Die Wüstung Dreisbach und weitere Wüstungen in Suhl und der näheren Umgebung - Dieter Schmidt - E-Book

Die Wüstung Dreisbach und weitere Wüstungen in Suhl und der näheren Umgebung E-Book

Dieter Schmidt

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Beschreibung

Möchten Sie sich auf eine interessante Reise zu mittelalterlichen Siedlungen begeben? Was hatte es mit ihnen auf sich und wo gab es sie? Der Autor ist beruflich ständig in der mitteldeutschen Landschaft unterwegs. Dabei stieß er immer wieder in Landkarten und dann bei seinen Arbeiten im Gelände auf Hinweise zu Wüstungen, also aufgegebene Siedlungen, überwiegend aus dem Mittelalter. Das weckte alsbald sein Interesse, diesen historischen Vorgängen nachzuspüren. In Sammlungen mittelalterlicher Urkunden wurde er fündig und es tat sich Kunde über eine schier unübersehbare Fülle derartiger Siedlungen auf. So wurde schnell klar, sich nur auf Wüstungen auf dem Gebiet seiner Heimatstadt und ihrer näheren Umgebung zu konzentrieren. Kerninhalt der Darstellungen ist die mittelalterliche Wüstung Dreisbach, über die bereits oft geschrieben wurde und Bodenfunde vorlagen. Aber wo genau lag diese Siedlung und vor allem seit wann und wie lange? Es wurden neue interessante Funde getätigt. Was war zu ihr noch herauszufinden? Auch weitere Wüstungen in der Region werden zu diesen Fragen betrachtet. Das Thema ist nicht abgeschlossen, weil immer neue Fragen auftreten.

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Inhaltsverzeichnis

Was vorab zu sagen ist

Was sind Wüstungen?

Kurzer geschichtlicher Abriss zur Stadt Suhl

Die Wüstung Dreisbach

Auf der Suche nach den Dreisbachhöfen

Neue Mittelalterfunde im Dreisbachtal

Zur Frage der Ersterwähnung des Dorfes Dreisbach

Derzeitige Quintessenz zu den Dreisbach-Siedlungen

Weitere Wüstungen im Gebiet der heutigen Stadt Suhl

Höchstedt

Lange Bahn

Leipzigs Rasen

Altenfeld

Siegritz

Silbach

Kapelle St. Anne

Seßles

Hüttstatt Vesser

Laurentiuskapelle

Hinweise auf weitere Wüstungen in der Nachbarschaft

Klosterhof Zella St. Blasii, Zella-Mehlis

Kröhles, Benshausen

Eubengraben, Germelshausen und Sieholz, Dillstädt

Gerod, Rödles und Oberriethmühle, Rohr

Defertshausen, Berkes und Reumles, Meiningen

Niedersülzfeld und Neumühle, Sülzfeld

Hofteich und Bitthausen, Belrieth

Lütsche, Frankenhain

Und nun zum Schluss …

Quellen- und Literaturverzeichnis

ANLAGEN

Was vorab zu sagen ist

Der Anlass, mich mit Wüstungen zu beschäftigen, war mein schon länger bestehendes allgemeines Interesse an der Geschichte meiner Südthüringer Heimat, weshalb ich bereits seit ca. 25 Jahren viel Material gesammelt habe, angefangen bei den „Henneberger Heimatblättern“, ab 1990 wiederkehrende Beilagen zum „Freien Wort“.

Durch meine beiden beruflichen Tätigkeiten stieß ich immer wieder auf Hinweise zu Altsiedlungen, ob auf topografischen Karten oder als aufmerksamer Beobachter in der Landschaft. Auch Grenzsteine, Wallanlagen und andere besondere Formationen in Feld und Flur und im Wald erkannte ich als wertvolle Zeugen der Vergangenheit.

Seit einigen Jahren nun habe ich begonnen, mich intensiver mit Wüstungen zu beschäftigen, die es im Südthüringer Gebiet in vorher nicht vermuteter riesiger Menge als frühere Siedlungen gab. Obwohl ich historisches Material aus dem ganzen fränkisch geprägten Südthüringen gesammelt hatte, habe ich mich dann auf Wüstungen in meiner engeren Heimat konzentriert, also auf das heutige Gebiet der Stadt Suhl.

Die Beschäftigung mit einem historischen Thema wie den Wüstungen erfordert es, möglichst die ursprünglichen historischen Nachweise als Quelle der Untersuchungen zu nutzen. Das sind die alten Urkunden, in denen die Orte, um die es geht, genannt werden. Sie sind in Schriften mittelalterlicher Historiker aufgezeigt. Dazu kommt die sogenannte Sekundärliteratur, in der die alten Urkunden verwendet und gedeutet werden.

Auf der ständigen Suche nach historischer Literatur zur Thematik ist das Internet heutzutage eine schier unendliche und nicht mehr weg zu denkende Quelle. Nicht nur, dass man alte und neuere Literatur zitiert findet; es werden sogar ältere Werke digitalisiert zur Verfügung gestellt. Speziell für detaillierte örtliche Fragen auf der Suche nach Antworten waren auch die Stadtverwaltung und das Stadtarchiv sehr nützlich. So habe ich Herrn Jahn für hilfreiche Hinweise und Frau Walter und Frau Raute für die Sichtung von Archivmaterial zu danken.

Gleichfalls danke ich Frau Götz, Albrechts, Herrn Fritz, Schmalkalden, Herrn Fuchs und Herrn Wirth, Meiningen, für viele nützliche Hinweise. Ganz besonderer Dank gilt jedoch Herrn Werner Endter, Suhl, der mich bei einigen Begehungen im Gelände bei sachkundigen Gesprächen auf viele Details und Zusammenhänge sehr kenntnisreich aufmerksam machte sowie Herr Dr. Seidel, Steinsburgmuseum Römhild, für Erklärungen und Angaben zur historischen Einordnung von Funden.

Dieter Schmidt, Suhl

Was sind Wüstungen?

Wüstungen sind ehemalige meist kleinere Siedlungen, Burgen, Klöster und Kirchen mit den ihnen zugehörigen Ländereien, die überwiegend im Mittelalter entstanden sind und ebenfalls noch im Mittelalter oder in der frühen Neuzeit aufgegeben wurden. Auch aufgelassene eigenständige Anlagen wirtschaftlicher Art werden ebenfalls als Wüstungen bezeichnet. In unserer Gegend können das vor allem Glashütten, Bergwerke und Mühlen sein. Die selteneren Fälle aufgelassener Nutzung landwirtschaftlicher Flächen ohne eigene Siedlung werden als Flurwüstung bezeichnet.

Die Ursache zur Entstehung einer Wüstung, also die Aufgabe der vorhandenen Bebauung und Nutzung kann sehr unterschiedlich sein. So wurden viele der kleinen Siedlungen durch Kriege oder Fehden rivalisierender Herrscher der Gegend zerstört. Ab dem 14. Jahrhundert ist eine Abwanderung der Dorfbevölkerung in größere Orte und Städte zu verzeichnen, was für die kleinsten Siedlungen scheinbar zuerst zutraf. Zudem waren niedrige Preise für zu geringe Mengen landwirtschaftlicher Erzeugnisse nicht mehr auskömmlich. Mitunter stellte sich auch heraus, dass der mühsam bewirtschaftete Boden zu wenig fruchtbar war oder nicht genügend Niederschlag und Wasser zur Bewässerung zur Verfügung stand, also sich die Anlage einer Hofstelle auf Dauer als eine Fehlentscheidung herausstellte.

In einschlägiger Literatur werden Angaben oder Hinweise zu einer unübersehbaren Vielzahl von Wüstungen in hiesiger Gegend gemacht. Nur von einem geringen Bruchteil davon ist die genaue Lage bekannt und noch seltener sind beweiskräftige Funde gemacht worden. Meist werden nur ungefähr im Gelände einzuordnende Aussagen gegeben. Angaben in Karten decken oft ein relativ großes Gebiet ab oder können sogar falsch sein.

Mein besonderes Interesse besteht demzufolge darin, auf geeignete Weise herauszufinden, wo genau frühere namentlich benannte Siedlungen waren. Ohne zielgerichtete Grabungen, die nur mit Genehmigung der Oberen Denkmalbehörde erlaubt sind, und auf die ich nicht zurückgreifen kann, ist das jedoch sehr schwer. Dennoch bemühe ich mich mit mir gegebenen Mitteln einigen Wüstungen auf ihre "Lagespur" zu kommen.

Nach historischen Quellen werden auf den Gemarkungen der heutigen Stadt Suhl mindestens dreizehn ehemalige seit langem nicht mehr vorhandene Siedlungen im weitesten Sinne genannt, die, wenn es sie tatsächlich gegeben hat, als Wüstungen zu betrachten sind. Ich möchte mich hier aber nur auf einige Wüstungen beschränken, über die es mehr oder weniger gesicherte Hinweise zu ihrer früheren Existenz und im Sinne der heutigen Wüstungsdefinition gibt.

Kurzer geschichtlicher Abriss zur Stadt Suhl

Wappen der Stadt Suhl

In Schriften des Klosters Fulda taucht "Sulaha" zwischen 900 und 1155 mehrfach auf. Damit können auch Ober- und Untersuhl bei Gerstungen gemeint sein. Seit etwa 1100 gehörte unsere Gegend zur Grafschaft Henneberg und die Siedlung wird in einer Urkunde Henneberger Grafen nach bisheriger Kenntnis erstmals im Jahr 1300 Suhl genannt.

Im Jahr 1445 wird in Suhl ein als Stadtrat zu bezeichnender "Zwölfer" erwähnt und 1472 war ein Stadtsiegel gebräuchlich, womit Suhl quasi städtische Funktionen ausübte, 1527 von den Henneberger Grafen bestätigt, womit das Stadtrecht ab 1527 angenommen wird. Suhl war im 16. Jahrhundert durch den Bergbau und die Waffenmanufakturen das wirtschaftliche Zentrum der Grafschaft Henneberg. 1583 nach dem Tod des letzten Henneberger Grafen Georg-Ernst ging Suhl mit den größten Teilen Hennebergs an Kursachsen über.

Im 30jährigen Krieg wurde Suhl 1634 von den kaiserlich-kroatischen Truppen überfallen und gebranntschatzt. Sie kamen aus südwestlicher Richtung über die Rückbreche durch den Dreisbach nach Suhl. 1660 wurde die Stadt mit den Ämtern Schleusingen und Kühndorf Amtssitz im Herzogtum Sachsen-Zeitz und kam nach Absterben derer Herzöge 1718 wieder zu Kursachsen, später ein "Chursächsischer Antheil der gefürsteten Grafschaft Henneberg".

Ab 1815 kam Suhl mit dem ganzen sächsischen Teil der ehemaligen Grafschaft Henneberg zum König-reich Preußen, wodurch das Amt Suhl 1821 aufgelöst wurde und bis 1944 zum Kreis Schleusingen der preußischen Provinz Sachsen gehörte.

Seit 1944 gehörte Suhl als Kreis zum Land Thüringen, das jedoch bereits 1952 wieder aufgelöst und Suhl zur Bezirksstadt in der DDR wurde. Schließlich entstand 1990 das Land Thüringen wieder neu. Im Wappen der Stadt Suhl sind als besonders charakteristische Elemente die Henne unter Bezug auf die Grafschaft Henneberg sowie eine Erzmulde mit Erzhacke wegen der alten Bergbaugeschichte der Stadt enthalten.

Die Wüstung Dreisbach

Im oberen Dreisbachtal südlich von Heinrichs gab es ab dem Hochmittelalter und ab Anfang des 19. Jahrhunderts kleine Siedlungen. Die erste sichere urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1182 unter dem Namen „villa Treizbach“ (Dorf Dreisbach). Begründet wurde sie wohl bereits einige Jahrzehnte zuvor, denn ab dem beginnenden 12. Jahrhundert war eine Periode des mittelalterlichen Landesausbaues. Lesen Sie dazu bitte ausführlicher auf der folgenden Seite.

Im Jahr 1575 werden im Erbbuch des Amtes Schleusingen 13 namentlich genannte Personen als „Besitzer von 5 geringen Gütlein“ am Dreisbach aufgeführt. Sie lebten von Ackerbau, Weidewirtschaft und Pferdevorspann für Transporte, die auf den Altstraßen zwischen dem Thüringer Wald und Themar unterwegs waren. Ernst Fischer schreibt, dass 1631 sogar 13 Familien in 12 Häusern wohnten, bevor das „Dörfchen“ 1634 zumindest teilweise von den Kroaten zerstört wurde, denn es sollen noch einige Jahre später Bewohner von Dreisbach nachgewiesen sein.

1704 wird der Beginn einer neuen Siedlung bestätigt, ab 1722 „Dreisbacher Haus“ genannt, deren wechselnde Bewohner bzw. Pächter von Ackerbau, Viehhaltung, eingestelltem Pensionsvieh und zeitweise von Bewirtung lebten. Als Weidevieh wurden vor allem Rinder, zu geringeren Anteilen auch Pferde und später Schafe gehalten.

1791 wird „Traisbach (Villa Treizenbach)“ als ein zum Kammergut Veßra gehörender Hof genannt. Zu dem Anwesen gehörten auch der Große Hausteich (heutiger Dreisbachteich) und der Hungertalsteich, auch Stockfischteich genannt.

Im Jahr 1822 werden die „auf der Wüstung Treyßbach befindlichen Gebäude“ zum Verkauf und Abriss angeboten. Das waren ein zweistöckiges Wohnhaus, Scheune, Viehstall, Backhäuschen, Kellerhäuschen und eine Röhrfahrt (Brunnenleitung). Die Bewohner hatten ihre Anwesen offenbar schon vorher verlassen, weil ihre Dienste nicht mehr auskömmlich waren.

Der Name Dreisbach wird aus dem Alt- und Mittelhochdeutschen „treis“ und dem Mittelhochdeutschen „drisch“ abgeleitet, was unkultiviertes, unbebautes Land, Ödland bedeutet. Man kann sich daher vorstellen, dass die ersten Siedler den Bach und damit auch das Tal so genannt haben, bevor sie es nach und nach in Kultur nahmen.

Auf der Suche nach den Dreisbachhöfen

Gebäude des ersten Dreisbachhofes sind an einer Dreisbachquerung im Zuge sehr früher Fahrwege aus Richtung Themar über Eichenberg, die Rückbreche bzw. den Schneeberg, an der Suhler Steinsburg vorbei nach Suhl und zum Oberhofer Pass entstanden.

Wo aber genau standen die Höfe bzw. Ansiedlungen aus mehreren Gebäuden? In keiner der einschlägigen Literaturangaben sind genaue Lagebeschreibungen erwähnt. Ernst FISCHER hat in seinen Karten den ersten Dreisbachhof als „die alte Viehhofsiedlung Dreisbach“ im Bereich des Stockfischteiches als „Wü. Treizb. 1182“ östlich des Baches eingetragen, sagt dazu sehr unspezifisch „auf der Nordseite der Rückbreche“, äußert sich aber nicht zum genaueren Standort.

Eine völlig unmaßstäbliche Karte von 1813 zeigt die Siedlung westlich des Baches, wobei es sich um das Dreisbacher Haus Anfang des 19. Jahrhunderts handeln muss. Ein Vergleich dieser Karte mit heutigen maßstabgerechten Karten fällt schwer, auch unter Berücksichtigung der in ihr eingetragenen Flurnamen.Mit der Annahme, dass die damalige Dreisbachquelle deutlich oberhalb des Hausteiches war, kann man dennoch zu dem Schluss kommen, das Dreisbacher Haus habe nahe des heutigen Hausteiches gestanden.

Als Standort von Gebäuden wäre ab dem frühen 12. Jahrhundert die Umgebung des Stockfischteiches zu vermuten. Hier ist die topografisch günstigste Stelle zur Querung des Tales und von hier führen die Hohlwege zur Steinsburg, zur Rückbreche und zum Schneeberg. Sie sind Teil der frühen Verbindungswege aus Franken nach Suhl und Oberhof in das heutige Mittelthüringen.

Die Siedlung „Dreißbach“ im Dreisbachtal auf einer Karte von C. C. MÜLLER (1813)

Diese Lage entspricht auch der Handzeichnung von Ernst FISCHER. Er verweist bei vielen der in Karten gezeigten Wüstungen, auch für den Dreisbach, auf Lageangaben von Karl Mundt. Schriftliche Nachweise hierzu konnten von diesem früheren Volksschulrektor jedoch noch nicht gefunden werden.

In einer Vermessung 1862 wurde die „Dreisbachquelle nördlich der Rückbreche und am Fuß des Sommerberges“ in einer Höhenlage von (umgerechnet) 506 m ü. NN mit dem Vermerk „sonst stand hier ein Fohlenhaus“ angegeben. Diese könnte die oder nahe der in der Neuzeit für Trinkwasser gefassten Quelle unmittelbar oberhalb des Hausteiches sein. Die zum Abriss 1822 genannte Brunnenleitung muss von einer etwa 180 m Wegstrecke oberhalb gelegenen Quelle zum Wohnhaus der Siedlung geführt haben.

Demzufolge könnte die zweite Dreisbachsiedlung im Bereich des Stockfischteiches gelegen haben, was auch einige Historiker vermuten und wie sie ZICKGRAF auf seiner Karte annähernd eingetragen hat. Allerdings sind für das 12. Jahrhundert und später auch deutlich weiter oben im Tal ergiebige Quellen zu vermuten, von denen derzeit lediglich noch kleine jahreszeitlich begrenzte Rinnsale zu erkennen sind. Die Frage nach ergiebigen Quellen und einem sich daraus ergebenden ständigen Bachlauf ist eine entscheidende Voraussetzung für die dauerhafte Existenz einer mittelalterlichen Siedlung.