Die wilde Schule des Lebens - Alexander-Klaus Stecher - E-Book

Die wilde Schule des Lebens E-Book

Alexander-Klaus Stecher

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Beschreibung

Karlheinz Böhm, Ottmar Hitzfeld und Uschi Glas – sie und viele andere mehr erzählen dem Münchner Talkmaster Alexander-Klaus Stecher von den entscheidenden Prüfungen in ihrem Leben. Die wilde Schule des Lebens ist ein Buch der großen persönlichen Lebensgeschichten von Prominenten. Wenn die Mikrofone abgeschaltet sind, packen sie aus. Menschen, die Tag für Tag im Rampenlicht stehen. Menschen, die geliebt und bewundert werden. Stars und Promis. Sie erzählen von unglaublichen Höhenflügen und von dramatischen Wendepunkten, von den Abstürzen und großen Brüchen in ihrem Leben und von den Siegen, als niemand mehr an sie glaubte. Im Gespräch mit Alexander-Klaus Stecher kommen faszinierende Erfahrungen zur Sprache. Das Leben selbst, wo es leidenschaftlich gelebt wird, ist die große Schule, aus der man gereift und verändert hervorgeht. Die wilde Schule des Lebens von Alexander Stecher im eBook!

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Alexander-Klaus Stecher

Die wilde Schule des Lebens

Prominente erzählen

Knaur e-books

Über dieses Buch

Karlheinz Böhm, Ottmar Hitzfeld und Uschi Glas – sie und viele andere mehr erzählen dem Münchner Talkmaster Alexander-Klaus Stecher von den entscheidenden Prüfungen in ihrem Leben. Die wilde Schule des Lebens ist ein Buch der großen persönlichen Lebensgeschichten von Prominenten.

Wenn die Mikrofone abgeschaltet sind, packen sie aus. Menschen, die Tag für Tag im Rampenlicht stehen. Menschen, die geliebt und bewundert werden. Stars und Promis. Sie erzählen von unglaublichen Höhenflügen und von dramatischen Wendepunkten, von den Abstürzen und großen Brüchen in ihrem Leben und von den Siegen, als niemand mehr an sie glaubte.

Inhaltsübersicht

WidmungVorwortPercy Adlon»Meine Gene spielen ihr Spiel mit mir«Eine ganz normale außergewöhnliche FamilieVom behüteten Leben in die rauhe WirklichkeitNeuanfang in MünchenFilmen – der Beginn einer großen LeidenschaftDer Durchbruch nach einer bitteren Niederlage»Ich habe nie bei einem fremden Stoff Regie geführt«»Ach Schmarrn. Es bleibt doch nix«Anselm Bilgri»Jeder muss seine Mission erkennen«»Natürlich bin ich nach wie vor Priester«»Da hat es mich gepackt, ich weiß auch nicht, warum!«»Einmal Prior, niemals Abt!«»Mir war klar: Das ist nicht mehr meine Gemeinschaft«»Ich kam immer weiter ab vom naiven Glauben eines 21-Jährigen«»Der Glaube will helfen, das ganz alltägliche Leben zu gestalten«Karlheinz Böhm»Ich wollte etwas verändern«»Ich habe die Frau gefunden, die ich mein Leben lang vergeblich gesucht hatte«»Für die Menschen dort bin ich einer von ihnen, ich gehöre dazu«»Die Sisi-Filme sind einfach blendend gemachte Unterhaltung, für die man sich nicht schämen muss!«Der Schein trügt beruflich und privat»Ich war fassungslos, in welcher Armut die Menschen in Afrika lebten«»Von da an habe ich meine Augen weit aufgemacht und begonnen, etwas zu verändern«Magdalena Brzeska»Ich gehe gern über meine Grenzen«»Ich bin in Turnhallen aufgewachsen«»Ich habe ein Training absolviert und wollte auf jeden Fall in Stuttgart bleiben«»Meine Mutter hat mich in einem gesunden Maß unterstützt«»Nach meiner letzten Übung bei der Weltmeisterschaft wusste ich, dass ich nicht mehr auftreten werde«»Ich muss immer alles unter Kontrolle haben«Gisa und Hedda Deilmann»Man muss über sich selbst hinauswachsen«»Mein Vater hat ein Jahr lang nicht mit mir gesprochen«»Wir sind mit dem Fahrrad zur Schule gefahren, um das Busgeld zu sparen«»Wir haben niemals in Erwägung gezogen, dass unser Vater sterben könnte«»Unser Vater fühlte sich schuldig am Tod der vielen Menschen«»Steven konnte nicht davon ausgehen, dass ich viel Geld hatte«»Nicht jedes meiner Kinder war geplant«»Wir sind nicht dominant, wenn wir nach Hause kommen«Hans-Dietrich Genscher»Man darf nie aufgeben«»Der Tod meines Vaters hat mich im Grunde zweimal getroffen«»Wenn man dann die Möglichkeit hat, etwas zu bewirken, dann lässt man das nicht liegen«»Ich habe nie einen Imageberater gehabt!«»Politiker zu sein heißt nicht nur, einen guten Platz im Stadion zu haben«»Probleme suchen sich ihre Mehrheiten«»Wenn ich nicht mit dem Kopf durch die Wand will, muss ich eine Tür schaffen!«Uschi Glas»Ich finde, das Leben an sich ist aktiv«»Wir waren schlicht und ergreifend arm«»Ich fürchte, ich habe meinen Kindern einiges zugemutet«»Das ist ein solcher Schlag, da liegt man erst mal am Boden«»Man darf nicht von einem Menschen auf den anderen schließen«»Vielleicht bin ich wirklich vom Schicksal gebauchpinselt worden«»Ich glaube, dass wir auf der Erde durch eine Art Testbahn laufen«Ottmar Hitzfeld»Ich wollte immer gewinnen«»Schon als Kind wollte ich immer gewinnen«Hat so ein Mann Heimweh?Kein Mann für die Ersatzbank»Ich war noch nie so glücklich in meinem Leben!«Die starke Frau hinter dem erfolgreichen Mann»Erfolge sind für mich sehr nachdenkliche Momente«Sarah Kern»Ich war ein Revoluzzer vor dem Herrn«»Ich war immer aufmüpfig«»Im Grunde war ich die billigste Millionärsgattin, die man sich vorstellen kann«»Ich bin mit nichts gegangen«»Man darf nie stehenbleiben, muss positiv in den Tag gehen«»Ich bin immer einen radikalen Weg gegangen«»Mein Leben ist härter als jeder Thriller«Charlotte Knobloch»Ich hatte immer einen Schutzengel«»Ich wusste, dass ich meine Großmutter nie wiedersehen würde«»Ich stünde Ihnen heute nicht zur Verfügung, wenn es diese Dame nicht gegeben hätte«»Als sich das zweite Kind ankündigte, war das Thema Amerika erledigt«»Ich kann nicht sagen, dass ich diesen Job unbedingt wollte!«»Ich musste einsehen, dass es notwendig ist, beschützt zu werden«»Ich bin davon überzeugt, dass ich immer in meinem Leben einen Schutzengel hatte«Ruth Maria Kubitschek»Nach langer Suche bin ich bei mir selbst gelandet«»Jeder rennt seinem Glück und dem Erfolg nach«»Es gibt keinen Tod, nur einen Übergang«»Für mich bedeutet Luxus, morgens durch den Garten zu gehen«»An der Untreue meiner Männer und meiner Eifersucht bin ich fast zerbrochen!«»Ich bin meiner Mutter unendlich dankbar«»Ich habe meinen Vater zeit meines Lebens bedauert«»Ein harter Weg, aber ich habe es nie bereut«»Tue deine Arbeit und kümmere dich nicht um die Frucht«»Ich denke übrigens nicht daran, ins Altersheim zu gehen«Heiner Lauterbach»Ich wurde vom Partylöwen zum sanften Tiger«Ein Buch für den SohnPünktlich und diszipliniert trotz der Exzesse»Es muss sich was ändern – und zwar gewaltig«»Ich trinke so gut wie nichts mehr«Der wilde Tiger ist gezähmtWolfgang Lippert»Ich nehme mich selbst nicht so wichtig«»Ich wollte Erna kommt zuerst nicht singen«»Wenn du Dingen den Rücken zudrehst, kommen sie auf dich zu«»Es wäre klüger gewesen, erst einmal eine Pause zu machen«»Diese Zange wird mich wohl mein Leben lang verfolgen«»Ich wusste, dass ich meine Tochter erst einmal nicht wiedersehen würde«Joachim Masannek»Wer Angst verheimlicht, ist feige«»Ich konnte mir nicht vorstellen, wie man als Künstler leben kann«»Keine Frau möchte einen Mann, der von ihrem Vater lebt«»Ich dachte, Bücher gibt es schon mehr als genug«»Jungs müssen lernen, stark und unabhängig zu sein«»Ich kann den Kindern nicht nur erzählen, dass die Welt gut ist«»Die Angst muss raus aus einer Beziehung«Jutta Neumeister»Erkenne dich selbst«»Das ist es, hier gehöre ich her!«Aus dem Stand zum Erfolg»Die Deutschen waren als modische Ignoranten verschrien«»Mir ist aufgefallen, dass ich intellektuell verkümmere«Ein neuer Lebensmittelpunkt für die Familie»Mein Vater wollte lieber etwas Handfestes«Patricia Riekel»Man muss auch Dinge tun, von denen man nicht weiß, ob man sie kann«»Das ist das Leben!«»Schreiben heißt, sich zu schälen«»Wer beruflich weiterkommen will, der muss sich einmischen«»Ein ganz großer Tag in meinem Leben«Ein tragischer Unfall verändert alles»Ich bin nicht berühmt, ich bin nur bekannt«Liebe auf den ersten BlickKonstantin Wecker»Ich bin ein ungehorsamer Mensch«»Ich bin immer schon ein reflektierender Mensch gewesen …«»Es gibt keine Kindheit, die ohne Trauma verläuft«»Die Bühne ist meine Heimat!«»Es gibt keine Erfolge ohne Misserfolge«»Im Extremen sind wir uns am allernächsten«»Natürlich bin ich ein ungehorsamer Mensch!«»Die Chance des Alters ist der Geist!«Judith Alexis Williams»Mache aus Stolpersteinen Stufen und tue die Dinge in Liebe«»Ich wollte schon immer alle Rollen nachsingen, die ich auf der Opernbühne gesehen habe«»Wenn ich auf Kinder verzichten würde, könnte ich weiter singen«»Es ist nicht schlimm, hinzufallen. Aber es ist schlimm, dann nicht wieder aufzustehen«»Man muss auch über sich selbst lachen können«»Schmallippige Verbissenheit mag ich nicht«Mark Wössner»Sei ein anständiger Kerl«Ein Berliner kommt nach Schwaben»Die haben mich sicher alle für einen Spinner gehalten!«»Leute, die Sauereien machen, setzen sich nicht durch«»Ja, dann mach es doch!«»Der erste Skandal meines Lebens«Kurzbiographien der Gesprächspartner
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Meinen Söhnen Vincent und Laurin

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Vorwort

Es gibt viele individuelle Lebenswege, und jeder dieser Wege macht uns zu dem Menschen, der wir sind – egal, wie wir in diese Welt kamen: als Wunschkind oder dank der Macht des Zufalls. Jeder einzelne Mensch, das ist meine Erfahrung, ist in sich einzigartig und kostbar und besitzt einen ihm eigenen Zauber, der auch auf den Schicksalswegen des Lebens, die manchmal schmerzhaft und manchmal freudig sind, nicht verlorengeht und in immer neuen Facetten aufscheint.

Ob Manager, Society-Girl, Business-Woman oder Showmaster, alle Menschen stoßen irgendwann an ihre Grenzen und lernen, wieder aufzustehen … Wie heißt es in diesen Fällen doch immer so schön: »Und das Leben geht weiter.« Nur – wie es weitergeht, entscheidet jeder selbst, und was er daraus macht, offenbart unsere individuellen Stärken und Schwächen.

Die Menschen, die in diesem Buch ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, haben Außergewöhnliches erlebt und gelebt und sich selbst durch das Erlebte besser kennengelernt. Und sie haben es vor allem immer wieder geschafft, nach vorn zu schauen, wie skurril und ausweglos ihre Situation in den schlimmsten Augenblicken auch gewesen sein mag.

Einmal hinter die Kulissen zu blicken und zu erleben, wie das Leben sich für einen »Prominenten« anfühlt und wie er zu dem geworden ist, was ihn heute auszeichnet – das ist das Ziel dieser Sammlung. Eine Erkenntnis eint all diese Geschichten: Es gibt für jeden von uns die eine Aufgabe, die keinem erspart bleibt, und das ist Die wilde Schule des Lebens.

 

Alexander-Klaus Stecher

München, im Januar 2009

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Percy Adlon

»Meine Gene spielen ihr Spiel mit mir«

Dieser Mann soll über 70 sein? Schon als er hereinkommt, spürt man eine unheimliche Energie. Und kaum hat er sich hingesetzt, denkt man, er würde im nächsten Moment gleich wieder aufspringen. Die großen, sanften braunen Augen strahlen, sein braungebranntes Gesicht unter dem obligatorischen Schlapphut hat etwas Spitzbübisches. Etwas, das eben nicht altert. Mein Gegenüber Percy Adlon ist einer der international erfolgreichsten deutschen Regisseure mit Sitz in Hollywood, Mitglied der Academy, die die Oscars vergibt, und spätestens seit »Out of Rosenheim« jedem Filmfreak ein Begriff. Eine enorm facettenreiche Persönlichkeit mit vielen Brüchen in einem Leben, das mir wie eine Achterbahnfahrt vorkommt. Schon seine Herkunft, seine Familie – immerhin war sein Urgroßvater Lorenz Adlon der Gründer des gleichnamigen weltbekannten Nobelhotels in Berlin –, alles andere als alltäglich. Und dann diese Karriere! Ich weiß erst mal gar nicht, mit welcher Frage ich das Gespräch beginnen soll, so viel möchte ich von ihm wissen.

Als der deutsche Fellini, das bekomme ich schnell heraus, will er jedenfalls nicht bezeichnet werden. »Ich bin weder so berühmt noch so bankrott«, ist sein trockener Kommentar auf meinen leisen Versuch, ihn so einzuordnen. Stimmt natürlich. Fellinis Filme waren im kommerziellen Sinn schreckliche Flops. Aber in einem Punkt ist Adlon diesem großen italienischen Kollegen doch sehr ähnlich, wie er zugibt: »Ich sehe mich hundertprozentig als Künstler«, sagt er und erzählt, wie schwierig die Gratwanderung sein kann zwischen den Ansprüchen der Filmindustrie und denen des Filmkünstlers. »Es ist immer wieder dieselbe Situation, wenn der Produzent einen fragt: Ja, wollen Sie denn kein Publikum?« Und, will er? Mein drahtiges Gegenüber zieht die Augenbrauen hoch.

»Natürlich will ich Publikum«, ruft er fast. »Ein Mann, der einen Gedichtband veröffentlicht, will auch, dass die Menschen sein Buch kaufen. Aber das tun halt nur hundert Leute.«

Dass man als Künstler aber auch kommerziellen Erfolg landen kann, hat gerade Percy Adlon, der Mann, den man fast nie ohne Hut sieht, unter Beweis gestellt. Sein Film »Out of Rosenheim« mit Marianne Sägebrecht hat 1987 sämtliche Schallmauern durchbrochen, ist rund um die Welt gelaufen, oder?

»Ja, überall«, bestätigt er mich. »Mein Komponist Bob Telson, der ›Calling You‹ geschrieben hat, lebt in Argentinien. Und er sagt, dass es ganz egal ist, in welches Dorf man in diesem Land kommt – den Film kennt einfach jeder.«

Eine ganz normale außergewöhnliche Familie

»Out of Rosenheim« war für den Regisseur der absolute Durchbruch. Doch bis es so weit war, musste Percy Adlon einen weiten Weg gehen, Nackenschläge einstecken und den ein oder anderen Bruch in seinem Lebensweg überwinden – das begann schon in seiner Jugend.

»Der erste wirkliche Bruch in meinem Leben war, als ich aus meinem wunderschönen Zuhause in Stein an der Traun wegmusste«, erinnert sich Adlon. Bis zu seinem 18. Lebensjahr war er dort zur Schule gegangen, in der seine Mutter als Mädchenbetreuerin und Englischlehrerin arbeitete. Sie heiratete dann den Direktor der Schule, der ein Jahr vor Adlons Abitur nach Garmisch versetzt wurde. »Ich musste also für das letzte Jahr nach Garmisch und mein geliebtes warmes Bett verlassen. In Stein war ich der Musensohn gewesen, hatte mit der Enkelin von Paul Wegener Lieder- und Opernabende veranstaltet und Theater inszeniert.«

Kein Wunder, denn die musische Begabung hatte Percy Adlon von seinem Vater, dem berühmten Wagner-Sänger Rudolf Laubenthal, geerbt. Nicht zuletzt sein Name macht das deutlich: Percy heißt eigentlich Parsifal, denn als er zur Welt kam, stand sein Vater gerade wieder mal auf der Bühne der New Yorker Met und sang genau diesen Part.

Apropos: Beim Thema Familie möchte ich schon noch mal nachhaken. Schließlich ist Percy Adlon nicht gerade in einer stinknormalen Familie aufgewachsen. Hat es ihm etwas ausgemacht, dass seine Eltern nie geheiratet haben – der Vater, jener weltbekannte Operntenor, war und blieb trotz der Geburt seines Sohnes mit einer anderen Frau verheiratet? Mein Gegenüber schüttelt den Kopf. »Nein, überhaupt nicht. Ich bin ein Muttersöhnchen und stolz auf meine Mutter und unser Leben«, erklärt er mit Nachdruck.

»Und der Vater?«

»Der war auch toll, ich fuhr oft zu ihm und habe ihn besucht. Manchmal mit einem Ruderboot, mit dem ich über den Starnberger See zu seiner Linden-Villa gefahren wurde. Dort kniete er dann wie in einer Operninszenierung im Sonntagsfrack mit Monokel im Auge am Steg des Ufers und nahm mich gebührend in Empfang. Er wollte sich halt nicht scheiden lassen, weil es so bequemer für ihn war. Denn damals hätte ein uneheliches Kind durchaus noch einen Skandal bedeuten können. Für meine Mutter war das natürlich schwerer, so ohne Mann. Sie war ja eine schöne, lebenslustige Frau.«

Ich stelle mir das gar nicht so einfach vor in der damaligen Zeit. Außerdem kam Adlons Mutter aus einer hochangesehenen Familie – ihr Großvater Lorenz Adlon hatte einst das berühmte Hotel Adlon in Berlin gegründet. Doch für dessen Sohn Louis Adlon scheint der gesamte Nachwuchs eher eine Enttäuschung gewesen zu sein. So jedenfalls sein Enkel heute: »Für meinen Großvater waren alle seine fünf Kinder ein Flop. Er war ein sehr distinguierter Mensch, sprach viele Sprachen, hatte viel Würde. Eigentlich sollten seine Söhne einmal das Hotel übernehmen, aber sie taugten nichts. Seiner Meinung nach. Und dann fing seine Tochter auch noch etwas mit einem verheirateten Opernsänger an!«

Aber das waren nicht die einzigen Tragödien und Skandale dieser ungewöhnlichen Familie: »Mein Urgroßvater Lorenz wollte ursprünglich, dass sein ältester Sohn einmal das Hotel übernimmt. Eines Tages ist er in den Weinkeller des neuen Hotels runtergestiegen – einen riesigen Weinkeller mit einer steilen Treppe und einer Million Flaschen. Sein Ältester wollte ihm nachrennen, fiel die steile Treppe runter und lag tot zu seinen Füßen.« Er soll der Begabtere gewesen sein, doch nun musste der jüngere Bruder ran. »Obwohl der eigentlich viel zu zart war für den Beruf«, so Adlon, dessen Großvater selbst für einen handfesten Skandal sorgte: Der mit Tilly, einer temperamentvollen Wienerin, verheiratete Louis Adlon begann ein Verhältnis mit einer anderen Frau, Hedda, was Lorenz Adlon natürlich ein Dorn im Auge war. Solange der Vater lebte, hielt sein Sohn den äußeren Schein aufrecht. Aber: »Am selben Tag, als mein Urgroßvater starb, hat Louis seine Frau rausgeschmissen und die Hedda geheiratet. Das war ein schlimmer Skandal damals. Doch im Grunde genommen war es schon eine ganz normale Familie, in der es zuging, wie es halt überall zugeht«, sagt mein Gegenüber und schüttelt lächelnd den Kopf.

Vom behüteten Leben in die rauhe Wirklichkeit

Wir sinnieren noch einen Moment über diese unglaubliche Familienhistorie. Dann komme ich wieder zurück auf den Bruch in seiner Jugend, als er aus seinem behüteten Stein an der Traun fortziehen musste. Bis dahin dachten viele, Adlon würde vielleicht in die Fußstapfen seines berühmten Sänger-Vaters treten. Doch mit einem Schlag war es aus gewesen mit dem Gesangstalent: »In der ersten Musikstunde in Garmisch sagte der Lehrer zu mir, ich solle etwas singen. Ich stand auf – und meine Stimme war weg. Von da an habe ich eigentlich nicht mehr singen können.«

Hat er dafür eine Erklärung?

Adlon nickt. »Das war der Eindruck der rauhen Wirklichkeit. Ich hatte plötzlich Mitschüler, die Postbeamte werden oder zur Bahn gehen sollten. Ein solches Leben hatte ich in Stein überhaupt nicht mitbekommen. Es war, als sei ich am Tegernsee aufgewachsen und plötzlich in der New Yorker U-Bahn gelandet.«

Dass er mit einem Mal eine ganz große Begabung verloren hat, davon will der Mann mir gegenüber aber nichts wissen – von Selbstmitleid keine Spur. Stattdessen sagt er: »Ich bin eigentlich für nix und gleichzeitig für eine Menge Dinge begabt. Ich habe viele kleine Begabungen, die zusammengeschüttelt eine gute ergeben.«

Das halte ich zwar für ein bisschen untertrieben, aber zweifellos besitzt Adlon eine große Begabung: die zum Filmemachen. Und da ist noch etwas, wie er mir verrät: »Tief in mir habe ich eine Befähigung zum Positiven. Manchmal überfällt mich eine ganz komische Melancholie, aber aus der kann ich mich am eigenen Schopf wieder herausziehen.«

Diese Eigenschaft hat ihm geholfen, seine erste berufliche Enttäuschung wegzustecken – auch das wieder eine irre Geschichte. Adlon erzählt: »Ich war von Anfang an verrückt nach allem, was mit Bühne zu tun hatte. In den vier Jahren, in denen ich in München studiert habe, war ich jeden Abend im Theater, im Konzert, im Kabarett, in der Oper oder in der Operette – ich liebe übrigens Operetten.« Wen wundert es da, dass es den jungen Mann ebenfalls hinaufgezogen hat auf die Bretter, die die Welt bedeuten? Sein Debüt war jedoch nicht von Erfolg gekrönt: »Meine erste Rolle habe ich im Rheinland gespielt, einen jungen Liebhaber. Dabei habe ich auch meine Frau kennengelernt, sie war damals Elevin bei den klassischen Tänzerinnen. Aber trotzdem konnte ich mir unter einem jugendlichen Liebhaber überhaupt nichts vorstellen. Und kaum hatte die Spielzeit begonnen, war ich auch schon wieder gefeuert.« Ich schüttele den Kopf. Viele hätten wohl nach einer solchen Pleite das Handtuch geworfen. Aber wer denkt, Percy Adlon hätte sich geschlagen gegeben, der irrt. Statt zu schmollen oder den Kopf in den Sand zu stecken, ergriff er einfach die nächste Chance, die sich ihm bot:

»Zu Silvester sollte die ›Fledermaus‹ aufgeführt werden, doch die Altistin, die den Prinzen Orlofsky singen sollte, fehlte. Also bin ich zum Regisseur gegangen und habe gesagt: Das kann ich! Und bei der Probe hat es tatsächlich geklappt. Dann habe ich mir eine Maske gemacht und einen Orlofsky hingelegt, dass selbst meine spätere Frau mich nicht erkannt hat. Das ist, glaube ich, wirklich eine Begabung von mir: in ganz verrückte Sachen reinzukriechen.«

Das glaube ich auch. Und er hat ein großes Talent, mit den Brüchen seines Lebens umzugehen. Erst die Zeit an der neuen Schule in Garmisch, in der er, wie er selbst sagt, weder künstlerisch noch intellektuell funktionieren konnte und das Abitur gerade eben so packte. Dann als kleiner Schauspieler am Stadttheater, der prompt im ersten Engagement gefeuert wurde und es dennoch schaffte.

»Mit meinem Orlofsky habe ich die große Nummer abgezogen. Alle haben mich gefeiert, und ich habe tolle Kritiken bekommen.« Mein Gegenüber grinst verschmitzt.

Die nächsten Jahre klappte es denn auch besser mit der Schauspielerei. Adlon hatte ein Engagement in Aachen und konnte sein Talent unter Beweis stellen.

»Ich habe alles gespielt, was gut und teuer ist«, erinnert er sich – die großen klassischen Rollen, von Don Carlos über Orest bis zum Ferdinand.

Neuanfang in München

Aber irgendwie war da der Hunger nach mehr. Und mit Mitte zwanzig ist die Zeit für einen neuen Bruch gekommen.

»Mir ist damals ein Heft in die Hand gefallen, ›Magnum‹ hieß das. Es war, als hätte ich plötzlich die Moderne vor mir liegen. Es war wie ein Schub, ich fragte mich plötzlich: Was mache ich eigentlich hier in der Provinz?«

Das war 1960. In diesem Jahr – an Silvester – heiratete Adlon seine Eleonore, die am Stadttheater als Tänzerin arbeitete. Beide kündigten ihre Engagements und gingen nach München.

Dort lief es erst einmal nicht ganz so wie erhofft. Adlon erzählt: »Wir sind in München nicht in irgendeine kleine Wohnung gekrochen, weil wir kein Geld hatten. Nein, wir haben eine große Wohnung in der Lipowskystraße über der Wiesn mit Blick über ganz München gemietet. Das Geld dafür haben wir uns von meiner Mutter geborgt.«

Die großen Engagements bleiben allerdings aus. Adlon schlug sich, wie er sagt, in den Niederungen des Berufes herum, nahm hier und da eine kleine Rolle an. Seine Frau Eleonore hängte ihre Karriere als Tänzerin sogar ganz an den Nagel. Der süße Grund: Tochter Saskia wird geboren. Später komplettierte Sohn Felix die Familie. Ein Ansporn mehr für den jungen Vater, den Erfolg zu suchen. Schnell wurde ihm klar: Die Engagements als Schauspieler ließen sich nicht mehr mit seinem eigenen Anspruch vereinbaren.

Deshalb kam der Vorschlag einer Freundin der Familie, die als Sekretärin beim Bayerischen Rundfunk arbeitete, gerade recht. Sie ermunterte Adlon zu einem Vorsprechen – eine hervorragende Idee.

»Mit einem Schlag ging es los, ich bekam Auftrag über Auftrag. Über zwölf Jahre lang war ich in dem Sender als Sprecher zu Hause«, erklärt der Regisseur, der schließlich vom Leiter der literarischen Abteilung, Wolfram Dietrich, sozusagen entdeckt wurde. Unter ihm begann Adlon nicht nur zu sprechen, sondern auch Texte zu bearbeiten. Er lacht: »Da habe ich dann zum Beispiel 14 Stunden ›Don Quichotte‹ bearbeitet und gelesen, es musste ja gekürzt und es mussten Vorworte dazu geschrieben werden. Oder Robert Walser, Thomas Bernhard. In dieser Zeit haben sie mich als Sprecher fürs Fernsehen entdeckt. Da habe ich dann unter anderem die ›Abendschau‹ gesprochen.«

Filmen – der Beginn einer großen Leidenschaft

Doch aus Adlon wäre nie einer der begnadetsten deutschen Regisseure geworden, hätte er sich einfach mit dem Bearbeiten und Sprechen fremder Texte begnügt. Irgendwann packte es ihn, und er machte den Vorschlag, anlässlich des Todestages der Schriftstellerin Annette Kolb selbst einen kleinen Film zu drehen. Er ging mit einem Kameramann ins Stadtmuseum und schnitt am nächsten Tag sieben Minuten Film zusammen – seinen ersten Dokumentarfilm.

Mein Gesprächspartner schaut mich an. »Später ist der Leiter der ›Abendschau‹ zu mir gekommen und hat gesagt: Herr Adlon, Sie haben eine Handschrift. Das war ein Ritterschlag. Von da ab wurde ich Filmemacher.« Und zwar so rasant, dass er selbst kaum mitkam. Gebannt höre ich Adlon zu, der sich in die Anfänge seiner Karriere zurückversetzt. Zunächst schlug Adlon eine neue Reihe vor, in der jeden Monat ein Autor sein aktuelles Werk vorstellen konnte. Das ›Bücherkarussell‹ drehte sich jedoch nur fünfmal über den Bildschirm, dann wurde es mangels Zuschauern eingestellt. Für die junge Familie Adlon in erster Linie finanziell ein harter Schlag, denn sie hatte sich gerade ein Haus gebaut. Doch dann bekam Adlon einen neuen Auftrag, und der brachte wesentlich mehr Erfolg: Drei Jahre lang drehte er die Reihe ›Mein Dorf‹ über bayerische Dörfer für die ›Abendschau‹. Zunächst noch vor der Kamera, aber der Filmemacher in ihm siegte schließlich über den Reporter mit dem Mikro in der Hand.

»Dann lernte ich den Künstler Tomi Ungerer bei einer Ausstellung kennen. Der sagte zu mir, ich solle ihn unbedingt in Kanada besuchen kommen. Sie hätten ein Haus dort, in dem keine Kunst an den Wänden hinge, die Kunst seien die Fenster.«

Und Adlon machte sich auf nach Kanada. Dort entstand 1973 sein erster großer Film, ein Porträt, das in der ARD zur besten Sendezeit lief. Dass es überhaupt so weit kam, verdankt er der Tatsache, dass er auf sein Gefühl gehört hat, sagt Adlon. »Ich war ziemlich stur in der Verfolgung meines Zieles.«

»Welches Zieles genau?«, will ich wissen.

»Etwas Eigenes zu machen. Ich glaube, das war am tiefsten in mir verankert. Ich wollte etwas Eigenes machen, das mich sozusagen musikalisch befriedigt.«

Und das fand er nach dem Ungerer-Porträt in immer größeren Dokumentationsfilmen. Eine Serie, die Adlon in dieser Zeit in die Wohnzimmer brachte, hieß »Wahlheimat«. Sie handelte von Deutschen, die in alle Herren Länder ausgewandert waren. Adlon besuchte und porträtierte sie und flog dafür um die ganze Welt – nach Haiti, Singapur, Namibia, überallhin.

Auf die Idee hatte ihn übrigens seine Frau gebracht, gesteht er lachend: »Eines Tages sagte sie zu mir: Weißt du, jetzt, wo die Kinder groß genug sind, jetzt erfinde doch mal was, wo wir ein bisschen was von der Welt sehen. Wir haben doch keine Ahnung, wie es anderswo auf der Welt zugeht.« Ein Wunsch, den Adlon seiner Eleonore prompt erfüllte.

Sein erstes Drehbuch verfasste der Regisseur für die Dokumentation »Der Vormund und sein Dichter« über Robert Walser. Eine Qual, wie er sagt: »Ich musste Texte schreiben, aber ich wusste nicht, wie. Ich hatte es zwar im Bauch, aber keine Ahnung, wie ich es ausdrücken sollte. Es war grauenvoll!«

Qualen, die sich gelohnt haben: Der Film erhielt zwei goldene Adolf-Grimme-Preise. Was man von Percy Adlons nächstem Werk, es hieß »Herr Quichotte«, nicht sagen kann. Der Macher selbst räumt ein: »Der Film war der reine Flop. Aber das ist es, was das Leben des Filmemachers ausmacht: dieses Sich-Rausbuddeln aus Niederlagen.«

Reicht das denn nicht irgendwann? Er schüttelt den Kopf. »Nein, das ist wie eine Droge. Man muss es machen.«

»Auch wenn dann wieder ein Produzent fragt: Ja, wollen Sie denn kein Publikum?«, hakte ich nach. Das muss doch frustrierend sein, denke ich mir. Aber mein Gegenüber erklärt: »Ich will etwas wirklich schön darstellen, nicht populistisch. Ich will die Leute nicht belügen. Aber ich will die Wahrheit so darstellen, dass sie auch eine Würde hat. Gewalt zum Beispiel habe ich immer vermieden.«

»Warum?«

»Die Brutalität unserer Welt interessiert mich nicht. Die decken andere ab.«

Der Durchbruch nach einer bitteren Niederlage

Obwohl er stets einen Bogen um den Kommerz gemacht und sein eigenes Ding durchgezogen hat, gelingt ihm mit »Zuckerbaby« und erst recht mit »Out of Rosenheim« dennoch ein sensationeller Durchbruch. Adlon zuckt mit den Schultern und sagt: »Das war eigentlich ein Zufall.« Ein Zufall? Das möchte ich natürlich schon genauer wissen.

»Nach ›Fünf letzte Tage‹, dem Film über Sophie Scholl, habe ich mit ›Die Schaukel‹ den allerschlimmsten Flop meines Lebens gelandet. Er lief am Freitag an, und am Sonntag war er schon wieder raus aus dem Kino. Es war furchtbar für mich.«

»Was tut man in solchen Momenten?«

»Wichtig ist, dass man immer Punkte findet, die einen heilen. Bei meiner Frau und mir ist das, ums Haus zu gehen. Es ist ganz wurscht, wo das ist. Diese Spaziergänge können sehr lang sein, und da reden wir auch gar nicht so viel.« Und nach dem Flop mit der »Schaukel« ist er also auch ums Haus gegangen?

»Damals bin ich in die Berge gefahren und zehn Stunden lang nur gelaufen. Und als ich wieder zurückkam, wusste ich, dass ich etwas ändern muss. Mir wurde mit einem Schlag klar, dass ich nichts Altmodisches mehr machen durfte. Ich wollte eine moderne Geschichte erzählen – mit heutigen Farben und künstlerischem Anspruch.«

Aber so eine Geschichte wie beispielsweise »Zuckerbaby« – wie kommt man da drauf?

Adlon grinst. »Die Frau meines Fotografen erzählte mir von der Putzfrau ihrer Nachbarn. Die war eines Tages einfach nicht mehr gekommen. Die Leute haben schließlich herausgefunden, dass die Frau nicht mehr aus der Straßenbahn ausgestiegen ist, sie ist immer bis zur Endstation mitgefahren. Und wenn der Fahrer ausgestiegen ist, hat sie ihm heimlich eine kleine Schokolade auf den Sitz gelegt. Das hat sie so lange gemacht, bis sie ihn im Bett hatte.«

»Und das war …«

»… Zuckerbaby, genau!«

Es ist also doch wahr: Die verrücktesten Geschichten schreibt das Leben selbst – so abgedroschen das auch klingen mag.

Mit, wie Adlon sagt, der »verrücktesten Kamerafrau der Welt« hat der Regisseur dann ein Farbkonzept und eine Vorgehensweise entwickelt, von der er immer geträumt hatte. »Ich habe Johanna Wehr auf einem Filmfestival kennengelernt und immer gesagt: Sie ist van Gogh, nachdem er sich das Ohr abgeschnitten hat!« Mit von der Partie ist auch Marianne Sägebrecht, die bereits bei »Herr Quichotte« und »Die Schaukel« vor der Kamera gestanden hatte. Adlon erinnert sich: »Sie war schlecht in diesen kleinen Rollen. Gleichzeitig hatte sie eine Schönheit in ihrem Ausdruck und in ihren Bewegungen – da war irgendwas noch nicht aufgegangen.« Bei »Zuckerbaby« ist es aufgegangen. Die Sägebrecht wurde zum Star – genau wie ihr Regisseur.

Und »Out of Rosenheim«? Wurde er zu diesem Film auch durch eine Putzfrau inspiriert? Mein Gegenüber schüttelt den Kopf unter seinem Hut.

»Nein. Wir fuhren damals zusammen mit unseren Kindern auf der Route 66 durch die Wüste in Amerika. In einem Café bediente uns eine farbige Kellnerin, und ich sagte: Das könnte eigentlich Whoopi Goldberg sein. Und dann sagte mein Sohn Felix: Und die Marianne Sägebrecht kommt rein als bayerische Touristin.«

Aber erst einmal spann die Idee niemand weiter. Die geplante Dokumentation über das Hotel Adlon hatte Vorrang. Als das Drehbuch fertig war, fand sich aber zunächst niemand, der es umsetzen wollte, und so kam die Idee aus dem Café an der Route 66 wieder zum Vorschein.

»Ich habe mich hingesetzt und die Geschichte geschrieben. Nach zwei Wochen war sie fertig«, erzählt der Regisseur. Schon als er den Rohschnitt des Filmes vorführte, war das Echo enorm, oder, um es mit Adlon auszudrücken: »Plötzlich ging da eine Rakete hoch!« Zuschauer wie Kritiker waren begeistert, und das Werk sahnte die Preise nur so ab.

Doch mitten in den größten beruflichen Triumph platzt wie eine Bombe die schreckliche Nachricht vom Tod seiner Mutter. Adlon, der sehr an ihr gehangen hatte, leidet bis heute – fast 20 Jahre danach – unter diesem Verlust: »Das war die schlimmste Sache in meinem Leben«, sagt er. »Aber das Bittere muss man hinnehmen, das Süße wird sonst zu süß.« Adlon hat an seine Familie sehr enge Bindungen. So sagt sein Sohn Felix, dass er sich eigentlich niemandem so nahe fühlt wie seinem Vater.

»Ich habe nie bei einem fremden Stoff Regie geführt«

Zwar konnte der nächste Film »Rosalie Goes Shopping« nicht an die Erfolge des Vorgängers anknüpfen, aber Adlon sieht dieses Auf und Ab inzwischen gelassen. Wichtig ist ihm, dass er seine Vorstellungen verwirklichen kann: »Ich habe nie bei einem fremden Stoff Regie geführt. Ich habe immer alleine oder mit meiner Frau oder meinem Sohn zusammen geschrieben und mit meiner Frau zusammen produziert.« Deshalb haben die beiden bereits 1978 die Produktionsfirma Pelemele Film gegründet – gemeinsam mit Sohn Felix sind sie ein unschlagbares Team. Dennoch hat er sich irgendwann dazu überreden lassen, eine Agentin für sich arbeiten zu lassen – auch wenn er der Meinung war, dass er das eigentlich gar nicht braucht. »Und, hat es was gebracht?«, will ich wissen.

»Na ja, sie hat mir ein einziges Mal tatsächlich etwas an Land gezogen. Gleich als Allererstes. Und zwar ›Thelma und Louise‹. Ridley Scott wollte den Film nicht selbst machen, weil er glaubte, Frauen nicht gut genug führen zu können. Und bei ›Out of Rosenheim‹ hat er gesehen, dass ich das kann. Ich habe mir das angeschaut und am nächsten Tag abgesagt.«

Fassungslos schaue ich Percy Adlon an. Warum, um Himmels willen, hat er das getan?

»Ich wollte keinen fremden Stoff umsetzen. Das geht mir gegen den Strich. Und dass die Frauen zum Schluss schießen, das ging gegen meine Philosophie.«

»Nein!« Mehr bekomme ich nicht heraus. Wenigstens gibt mein Gegenüber zu: »Natürlich war das die größte Dummheit meines Lebens, ganz bestimmt. Von diesem Film an wäre ich ein Hollywood-Regisseur gewesen.« Wirklich zerknirscht wirkt er trotzdem nicht. Und tatsächlich. Er grinst mich an und sagt: »Ich glaube nicht, dass ich damit glücklich geworden wäre. Wirklich nicht.« Ich glaube, er meint es ernst. Auch wenn der ein oder andere Regisseur jetzt mit der Stirn gegen eine Mauer schlägt – so ist Percy Adlon nun mal. Er geht seinen Weg, auch wenn es manchmal weh tut.

Dafür kann er wiederum genau so arbeiten, wie es zu ihm passt. Wenn er ein Drehbuch schreibt, begreift er es als Arbeitsbuch für sich selbst und drückt es genau so aus: »Nämlich so ehrlich, wie ich überhaupt kann, ich entwickle die Bilder, die Situationen, die Seelenzustände und stelle sie dar. Wenn dann einer kommt und sagt, ich glaube nicht, dass das funktioniert, dann möchte ich ihn umbringen.« Einen Moment lang schaue ich ihm in die funkelnden Augen, dann lachen wir beide.

»Ach Schmarrn. Es bleibt doch nix«

Wenn er seinen Weg rückblickend sieht – glaubt er, dass all die Brüche Zufall waren? Oder musste alles genau so kommen? Seine Antwort verblüfft mich:

»Ich nenne es den Tanz der Gene – die spielen alle ihr Spiel mit mir. Wir haben einen Intellekt, der alles ein bisschen steuern kann, wir haben eine Erziehung genossen, die ein bisschen Einfluss nimmt. Aber ob du Filmemacher oder Mörder wirst, das ist der Tanz der Gene. Du wirst gelebt, sozusagen. Letzten Endes glaube ich, dass wir so wichtig oder so unwichtig sind wie ein Blatt.«

Und nichts bleibt von uns übrig außer Staub und Erde? Ich kann nicht glauben, dass ein Mann wie er das wirklich denkt. Das passt irgendwie nicht!

»Wirklich?« Er sieht mich mit blitzenden Augen an.

»Nein, das passt nicht«, beharre ich.

»Was soll denn da sein?«

»Wir gehen in eine andere Form über«, schlage ich vor.

»Ach geh.«

»Und suchen uns vielleicht raus, was wir noch lernen wollen.«

»Ach geh.«

»Aber das Schöne ist, von Ihnen bleibt etwas für die nächsten Generationen.«

»Ach Schmarrn. Es bleibt doch nix.«

»Die Filme.« Jetzt habe ich ihn. Oder doch nicht? Er hebt die Hände und sagt: »Es wird schon noch ein paar Millionen Jahre dauern, aber dann sind wir wieder eingeeist. Die ganzen Hochhäuser und das ganze Zeug sind weg. Und irgendwann verschwindet das Eis wieder, und irgendwo streckt dann wieder so ein Käfer den Kopf aus dem Sand und sagt: So, hier bin ich, und jetzt gründe ich die Massai, oder so etwas.«

»Super.« Irgendwie eine gesunde Lebenseinstellung! Deshalb ergänzt er auch: »Ja, ich mache immer weiter, und es ist okay. Es ist okay.«

Es ist mehr als okay, denke ich mir. Aber diesem schönen Schlusswort möchte ich nichts mehr hinzufügen.

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Anselm Bilgri

»Jeder muss seine Mission erkennen«

Der Raum strahlt Würde aus: ein großer englischer Schreibtisch, die für einen Altbau typischen hohen Wände und Fenster. Und Bücher natürlich, viele Bücher. Das alles passt zu dem Menschen, der hier arbeitet, der genauso ruhig und würdevoll wirkt wie seine Umgebung. Mir gegenüber nimmt Anselm Bilgri Platz, vielen besser bekannt als Pater Anselm, ehemaliger Prior und Cellerar des Klosters Andechs. Irgendwie erinnert der Raum schon an seine Zeit auf dem heiligen Berg, oder?

Der Mann mit den kurzen grauen Haaren und einem gepflegten Dreitagebart sieht sich um und lächelt. »Wir haben das Haus damals sicher auch gemietet, weil es ein bisschen wie ein Kloster gewirkt hat, vor allem das Erdgeschoss mit den Holztäfelungen. Eine Erinnerung an die Zeit in Andechs.«

»Wie muss man sich das Leben in einem Kloster vorstellen? Darf man da auch eigene Dinge besitzen?«

Pater Anselm nickt. »Ich hatte in meiner Zelle einen barocken Schrank und ein Regal mit meiner Handbibliothek. Und die Couch, auf der wir gerade sitzen, stand auch dort. Ansonsten war der Raum eher nüchtern eingerichtet.«

Zelle, das klingt irgendwie nach Gefängnis …

Er lacht. »Stimmt. Aber der Begriff kommt aus dem Lateinischen, cella. Das war der Hauptraum im antiken Tempel, in dem das Götterbild stand.« Aha. Wieder was gelernt. Seine Zelle hat Anselm Bilgri also nicht an Gefangenschaft erinnert, ganz im Gegenteil: »Ich konnte von meinen vier Fenstern aus über den ganzen Ammersee schauen. Und abends hat man den Lichterschein von München gesehen, das war sehr schön.«

Offenbar aber nicht schön genug. Denn 2004 tauschte er endgültig die Mönchskutte der Benediktiner gegen Anzug und Krawatte, machte sich mit seinen Geschäftspartnern als Unternehmensberater selbständig.

»Noch vor fünf Jahren hätte ich niemals gedacht, dass ich einmal den Habit ablegen würde«, erzählt er mir. »Auch wenn jeder Mönch in seinem Leben solche Anwandlungen hat. Das ist ganz normal.«

Nun war Pater Anselm natürlich nicht irgendein Mönch. Er war sozusagen Deutschlands bekanntester Ordensvertreter, trat häufig im Fernsehen auf, hielt Vorträge, empfing prominente Gäste im Kloster in seiner eigenen TV-Sendung. Der Grund für diese enorme Popularität war seine überaus erfolgreiche Arbeit als Cellerar in Andechs, was bedeutet, dass er sich um die wirtschaftlichen Belange des Klosters kümmerte – wie etwa der Finanzvorstand eines Unternehmens.

»Natürlich bin ich nach wie vor Priester«

2004 jedoch reichte er in Rom sein Gesuch ein, ihn von den Ordensgelübden zu befreien. Seit 2005 ist er kein Mitglied des benediktinischen Ordens mehr. Und er gehört natürlich auch nicht mehr der Gemeinschaft von Andechs an.

»Verstehst du dich eigentlich noch immer als Geistlicher?«, möchte ich von ihm wissen.

Er nickt. »Natürlich bin ich nach wie vor Priester. Nach der katholischen Lehre kann einem die Priesterweihe nie mehr abgenommen werden – außer wenn ich heiraten würde.«

Was hat ihn eigentlich dazu bewogen, Priester zu werden und einem Orden beizutreten? Das ist schließlich kein leichter Entschluss! Anselm Bilgri lehnt sich auf dem Sofa zurück und erzählt: »Nach meinem Abitur 1973 hier in München habe ich ein Theologiestudium am Priesterseminar begonnen. Und durch den zuständigen Pater, einen Benediktinermönch, habe ich den Orden kennengelernt. Irgendwann entschloss ich mich dazu, den Benediktinern beizutreten, und nach meinem Vordiplom habe ich es schließlich auch getan. So etwas überlegt man sich natürlich gut.«

Was gab den Ausschlag?

»Bei mir war es wohl vor allem mein historisches Interesse, die Benediktiner sind schließlich der älteste Orden der Kirche. Außerdem wollte ich nie als Dorfpfarrer in irgendein Hinterland ziehen müssen. Eine Klostergemeinschaft erschien mir da wesentlich angenehmer, zumal im Zentrum von München. Ich bin mit Leib und Seele Münchner. Außerdem hat mich das streng ritualisierte Leben sehr angezogen: Es wird viermal am Tag gemeinsam gebetet, und das Essen läuft in einer bestimmten Form ab, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und natürlich war ich von dem Kloster St. Bonifaz mitten in der Stadt begeistert, das damals allerdings sehr veraltet war. Ich dachte mir: Da gehörst du hin, hier muss etwas weitergehen.«

Er wollte das Kloster also von Anfang an ein bisschen aufmischen?

Pater Anselm schmunzelt, legt den Kopf ein wenig schief. »Ja«, gibt er zu. »Und im Grunde habe ich das ja auch gemacht.«

In der Tat, das hat er. Doch nicht alle waren so begeistert wie er von der Idee, dass er von nun an als Ordensbruder leben würde.

»Meine Eltern waren sehr enttäuscht von meinem Entschluss«, erinnert sich mein Gesprächspartner. »Beide waren kirchlich nicht besonders engagiert. Sie waren Wirtsleute, betrieben in der Stadt die Kantine des Telegraphenamtes. Und vor allem meine Mutter hatte sich für mich eine gastronomische Karriere erhofft. Sie wollte, dass ich nach dem Abitur auf eine Hotelfachschule gehe und danach als Koch auf ein Schiff – ich weiß auch nicht, warum, aber für sie war das die höchste Weihe der Ausbildung in der Gastronomie. Und wenn ich diese abgeschlossen hätte, wollten sie ihr Geschäft aufgeben und ein Hotel kaufen, das ich dann führen sollte.«

So weit der Plan. »Sie waren schon sehr pikiert, als ich nach der Schule auf das Priesterseminar gegangen bin«, erzählt Anselm Bilgri. »Deshalb haben sie mir das Studium auch nicht bezahlt. Mein Vater sagte, er würde mir jede Ausbildung finanzieren, nur diese nicht.«

Dennoch ließ er sich nicht von seinem Weg abbringen, biss sich durch.

»Ich habe nebenbei in verschiedenen Jobs gearbeitet und auch ein Stipendium von der Kirche bekommen.«

Wie ist dann wohl erst die Reaktion ausgefallen, als er sich entschloss, endgültig ins Kloster zu gehen? Das muss für seine Eltern doch eine Katastrophe gewesen sein!

Er nickt. »Das war sehr schlimm für sie. Sie hatten sich gerade ein kleines Häuschen gekauft – nach langen Jahren harter Arbeit. Und für meine Eltern war es natürlich das Wichtigste, dass ich das einmal erbe. Aber natürlich wollten sie nicht, dass es irgendwann der Kirche zufällt, und haben mich enterbt. Meine Mutter hat zwei Wochen lang nicht mit mir gesprochen und nur geweint. Schließlich haben sie es doch akzeptiert. Aber es war schon eine sehr große Skepsis da. Bei meiner Einkleidung im Kloster zum Beispiel waren meine Eltern auch dabei, und meine Mutter hat die ganze Zeit geheult. Da ist eine Ordensschwester auf sie zugegangen und hat gesagt: Mein Gott, ich verstehe, dass Sie weinen vor lauter Glück, weil Ihr Sohn ins Kloster geht.«

»So kann man eine Situation auch fehldeuten …«

Anselm Bilgri lacht. »Meine Mutter hat später gesagt, sie hätte der Schwester am liebsten rechts und links eine runtergehauen!«

Später schlossen die Eltern aber doch noch ihren Frieden mit der Entscheidung des Sohnes. Dieser erzählt: »Im Nachhinein, als ich dann in Andechs der Chef war, waren sie dann schon stolz auf mich. Meine Mutter hat immer gesagt: ›Gell, unser kleines Geschäft war dir zu klein. Jetzt hast du eine der bekanntesten Gaststätten in Bayern!‹ Doch am Anfang war die Skepsis riesengroß gewesen.«

»Da hat es mich gepackt, ich weiß auch nicht, warum!«

Von seinen Eltern hat er den engen Draht zur Kirche also nicht in die Wiege gelegt bekommen. Wie kam es, dass er dennoch sehr früh und ganz bewusst diesen Weg einschlug?