklusive zweimal umsteigen.

Jess, ein ehemaliger Lithograf, hatte Trampoline Inc. gegründet, weil sein Sohn Dar so begeistert vom Trampolinspringen gewesen war. Aber weil Jess keine akrobatischen Vorkenntnisse besaß, musste ich mir selbst überlegen, wie ich weitere Fortschritte machen konnte. Ich unterteilte jeden Bewegungsablauf in kleinere Elemente. Mit meinen Trampolin-Kumpel experimentierte ich beispielsweise verschiedene Möglichkeiten, Saltos zu schlagen. Mit Dar, der irgendwann ein berühmter Stuntman werden sollte, verband mich eine freundschaftliche Rivalität. Immer wieder forderten wir uns gegenseitig heraus, wie etwa hundert Saltos rückwärts hintereinander zu machen.

Wir spielten auch Add-On, ein Spiel, bei dem der Erste mit einem bestimmten Element begann, der Zweite dann ein anderes hinzufügte, der Erste dann wiederum ein weiteres und so weiter, bis wir beispielsweise zwölf, fünfzehn oder sogar zwanzig unterschiedliche Schraubensalti nacheinander vollführten und dabei sowohl unsere Ausdauer als auch unser Gedächtnis auf die Probe stellten.

Erstes Mal, erster Platz

Mit zwölf Jahren hatten wir beide uns als vielversprechend genug erwiesen, um von Jess und Abby ins Flugzeug nach San Francisco gesetzt zu werden. Dort wurden wir zum Berkeley-YMCA gefahren, wo ich bei meinem ersten offiziellen Trampolin- und Tumbling-Treffen ein Programm vorführen sollte. Nachdem ich mich an Seilen vom Balkon geschwungen und einige verrückte Stunts ausprobiert und dabei so viel mit Dar gelacht hatte, dass ich kaum noch atmen konnte, kroch ich in der Nacht in meinen Schlafsack und schlief auf den Turnmatten ein, ohne zu wissen, dass ein paar Blocks weiter, nämlich an der Ecke Oxford Street/Hearst Avenue, eine alte Texaco-Tankstelle auf mich wartete.

Am nächsten Morgen kündigte der Wettkampfleiter an, dass jeder Teilnehmer zehn Sprünge hintereinander ausführen und dabei in der Mitte des Trampolins bleiben sollte. Nachdem ich einigen anderen bei ihren Programmen zugesehen hatte, kletterte ich hinauf, sprang mich ein und absolvierte dann meine zehn Bewegungsabläufe. Die Kampfrichter hoben Punktekarten mit Zahlen hoch, die ich allerdings ohne Brille, die ich selten trug, nur verschwommen erkennen konnte. Man musste es mir mündlich bestätigen, dass ich gewonnen hatte.

Übergangsrituale

Als ich vierzehn war, gewann ich die California State Senior Men’s Trampolin Championships in einem Starterfeld von College-Athleten. Der Frühling desselben Jahres markierte den Beginn eines nationalen Trampolin-Hypes. Innerhalb weniger Monate tauchten überall in den Vereinigten Staaten Bodentrampolin-Zentren auf, die auch die Aufmerksamkeit eines Fotografen vom LIFE-Magazine erregten. Ein paar Freunde und ich landeten auf dem Cover der Ausgabe vom Mai 1960, und auf einer ganzen Seite demonstrierte ich ein paar Saltos. Natürlich hoffte ich, dass vielleicht einige meiner Schulfreunde es sehen würden, wie cool ich war.

In diesem und im nächsten Schuljahr traf ich mit meinen Freunden in den Mittagspausen, um in einer nahe gelegenen Turnhalle am Reck und Barren zu üben – Überschläge, Kniewellen, Riesenfelgen und fliegende Abgänge. Während ich darauf wartete, dass ich an der Reihe war, sah ich mir jemandes Exemplar der Zeitschrift Modern Gymnast an mit Fotos von College-Turnern, die ganz erstaunliche Kunststücke vollführten. Der Ehrgeiz packte mich – ich wollte sie alle nachmachen!

Als Heranwachsender musste ich auf der Suche nach Nervenkitzel manchmal Schmerzen ertragen. Beim Schwingen am Reck rissen Hitze und Reibung Hautfetzen von meinen Handflächen. Ich punktierte Blasen mit einer Nadel, damit sie ablaufen und heilen konnten. Als Ritual für den Übergang zur Männlichkeit besprühte ich meine blutigen Rippen mit einer Substanz namens Tough Skin, die höllisch brannte, klebte Klebeband darüber, schnallte meine ledernen Handschützer um und machte weiter, bis es zur nächsten Stunde klingelte.

Ich strebte nun danach, dem Gymnastikteam der nahe gelegenen John Marshall High School beizutreten, in der Hoffnung, dort bei Turnieren auftreten zu können. Selbst wenn ich nie Superman sein würde, könnte ich doch zumindest die Superkraft entwickeln, um einen Kreuzhang an den Ringen zu vollführen.

Kapitel 3

Hohe Ansprüche

Lehrer öffnen die Tür,

eintreten müssen wir selbst.

CHINESISCHESSPRICHWORT

»Wer ist hier der beste Voltigierer auf dem Sprungpferd?« Das waren die Worte, die ich am ersten Tag in der Highschool an Mr. James Bogle, unseren stämmigen Biologie- und Turnlehrer, richtete.

»Das wäre Tom Whisenhunt«, antwortete er. »Er ist Primaner und Mannschaftskapitän.«

»Nun, ich werde ihn schlagen«, sagte ich in jugendlichem Draufgängertum.

»Wirklich?«, sagte Mr. Bogle mit einem schiefen Lächeln, »dann teil ihm das doch selbst gleich mit, damit er auf der Hut ist.« Er deutete auf einen Achtzehnjährigen, der ein paar Meter entfernt auf einem Hocker saß und unser Gespräch amüsiert mitverfolgt hatte. Trotz dieses Fehlstarts wurden Tom und ich bald Freunde, auch wenn ich gleich einige Preise abräumte, darunter den für den besten Voltigierer.

In diesem Sommer lernten wir im Trampolin-Übungsteam, zwei Schritte eine senkrechte Wand hochzulaufen und von da einen Rückwärtssalto zu machen. Wir »rannten« auch an Bäumen, Telefonmasten und sogar an geparkten Bussen hoch und stürzten uns wieder herunter ...

Ordentlich aufgebretzelt für ein Date, erwähnte ich auf dem Weg zum Kino meiner Verehrten gegenüber ganz beiläufig einen »interessanten Stunt«, den ich ihr gleich zeigen würde. Es hatte geregnet, alles war voller Pfützen, und wir gingen eine Seitenstraße entlang. »Okay, hier ist die Überraschung!«, sagte ich, rannte leichtfüßig auf die Mauer zu und hob ab …

Leider hatte ich wegen der schwachen Beleuchtung meinen Abstand von der Wand falsch eingeschätzt. Also warf ich mich, anstatt einen Salto rückwärts zu machen, in die Luft und blieb, fast wie eine Zeichentrickfigur, einen Moment lang in der Luft, bevor ich flach auf dem Rücken in einer Pfütze landete. Da lag ich nun, in meinen besten Klamotten, und musste in die staunenden Augen der jungen Dame sehen.

»Ich habe die Wand verfehlt«, presste ich das Offensichtliche heraus.

Nach einem Moment des Schweigens sagte sie: »Oh, das war wirklich … interessant.«

Ich erinnere mich nicht, welchen Film wir gesehen haben, nur dass es die ganzen zwei Stunden gedauert hat, bis ich endlich trocken war.

Trotz gelegentlicher Missgeschicke gaben mir meine akrobatischen Unternehmungen ein Gefühl von Zielstrebigkeit und Fortschritt, ermöglichten mir aber auch eine willkommene Flucht vor dem Stress zu Hause. Meine Teenagerjahre waren eine beunruhigende Zeit für meine große Schwester DeDe, deren emotionale Ausbrüche mit Türenschlagen, abwechselnd mit komplettem Rückzug, mich stets verwirrt und gestresst zurückließen. Ich verstand die Quelle ihres Unglücks nicht.