Die Weisheit ist weiblich - Maria von Welser - E-Book

Die Weisheit ist weiblich E-Book

Maria von Welser

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Beschreibung

Wer wäre das nicht gerne, weise? Das klingt nach Wissen und Erfahrung, nach Ruhe und Gelassenheit und vor allem: Es hebt einen ein wenig über die anderen. Was aber ist weise? Wie zeigt sich Weisheit? Maria von Welser nimmt den Faden auf und erzählt uns Lebens- und Weisheitsgeschichten von Rosa Luxemburg und Olympe de Gouges, von Aung San Suu Kyi und Mahatma Gandhi, von Hildegard von Bingen und Nelson Mandela, von Hannah Arendt und noch vielen anderen. Und sie zeigt: Weisheit liegt vor allem im Engagement, im furchtlosen und gezielten Handeln, im Einsatz für eine bessere Welt. Und gibt die Antwort auf die Frage, warum die Weisheit weiblich ist.

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Seitenzahl: 170

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Maria von Welser

Die Weisheit ist weiblich

Geschichten von ganz besonderen Frauen und Männern

© Maria von Welser

E-Book-Ausgabe: © 2013 bei Hey Publishing GmbH, München

Originalausgabe: © 2011 bei Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Umschlagabbildung: FinePic®, München

ISBN 978-3-942822-63-3 

Von Maria von Welser ebenfalls bei hey! erschienen:

Zurück zur Zuversicht

Leben im Teufelskreis

www.heypublishing.com

www.facebook.com/heypublishing

www.mariavonwelser.de

Weise wären wir doch alle gerne

Ist weise Politik männlich oder weiblich?

Mahatma Gandhi agiert gewaltlos und weise

Ich bleibe, bis ich sterbe – die unvollendete Geschichte der Aung San Suu Kyi

Nelson Mandela – charismatisch und weise

Die Eule – in allen Mythen Hüterin der Weisheit

Von weisen Frauen und wo sie geblieben sind

Die zwei alten Indianerinnen hätten eigentlich sterben sollen

Die Vita activa der Hannah Arendt

Mehr Macht durch weibliche Psychoanalyse?

Erich Fromm und seine Kunst der Liebe und des Lebens

Weisheit im Glauben – warum haben nur Männer die großen Glaubensrichtungen geprägt?

Gläubig und sozial – Frauen, die für andere ihr Leben geben

Muhammad Yunus – der soziale Banker

Sind weise Menschen glücklich? Sind glückliche Menschen weise?

Wie weise ist dieser »Nathan der Weise« wirklich?

Wissen und Weisheit sind eng verwandt – von der Rolle der Frauen in der Wissenschaft

Die Geschichte vom Weisheitszahn

Weise Reden – von Willy Brandt über Richard von Weizsäcker bis zu Barack Obama

Kurz und knapp – von weisen Büchern und weisen Autoren

Leseprobe: Leben im Teufelskreis

Weise wären wir doch alle gerne

Einleitung

Wer wäre das nicht gerne, weise? Das klingt nach Wissen und Erfahrung, nach Ruhe und Gelassenheit und vor allem: Es hebt einen ein wenig über die anderen. Wir wären nicht unbedingt gerne »alt und weise«, aber weise schon. Was aber ist weise? Wie zeigt sich Weisheit? Wie oft in unserem Leben haben wir weise reagiert, gehandelt? Und wie oft das pure Gegenteil gemacht? Ist es dann dumm? Wer sich dem Thema Weisheit nähert entdeckt meterweise Literatur, im Internet, wo man modernerweise als Erstes zu recherchieren beginnt. Aber als altmodischer Mensch zieht es einen auch in Buchhandlungen. »Weisheit?« – Die Buchhändler sind erst mal irritiert. Der mir dann schon vertraute Griff an die Stirn passt gut in Robert Lembkes »Heiteres Beruferaten«. Fürs Erste entdecke ich: Weisheit ist wohl in der Literatur eher männlich besetzt. Weise Frauen leben anscheinend nur im Mittelalter, und Weisheit ist vor allem immer eines: alt. Nie würden irgendwo Babys als weise bezeichnet werden. Ganz selten junge Menschen. Und wenn, dann wird deren Weisheit immer in Bezug auf ihr Handeln so bezeichnet.

Und dann gibt es weise Sprüche, die, aufgelistet, die Literaturverzeichnisse zum Thema »Weisheit« weit übertreffen. Das beginnt mit: »Viele klettern so schnell, dass sie gar nicht merken, dass sie auf den falschen Berg gestiegen sind« (buddhistische Weisheit). Oder: »Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht die Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten und Aufgaben zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem endlosen Meer« (Antoine de Saint-Exupéry). Jeder hat so seine eigenen »Weisheiten« parat, das Gedicht mit den Stufen (»… und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne«) passt an so vielen Stellen im Leben, Aristoteles wird auch gern genommen in den Listen der Weisheitssprüche: »Der Anfang aller Weisheit ist die Verwunderung.«

So wünsche ich mir, dass Sie sich, geneigte Leserin, geneigter Leser, wundern. Uber Geschichten, die von weisen Frauen und Männern erzählen. Die sich ineinander verweben zu einem anregenden, bunten und wilden Stück Stoff aus Menschengeschichten.

Ich werde Ihnen nicht die unzähligen Definitionen und Konzepte zur Weisheit liefern, die sich zwischen Wissen und Intuition, zwischen Verstand und Gefühl, Reife und Kindlichkeit, aber auch Klugheit und Torheit entwickeln. Als Gegenstand zwischen Philosophie und Theologie, in allen Religionen ebenso wie in der Ethnologie, der Soziologie und Psychologie. Man wird fündig in der Märchen- und Mythenforschung – da begegnet einem die Weisheit vor allem als Archetypus der »weisen alten Frau« und des »weisen alten Mannes«. Weisheit versteckt sich überall zwischen Kunst, Literatur und Musik. Nein – ich bleibe ganz konsequent an den Menschengeschichten. Da ich zutiefst überzeugt bin, dass jeder Einzelne einzig ist, dass es keine Dubletten gibt im großen Ganzen der Menschheitsgeschichte. So wird jeder einzigartig für sich weise sein – oder dumm, einfältig, töricht, ein Narr oder Idiot.

Das Wort »weise« wird bereits im achten Jahrhundert verwendet. Wîsa, wîs sagten die Menschen im Althochdeutschen wahrscheinlich. Die Sprachforscher sind überzeugt, dass es mit der Bedeutung von »kundig im Hinblick auf eine Sache«, mit klug und erfahren zu tun haben muss. Es gibt wohl auch Beziehungen zum lateinischen videre, »sehen«, und dem griechischen oida, »wissen«. Dazu erschließt sich jedem, der mit Sprache umgeht und sie bewusst nutzt, dass das Wort »unterweisen« abgeleitet wurde von »weise« in der Bedeutung von »zeigen, führen, belehren«. Wenn wir in den Texten und Gedichten der althochdeutschen Sprache das Wort »Wîsheit« finden, dann wird damit der Zustand des Weiseseins bezeichnet. Erstaunlich aber auch, dass das Wort »Witz« wohl ähnliche Wurzeln wie die Weisheit hat: Witz in der Bedeutung von »Klugheit, Schläue, mit Witz und Tücke«, ist zuweilen in alten Texte zu lesen.

Die Religionen auf unserer Welt scheinen ohne Weisheit wohl nie entstanden zu sein. In der christlichen Bibel wird die Weisheit als Geschenk Gottes dargestellt. So erhielt der Weise Salomo seine sprichwörtliche Weisheit als Antwort auf ein Gebet. An anderen Stellen erleben die beschriebenen Menschen das Geschenk der Weisheit als Summe persönlicher Erfahrungen. Also doch: Menschengeschichten.

Der Buddhismus bezeichnet Weisheit mit dem Begriff »Prajna«, was die ganz große, umfassende Weisheit umschließt, die alle Dinge und Phänomene im Universum durchdringt. Untrennbar verbunden mit »Sunyata« als der Erkenntnis, dass alle erscheinenden Phänomene leer und von einem eigenständigen, ihnen innewohnenden Sein sind. Daraus ergibt sich konsequenterweise der Weg zum Ziel, der Erlangung der Erleuchtung.

Im Hinduismus heißen Weisheit und Wissen in einem einzigen Wort »Vidya«. Zwei Begriffe in einem Wort, weil es auch – wie im Yoga – darum geht, den Dualismus aufzulösen, zunächst die Gedanken zu stoppen, im Hier und Heute zu sein, zu leben.

Auch im Konfuzianismus und im Daoismus hat die Weisheit wie in der chinesischen Philosophie einen großen Stellenwert. Dabei ist dort Weisheit immer auch verbunden mit Menschlichkeit, Ehrfurcht vor den anderen und der Natur, und mit Umgangsformen, die zu den Kardinaltugenden gezählt werden. Also: Wie gehe ich mit einem anderen Menschen um, mit der Natur, den Tieren, Pflanzen? Das wird auch unter dem Wort »Weisheit« verbucht. Erziehung, Lernen und Bildung sind darum bei den Anhängern des Konfuzius elementare Bestandteile des Lebens, wichtige Bausteine auf dem Weg zur Weisheit. Im Daoismus liegt der Schwerpunkt auf einem Leben in Harmonie mit der Natur und dem Kosmos, im Ausgleich von Yin und Yang: Im weisen Umgang mit sich und der Umwelt.

Es ist und bleibt eben der Mensch, wie er Weisheit lebt – oder nicht. Egal in welcher Religion.

Wo wir alle aber nach dem Eintauchen in die Religionen dieser Welt ebenfalls viele weise Menschen treffen, ist in der Welt der Märchen und Mythen. Da wimmelt es nur so von »weisen alten Frauen«, von »weisen alten Männern«. Frau Holle oder Gandalf, des Teufels Großmutter oder Meister Yoda – die Weisen beflügeln wohl die Fantasie der Märchenerzähler.

Aber auch in unserer modernen Zeit begegnen uns Menschen, die uns zum Träumen bringen. Barack Obama hat anscheinend bei seiner Wahl die Amerikaner zum Träumen verführt. Wie das aber so ist bei Luftschlössern: Lange gehalten hat es nicht. Er ist wohl auch noch nicht alt und erfahren genug, um wirklich zu weiser Politik fähig zu sein. Um alle Hoffnungen zu erfüllen auf Frieden, Chancengleichheit für alle, eine rundum gerechte Welt. Wir erinnern uns sicher noch, als dieser junge Barack bei seinem ersten Treffen mit Angela Merkel gar die deutsche Kanzlerin als »weise, offen, pragmatisch« lobte. Da stockte dann doch einigen in diesem Lande der Atem. Wie gerne hätten wir alle eine weise Kanzlerin? Allein der Glaube daran hat wohl in den vergangenen Jahren ihrer Amtszeit ein wenig gelitten. Wo bleiben Klugheit, Weisheit während der Bankenkrise, beim Verfassen des Koalitionsvertrages, bei der Verabschiedung des Wortmonsters Wachstumsbeschleunigungsgesetz?

Der Dalai Lama, Oberhaupt der Buddhisten, mit Wohnsitz im nördlichen Indien, begeistert ebenfalls die Menschen. Seine Bücher zu den menschlichen Grundfragen, zu Liebe, Weisheit, Toleranz, über das Öffnen »des Weisen Auges«, zu Glück im Leben und vor allem zum Glauben werden in Millionenauflagen gekauft und verschlungen. Wenn er Menschen zu Gesprächen lädt, auch über Weisheit, kommen sie zu Tausenden, um seinen Worten zu lauschen. Er zählt zu den noch lebenden »weisen Männern« dieser Welt. Wie auch Nelson Mandela, der 27 Jahre im Südafrika im Gefängnis verbrachte und dann sein Land weg von der Apartheid in eine Demokratie zu führen versuchte. Sie alle eint neben der ihnen attestierten Weisheit aber auch Charisma, eine Ausstrahlung, der sich andere Menschen nicht entziehen können. Auch der britischen Prinzessin Diana wird Charisma attestiert. Nach ihrem tragischen Tod in einem Pariser Tunnel trauerte die ganze Welt. Ebenso beim Tod – übrigens in der gleichen Woche – von Schwester Teresa, die sich in Kalkutta um die Armen und Kranken aufopferungsvoll kümmerte.

Da kann man sich fragen, ob Charisma immer Hand in Hand mit der Weisheit den Menschen geschenkt wird? Wohl eher nicht. Sonst würden nicht oft auch charismatische Menschen andere ins Unglück fuhren können. Charisma ist also nicht Weisheit. Wenn Charisma aber Weisheit ergänzt, dann scheinen solche begabten Menschen die Welt wirklich verändern zu können. Hin zum Positiven.

Folgen Sie mir also jetzt auf den Pfaden der Menschen, die in der Wissenschaft, Wirtschaft, in Politik und Kunst, Kultur und Medien Zeichen der Weisheit setzten. Entdecken Sie mit mir Erstaunliches. Zum Beispiel: Weisheit ist – auch – weiblich. Wenn so viel über weise Männer geschrieben wurde, dann nur deshalb, weil Frauen Jahrhunderte keinen Zugang zu Bildung hatten. Sie durften nicht schreiben und lesen lernen. Geschichtsschreibung war männlich. Männer verfassten die Geschichten, und die schrieben vor allem und am liebsten über: Männer. Ein Buch über »Weisheit« ist also genau der richtige Ort, dieses Ungleichgewicht zu ändern. Denn Weisheit ist auch weiblich.

Wagen Sie sich mit mir auf die Spurensuche. Ganz wie Aristoteles es formulierte: »Der Anfang aller Weisheit ist Verwunderung.« Er hätte sich wohl nicht über den Titel dieses Buches gewundert. Denn in seiner Sprache, der griechischen, heißt die Weisheit Sophia – und ist weiblich. Was sonst.

Maria von Welser

Hamburg 2011

Ist weise Politik männlich oder weiblich?

Wenn der amerikanische Präsident Barack Obama die deutsche Kanzlerin Angela Merkel als »weise, offen und pragmatisch« lobt, dann ist das schon nachdenkenswert: Politiker, die sich als »weise« bezeichnen – sind sie es denn auch wirklich? Die Welt hofft seit der Wahl von Barack Obama, dass er »weise« Entscheidungen treffen werde. Aber die Wirklichkeit scheint nicht geeignet, dass sich führende Politiker in ihrem Metier weise verhalten können. Ist das einer der Gründe, warum Politik vor allem von Männern gemacht, geprägt, ausgeführt wird?

Alle Forschungen über die Psychologie von Mann und Frau bestätigen, dass die beiden Geschlechter Macht und Stärke aus ganz unterschiedlichen Positionen heraus erleben. Macht wird von Männern durch Selbstbehauptung und Aggression erlangt, während Frauen ihre Stärke durch Fürsorglichkeit zu erreichen versuchen. Männer neigen zum Angriff, Frauen zu Intuition, Hingebung, geistiger Wachsamkeit und Liebe. Doch bedauerlicherweise ergänzen sich diese beiden Eigenschaften keineswegs zum Wohle der Menschheit. Hier bewegt sich nichts. Dabei würde es allen Menschen helfen, Männern und Frauen gleichermaßen, wenn die beiden Geschlechter gemeinsam die Geschicke der Menschheit bestimmen würden.

Quasi als Gegenpol zur männlichen Politik wird ja immer das Matriarchat bemüht. Das Wort leitet sich vom lateinischen mater, »Mutter«, und vom griechischen Arché, »Beginn, Ursprung«, ab. Es war wohl eine Gesellschaftsstruktur, in der entweder die Frauen die Macht innehatten oder in der sich die Gesellschaft um die Frauen herum organisiert hat. Heute wissen nicht nur die Wissenschaftler, sondern auch die Feministinnen, dass in den Zeiten des Matriarchats in der Ur- und Frühgeschichte der Menschheit die Frauen gesellschaftlich prägend waren, aber nicht geherrscht haben. Also hat es das Gegenmodell zur männlich ausgerichteten Gesellschaft, das Patriarchat, so nicht gegeben.

Aber dennoch: Da bis heute matriarchale Völker in Indien, den USA, Nordafrika und China existieren, lohnt es sich, die Grundsätze dieser gesellschaftlichen Ordnung genauer zu beleuchten.

Da ist einmal die Vaterschaft zweitrangig, die Familie lebt im Haus der Mutter. Das politische System basiert auf dem Konsens der verschiedenen Sippen, des Dorfes und der Menschen in der Region. Matriarchale Gesellschaften sind meist Acker- und Gartenbaugesellschaften, Land und Haus verbleiben im Besitz der Sippe und nicht im privaten Eigentum. Die Frauen besitzen die Kontrolle über die wichtigen Lebensgüter, alle erhalten anteilig Waren.

Weltanschaulich sind es religiöse Gesellschaften. Die Erde als die Große Mutter garantiert die Wiedergeburt und die Ernährung allen Lebens. Die Welt gilt als heilig. Nicht alle matriarchalen Gesellschaften leben genau nach diesen genannten Kriterien. Aber mindestens drei dieser Grundsätze werden dort umgesetzt.

Wenn man weiß, dass auch heute in den Südländern, in der sogenannten Dritten Welt, die Männer nur zu 27 Prozent bereit sind, eigenes Geld für ihre Frauen und Kinder auszugeben, Frauen dagegen zu 82 Prozent, dann ist es sicher sinnvoll, einmal über diese Gesellschaftsform nachzudenken. Vor allem, wenn wir bei Politik sofort auch an Kriege denken.

Denn Matriarchat hin oder her: Diese Gesellschaftsform sagt wenig darüber aus, dass Frauen tatsächlich auch die politische Macht besitzen. In all diesen Gesellschaften ist es selbstverständlich, dass Männer alle repräsentativen Aufgaben außerhalb der Sippe wahrnehmen. Was noch nicht heißt, dass diese die alleinige Macht haben. Denn wenn – wie bei den Irokesen in den USA – den weiblichen Häuptlingen oder Clanchefs jeweils auch männliche gegenüberstehen, wird Verantwortung an Mann und Frau verteilt, auf vier Schultern getragen. Daraus ergibt sich ganz zwangsläufig: Man muss miteinander reden, sich absprechen und die Führungsrolle regelmäßig wechseln.

Aber noch eine ganz andere wichtige Tatsache ergibt sich aus diesem Abstimmungs- und Gesprächszwang: Organisierte Kriege sind absolut untypisch für matriarchale Gesellschaften. Sicher, es gibt Fehden im Sinne von Blutrache. Und die Bedeutung eines Krieges nimmt zu, wenn sich diese Gesellschaften, wie zum Beispiel auch die Tuareg in Nordafrika, gegen eindringende, kriegerisch organisierte patriarchale Völker zu verteidigen haben. Bittere Erkenntnis: Jeder Krieg unterhöhlt die matriarchalen Strukturen in der Gruppe, die Stellung der kriegführenden Männer wird stärker, die Macht der Frauen untergraben.

Sicher, wenn es um weise Politik geht, um weibliche Verhaltensweisen, die alles andere als kriegerisch veranlagt seien, dann tauchen sofort als Gegenbeweise die Namen von weiblichen Politikerinnen auf: die »Eiserne Lady«, Margaret Thatcher, die gegen Argentinien, und um die Falklandinseln für die Briten zu retten, siebzig Schiffe und 28 000 »Boys« in den Krieg schickte. Bilanz: Die Falklandinseln blieben bei Großbritannien, es gab über 900 Tote auf beiden Seiten, sechs Schiffe und 37 Flugzeuge und Hubschrauber wurden zerstört. Die Menschen daheim jubelten ihrer Premierministerin zu. Der Erfolg heiligt die Mittel, und alles ist ja – fast – gut ausgegangen.

Immer, wenn es um kriegerische Frauen in den Höhen der Politik geht, wird auch die ehemalige israelische Präsidentin Golda Meir genannt. Die ukrainische Emigrantin hatte sich zunächst in der zionistischen Bewegung der USA engagiert und ist dann wesentlich an den Vorbereitungen für den Aufbau eines jüdischen Staates in Palästina beteiligt gewesen. 1948 wird Golda Meir eine der Gründerinnen Israels. In der Arbeiterpartei wählen sie die ersten Siedler zur Führerin, später wird sie Arbeitsministerin, Außenministerin und 1969 für fünf Jahre Regierungschefin des jungen Staates. In ihre Amtszeit fällt der Jom-Kippur-Krieg, der mit einer schweren außenpolitischen Krise einhergeht. Sie muss trotz der gewonnenen Wahl 1974 ihr Amt als Regierungschefin niederlegen. Ihre Rolle während des Krieges wird von einer parlamentarischen Untersuchungskommission als nicht immer mit dem Gesetz vereinbar festgestellt.

Margaret Thatcher und Golda Meir sind weibliche Ausnahmen auf der politischen Bühne der vergangenen Jahrzehnte.

Bis heute ist und bleibt Politik männlich, selten ist sie weise, und sehr oft führt sie in einen Krieg. Der jüngste Krieg gegen den Irak und die vermeintlichen, aber nie gefundenen »Massenvernichtungswaffen« sind nur ein Beispiel. Frauen werden selten dabei angehört, können sich nicht einbringen – sie haben nur über die Maßen unter den Folgen zu leiden.

Das zieht sich durch die Geschichte bis zum heutigen Tage.

Blicken wir zurück in unsere Vergangenheit, so beginnt die dramatische Verdrängung der Frauen aus dem öffentlichen Leben in das Private mit Beginn der Renaissance. Eine Verdrängung, die sich weiter fortsetzt bis zum Beginn des modernen Zeitalters. In seinem Buch »Rückkehr zum Weiblichen« beschreibt dies Paul Tournier eindringlich: »Das Gefühl gerät in Misskredit zugunsten der Vernunft, der Körper zugunsten des Verstandes, die Person zugunsten der Dinge.« Damit erklärt er die heutige abendländische Welt, die so vollkommen, so mächtig, so leistungsfähig, aber auch so kalt, hart und langweilig daherkomme.

Doch es gibt sie in der Geschichte, die Frauen, die sich wehren. Die handeln, aber später von den männlichen Geschichtsschreibern kaum erwähnt werden. Dieses »nicht erwähnt werden, nicht vorkommen, nicht mal ignoriert werden«, das fällt bei all diesen Persönlichkeiten auf. Eine von ihnen ist Olympe de Gouges. – Olympe wer?

Robespierre, Danton und Mirabeau kennen wir alle. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, glänzender Auftakt und Vermächtnis der Französischen Revolution, ist ebenso berühmt wie deren Umschwung in die Schreckensherrschaft berüchtigt ist. Aber wer weiß, dass es eine »Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin« gab, und dass ihre Verfasserin der Guillotine zum Opfer fiel?

Dass wir so wenig, wenn nicht gar nichts davon wissen, verdanken wir der immer wieder festgestellten »männlichen« Geschichtsschreibung. Noch 200 Jahre später fehlt in einer Biografie über Persönlichkeiten aus Geschichte und Politik keiner der oben genannten Revolutionäre – dazu treten noch drei Aristokratinnen, nämlich Marie-Antoinette, Charlotte Corday und Madame de Stael. Olympe de Gouges und ihr unvergleichlicher Kampf um die Gleichberechtigung und die Menschenrechte für Frauen wird – verschwiegen. Und es kommt noch bitterer von den Herren Geschichtsschreibern: Sie behaupten doch glatt, eine »feministische Bewegung während der Revolution« habe es nicht gegeben. Was mehr als falsch ist: Von Anfang an haben sich die Frauen aktiv an der Revolution beteiligt. Sechs- bis siebentausend Pariserinnen sind nach Versailles aufgebrochen, um dem König und der Nationalversammlung ihre wirtschaftliche Not vor Augen zu führen. Sie waren außerordentlich erfolgreich, erreichten erschwingliche Festpreise für Brot und Fleisch und die Unterschrift des Königs unter die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Allen voran Olympe de Gouges. Aber das Blatt wendet sich: Das männliche Imperium schlägt zurück.

Olympe sieht die Gefahr, beklagt sich immer wieder über fehlende weibliche Solidarität. Jetzt heißt es öffentlich, Frauengesellschaften seien gefährlich. Sie werden verboten – und vier Tage später wird die Kämpferin Olympe de Gouges auf dem Schafott hingerichtet. Es ist der Anfang vom Ende der ersehnten Gleichberechtigung. Aber es kommt noch schlimmer. Was Olympe vorausgesehen hatte und so vehement in ihren Schriften anprangerte, tritt ein: Die Frauen verlieren jetzt auch noch die meisten der bürgerlichen Rechte, die ihnen auch durch den Einsatz von Olympe de Gouges während der Revolution zugestanden worden waren. Lediglich die Volljährigkeit mit einundzwanzig Jahren und die Erbberechtigung der Töchter bleiben bestehen. Ab jetzt stehen die Frauen ihr Leben lang unter der Vormundschaft von Männern, zuerst des Vaters, dann des Gatten. Sie dürfen weder allein Urkunden unterzeichnen noch als Zeuginnen Akten bestätigen. Über ihren Besitz darf die Frau nur mit Zustimmung des Mannes verfügen. Für Ehebruch wird sie schwer bestraft, der Ehemann mit einer Geldbuße belegt. Von Olympe de Gouges kein Sterbenswörtchen mehr. Für zwei Jahrhunderte versinkt die Kämpferin um Frauenrechte in den Annalen der Geschichte.

Denn die Geschichte der Kriege ist eine Geschichte der männlichen Politik und Herrschaft. Auf vierzehn DIN-A-4-Seiten reihen sich engbeschrieben seit der Antike Kriege an Kriege. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind weltweit mindestens 25 Millionen Menschen durch Kriege gestorben. Im 20. Jahrhundert sind es etwa 100 bis 185 Millionen tote Menschen: Zweiter Kongokrieg, Koreakrieg, Vietnamkrieg, die Kriege in Afghanistan, im Golf, Nigeria und Ruanda – es ist das schlichte Grauen. Aktuell im 21. Jahrhundert bekämpfen sich in großen Kriegen im Nahen Osten, in Afghanistan, an der Elfenbeinküste, im Irak, in Darfur, in Kivu, Südossetien, im Libanon und in Pakistan die Menschen.

Darunter leiden vor allem Kinder, Frauen und alte Menschen. Das muss immer wieder klar und deutlich ausgesprochen werden.

Nach der französischen Revolution bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 stehen nur Männer den Staaten vor. Dass da einige als »weise« bezeichnet werden könnten, findet sich in keinem der Geschichtsbücher. Fatalerweise sind es wohl die beiden Weltkriege 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945, die den Frauen erst wieder die Möglichkeiten geben, mehr an politischen Aufgaben zu übernehmen, da die Männer an der Front, in Kriegsgefangenschaft oder gefallen sind.