Die Weltgeschichte des Fußballs - Mariano Beraldi - E-Book

Die Weltgeschichte des Fußballs E-Book

Mariano Beraldi

0,0

Beschreibung

Unser Streifzug durch die Fußball-Weltgeschichte geht weiter. Von 1974, wo der erste Band endete, gelangen wir bis in die Gegenwart. Unsere Leitlinie bleiben die Fußball-Spitznamen, denn auch der moderne Fußball kommt nicht ohne sie aus. Die Freude und die Kreativität der Anhänger und Journalisten ist hierbei die gleiche geblieben wie in den Zeiten, als Multifunktionsstadien noch Fußballplätze, als die Spielergehälter noch nicht ins Astronomische gestiegen und die Bundesligabegegnungen nicht live zu sehen waren. Der Herkunft der Spitznamen gehen wir nach und begegnen dabei in den 70er- und 80er-Jahren den Reds vom FC Liverpool mit Kevin Keegan und Kenny Dalglish oder dem Brasilianer Zico, der als Weißer Pelé in dieser Zeit die Fußballwelt begeisterte. Wenig später war es 1986 Maradonas "Hand Gottes", die sich für alle Zeiten in das kollektive Fußball-Bewusstsein einbrannte. Wer weiß heute noch, wie langsam sich der Aufstieg von Manchester United vollzog, bis das Team seit Beginn der 90er unter Alex Ferguson wieder Titel um Titel einheimste. Wir lesen von den Notti Magiche, die bei der WM 1990 eigentlich die gastgebenden Italiener verzaubern sollten, letztlich aber mit einer Ernüchterung endeten, und von den Roten Teufeln, die nach ihrem Abstieg aus der Bundesliga 1996 gleich im ersten Jahr nach dem Wiederaufstieg unter Otto Rehhagel die deutsche Meisterschaft erringen konnten. Einen Höhepunkt stellt unweigerlich das sagenhafte 7:1 Deutschlands gegen Brasilien 2014 im sogenannten Mineirazo dar. So begibt sich der jüngere Leser mit diesem Buch auf Entdeckungsreise, während die älteren Leser Spiele, Spieler, Auf- und Abstiege von Vereinen wiedererleben, die Bundesliga-, Europapokal- und Weltmeisterschaftsgeschichte geschrieben haben.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 537

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mariano Beraldi und Wolf-Rüdiger Osburg

Die Weltgeschichte des Fußballs in Spitznamen

Von Mighty Mouse bis zur Gegenwart

Mariano Beraldi Wolf-Rüdiger Osburg

Die Weltgeschichte des Fußballs in Spitznamen

Von Mighty Mouse bis zur Gegenwart

Osburg Verlag

Erste Auflage 2018

© Osburg Verlag Hamburg 2018

www.osburgverlag.de

Alle Rechte vorbehalten,

insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Lektorat : Wolf-Rüdiger Osburg

Umschlaggestaltung : Judith Hilgenstöhler, Hamburg

Satz : Hans-Jürgen Paasch, Oeste

Druck und Bindung : CPI books GmbH, Leck

Printed in Germany

ISBN 978-3-95510-168-8

eISBN 978-3-95510-177-0

Gewidmet dem Heiligen Don Bosco (1815–1888), der sich in Turin der Jugendarbeit verschrieb und den Fußball als Erziehungsmittel einsetzte, noch bevor Juventus und FC Torino gegründet wurden.

Inhalt

Vorwort

El Pulpo/Die Krake

PSG, Les Rouge et Bleu/Die Rot und Blauen

Die Schwarz-Gelben

Meister der Herzen

Quellenverzeichnis

Register

Vorwort

Kaum war die 21. Fußball-Weltmeisterschaft in Russland eröffnet, schon berichteten die Medien über Grüne Falken, Atlaslöwen, Les Bleus und Albiceleste. Ist die Tierfauna des jeweiligen Landes bekannt, so erschließt sich einem der Spitznamen der Nationalmannschaften auf Anhieb. Auch von der Trikotfarbe leiten sich viele Spitznamen ab, Farben die meistens von der jeweiligen Nationalflagge übernommen wurden. Wesentlich aufregender sind die Spitznamen von Begegnungen, die in Weltmeisterschaften geboren wurden. Welches Spiel wird mit dem Beinamen Die Schmach von Cordoba bezeichnet? Wer spielte in der Tragödie des Sarria die Hauptrolle? Wann wurde Die Nacht von Sevilla gespielt?

Doch Weltmeisterschaften machen nur einen Bruchteil der Fußball-Weltgeschichte aus, daher beschränken sich die nächsten gut 400 Seiten bei Weitem nicht auf die WM 2018 und die 20 vorherigen, sondern befassen sich intensiv mit den Spitznamenentstehung der Vereine, der Spieler, der Derbys und der Duelle.

Unseren Streifzug durch die Fußball-Weltgeschichte beendeten wir im ersten Band im Jahr 1974. Jetzt geht es also weiter bis in die Gegenwart und Russland 2018. Bevor wir CR7, dem König der Pharaonen und dem Duelo Iberico begegnen, treffen wir vorher auf die Reds, die in England und Europa dominierten, O Galinho und El Caudillo, zwei südamerikanische Weltklassefußballer, die die Welt eroberten, die Notti magiche, die vor allem Deutschland verzauberten, und das 7 : 1 im sogenannten Mineirazo, um nur einige der über 300 Spitznamen zu nennen. So begibt sich der jüngere Leser mit diesem Buch auf Entdeckungsreise, während die älteren Leser unter uns Spiele, Spieler, Auf- und Abstiege von Vereinen und Nationalmannschaften wiedererleben, die Bundesliga-, Europapokal- und Weltmeisterschaftsgeschichte geschrieben haben.

Bevor wir beginnen, erscheinen uns erneut noch ein paar Hinweise für den Leser wichtig zu sein. In den nachfolgenden Artikeln gibt es, wie im ersten Band, unter dem Spitznamen und der Klarstellung, wer oder was damit gemeint ist, häufig kleine Pfeile. Diese zeigen an, dass es zum gleichen Thema vor oder nach diesem Artikel noch weitere Einträge gibt. Am Ende des Buches haben wir ein Register erstellt, dem Sie entnehmen können, auf welcher Seite des Buches Sie die Vereine, Spieler etc. finden können, die in den obersten Zeilen der Artikel genannt wurden.

Wir wünschen Ihnen beim Lesen Freude.

Mariano Beraldi

Wolf-Rüdiger Osburg

Juli 2018

O Divino/Der Göttliche

Ademir da Guía (*1942)

Ademir war der Sohn von Domingos da Guia (El Maestro Divino) und wie sein Vater ein Weltklassespieler. Doch Ademir war kein Verteidiger, sondern ein Spielmacher. Er spielte für Palmeiras von 1961 bis 1977. Die Alviverde war damals die einzige Mannschaft die Santos Paroli bieten konnte, denn mit Ademir hatte man einen 10er der alles mitbrachte, was einen 10er ausmacht: Talent, Fantasie, Torgefährlichkeit und Klasse. So unterbrach Palmeiras Santos’ Seriensiege der 60er Jahre mit der Eroberung der Paulista-Meisterschaften 1963 und 1966. Mit einem nicht mehr jungen Ademir gewann Palmeiras auch die Meisterschaften 1972, 1974 und 1976. Weltmeister wurde Ademir nie, denn zu seiner Zeit gab es in Brasilien weitere 10er wie Gerson von Sao Paulo, Tostao (ein 10er ohne 10, siehe O Principe da Bola) von Cruzeiro, Rivelino von Corinthians, Jairzinho (Furacao) von Botafogo und eben Pelé vom FC Santos. Dies waren alles Spieler, die wie Ademir den gewissen Unterschied ausmachten, die aber von den damaligen brasilianischen Nationaltrainern bevorzugt wurden. Als 1974 der Überfluss an 10er ein Ende gefunden hatte, durfte Ademir mit 32 Jahren ein WM-Spiel bestreiten. Doch trotz der fehlenden internationalen Ehren ist er für Palmeiras noch heute O Divino.

O Principe de Futebol/Der Prinz des Fußballs

Dirceu Lopes Mendes (*1946)

Ein weiterer genialer Spieler, der ein Spiel alleine entscheiden konnte und dennoch keinen wirklichen Platz in der brasilianischen Nationalmannschaft fand, war Dirceu Lopes Mendes. Er zog seit 1965 mit Tostao in Cruzeiros Mittelfeld die Fäden, beide waren glänzende Spielmacher. Doch war es Dirceu Lopes vergönnt, die Nummer 10 zu tragen. Mit Raul im Tor, einer stabilen Abwehr aus Pedro Paulo, Willian, Procópio und Neco, den Schaltzentralen Dirceu Lopes und Tostao im Mittelfeld, unterstützt vom Kämpfer Wilson Piazza, und den Angreifern Natal, Evaldo und Oliveira Hilton war Cruzeiro 1966 sogar so stark, den FC Santos in den Endspielen um die brasilianische Meisterschaft zu schlagen. Die Ergebnisse 6 : 2 und 3 : 2 für Dirceu Lopes & Co. sprechen für sich. Cruzeiro, die Mannschaft aus Belo Horizonte, mit einem Fuchs als Maskottchen und deshalb in Brasilien Raposa genannt, verkaufte 1972 Tostao für 3,5 Millionen Cruzeiros an Vasco da Gama, hatte man ja mit Dirceu Lopes weiterhin einen Erfolgsgaranten im Kader. Dirceu spielte von Jahr zu Jahr besser, wurde alljährlich als bester Spieler gewählt und wurde automatisch zum O Principe de Futebol (oder Principe da Bola). Als Pelé Santos verließ, sollte er O Rei beerben, doch die Verhandlungen führten nicht zum Wechsel Dirceus. Er blieb, verletzte sich an der Achillessehne und musste ein ganzes Jahr aussetzen. Er verpasste damit den Sieg Cruzeiros in der Copa Libertadores. So war es der Kader mit

Raul im Tor, Darci, Mariano, Moraes, Nelinho, Ozires, und Vanderlei in der Abwehr Eduardo, Ely Mendes, Isidoro, Jairzinho, Palhinha, Piazza und Valdo im Mittelfeld und Joaozinho, Roberto Batata, Ronaldo, Silva, Zé Carlos im Angriff,

der River Plate im Entscheidungsspiel mit 3 : 2 bezwang. O Principe de futebol wechselte 1977 dann tatsächlich noch den Verein und ging zunächst zu Fluminense, konnte aber nicht mehr an die alten Zeiten anknüpfen.

Los Matadores

Club Atlético San Lorenzo de Almagro

→Los Santos, Los Cuervos

←Los Azulgrana, El Ciclón, Los Gauchos de Boedo, El Terceto de Oro

1967 verpflichtete San Lorenzo als Trainer den Brasilianer Elba de Padua Lima, besser bekannt unter dem Namen Tim. Tim war schon 1964 mit Fluminense Meister geworden.

Seine neue Mannschaft, bestehend aus

Torwart Buticce, die Abwehrspieler Rosl, Albrecht, Villar und Calics, die Mittelfeldspieler Cocco, El Ovejo Telch, Veira und Pedro Gonzalez und die Torjäger Fischer und Veglio,

gewann mit ihm das erste Spiel des Campeonato Metropolitano der Zone A auswärts mit 5 : 1 gegen Atlanta. Nach 22 Spielen hatte San Lorenzo 12 Punkte mehr als die Verfolger, wenn man bei solch einem Abstand überhaupt noch von Verfolgern sprechen kann. San Lorenzo verlor kein einziges Spiel, was keiner Profimannschaft in Argentinien bisher gelungen war. Das Team hatte die meisten Tore geschossen und stellte mit Rodolfo Fischer, El Lobo/Der Wolf, den Torschützenkönig. Diese Zahlen verdeutlichen, warum diese Mannschaft als Los Matadores bezeichnet wurde. Doch trotz allem war San Lorenzo noch nicht Meister und musste seine Leistungen in der Endrunde bestätigen. Gegner im Halbfinale war River Plate, der Zweite aus der Zone B. Mit einem 3 : 1 (Gonzalez, Cocco und Veglio) ließ San Lorenzo River Plate nicht den Hauch einer Chance. Zu stark waren Los Azulgrana in dieser Saison, sie spielten all ihre Gegner an die Wand und waren nun nur einen Schritt vom großen Triumph entfernt. Im Endspiel wartete Titelverteidiger Estuadiantes La Plata mit Poletti, Bilardo, Malbernat und Veron. Als Estudiantes durch La Bruja in der 47. Minute in Führung ging, empfanden viele dies als ungerecht, hatte doch San Lorenzo die Saison bisher dominiert. Aber im Fußball zählen nur Tore. Los Matadores gerieten trotz Rückstands nicht in Panik, sie glichen mit Toti Veglio aus, um dann in der Verlängerung zum tödlichen Hieb mit El Lobo Fischer auszuholen. Los Matadores blieben somit ungeschlagen und gewannen verdient die vierte Meisterschaft seit Einführung des Profitums. Diesen großen Erfolg konnte die Mannschaft vier Jahre später wiederholen. Los Matadores gewannen den Campeonato Nacional wieder ungeschlagen mit der Mannschaft

Ameijenda, Ayala, Chazarreta, Esposito, Heredia, Fischer, Glaria, Irusta, Olguin, Rezza, Rosl, Telch, Sanfilippo und Scotta

und schafften in diesem Jahr noch das Novum, auch den Campeonato Metropolitano für sich zu entscheiden. 1974 wurde noch einmal der Campeonato Nacional gewonnen, danach aber folgte eine längere Flaute. Es dauerte bis 1995, da war es wieder soweit und die Los Matadores des Fußballs machten ihrem Namen wieder alle Ehre.

Core ’ngrato

Jose Joao Altafini (*1938)

Obwohl Altafini, noch nicht ganz 20-jährig, mit zwei Toren und drei Einsätzen bei der Weltmeisterschaft 1958 seinen Anteil am ersten WM-Titel Brasiliens gehabt hatte, kennen in Brasilien nur wenige Jose Joao Altafini. Dies hängt damit zusammen, dass Altafini in Brasilien den Fußballnamen Mazzola trug. Mazzola deshalb, weil manchem brasilianischen Fußballexperten der Campionissimo vom Grande Torino in Erinnerung kam, wenn sie Altafini auf dem Spielfeld sahen. Nach der WM wechselte er zum AC Mailand und in Italien wurde er nun mit seinem Namen Altafini bezeichnet. Altafini machte beim AC Mailand das, für das er geholt wurde: Tore schießen. So wurde er 1961/62 nicht nur italienischer Meister mit den Rossoneri, sondern auch Torschützenkönig. Ein Jahr später wurde der Europapokal der Landesmeister gewonnen. Im Endspiel gegen Benfica erzielte er zwei Tore, die den Sieg ausmachten. Trotz seiner Leistungen war Gipo Viani nicht mit ihm zufrieden. Der ehemalige Erfolgstrainer war mittlerweile Technischer Direktor des AC Mailand und gab Altafini den Spitznamen Coniglio, also Hase, da er ihn damit anspornen wollte, mehr zu geben und mehr zu kämpfen. Vianis Spitzname war Sceriffo, was über seinen Charakter viel aussagt. Altafini wechselte 1965 zum SSC Neapel, wo er weiterhin seine Tore machte. Von den Neapel-Anhängern angehimmelt, erwiderte er diese Liebe, da die heißblütigen Anhänger ihn an seine Heimat Brasilien erinnerten. Trotz der gegenseitigen Liebe wechselte Altafini noch einmal 1972 zu Juventus Turin, um, mittlerweile 34-jährig, noch einmal um den Europapokal der Landesmeister zu spielen. Meist als Joker eingesetzt, machte er auch für Juve seine Tore, doch ein Tor hätte er lieber nicht erzielen sollen. Es war die Saison 1974/75, Juventus und Neapel spielten um die Meisterschaft und trafen am 25. Spieltag aufeinander. Die Bianconeri hatten das vorherige Spiel gegen den AC Turin verloren und hatten nun nur noch zwei Punkte Vorsprung auf Neapel. Neapel hingegen befand sich nach seinem Sieg gegen den AC Mailand im Aufwind. Als es zwischen Neapel und Juventus 1 : 1 stand, traf ausgerechnet Altafini zum 2 : 1. Mit diesem Tor wurde Altafini für die Neapel-Anhänger Core ’ngrato, undankbares Herz. Altafini gewann am Ende die Meisterschaft, die zweite mit Juventus. Nur mit seinen Spitznamen hatte er nie richtig Glück.

Mister due miliardi/Mister zwei Milliarden

Giuseppe Savoldi (*1947)

Der Torschützenkönig der Serie A 1972/73 hieß Giuseppe Savoldi. 1975 wurde der von vielen Vereinen begehrte Stürmer von Bologna an Neapel verkauft. Zwei Milliarden Lire wurden von den Partenopei an die Felsinei überwiesen. Es war ein Rekordtransfer. Die Investition schien sich auszuzahlen, Savoldi traf für den amtierenden Vizemeister in den ersten sieben Spielen sieben Mal und Neapel ging am 8. Spieltag in Führung, dann verletzte sich Mister due Miliardi und kam nicht mehr in Tritt, Neapel wurde nur 5. Immerhin konnte Savoldi, der am Ende seiner Karriere 168 Tore erzielt hatte, 1975/76 mit Neapel den italienischen Pokal gewinnen.

El Gringo/Der Fremde

Sergio Clerici (*1941)

Savoldi wechselte also von Bologna nach Neapel und zusätzlich zu den zwei Milliarden ging Sergio Clerici 1975 als Tauschobjekt von Neapel zu Bologna und verließ damit Neapel. Sergio Clerici, genannt El Gringo, war ein brasilianischer Stürmer mit italienischen Wurzeln, der zuvor für Lecco, schon einmal Bologna, Atalanta, Verona und Florenz gespielt hatte, bevor er nach Neapel gekommen war. In Neapel wurde er, obwohl nicht mehr der jüngste, geliebt, denn El Gringo war weiterhin dribbelstark, technisch versiert und hatte einen linken Fuß, der tödlich war. Mit der eingespielten Abwehr um Torwart Carmignani, Burgnich und Bruscolotti, im Mittelfeld Juliano und im Sturm Canè und eben El Gringo war Neapel die erste Mannschaft in Italien, die mit einer Raumdeckung spielte. 1973/74 wurde der dritte Platz erreicht und 1974/75 fast die Meisterschaft gewonnen. Noch heute ist man sich am Golf von Neapel sicher, der alte Clerici hätte mit dem jüngeren Savoldi die Welt erobert, zumindest die italienische Meisterschaft gewonnen, wären sie zusammen aufgelaufen.

El Granitico

Héctor Chumpitaz (*1944)

Was der langjährige peruanischen Deutschlandlegionär Pizarro noch nie geschafft hat, haben Héctor Chumpitaz und Teofilo Cubillas (El Nene) zweimal bzw. dreimal geschafft: Peru für ein WM-Turnier zu qualifizieren. Chumpitaz war Kapitän und Abwehrchef dieser in Peru unvergessenen Zeit, während Cubillas vorne das Sagen hatte. 1970 qualifizierte sich Peru auf Kosten Argentiniens für die WM in Mexiko, 1975 gewann die Mannschaft aus den Anden mit

Sartor, Soria, Meléndez, Chumpitaz, Díaz, Quesada, Ojeda, Rojas, Cubillas, El Cholo Sotil und Oblitas (Ramírez)

die Copa America. 1978 bestritt Chumpitaz seine zweite und letzte WM. An El Granitico bissen sich viele Stürmer die Zähne aus, denn Chumpitaz zählte zu den besten Verteidigern Südamerikas. Er war kopfballstark und technisch begabt und er war torgefährlich, da er einen starken Schuss besaß. Für europäische Vereine hat er nie gespielt. Dafür gewann er fünfmal die peruanische Meisterschaft mit Universitario de Deportes.

El Impasable/Der Unüberwindbare, O Gol Iluminado/Das erleuchtete Tor

Elias Ricardo Figueroa Brander (*1946)

Wenn immer von großen Liberos erzählt wird, wird ein Name fallen: Elias Figueroa. Der Chilene war ein Abwehrstratege mit Umsicht und gepflegter Ballbehandlung. Technisch versiert, torgefährlich und kopfballstark, wanderte er schon mit 20 Jahren aus und spielte für Penarol, wo er 1967 und 1968 Uruguays Meistertitel errang. 1969 gewann er mit

Mazurkiewicz, Forlan, Matosas, Caetano, Rocha, Goncalves, Onega, Acuna, Spencer und Losada

die Recopa de Campeones Intercontinentales. Ein Turnier, das nur zweimal ausgetragen wurde (1968 und 1969). Alle südamerikanischen Mannschaften, die den Weltpokal gewonnen hatten (Santos, Estudiantes, RC Avellaneda und Penarol), traten gegeneinander an, um dann gegen den europäischen Vertreter anzutreten, der im gleichen Verfahren ausgemacht wurde. Durch Zeitmangel der Europäer (Real Madrid, AC Mailand und Inter Mailand) wurden die Turniere nie ganz ausgetragen. 1968 gewann Santos, weil Inter Mailand nicht zum Rückspiel antrat. 1969 trat gar keine europäische Mannschaft an. Da aber Penarol die Qualifikation Südamerikas gewann, wurden die e Aurinegro zum Turniersieger erklärt. Figueroa wechselte 1972 nach Brasilien zu Sport Club Internacional Porto Alegre, hier erwarb er Legendenstatus. Figueroa war so stark, dass ihn viele Brasilianer gerne in ihrer Nationalmannschaft gesehen hätten. Doch Figuero, den man El Impasabile nannte, konnte mit seiner chilenischen Nationalmannschaft neun Spiele in drei Weltmeisterschaften bestreiten (1966, 1974, 1982). 1974, 1975 und 1976 wurde er in Südamerika zum Fußballer des Jahres gewählt, und das wohlgemerkt als Libero. Ein Tor, das er am 14. Dezember 1975 erzielte, stand künftig genau für dieses Spiel: O Gol Iluminado. Es ging hierbei um das Endspiel der brasilianischen Meisterschaft. Internacional war Seriensieger der Gaucho-Meisterschaft des südlichsten Bundesstaates Brasiliens, Rio Grande do Sul. Der Gegner war Cruzeiro aus Belo Horizonte aus dem Bundesstaat Minas Gerais. Der Seriensieger des Campeonato Mineiro hatte im Vorjahr das Endspiel verloren, und da Stadtkonkurrent Atletico Mineiro 1971 brasilianischer Meister geworden war, war die Mannschaft um Raul Plassmann, Nelinho, Piazza, Palhinha und Trainer Zezé Moreira begierig auf diesen Titel. Doch auch

Manga, Valdir, Figueroa, Herminio, Chico Fraga, Cacapava, Falcao, Carpegiani, Valdomiro, Flavio und Lula (Jair)

mit Trainer Minelli wollten unbedingt gewinnen, denn sie wären mit einem Sieg die erste Mannschaft aus ihrem Bundesstaat geworden, die den Titel Campeonato Brasileiro auf ihre Visitenkarte hätten drucken lassen können. Während des ganzen Endspiels in Porto Alegre war der Himmel bewölkt, nur hier und da konnte die Sonne durch kleine Wolkenlücken strahlen. So war es auch in der 10. Minute der zweiten Halbzeit. Inter erhielt einen Freistoß, seitlich vom Strafraum des Gegners. Ein kleiner Sonnenstrahl fand den Weg durch die Wolken und erhellte im Strafraum Cruzeiros den Rasen, in unmittelbarer Nähe der Stelle, wo sich die kopfballstarken Spieler wie Figueroa und Carpegiani positioniert hatten. Valdomiro trat zur Hereingabe an, Figueroa schraubte sich hoch, sprang am höchsten und köpfte unhaltbar für Torhüter Plassmann ein. O Gol Iluminado war gleichzeitig das Siegtor für Internacional Porto Alegre, die ein Jahr später den Titel gegen Corinthians um Socrates und Basilio verteidigen konnten.

Poteaux Carrés/Viereckige Pfosten

Europapokal der Landesmeister 1975/76, Endspiel 12. Mai 1976

Bayern München – Association Sportive de St. Étienne 1 : 0

Bayern München

Maier, Hansen, Schwarzenbeck, Beckenbauer, Horsmann, Roth, Kapellmann, Dürnberger, Rummenigge, Gerd Müller, Hoeneß

Trainer: Cramer

St. Etienne

Curkovic, Janvion, Piazza, Lopez, Repellini, Bathenay, Larqué, Santini, H. Revelli, P. Revelli, Sarramagna (Rocheteau)

Trainer: Herbin

Wenn in französischen Stadien Poteaux Carrés, Poteaux Carrés gerufen wird, dann kann man davon ausgehen, dass es sich beim Gegner um St. Étienne handelt. Denn mit den Poteaux Carrés-Rufe will man Les Verts an eine unglückliche Niederlage erinnern. 1976 gab es, wie 1961, weiterhin viereckige Pfosten (siehe auch Bd. I, S. 284). Wenn ihre Anzahl auch abnahm, in Glasgow gab es sie noch. Hier bestritt St. Étienne in diesem Jahr das Endspiel des Europapokals der Landesmeister gegen Bayern München. Bayern als Favorit wurde in der ersten Halbzeit von den frech aufspielenden Franzosen vorgeführt. Gegen Bathenays Weitschuss konnte Sepp Maier nichts ausrichten, doch der Ball knallte an die Latte. Gegen Santinis Kopfball war Sepp Maier erneut machtlos, doch der Ball knallte wieder gegen die Latte. Geküsst von so viel Glück, lief es in der zweiten Halbzeit für die Roten etwas besser und prompt kamen sie in der 57. Minute zum Torerfolg. Zehn Minuten vor Schluss wurde es noch einmal spannend, denn mit Rocheteau kam ein dribblestarker Stürmer ins Spiel, der die Bayernabwehr wieder in Bedrängnis brachte, doch mit Erfahrung und Cleverness brachten die Münchner zum dritten Mal den Europapokal nach München. Den Franzosen blieben die viereckigen Pfosten in Erinnerung, und sie sind noch heute der Meinung, dass wenn die Pfosten rund gewesen wären, der Ball zweimal ins Tor geflogen wäre.

Les Stéphanois

Association Sportive de St. Étienne

←Les Verts, Poteaux Carrés

Les Verts schafften es als erste Mannschaft, den französischen Fußball über Jahre zu dominieren. Mit Bosquier, Camérini und Mitoraj in der Abwehr, Herbin und Jacquet im Mittlefeld und Revelli und Keita im Sturm konnte Trainer Batteux die Meisterschaften 1966/67, 1967/68, 1968/69 und 1969/70 gewinnen, viermal hintereinander. Zweimal wurde das Double geschafft (1968 und 1970) und 1970/71 die Vizemeisterschaft erreicht. Nach Batteux übernahm Herbin 1972 den Trainerposten und wieder begann eine erfolgreiche Ära. Mit Bathenay, Janvion, Larios, Larqué, Lopez, Repellini, Hervé und Patrick Revelli wurden Les Stéphanois Meister 1973/74, 1974/75 und 1975/76. Stéphanois werden die Bewohner St. Étiennes genannt, weil Étienne auf lateinisch Stephanus heißt und die Stadt als Sancti Stephani de Furanum gegründet wurde. Nach der Glanzsaison von 1975/76, wo Les Verts bis ins Europapokalendspiel vordrangen, konnte 1980/81 mit den Nationalspielern Battiston, Genghini und Platini ein letztes Mal die Meisterschaft gewonnen werden. Trainer war weiterhin Herbin, der Le Sphinx genannt wurde, weil er die Spiele seiner Mannschaft regungslos und ohne eine Miene zu verziehen verfolgte. Danach versank der Verein durch Finanzskandale ins Mittelmaß und geriet sogar wieder in die Zweitklassigkeit.

I Gemelli del Gol/Die Zwillinge des Tores

Francesco Graziani (*1952), Paolo Pulici (*1950)

Associazione Calcio Torino

←I Granata, Derby della Mole, Il Toro, Il Grande Torino

1973 kam der 20-jährige Ciccio Graziani zum AC Turin, wo sich der 23-jährige Pulici bereits einen Name gemacht hatte. Ihn nannten seine Anhänger Puliciclone, weil er wie ein Wirbelsturm durch die Reihen der Gegner fegte. Schon in ihrer ersten gemeinsamen Saison erzielten Pulici und Graziani zusammen 20 der 27 Tore Turins. Die zwei Stürmer verstanden sich blind, sie wussten intuitiv wo sich der andere Zwilling befand und wo er im nächsten Augenblick stehen würde. Eine Saison später waren es schon 30 gemeinsam erzielte Tore. Doch die Fußball-Zwillinge steigerten sich abermals und mit 40 Toren gewannen sie mit Turin die Meisterschaft 1975/76. Mit Graziani und Pulici im Sturm erreichte Turin noch eine Vizemeisterschaft und einen respektablen dritten Platz. Als 1981 Graziani zum AC Florenz wechselte, erhielt er den argentinischen Weltmeister Daniel Bertoni als Sturmpartner, aber eben nur als Sturmpartner, nicht als Zwilling.

Giaguaro/Jaguar

Luciano Castellini (*1945)

Jaguar war der Spitzname, den der Torhüter des AC Turin Luciano Castellini erhielt. 1975/76 wurde er, der besonders durch seine Sprungkraft beeindruckte, mit dem AC Turin italienischer Meister. Für die Nationalmannschaft stand er nur 1977 45 Minuten lang zwischen den Pfosten, an Dino Zoff kam damals keiner vorbei. Dafür war Il Giaguaro im San Paolo Stadion von Neapel, wo er von 1978 bis 1985 spielte, fast unüberwindbar. Zwischen Februar 1983 und Januar 1984 behielt er in 12 Heimspielen in Folge die weiße Weste. Um den Jaguar nach 1188 ungeschlagenen Minuten zu erlegen, musste ein ganz Großer des Fußballs kommen: Michel Platini.

Die Nacht von Belgrad

EM 1976, Finale, 20. Juni 1976

ČSSR – Deutschland 7 : 5 n. E.

ČSSR

Viktor, Dobias, Ondrus, Pivarnik, Gögh, Panenka, Moder, Svehlik, Capkovic, Masny, Nehoda. (Jurkemik, Vesely).

Trainer: Jezek

Deutschland

Maier, Beckenbauer, Vogts, Dietz, Schwarzenbeck, Hoeneß, Bonhof, Beer, Hölzenbein, Wimmer, Dieter Müller

(Bongartz, Flohe).

Trainer: Schön

Das erste Elfmeterschießen während einer Weltmeisterschaft machten 1982 Deutschland und Frankreich unter sich aus (siehe Nacht von Sevilla). Das erste Elfmeterschießen in einer EM fand 1976 statt und wieder war Deutschland an der Premiere beteiligt. Es war am 20. Juni 1976 in Belgrad. Die DFB-Elf war der amtierende Welt- und Europameister. Von jenen Mannschaften aber waren wichtige Eckpfeiler nicht mehr da. Netzer und Breitner spielten in Spanien und wurden nicht nominiert, Gerd Müller stand für die Nationalmannschaft nicht mehr zur Verfügung und Höttges und Overath waren in die Jahre gekommen. Beckenbauer und Sepp Maier waren auch nicht mehr die jüngsten, waren aber unersetzlich und deshalb dabei. Der Prüfstein im Finale war die ČSSR, die in der Qualifikation England hinter sich gelassen hatte, im Viertelfinale die UdSSR bezwang und im Halbfinale den Vizeweltmeister Holland. Trotzdem war Deutschland klarer Favorit. Ein Favorit, der in der 8. Minute in Rückstand geriet und nach nicht einmal 30. Minuten Spielzeit sogar 0 : 2 hinten lag. Beide Mannschaften spielten mit offenem Visier und dies eröffnete Torchancen auf beiden Seiten. Mit ein wenig mehr Glück hätten die Tschechoslowaken auch auf 3 : 0 erhöhen können, so war es aber der Europa- und Weltmeister der vor der Halbzeit mit dem jungen Dieter Müller verkürzte und kurz vor der 90. Minute mit dem erfahrenen Hölzenbein ausglich und seine Siegeschance wahrte. Nach 120. Minuten stand weiterhin kein Sieger fest. Das erste Elfmeterschießen der Europameisterschaft sollte beginnen. Zum ersten Mal in der Geschichte des Fußballs zitterten und fieberten bei einem großen Turnier zwei Nationen vor dem Fernseher wegen einer Elfmeterlotterie. Mittlerweile ist jeder Fußballfan an dieses Spektakel gewöhnt, trotzdem empfindet man heute noch jede Ballpositionierung auf dem Elfmeterpunkt, jedes Anlauf der Schützen, jeden Schuss der Spieler als nervenaufreibend. Umso nervenaufreibender muss es für die deutschen und tschechoslowakischen Fußballfreunde gewesen sein, die dieses Prozedere noch nicht kannten. Die Tschechoslowaken durften beginnen. Masny traf souverän, er schoss in die rechte Ecke, während Maier in die linke Ecke sprang. Für Deutschland trat als erster Bonhoff an, auch er traf problemlos. Nehoda war der nächste Schütze, er schoss in Kopfhöhe in die Mitte, während Maier wieder in die linke Ecke sprang. 2 : 1. Flohe wählte die gleiche Ecke wie Bonhoff und wieder lag der Tormann bei seiner Vermutung falsch, 2 : 2. Bis jetzt hatten alle getroffen. Nun war Ondrus dran, sollte er die Nerven verlieren? Ondrus schoss flach in die rechte Ecke, Sepp Maier ahnte die Ecke und sprang in die richtige Richtung, aber der Schuss war gut platziert und überwand die deutsche Torwartlegende. 3 : 2. Bongartz legte sich den Ball zurecht und wollte anlaufen, doch der Schiedsrichter ließ ihn die Ballposition noch einmal korrigieren. Sollte das den jungen Spieler aus der Ruhe gebracht haben? Keineswegs, der 25-Jährige schoss unhaltbar in die obere rechte Ecke, Victor flog in die linke Ecke. 3 : 3. Nun war Jurkemik am Zug. Er täuschte einen Schuss in die linke Ecke an und schoss in die rechte Hälfte des Tores, keine Chance für Maier, er fiel auf die Täuschung herein. 4 : 3. Uli Hoeneß war nun dran. Mit einem wuchtigen Schuss schoss er den Ball – in den Belgrader Nachthimmel. Verständlich, dass er sich die Haare raufte. Denn jetzt konnte der Tscheche Panenka alles klar machen. Panenka war ein technisch begnadeter Spieler mit Spielübersicht, der deshalb Mann mit dem Radarauge genannt wurde. Er lief an und ließ es nicht krachen, nein, er zog es vor den Ball mit einem Heber ins Tor zu befördern, während Sepp Maier, der schon in die linke Ecke flog, machtlos dem Kunstschuss zusehen musste. Die ČSSR, Vizeweltmeister 1934 und 1962, hatte 1976 endlich ihren ersten Titel gewonnen. Ein Titel, der nicht durch den Sieg über den damals amtierenden Vize- und Weltmeister in Erinnerung bleibt, sondern aufgrund Panenkas Nervenstärke, Kaltschnäuzigkeit und technische Brillanz. Deutschland verlor in der Nacht von Belgrad den EM-Titel und das Elfmeterschießen, aber seit dieser Nacht haben sie kein einziges Elfmeterschießen mehr verloren. Sechsmal traten sie bei Europa- oder Weltmeisterschaften noch bei Elfmeterschießen an (WM 1982 gegen Frankreich, WM 1986 gegen Mexiko, WM

1990 und EM 1996 gegen England, WM 2006 gegen Argentinien und EM 2016 gegen Italien) und jedes Mal wurde gewonnen

The Reds/Die Roten

Liverpool Football Club

→North West Derby

←The Team of the Macs, Merseyside-Derby

Am 16. Mai 2001 lieferten sich FC Liverpool und Deportivo Alavés ein spektakuläres Uefa-Cup-Finale im Dortmunder Westfalenstadion. Schon in der ersten Halbzeit fielen vier Tore. 1 : 0 und 2 : 0 für Liverpool, dann verkürzte Alaves auf 2 : 1. Ein Elfmeter kurz vor Halbzeitpfiff verwandelte McAllister zum 3 : 1 für Liverpool. Nur sechs Minuten nach Beginn der zweiten Halbzeit stand es jedoch 3 : 3. Als in der 73. Minute Liverpool wieder in Führung ging, war das Spiel immer noch nicht entschieden, denn zwei Minuten vor Abpfiff erhielt Alaves eine Ecke und das dritte Kopfballtor der Spanier in diesem Spiel bedeutete Verlängerung. Hier sorgte Alaves für klare Verhältnisse – gegen sich, mit zwei Platzverweisen und einem Eigentor der Spanier als Golden Goal gewannen

Westerveld, Henchoz, Babbel, Hyppia, Carragher, Murphy, Hamann, Gerrard, McAllister, Heskey und Owen

mit 5 : 4 ür Liverpool den Uefa-Pokal. Am Wochenende hatten die Engländer bereits den FA-Cup gewonnen und retteten mit diesen Trophäen die Saison, die in der Meisterschaft enttäuschend verlaufen war. Vier Jahre später, 2005, schrieb Liverpool wieder in einem Endspiel Fußballgeschichte. Im Champions-League-Finale trat Liverpool gegen den italienischen Meister AC Mailand an. Mailand bot in der ersten Halbzeit Traumfußball, die Spieler kombinierten flüssig und präzise und trafen dreimal. Das Spiel schien gelaufen, zu überlegen spielten

Dida, Cafu, Stam, Nesta, Maldini, Gattuso, Pirlo, Seedorf, Kakà, Crespo und Schewtschenko.

Doch wie vom eigenen Spiel berauscht und benommen wirkte der AC Mailand in den Anfangsminuten der zweiten Halbzeit. Liverpool nutzte dies und traf innerhalb von sechs Minuten dreimal. Erst jetzt wachte der AC Mailand wieder auf und drückte Liverpool in die Defensive. Aber das Ergebnis änderte sich nicht mehr, Liverpool gewann danach das Elfmeterschießen 3 : 2 und rettete erneut mit diesem Triumph eine in der englischen Meisterschaft enttäuschende Saison.

So spektakulär und erinnerungswürdig diese zwei Endspiele auch waren, dass der Spitzname The Reds zum Synonym für den FC Liverpool wurde, war einer weitaus glorreicheren Zeit zu verdanken. Diese Ära hatte in den fernen 60er Jahren seinen Ursprung, mit der Verpflichtung von Bill Shankly als Trainer. Shankly übernahm mit Liverpool im Dezember 1959 einen Verein dessen letzter Meisterschaftstriumph in die Saison 1946/47 zurückreichte, als die Spieler Sidlow, Paisley, Lambert, Taylor, Jones, Hughes, Fagan, Liddell, Stubbins, Balmer, Ramsden, Done und Nieuwenhuys im Kader der Reds spielten und Liverpool den fünften Titel bescherten. Der Verein, der 1896 vier Jahre nach seiner Gründung zum ersten Mal in rot auflief, trat seit 1954 in der zweiten Liga an und hatte, man glaubt es kaum, den FA-Cup noch nie gewonnen. Doch Shanklys Ehrgeiz, Visionen und sein Auge für gute Spieler brachte an der Anfield Road, dem Sitz der Reds, den nötigen Aufschwung. Jährlich wurden junge talentierte Spieler verpflichtet und diese Verpflichtungen erwiesen sich alle als Volltreffer. Alf Arrowsmith, Kevin Lewis, Gordon Milne, Ian St John, Willie Stevenson, Peter Thompson und Ron Yeats waren maßgeblich am Ligaaufstieg von 1962 beteiligt, wie auch Weltmeister Roger Hunt, der einige Monaten vor Shankly zu den Reds gestoßen war und unter Shankly zum gefürchteten Stürmer wurde. 1963 wurden Chris Lawler, der aufgrund seiner Bescheidenheit The Silent Knight genannt wurde, und Tommy Smith verpflichtet. Sie bildeten ein Abwehrpaar, das bald schon zu den besten und härtesten Englands gehören sollte. Von 1963 bis 1966 setzte Shankly vor allem auf die Spieler

Lawrence im Tor, die Abwehrspieler Lawler, Byrne, Moran, Smith und Yeats, auf die Mittelfeldspieler Thompson, Milne, Stevenson, St John und die Stürmer Callaghan und Hunt

und gewann 1963/64 mit vier Punkten Vorsprung auf Bobby Charlton, Foulkes und Law von Manchester United die Meisterschaft, was auch zwei Jahre später wiederholt werden konnte, in dem Liverpool mit sechs Punkten Vorsprung auf Bremner, Jack Charlton und Hunter von Leeds United die Saison beendete. Dazwischen gewannen die Reds endlich den FA-Cup, mit einem 2 : 1 Sieg in der Verlängerung gegen Leeds United. Doch weder diese nationale Erfolge noch die kontinentalen Achtungserfolge, die Liverpool 1963/64 mit dem Erreichen des Halbfinales im Landesmeisterpokal und 1965/66 mit dem Einzug in das dann verlorene Finale gegen Dortmund im Europapokal der Pokalsieger, bedeuteten das Ende der Erfolgsserie für Liverpool. Liverpools große Zeit stand noch bevor. Keine andere Mannschaft prägte die 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts wie sie. Nach den guten Platzierungen in den Spieljahren 1967/68, 1968/69 und 1971/72 begann die unaufhaltsame Siegesserie für Liverpool 1972/73. Mit der in einigen Positionen verjüngten Mannschaft um

Clemence, Lawler, Smith, Lloyd, Lindsay, Hughes, Cormack, Callaghan, Keegan, Toshack und Heighway,

wurde die Meisterschaft gewonnen und zudem mit dem Uefa-Cup der erste Europapokal der Vereinsgeschichte nach Liverpool geholt. Das 3 : 0 im Finalhinspiel gegen Mönchengladbach wäre aber fast im Rückspiel verspielt worden, am Ende retteten sich die Reds mit einer 0 : 2 Niederlage. Die nächste Saison endete mit dem Gewinn des FA-Pokals, begann aber mit dem frühen Ausscheiden Liverpools im Europapokal der Landesmeister gegen Roter Stern Belgrad. Shankly trat überraschend aus gesundheitlichen Gründen zurück. Sein Nachfolger wurde sein Assistent Bob Paisley, der ein schweres Erbe antrat, doch die richtige Wahl war, auch wenn er in seiner ersten Saison mit

Clemence, Smith, Hughes, Lindsay, Phil Thompson, Cormack, Keegan, Hall, Heighway, Callaghan und Toshack

nur Vizemeister hinter Derby County wurde. Shankly und Paisley waren sich nach der Niederlage gegen Roter Stern Belgrad einig, dass sich Liverpool taktisch verändern musste, um in Europa bestehen zu können. Das typische englische Kick and Rush konnte in den europäischen Wettbewerben nicht mehr bestehen. So wurde nun darauf Wert gelegt, dass sich die Außenverteidiger an den Angriffen über die Flügel beteiligten, die Innenverteidiger fähig waren, eine Aktion einzuleiten, und das Mittelfeld kombinierend auch den Weg durch die Mitte suchen musste. Die zwei Stürmer spielten nicht mehr in einer Linie, einer von ihnen wurde eine hängende Spitze.

Paisley wusste, dass er einen schlafenden Riesen unter seiner Führung hatte und verstärkte die Mannschaft für die neue Saison nur mit dem Einkauf des Abwehrspielers Joey Jones, wusste er doch dank Liverpools Jugendarbeit und seiner Talentspäher weitere junge Spieler, wie Neal, Ray Kennedy, McDermott und Case sowie Fairclough in den Startlöchern. Ihnen wurde die neue Taktik, das Pass and Move, eingeimpft. So benötigte Paisley für die nächsten Jahre immer nur eine kleine Anzahl neuer Spieler pro Saison, um die Mannschaft, die sich blind verstand, langfristig zu verstärken und auf hohem Niveau zu halten. 1977 kam Alan Hansen und der konditionsstarke Mittelfeldspieler Sammy Lee. Keegans Abgang nach Hamburg wurde mit dem schottischen Neuzugang Dalglish kompensiert. 1978 kamen Alan Kennedy und der Schotte Graeme Souness, 1980 der Waliser Ian Rush, 1981 der Engländer Mark Lawrenson, der Schotte Steve Nicol, der Ire Ronnie Whelan, Bruce Grobbelaar aus Zimbabwe und der Australier Craig Johnston. Sie alle wurden schnell ins System eingefügt und waren an der neun Jahre andauernden Erfolgswelle der Reds beteiligt. Von 1975/76 bis 1983/84 gewann Liverpool mindestens einen wichtigen Titel. Englischer Meister wurden sie 1975/76, 1976/77, 1978/79, 1979/80,1981/82, 1982/83 und 1983/84, zusätzlich gewannen sie 1975/76 den Uefa-Cup und 1976/77, 1977/78, 1980/81 und 1983/84 den Europapokal der Landesmeister. Benfica, Brügge, Dynamo Dresden und Mönchengladbach spielten zwischen 1972 und 1985 dreimal gegen Liverpool und ihre Revanchen missglückten jedesmal.

Das letzte Endspiel ging nicht durch Liverpools Niederlage in die Geschichte ein, sondern durch die Ausschreitungen der englischen Hooligans am 29. Mai 1985 in der Katastrophe von Heysel in Brüssel, die dazu führte, dass es unter den Zuschauern Tote zu beklagen gab und Liverpool anschließend mit allen anderen englischen Klubs, die in der Vergangenheit immer wieder auffällig geworden waren, einige Jahre aus den Europapokalen ausgeschlossen wurde. So wurde Liverpools europäischer Siegeszug abrupt beendet. Trainer Fagan, der das Traineramt 1983 übernommen hatte und wie Paisley ein ehemaliger Spieler Liverpools war, trat zurück. Dalglish übernahm als Spielertrainer die Betreuung der Mannschaft. Den kontinentalen Vergleichen beraubt, konnte Liverpool seine Stärke nur in der englischen Liga zeigen. 1985/86 wurden die Meisterschaft und der FA-Pokal gewonnen. 1987 wurde die Mannschaft mit Aldridge, Barnes, Beardsley und Houghton verstärkt und wieder die Meisterschaft gewonnen. Mit Barnes, Beardsley, Gillespie, Grobbelaar, Hansen, Houghton, Hysen, McMahon, Mölby, Nicol, Rush, Staunton, Venison und Whelan holten die Reds auch 1989/90 die Meisterschaft. Es schien, als hätte sich nichts geändert, Liverpool gab weiterhin den Ton in England an. Als 1990 Englands Fußballvereine wieder an den Europapokalen teilnehmen durften (nur Liverpool musste ein Jahr länger warten) und Manchester United auf Anhieb den Pokal der Pokalsieger gewann, mutmaßte die Fachwelt, dass die Reds in Europa sicher ein Wörtchen mitreden könnten, trotz der langen Abstinenz. Doch kamen sie im Uefa-Cup und im Europapokal der Pokalsieger von 1991 bis 2000 nicht mehr über das Halbfinale hinaus. Liverpool war in Europa nicht mehr Herr im Hause und auch in England drehte sich der Wind. Waren The Reds1990 mit 17 Meister-Titeln der Konkurrenz weit enteilt (Everton und Arsenal standen 1990 bei neun Meisterschaften), waren ab 1990 Arsenal, Mancherster United, Blackburn Rovers und Newcastle United plötzlich die Vereine, die um den ersten Tabellenplatz kämpften. 1991 beerbte Graeme Souness, der bei Glasgow Rangers zu einem erfolgreichen Trainer geworden war, Dalglish. Doch Verletzungspech und falsche Einkaufspolitik ließen den FC Liverpool ins Mittelmaß abrutschen. Trotz mehrerer Trainerwechsel und vielversprechender Spieler wie Fowler, Gerrard, Ince, McManaman, Owen, Redknapp und Torres rennen die Reds seit dieser Zeit der englischen Meisterschaft vergeblich hinterher und die europäischen Erfolge blieben Eintagsfliegen. Die Quittung dieser langjährigen Misere: seit 2011 sind sie nicht mehr englischer Rekordmeister und ein neuer Bill Shankly wird verzweifelt gesucht. Haben sie ihn in Jürgen Klopp gefunden?

Mighty Mouse/Mächtige Maus

Kevin Joseph Keegan (*1951)

Mit dem Gewinn des DFB-Pokals und der Vizemeisterschaft 1975/76 gelang dem HSV, der seit 1972 ohne Uwe Seeler spielte, als Zweitplatziertem die beste Saison seit Bundesligagründung 1963/64. Der sportliche Erfolg war Trainer Klötzer zu verdanken, der bei Anhängern und Spielern sehr beliebt war. Doch auch Vereinspräsident Dr. Krohn hatte durch seine Weichenstellungen im Verein seine Verdienste. Der ehrgeizige Verleger ließ für die neue Saison erneut investieren und holte für 1,4 Millionen DM neue Spieler, darunter den 23-jährigen Felix Magath.

Die Meisterschale blieb in Hamburg ein Wunschtraum, die Saison 1976/77 beendete der HSV als 6. Zwar gewannen die Rothosen den Europapokal der Pokalsieger, doch für Präsident Dr. Krohn war dies zu wenig, er wollte mehr und hatte für die neue Saison bereits einen neuen Trainer engagiert. Trainer Klötzer sollte von Rudi Gutendorf ersetzt werden und zusätzlich ein Weltklassespieler verpflichtet werden. Den fand Dr. Krohn in England: Kevin Keegan. Kevin Keegan war 1977 Englands bester, bekanntester und beliebtester Fußballer, Kapitän der Nationalmannschaft und torgefährlicher Flügelstürmer vom FC Liverpool. Mit den Reds hatte er zwischen 1973 bis 1977 alles gewonnen, drei Meisterschaften, zwei Uefa-Pokale, einen FA-Pokal und einen Europapokal der Landesmeister. In sechs Endspielen traf er viermal und so suchte er nach neuen Herausforderungen und landete, natürlich auch des Geldes wegen, 1977 in Hamburg. Er wurde zum bestbezahlten Fußballer in Europa, zum ersten richtigen ausländischen Superstar der Bundesliga und zum Idol all derer, die ins Volksparkstadion pilgerten.

Berti Vogts, Borussia Mönchengladbach, verursacht einen Elfmeter gegen Liverpool’s Kevin Keegan.

In seiner ersten Saison mit den Hanseaten 1977/78 hatte der Engländer, wie auch der Rest der Mannschaft unter Trainer Gutendorf, nicht sonderlich überzeugt. Nur als 10. platzierten sich die Hamburger, Trainer Gutendorf musste frühzeitig seinen Hut nehmen und auch Dr. Krohns Zeit war abgelaufen, die Jahreshauptversammlung des Vereins wählte ihn ab, es kam Paul Benthien, der Günther Netzer als Manager engagierte. Netzer holte den erfahrenen Branko Zebec (Meistertrainer der Bayern 1968/69) zu den Rothosen und so startete man mit

Kargus, Kaltz, Reimann, Hartwig, Hidien, Memering, Keegan, Nogly, Magath, Buljan, Hrubesch, Bertl und Wehmeyer

in die Saison 1978/79. Keegan zeigte nun sein ganzes Potenzial. Quirlig, schnell, elegant, ballsicher und in Spiellaune wirbelte der 1,68m kleine, aber kompakte Spieler, der sich den Spitznamen Mighty Mouse verdiente, über Deutschlands Spielfelder. Mit seiner Spielfreude traf er 17-mal und ließ treffen. Die Rothosen hatten am Ende den besten Sturm der Liga und die beste Abwehr. Am vorletzten Spieltag stand der HSV als Meister fest, endlich, nach 19 Jahren. Mighty Mouse war so überragend, dass er 1978 und 1979 zum Fußballer Europas gewählt wurde. 1979/80 wurden die in Hamburg gesteckten Ziele nur knapp verpasst. In der Bundesliga wurde man hinter Bayern München Vizemeister. Im Europapokal der Landesmeister erreichte der Dino der Liga das Endspiel gegen Titelverteidiger Nottingham. Der HSV war spielbestimmend, Mighty Mouse der aktivste Spieler auf den Platz, doch Nottingham gewann mit 1 : 0. Keegan war schon vor dem Spiel fest entschlossen, neue Ufer anzusteuern, zu stark waren seine Differenzen mit Trainer Zebec geworden. Doch Keegan verließ nicht wie eine Ratte das sinkende Schiff, mit ihm war der Hamburger SV wieder eine Spitzenmannschaft geworden. Mighty Mouse heuerte zur Überraschung aller beim FC Southampton an. Mit seinen Toren verhalf Keegan dem kleinen Verein zwei Saisons lang, sich für den Uefa-Pokal zu qualifizieren. Danach schoss er zwei Jahre lang (1982 bis 1984) bei Newcastle United 48 Tore in der 2. Division. In den 90ern konnte Mighty Mouse als Trainer von Newcastle United und den Three Lions ein paar Achtungserfolge erreichen, aber als Trainer erreichte er nicht den Status, den er als Spieler eingenommen hatte.

Anfield Iron

Thomas (Tommy) Smith (*1945)

18 Jahre lang spielte Smith für den FC Liverpool an der Anfield Road. Zweikampfstark, hart im Nehmen und im Geben war Anfield Iron der Schrecken seiner Gegner, die aber auch einräumen mussten, dass er fair spielte. Ein Fels in der Abwehr, der keinem Kampf aus dem Weg ging, auch nicht wenn es um seinen Stammplatz ging, der ihm durch die jüngeren Spieler wie Phil Neal oder Phil Thompson streitig gemacht wurde. Für die Nationalmannschaft durfte der gebürtige Liverpooler nur einmal auflaufen, dafür spielte er 638-mal für Liverpool und gewann viermal die Meisterschaft (1965/66,1972/73, 1975/76 und 1976/77), zweimal den FA-Pokal (1964/65 und 1973/74), einmal den Europapokal der Landesmeister (1976/77) und zweimal den Uefa-Pokal (1972/73 und 1975/76).

King Kenny

Kenneth (Kenny) Dalglish (*1951)

1977 wurde Kenny Dalglish vom FC Liverpool verpflichtet, um Kevin Keegan zu ersetzen. 2,3 Millionen DM kassierte Liverpool vom Hamburger SV – 1,8 Millionen DM überwiesen die Engländer an Celtic Glasgow, um sich die Dienste des Schotten zu sichern. Dalglish trat ein schweres Erbe an, aber er übertraf alle Erwartungen. Für viele gilt er als bester Spieler, der jemals das rote Trikot des FC Liverpool überstreifen durfte. Er war kaltschnäuzig und nervenstark vor dem Tor, flink und dribbelstark. Als hängende Spitze startete er meist vom Mittelfeld aus, kombinierte mit seinen Mitspielern und drang in den Sechzehner des Gegners ein, um die Aktion mit einem Torschuss erfolgreich abzuschließen. Doch auch seine Sololäufe über die Hälfte des Spielfeldes waren berüchtigt. So schoss er 172 Tore und verhalf Liverpool zu sechs Meisterschaften und drei Europapokalen. In Liverpool war er King Kenny oder einfach The King. Auch als Trainer konnte er Erfolge feiern und machte seinem Spitznamen alle Ehre.

Charlie Champagne

Graeme Souness (*1953)

Der ruhmreiche FC Liverpool, im Mai 1981 zum dritten Male Europapokalsieger der Landesmeister geworden, befand sich im Dezember des gleichen Jahres nur auf den 12. Platz der englischen Liga. Um eine Trendwende herbeizuführen entschied sich Erfolgstrainer Paisley, dem Abwehrspieler Phil Thompson die Kapitänsbinde zu entziehen und sie dem Mittelfeldspieler Graeme Souness anzuvertrauen. Mit Souness als Kapitän, der im Januar 1978 zu den Reds gekommen war, eroberte Liverpool schnell die Tabellenspitze und hielt diesen Platz auch 1982/83 und 1983/84. Der Schotte Souness hatte Charisma, Kämpferherz, Selbstvertrauen, war kühn und verwegen und verfügte trotzdem über die Beine eines Virtuosen. Genug Stoff, um ihm einen Spitznamen zu verleihen, den er mit Stolz tragen konnte. Souness behielt den Spitznamen, den er sich bereits in seiner Zeit bei Tottenham und Middlesbrough (1968 - 1978) erworben hatte, seine ganze Karriere hindurch. In jener Zeit war Souness für gebrochene Frauenherzen, strömenden Champagner und ausschweifendes Nachtleben bekannt. Er war ein Casanova, ein Don Juan, in England ein Charlie Champagne. Auf dem Rasen war er aber der unermüdliche Antreiber, filigrane Ballverteiler und war im Besitz eines gefährlichen Weitschusses. Nach fünf Meistertiteln und drei Europapokalen der Landesmeister verließ Souness 1984 Liverpool Richtung Genua, wo Sampdoria einen gleichwertigen Ersatz für den Iren Liam Brady suchte. Mit Sampdoria gewann Souness mit 32 Jahren 1984/85 seinen ersten Verbandspokal und erreichte mit

Bordon, Mannini, Galia, Pari, Vierchowod, Renica, Scanziani, Francis, Mancini und Vialli

den 4. Platz in der Serie A, hinter Hellas, Turin und Inter Mailand. Nach einer weiteren Saison ohne Höhepunkt wechselte Souness als Spieltertrainer zu den Rangers und leitete eine nie dagewesene Dominanz in Schottland ein (siehe The Teddy Bears).

Als im Januar 1991 überraschend der Trainerposten in Liverpool frei wurde (Dalglish trat zurück), konnte Souness dem Ruf seines Herzens nicht widerstehen. Der FA-Cup-Sieg 1991/92 blieb die einzige wichtige Trophäe, die er mit seinen Reds als Trainer gewann. Danach trainierte er mehrere Vereine in mehreren Ländern ohne den Durchbruch zum angesehenen Fußball-Lehrer zu schaffen.

North West Derby

Manchester United – FC Liverpool

→Theatre of Dreams

←The Busby Babes, The United Trinity, The Red Devils, Roses Rivalry, The Team of the Macs, The Merseyside Derby, The Reds

Im Nordwesten Englands liegen die Städte Liverpool und Manchester. Hier haben die zwei erfolgreichsten Vereine Englands ihren Sitz. Nicht nur national, sondern auch in Europa haben seit über 30 Jahren der FC Liverpool und Manchester United Englands Führungsplätze inne. Für viele Fans ist das das wichtigste Spiel der Saison, wichtiger als die Derbys gegen den jeweiligen Stadtkonkurrenten. Dominierten in den 50ern und 60ern die Roten aus Manchester, so waren die 70er und 80er die Jahre der Reds aus Liverpool. Seit den 90ern hat wieder Manchester United die Oberhand in der englischen Liga. Es sind aber nicht nur sportliche Gründe, die die Rivalität entfacht haben, sondern auch wirtschaftliche, die beide Städte trennen. Seit Manchester Ende des 19. Jahrhunderts durch einen Kanal Zugang zum Meer erhielt, konkurrieren beide Häfen miteinander.

… 1963/64, Liverpools Weg zur Meisterschaft, die seit 17 Jahren ausgeblieben war, war auch nicht von Manchester United aufzuhalten. Trotz Best, Charlton, Law und Stiles wurde Manchester mit einem 3 : 0 abgefertigt. Einmal Callaghan und zweimal Arrowsmith hießen die Schützen an der Anfield Road. Manchesters kleine Hoffnung auf die erste Meisterschaft nach der Flugzeugkatastrophe der Busby Babes wurden somit vier Spieltage vor Saisonende endgültig ein Ende gesetzt, da nun Liverpool fünf Punkte Vorsprung hatte und noch ein Spiel mehr zu bestreiten hatte.

… 1976/77 im FA-Cup Finale. Es fielen drei Tore in fünf Minuten. Wer machte zwei und wer nur eines? Nun, zuerst traf Manchester mit Pearson und dann glich Liverpool nach zwei Minuten durch Case aus. Das dritte Tor fiel drei Minuten nach dem zweiten Tor, erzielt von Greenhoff. Greenhoff spielte für Manchester und somit gewann United dieses legendäre Finale gegen Liverpool. Liverpool tröstete sich, denn die Reds hatten die englische Meisterschaft bereits gewonnen und vier Tage nach dieser Niederlage wurde Mönchengladbach im Finale des Europapokals der Landesmeister geschlagen.

… 1984/85 und in den Ligaspielen wartete Liverpool seit April 1982 auf einen Sieg gegen Manchester. Nun trafen sich Liverpool und Manchester im FA-Cup-Halbfinale. Konnten die Reds ihre Negativserie wenigstens hier beenden? Es sah nicht so aus, denn Manchester ging 1 : 0 in Führung. Doch als Manchester sich schon als sicherer Sieger fühlte, glich Liverpool noch kurz vor Spielende aus. In der Verlängerung legte Manchester wieder vor, doch Liverpool zeigte sich unbeeindruckt und traf zum 2 : 2, daher gab es vier Tage später ein Entscheidungsspiel in Manchester. Hier ging Liverpool in Führung durch ein Eigentor von McGrath. In der zweiten Halbzeit schlugen Bryan Robson (Robbo) und Mark Hughes (Sparky) durch zwei Konter im eigenen Stadion und bei Rückstand zu. Manchester gewann 2 : 1, verlängerte seine positive Serie gegen Liverpool und sicherte sich im Endspiel auch den Pokal.

… 1995/96 und das North West Derby war das FA-Cup-Finale. Manchester der frischgebackene Meister und Liverpool der Dritte der Meisterschaft. Als alles nach Verlängerung aussah, erhielt Manchester eine Ecke. Tormann James verschätzte sich beim Herauslaufen und, anstatt den Ball zu fassen, ließ der zu weit heraus gelaufene Torhüter den Ball nur abklatschen. Der Ball kam zu Cantona, der frei an der Strafraumgrenze stand und von dort mit großer Präzision den Ball ins Tor beförderte, während Tormann James in der Nähe des Elfmeterpunktes auf den Boden lag. Manchester United gewann 1 : 0 und gleichzeitig das Double.

… 2006/07 und Tabellenführer Manchester musste am 29. Spieltag nach Liverpool. Die Reds hatten noch kein Heimspiel verloren und nicht nur sie hofften auf einen Sieg gegen den Erzfeind Manchester. Titelverteidiger und Tabellenzweiter Chelsea, mit sechs Punkten Abstand auf Manchester, sah in der Niederlage der Red Devils die Chance, den Abstand deutlich zu verringern. Liverpool gab von Anfang an den Ton an, schaffte es aber nicht, Torwart van der Sar zu überwinden. Auch den Red Devils gelang kein Treffer mehr. Fünf Minuten vor Ende wurde Scholes vom Platz verwiesen, Liverpools Chancen auf den Heimsieg stiegen. Doch es war Manchester, das in der Nachspielzeit traf. Ein Tor in Unterzahl, ein Sieg im North West Derby und ein großer Schritt in Richtung Meisterschaft.

… 2008/09 und Manchester empfing wieder als Tabellenführer Liverpool und wieder am 29. Spieltag. Zehn Punkte trennten die zwei Mannschaften. Manchester ging 1 : 0 in Führung, aber die Reds drehten das Spiel. Vor dem Seitenwechsel stand es schon 2 : 1 für die Gastmannschaft. In der 77. Minute, eine Minute nach dem Platzverweis von Manchesters Vidic, erhöhte Liverpool mit einem direkt verwandelten Freistoß auf 3 : 1, was gleichzeitig der Todesstoß für Manchester war. Am Ende wurde 4 : 1 gewonnen. Manchester verlor auch das nächste Spiel und Liverpool war plötzlich mit nur vier Punkten Rückstand Manchesters Hauptkonkurrent um den Titel. Der Abstand änderte sich aber nicht mehr, Manchester gewann einmal mehr die Meisterschaft, Liverpool blieb der Trost, die beste Saison seit Jahren gespielt zu haben und beide North West Derbys gewonnen zu haben.

Rojiblanco

Athletic Bilbao

→Euskal Derbia

←Los Leones

Zweimal erreichte Athletic Bilbao das Endspiel des Uefa-Pokals/ Europa League. 1976/77 und 2011/12. Die Finalgegner waren Juventus beim ersten Finale und Atlético Madrid beim zweiten. Was Juventus und Bilbao vereint, sind die ähnlichen Umstände, wie sie zu ihren heutigen Vereinsfarben kamen, nämlich durch Zufall. Wie Juventus 1903 die Vereinstriktos in England erwarb (siehe Bianconeri), so tat dies Bilbao 1910. Vereinsmitglied Juan Elorduy sollte für Bilbao 50 blau-weiße Trikots kaufen, wie jene von den Blackburn Rovers. Doch zu seinem Unglück musste er feststellen, dass in England niemand diese Anzahl Trikots vorrätig hatte. So entschloss er sich am Ende seiner Reise in Southampton 50 rot-weiß gestreifte Trikots zu erwerben. So trägt Bilbao mehr zufällig die Trikotfarben des FC Southampton, wie Juventus durch Zufall die Farben von Notts County.

Zurück zu den Endspielen: Das Hinspiel in Turin ging 1 : 0 für die Bianconeri aus, das Rückspiel 2 : 1 für die Rojiblancos und somit wurde Juventus in La Catedral der Uefa-Pokal überreicht. Das besondere an diesem Finale war, dass bei Juventus nur Italiener im Kader standen:

Zoff, Scirea, Cuccureddu, Morini, Gentile, Causio, Tardelli, Furino, Benetti, Boninsegna und Bettega

und bei Athletic Bilbao nur Basken:

Iribar, Alexanko, Lasa, Guisasola, Escalza, Villar, Churruca, Irureta, Amorrortu, Dani R. und Rojo

Heute ist dies kaum mehr vorstellbar. Bilbaos zweites Finale ging auch verloren, ausgerechnet gegen Atlético Madrid, die ehemalige Filiale von Athletic Bilbao, die 1910 einen Teil der 50 rot-weißen Trikots erhalten hatte, die Juan Elorduy aus England mitgebracht hatte.

Time do Povo, A Alegria do Povo/ Mannschaft des Volkes, Freude des Volkes

Sport Club Corinthians Paulista

→Democracia Corinthiana

←Mosqueteiro, Timao

Zé Maria, Nationalspieler Corinthians, stand in der 80. Spielminute bereit, einen Freistoß auszuführen. Von der rechten Seitenlinie sah er wie im Strafraum Ponte Pretas, der gegnerischen Mannschaft, jeder Spieler seine angedachte Position eingenommen hatte und auf seine Hereingabe wartete. Es war das dritte und entscheidende Endspiel um die Meisterschaft Sao Paulos 1977. Beide Mannschaften hatten jeweils ein Endspiel gewonnen und würde es beim 0 : 0 bleiben, müsste man in die Verlängerung gehen. Der Schiedsrichter pfiff, Zé Maria flankte, Mitspieler Basílio verlängerte das Zuspiel mit einem Kopfball in den Fünf-Meter-Raum, exakt in den Lauf Vaguinhos, der von hinten genau zwischen zwei Abwehrspieler von Ponte Preta gestürmt war – ein perfekt einstudierter Spielzug. Vaguinho überraschte die zwei Abwehrspieler, sodass sein Fuß den Ball nur leicht berühren musste, um ihn in Richtung Tor zu lenken. Doch der Ball knallte gegen die Latte und flog auf den Rasen zurück, wo Vaguinhos Mannschaftskamerad Wladimir den Abpraller ohne durchschlagenden Erfolg in den Strafraum köpfte. Diese Szene erinnerte an die vergangenen 23 Jahre Erfolglosigkeit von Corinthians, obwohl man sich sehr oft nahe am Ziel gewähnt hatte. Bereits drei Jahre zuvor hatte ein Großteil der 1977 spielenden Spieler mit Corinthians die Endspiele um die Meisterschaft von Sao Paulo erreicht, verlor aber alle drei Spiele gegen den Erzrivalen Palmeiras.

1976 erreichte Corinthians Elf das Halbfinale um die Meisterschaft Brasiliens. Das Rückspiel dieses Semifinals gegen Fluminense ging als A invasao corintiana ao Maracana (Corinthianische Invasion des Maracana) ein, weil O Timao von 70 000 Schlachtenbummlern nach Rio begleitet wurden. Sie scheuten keine Strapazen, in unzähligen vollbesetzten Autos wurden 400 km bewältigt,

Reisebusse füllten kilometerlang die Autobahn, ja sogar Sonderflugzeuge mussten zum Einsatz kommen, um die 70 000 Fußballverrückten in Rio dabei sein zu lassen. Timao gewann das Spiel im Elfmeterschießen, doch das Endspiel gegen Internacional Porto Alegre ging eine Woche später verloren.

Nun 1977, der dritte Anlauf in wenigen Jahren. Diesmal gegen Ponte Preta, gegen die man in dieser Saison bereits zweimal verloren hatte. Und nun zurück zur 81. Minute des dritten Endspiels. Wladimirs Kopfball wurde, wie erwähnt, abgewehrt. Während 86 000 Zuschauer im Stadion schon ein weiteres siegloses Jahr befürchteten, denn wer seine Chancen nicht nutzt, wird meistens bestraft, gelangte der Ball zu Basílio. Der Corinthians-Spieler holte aus und schoss. Seit dieser 81. Minute wird Basílio auch Pè de Anjo, Engelsfuß genannt, denn sein Schuss saß. Pè de Anjo erlöste nicht nur die meisten der 86 000 Zuschauer im Stadion, sondern Millionen von Brasilianern, denn Corinthians Anhängerschaft ist die größte von Sao Paulo und in Brasilien wahrscheinlich nur wenig geringer als die von Flamengo aus Rio de Janeiro. Wie bei Flamengo kommt die Anhängerschaft Corinthians aus allen Klassen und Gruppen des Volkes und daher ist ein weiterer Spitzname Cortinhians O Time do Povo oder A Alegria do Povo. Mit der Meisterschaft von 1977 befreiten

Tobias, Zé Maria, Moises, Ademir G., Wladimir, Ruco, Luciano, Basilio, Vaguinho, Geraldao und Romeu

Corinthians von dem Druck, nicht wieder verlieren zu dürfen, und so ergaben sich die nächsten Titel wie von selbst. Schon sechs Jahre später war Corinthians Rekordmeister von Sao Paulo (siehe Democracia Corinthiana ), 1990 gewannen

Ronaldo Giovanelli, Marcelo, Guinei, Jacenir, Giba, Neto, Wilson Mano, Tupazinho, Marcio Bittencourt, Mauro und Fabinho

die erste brasilianische Meisterschaft für Corinthians (heute sind es bereits sieben). 2012 wurde mit den Spielern

Cássio, Chicao, Leandro Castán, Alessandro, Fábio Santos, Alex, Paulinho, Danilo, Ralf, Jorge Henrique und Emerson

die erste Copa Libertadores errungen und ein halbes Jahr später in fast gleicher Besetzung wurde Chelsea im Endspiel der Klub-WM geschlagen. Trotz dieser vielen und prestigeträchtigen Erfolge, an den Titel von 1977 erinnert man sich heute noch am liebsten, da er eine 23 Jahre währende Durststrecke beendete.

 

La Batalla de Belgrado/Die Schlacht von Belgrad

Qualifikation für WM 1978, 30. November 1977

Jugoslawien – Spanien 0 : 1

Jugoslawien

Katalinic, Hatunic, Boljat, Stojkovic, Trifunovic, Muzinic, Popivoda, Safet Susic, Surjak, Sead Susic, Kustudic.

(Halilhodzic, Vukotic).

Trainer: Valik

Spanien

Miguel Angel, Marcelino, Migueli, San José, Camacho, Leal, Pirri, Asensi, Cardenosa, Juanito, Cano. (Dani, Olmo).

Trainer: Kubala

Mit ihrem ersten Sieg am vorletzten Spieltag – einem 6 : 4 Sieg in Bukarest – keimte für die Jugoslawen die Hoffnung auf, bei der WM in Argentinien doch noch dabei sein zu können. Rumänien hingegen, das mit zwei Siegen in der Dreiergruppe gestartet war und mit dieser Niederlage in ihrem letzten Spiel die zweite Niederlage kassierte, hatte keine Chance mehr auf eine WM-Teilnahme. Der Dritte in Bunde war Spanien. Sie führten die Tabelle an, konnten aber in ihrem ausstehenden letzten Spiel gegen Jugoslawien durch eine Auswärtsniederlage mit zwei Toren Unterschied noch von diesen abgefangen werden. Es ging am 30. November 1977 also um viel und dementsprechend war die Anspannung bei beiden Mannschaften groß: Die Jugoslawen gaben ihre Mannschaftsaufstellung erst im letzten Moment der Frist bekannt. Kubala, der Trainer der Spanier, hingegen fürchtete, dass seinen Spielern vor dem Spiel im Hotel heimlich Drogen oder sonstige Mittel zur Schwächung ins Essen gemischt werden könnte und gebot seinem Trainer- und Ärztestab höchste Vorsicht. Der 29. November war der jugoslawische Nationalfeiertag und auch der 30. November sollte ein Feiertag werden, viele Beamten erhielten für diesen Tag frei, um die Nationalmannschaft im Stadion zu unterstützten. Das Belgrader Stadion konnte 100 000 Zuschauer fassen und so viele Zuschauer waren es auch, die die eigene Mannschaft anfeuern und den Konkurrenten einschüchtern sollten. Dass die Fensterscheiben der spanischen Umkleidekabinen mit Steinen beworfen wurden, kann als Randnotiz vermerkt werden, denn das, was es auf dem Spielfeld zu sehen geben sollte, übertraf jede zerbrochene Fensterscheibe: Das Spiel glich einer Schlacht.

Kaum hatten die Spanier Cano und Juanito ihr Anspiel ausgeführt, musste das Spiel schon unterbrochen werden. Dem ersten Foulversuch konnte Juanito ausweichen, trotzdem lag er ca. fünf Sekunden später am Boden. Nach einem harten Foul von Kustudic musste nach nur acht Minuten der spanische Kapitän und Libero Pirri verletzungsbedingt den Platz verlassen. Kustudic erwies sich als gefährlicher Stürmer der Jugoslawen, der kopfball- und kampfstark den spanischen Abwehrspielern Probleme bereitete. Einen seiner Kopfbälle konnte Olmo, der für Pirri eingewechselt wurde, noch gerade auf der Linie per Kopf aufhalten. Der Spielfluss hingegen wurde mehrmals durch harte Fouls und anschließende Rudelbildungen mit Tritten und sogar Faustschlägen unterbrochen. Fünf gelbe Karten (drei für Spanien, zwei für Jugoslawien) zeigte Schiedsrichter Burns während des Spiels. Wer das Spiel gesehen hat, weiß, dass mehrere rote Karten angemessen gewesen wären. In der 71. Minute konnte der pfeilschnelle Cardenosa nach einem Sprint den Ball, der ihm auf der linken Spielfeldseite zugespielt wurde, kurz vor dem Überschreiten der jugoslawischen Grundlinie mit einer Flanke auf die rechte Torraumseite spielen. Dort stand Cano und vollendete mit einem missglückten Volley zum 1 : 0. Die Qualifikation konnte den Spaniern nicht mehr genommen werden, dazu wären drei Tore der Jugoslawen nötig gewesen, und danach sah es nicht aus.

In der 77. Minute wurde Juanito ausgewechselt. Als er das Spielfeld verließ, streckte er seinen Arm nach oben zum Publikum und zeigte mit den Daumen nach unten. Sein Betreuer, der ihm die Trainingsjacke gab, versuchte die Provokation zu unterbinden und drückte Juanitos Arm wieder runter – zu spät. Bevor der Spieler die Bank erreichte, traf ihn eine aus dem Publikum geworfene Glasflasche am Kopf. Benommen fiel er zu Boden, glücklicherweise passierte ihm nicht mehr. Auf dem Spielfeld wurden weiterhin Nettigkeiten ausgetauscht, das Ergebnis blieb jedoch beim 1 : 0 für Spanien. La batalla de Belgrado gewannen die Spanier und erhielten dafür nach 12 Jahren WM-Abstinenz das Ticket zur WM nach Argentinien.

Azul e Branco/Die Blau-Weißen

Futebol Clube do Porto

→Dragoes

Die Farben der portugiesischen Fahne sind bekanntlich grün und rot und es ist kein Zufall, dass diese zwei Farben bei den zwei großen Vereinen der Hauptstadt zu finden sind. Sporting trägt grün und Benfica rot. Die Farben der Fahne Portugals in der Zeit der Monarchie waren aber 700 Jahre lang blau und weiß und dies auch noch in der Zeit, als der FC Porto gegründet wurde. Daher wählte der FC Porto die Farben blau-weiß. In der Saison 1977/78 stritten Porto und Benfica um den Meistertitel. Porto hatte 1958/59 das letzte Mal die Meisterschaft gewonnen und es auch damals bereits mit Benfica als Mitstreiter zu tun. Rekordmeister und Titelverteidiger Benfica blieb vom Oktober 1976 bis September 1978 in Portugal 56 Spiele ungeschlagen und, obwohl Benfica 1977/78 kein Spiel verlor, waren es

Fonseca, Gabriel, Simoes, Freitas, Murca, Rodolfo, Octavio, Ademir, Seninho, Oliveira und Fernando Gomes,

vom FC Porto, unter ihrem Trainer Pedroto, O Mestre, die die Meisterschaft für sich entschieden. Punktgleich mit Benfica, aber mit einem Sieg mehr und einem besseren Torverhältnis. Porto gewann auch 1978/79 die Meisterschaft. Dies waren die Vorboten einer bevorstehenden Wachablösung. Auch auf den europäischen Spielfeldern hatte Porto zum ersten Mal seine blau-weißen Farben bekannt gemacht. 1977/78 wurden im Europapokal der Pokalsieger der 1. FC Köln und Manchester United geschlagen, nur im Viertelfinale war Belgiens Pokalsieger Anderlecht noch zu stark (1 : 0, 0 : 3).

Wieder als Pokalsieger liefen

Ze Beto, Joao Pinto, Pereira, Eurico, Luis, Magalhaes, Frasco, Pacheco, Sousa, Fernando Gomes, Vermelhinho,

Walsh und Costa

für Porto im Europapokal 1983/84 auf und erreichten das Endspiel, das 1 : 2 gegen Juventus verloren ging. Ein Großteil dieser Spieler spielte in der Nationalmannschaft und überraschte auch während der Europameisterschaft in Frankreich 1984 mit dem Erreichen des Halbfinales.

Die Violetten

Fussballklub Austria Wien

→Wiener-Derby

←Die Veilchen

Das hatte bis dahin keine österreichische Mannschaft geschafft! Austria Wien erreichte in der Saison 1977/78 das Endspiel des Europapokals der Pokalsieger. Prüfstein waren Les Mauves aus Anderlecht, die wie Austria Wien in Violett spielen. Austria durfte im Endspiel in Violett auflaufen, der RSC, der als Favorit ins Spiel ging, trat in Weiß an. Dass ausgerechnet ein Fehlpass des talentiertesten Spielers der Austria zum 0 : 1 führte und somit die 0 : 4 Niederlage einläutete, kann mit dem jungen Alter, 22 Jahre, des Riesentalents entschuldigt werden. Das junge Talent war Herbert Prohaska, genannt Schneckerl, aufgrund seiner lockigen Haarpracht. Mit ihm hatte Austria Wien den besten österreichischen Fußballer seit der Nachkriegszeit im Kader, taktisch klug und vielseitig führte er im Mittelfeld Regie. Er,

Baumgartner, Obermayer, R. Sara, J. Sara, Baumeister, Gasselich, Parits, Daxbacher, Morales und Pirkner

konnten trotz der Europapokalniederlage am Ende der Saison feiern, denn Die Violetten aus Wien gewannen mit vierzehn Punkten Vorsprung die österreichische Meisterschaft. Eine nie da gewesene Dominanz, die darauf basierte, dass sich zu Prohaska Spieler wie der einheimische Parits und Morales aus Uruguay gesellten, zwei Stürmer mit Auslandserfahrung und Qualität, und Spieler wie Obermayer, Pirkner und Robert Sara, allesamt Nationalspieler, die im Sommer WM-Erfahrung sammeln sollten oder wie Baumeister, der 1982 als Nationalspieler zur WM fuhr. Nach dieser großartigen Saison verstärkten sie sich mit einem weiteren großen Talent Österreichs, mit dem Stürmer Walter Schachner. Austria gewann erneut mit 14 Punkten Vorsprung die Meisterschaft. Auch im Europapokal der Landesmeister spielte Austria Wien 1978/79 lange mit. Begünstigt vom Losglück hatten Die Violetten keine schweren Brocken auf ihrem Weg ins Halbfinale zu meistern. Ein Rezept gegen den gut organisierten und kompakt stehenden schwedischen Seriensieger Malmö FF fiel den Österreichern aber nicht ein und so endete die Europareise mit einem 0 : 0 und 0 : 1. Zweimal in Folge das Halbfinale eines Europapokals zu erreichen, das schaffte bis dahin und auch danach keine österreichische Mannschaft. Der nationale Siegeszug der Veilchen nahm hingegen kein Ende. 1979/80 wurde das Double geschafft, Prohaska wechselte zu Inter Mailand, doch Austria Wien gewann 1980/81 zum vierten Mal hintereinander die Meisterschaft, was bis dahin keiner österreichischen Mannschaft gelungen war. Erst 36 Jahre später machte es RB Salzburg der Austria nach. 1981/82 wurde der Pokal gewonnen. Die Saison danach war die erste seit 1974/75 ohne Titel. Das heißt, hinter der Austria lagen sieben Jahre voller Erfolge, auch dies ist ein Rekord. 1983/84 gewann Rückkehrer

Prohaska mit der alten Garde Koncilia, Obermayer, Baumeister, Daxbacher und R. Sara zusammen mit Drabits, Mustedanagic, Nyilasi, Toni Polster und Zore

die Meisterschaft Nr. 16. Mit dem Double von 1986, das die Meisterschaft Nr. 18 war, endete die erfolgreichste Ära der Violetten, die die Erfolge der 60er Jahren mit Buzek, Fiala, Fraydl, Geyer, Nemec und Ocwirk (Meister von 1960/61 bis 1962/63) und der 90er Jahren mit Ivanauskas/Ivan der Schreckliche, Ogris, Stöger, Wohlfahrt und Zsak (Meister von 1990/91 bis 1992/93) klar in den Schatten stellte.

Die Schmach von Cordoba

WM 1978, 2. Finalrunde 3. Spieltag, 21. Juni 1978

Österreich – Deutschland 3 : 2

Österreich

Koncilia, Sara, Obermayer, Pezzey, Krieger, Strasser, Hickersberger, Prohaska, Krankl, Kreuz, Schachner,

(Oberacher).

Trainer: Senekowitsch

Deutschland

Maier, Vogts, Dietz, Rüssmann, Kaltz, Bonhof, Beer, Hölzenbein, Abramczik, Rummenigge, Dieter Müller (Hansi Müller, Fischer).