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Beschreibung

Die "Zauberflöte" war vom Textdichter Schikaneder als Volksstück für ein paar dutzend Abende in einem Wiener Vorstadttheater gedacht, als er Mozart um die Kompostion bat. An ihrem Inhalt ist sehr viel herumgerätselt worden. Viele "Deuter" wollten in dieser Oper ein reines Freimaurerstück sehen, andere glaubte, dass Schikaneder hier seiner Phantasie freien Lauf gelassen hat, wenn er auch - da es gerade Mode war - einige freimaurerische Züge aus dem Erziehungsroman "Sethos" des Abbé Jean Terrasson in das an sich heitere Geschehen einfließen ließ. Dem Librettisten und dem Komponisten ist ein Kaleidoskop als Sinnbild des menschlichen Lebens gelungen, der Ausdruck eines echten Humanismus spricht jeden Menschen an. Kein Wunder also, dass die "Zauberflöte" auch bei sehr jungen Menschen oft zum ersten Opernerlebnis wird. Dieses Buch enthält neben dem Textbuch einführende Kommentare von Kurt Pahlen. Er begleitet das musikalische und das äußere wie innere dramatische Geschehen der Oper mit Hinweisen zu kompositorischer Struktur und Sinnzusammenhang. Eine kurze Inhaltsangabe und ein Abriss der Entstehungsgeschichte stellen das Werk in einen Zusammenhang mit dem Gesamtschaffen des Komponisten und seiner Biographie und bieten eine umfassende, reich illustrierte Einführung.

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Wolfgang Amadeus Mozart
Die Zauberflöte
Die Zauberflöte war vom Textdichter Schikaneder als Volksstück für ein paar dutzend Abende in einem Wiener Volkstheater gedacht, als er Mozart um die Komposition bat. An ihrem Inhalt ist sehr viel herumgerätselt worden. Viele »Deuter« wollte in dieser Oper ein reines Freimaurerstück sehen, andere glaubten, daß Schikaneder hier seiner Phantasie freien Lauf gelassen hat, wenn er auch – da es gerade Mode war – einige freimaurerische Züge aus dem Erziehungsroman Sethos des Abbé Jean Terrasson in das an sich heitere Geschehen einfließen ließ. Dem Librettisten und dem Komponisten ist ein Kaleidoskop als Sinnbild des menschlichen Lebens gelungen, der Ausdruck eines echten Humanismus spricht jeden an. Kein Wunder also, daß die Zauberflöte auch bei sehr jungen Menschen oft zum ersten Opernerlebnis wird.
Wolfgang Amadeus Mozart
Die Zauberflöte
Textbuch
Einführung und Kommentar
von Kurt Pahlen
unter Mitarbeit von Rosmarie König
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.
Bestellnummer SDP 36ISBN 978-3-7957-9183-4Originalausgabe Dezember 1978© 2014 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz Alle Rechte vorbehaltenwww.schott-music.comwww.schott-buch.de
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung kopiert und in ein Netzwerk gestellt werden. Das gilt auch für Intranets von Schulen oder sonstigen Bildungseinrichtungen.
Inhalt
7   Zur Aufführung
9   Textbuch mit Erläuterungen zu Musik und Handlung
166   Inhalt
anhand der Musiknummern und Szenen
180   Geschichte und Legende der Zauberflöte
258   Schlagworte und Gedanken zu Die Zauberflöte
264   Kurze Biographie Mozarts
270   Die Bühnenwerke Mozarts
Das einzige authentische Bild aus Mozarts Mannesjahren von
seinem Schwager Josef Lange, wahrscheinlich in Wien
1782 oder 1783 gemalt und unvollendet geblieben.
Zur Aufführung
TITEL
Die Zauberflöte
BEZEICHNUNG
Oper in zwei Akten (Aufzügen), Text von Emanuel Schikaneder (möglicherweise mit Ergänzungen von K. L. Giesecke [Pseudonym für K. L. Metzler]). Komponiert im Jahre 1791. Erstaufführung im Theater auf der Wieden zu Wien am 30. September 1791 unter Leitung des Komponisten.
PERSONENVERZEICHNIS
Sarastro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Baß
Tamino, ein Königssohn . . . . . . . . . . .
Tenor
Sprecher (im Tempel Sarastros). . . . . .
Baß
Erster Priester. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sprechrolle
Zweiter Priester . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tenor
Dritter Priester . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sprechrolle
Die Königin der Nacht . . . . . . . . . . . .
Sopran
Pamina, ihre Tochter. . . . . . . . . . . . . .
Sopran
Erste Dame der Königin. . . . . . . . . . .
Sopran
Zweite Dame der Königin . . . . . . . . .
Sopran
Dritte Dame der Königin . . . . . . . . . .
Mezzosopran
Erster Knabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sopran
Zweiter Knabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sopran
Dritter Knabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mezzosopran
Papageno. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bariton oder hoher Baß
Papagena . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sopran
Monostatos, ein Mohr in
Sarastros Diensten . . . . . . . . . . . . . . . .
Tenor
Erster geharnischter Mann. . . . . . . . . .
Tenor
Zweiter geharnischter Mann . . . . . . . .
Baß
Priester, Sklaven, Gefolge Sarastros.
SCHAUPLATZ
In der Welt der Phantasie, des Märchens (mit Anspielungen auf
Altägypten oder den Orient im allgemeinen).
7
ZUR AUFFÜHRUNG
ORCHESTERBESETZUNG
2 Flöten (II. auch Piccolo), 2 Oboen, 2 Klarinetten/ 2 Bassett-hörner, 2 Fagotte; 2 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen; 1 Paar Pauken; Violine I und II, Viola, Violoncello, Kontrabaß.
Auf der Bühne: eine Kleine Panflöte (zumeist vom Sänger des Papageno gespielt und von nur 5 Tönen Tonumfang).
Das auf der Bühne betätigte Glockenspiel wird hinter der Bühne oder im Orchesterraum zumeist auf einer Celesta wiedergegeben.
SPIELDAUER
etwa 3 Stunden
8
9
Textbuch
mit Erläuterungen
zu Musik und Handlung
ERLÄUTERUNGEN
Über der Ouvertüre steht Adagio und alla breve.
Ihre Grundtonart ist Es-Dur; in dieser Tonart klingen die Tuttiakkorde  des  Beginns,  einschließlich  der Posaunen,  besondersfeierlich:
Die drei Anfangsakkorde spielen eine wichtige Rolle in der Oper – ob eine freimaurerische, wird an anderer Stelle untersucht. Das erste Adagio geht, nach einem längeren Seufzermotiv (das auf Paminas Leiden hindeuten könnte, wenn wir bei Mozart solche »tonmalerischen« Gedanken überhaupt zulassen wollen), in den Allegro-Hauptteil über, der als vierstimmige Fuge beginnt. Den ersten Einsatz des Themas, das übrigens gar nicht vonMozart ist, sondern von diesemeiner Sonate Muzio Clementisentnommen wurde,
bringen in Es-Dur die zweiten, den zweiten Einsatz in B-Dur (also völlig den Fugenregeln entsprechend) die ersten Geigen. Der dritte Einsatz steht wiederum in Es-Dur, der vierte in B-Dur. Der ausgedehnte Durchführungsteil (der sowohl in die Fugen – wie in eine eventuell anzunehmende Sonatenform passen würde) wird nach dramatischem  Verlauf durch  die  feierlichen  Akkorde unter-
10
(1)
(2)
OUVERTÜRE
11
OUVERTÜRE
ERLÄUTERUNGEN
brochen, die hier, (nun allein in den Bläsern) in B-Dur stehen und ein wenig ausgedehnt sind, aber wiederum dreimal erklingen. Dieses Mal, ohne den ersten Adagioteil, setzt sofort wieder der schnelle und sehr bewegte Allegro-Teil ein und führt die Ouvertüre schwungvollst zu einem eher frohen Ende, in dem das Fugenthema immer wieder auftaucht. Diese bei Mozart sehr seltene Form entspricht nicht mehr dem festen barocken Gefüge – wie etwa bei Bach –, ist aber als Vorspiel zu einer turbulenten Musikkomödie sehr wirkungsvoll. An mancher Stelle werden Bezüge zu der Mozart an sich näherliegenden Sonatenform hörbar: eine durchaus originelle und sehr persönliche Ouvertüre.
An sie schließt unmittelbar (im ernsten c-Moll, Allegro,-Takt)die Taminos Flüchten malende Einleitung zu seinem Hilferuf an.
Das Nahen der Schlange wird durch eine »chromatische Fortschreitung« angedeutet, die das Kriechen des gewaltigen Reptils gefahrdrohend ausmalt.
Mit vollem Orchester, in fast majestätischem As-Dur, treten diedrei Damen auf.
12
ERSTER AUFZUG
Eine felsige Gegend, hie und da Bäume.
ERSTER AUFTRITT
Nr. 1 Introduktion
Tamino (tritt hastig mit einem Bogen, aber ohne Pfeil auf. Eine
große Schlange verfolgt ihn):
Zu Hilfe1! Zu Hilfe! Sonst bin ich verloren,
der listigen Schlange zum Opfer erkoren!
Barmherzige Götter! Schon nahet sie sich!
Ach, rettet mich! Ach, schützet mich!
(Er sinkt ohnmächtig zu Boden.)
(Die drei Damen eilen mit silbernen Wurfspießen herbei. Sie
sind verschleiert.)
Die drei Damen:
Stirb, Ungeheu’r, durch unsre Macht!
(Sie durchbohren die Schlange mit ihren Wurfspießen.)
Triumph! Triumph! Sie ist vollbracht,
die Heldentat! Er ist befreit
durch uns’res Armes Tapferkeit.
13
ERSTER AUFZUG / 1. AUFTRITT
1
Der Text wird modernisiert geschrieben. Wir schreiben z. B. »Zu Hilfe« anstelle
von Schikaneders »Zu Hülfe«.
ERLÄUTERUNGEN
Ihre heroische Haltung löst sich erst, als sie den ohnmächtigen
Jüngling mit nun sehr weiblichen Gefühlen betrachten.
Im hier beginnenden Allegretto-Teil (-Takt G-Dur) nimmt der Streit darum, welche der Damen  die  Königin  verständigen und welche bei Tamino »wachen« solle, fast humoristische Züge an.
14
Erste Dame (Tamino betrachtend):
Ein holder Jüngling, sanft und schön!
Zweite Dame:
So schön, als ich noch nie gesehn!
Dritte Dame:
Ja, ja, gewiß, zum Malen schön!
Alle drei:
Würd’ ich mein Herz der Liebe weih’n
so müßt’ es dieser Jüngling sein.
Laßt uns zu unsrer Fürstin eilen,
ihr diese Nachricht zu erteilen.
Vielleicht, daß dieser schöne Mann
die vor’ge Ruh’ ihr geben kann.
Erste Dame:
So geht und sagt es ihr,
ich bleib’ indessen hier.
Zweite Dame:
Nein, nein, geht ihr nur hin,
ich wache hier für ihn.
Dritte Dame:
Nein, nein, das kann nicht sein,
ich schütze ihn allein.
Erste Dame:
Ich bleib’ indessen hier.
Zweite Dame:
Ich wache hier für ihn.
Dritte Dame:
Ich schütze ihn allein.
Erste Dame:
Ich bleibe!
Zweite Dame:
Ich wache!
Dritte Dame:
Ich schütze!
Alle drei:
Ich, ich, ich!
Alle drei (jede für sich):
Ich sollte fort? Ei, ei! Wie fein!
Sie wären gern bei ihm allein.
15
ERSTER AUFZUG / 1. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
16
Das Tempo beschleunigt sich (Allegro, C-Dur, alla breve).
(Gesprochener Text)
Hier erklingt zum ersten Mal Papagenos Flötenmotiv:
eine Reihe von fünf aufeinanderfolgenden Tönen aufwärts, ein
lustiger, ja übermütiger Pfiff.
Dieses – vielleicht populärste – Stück der Oper (Andante, G-Dur, -Takt), in einfacher Liedform mit drei Strophen gehalten, verwendet immer wieder das vorher zitierte Flötenmotiv. Hier wird die völlig unbekümmerte, sorglose, naive LebensauffassungPapagenos bezaubernd ausgedrückt.
Damit wird – nach Tamino, dem noch lebensunbewußten, aber zu Höherem strebenden Menschen – die zweite der in der »Zauberflöte« vereinten verschiedenen, ja entgegengesetzten Welten
(3)
Nein, nein, das kann nicht sein.
Was wollte ich darum nicht geben,
könnt’ ich mit diesem Jüngling leben!
Hätt’ ich ihn doch so ganz allein!
Doch keine geht, es kann nicht sein.
Am besten ist es nun, ich geh’. –
Du Jüngling, schön und liebevoll,
du trauter Jüngling, lebe wohl,
bis ich dich wieder seh’!
(Die drei Damen entfernen sich.)
Tamino (erwacht):
Wo bin ich? Ist’s Phantasie, daß ich noch lebe? Oder hat eine
höhere Macht mich gerettet? (Erhebt sich und blickt umher.)
Wie? – Die bösartige Schlange tot? – Was hör’ ich? Wo
bin ich? Welch unbekannter Ort? – Ha, eine männliche
Figur nähert sich dem Tal1. (Verbirgt sich beobachtend.)
ZWEITER AUFTRITT
Nr. 2. Lied (Arie)
Papageno (eilt in einem Federkleid herbei. Auf dem Rücken ein
großer Vogelbauer mit verschiedenen Vögeln, in den Händen
ein Waldflötchen):
Der Vogelfänger bin ich ja,
stets lustig, heissa, hopsasa!
Ich Vogelfänger bin bekannt,
bei alt und jung im ganzen Land.
Weiß mit dem Locken umzugehn
17
1. AUFZUG / 1./2. AUFTRITT
1
Dieser Satz wird oft verändert.
ERLÄUTERUNGEN
eingeführt: die des primitiven, rein sinnlichen Freuden hingegebenen Volkes. Bald folgt die der »nächtlichen Königin«, Symbol der Machtgier oder zumindest des egoistischen Strebens (das schon beim Auftritt der drei Damen anklang); und schließlich die Sarastros, in der tätige Menschenliebe, gepaart mit Vernunft, zur Erkenntnis der höheren, ewigen Werte, zum echten Humanismusführt.
(Gesprochener Text, der oft seiner übermäßigen Länge wegen gekürztwird.)
18
und mich aufs Pfeifen zu versteh’n.
Drum kann ich froh und lustig sein,
denn alle Vögel sind ja mein.
Der Vogelfänger bin ich ja,
stets lustig, heissa, hopsasa!
Ich Vogelfänger bin bekannt,
bei alt und jung im ganzen Land.
Ein Netz für Mädchen möchte ich,
ich fing’ sie dutzendweis’ für mich;
dann sperrte ich sie bei mir ein,
und alle Mädchen wären mein.
Wenn alle Mädchen wären mein,
so tauschte ich brav Zucker ein;
die, welche mir am liebsten wär’,
der gäb’ ich gleich den Zucker her.
Und küßte sie mich zärtlich dann,
wär’ sie mein Weib und ich ihr Mann.
Sie schlief’ an meiner Seite ein,
ich wiegte wie ein Kind sie ein.
(Pfeift und wendet sich zum Gehen.)
Tamino (tritt ihm entgegen):
He da!
Papageno:
Was da?
Tamino:
Sag mir, du lustiger Freund, wer du bist?
Papageno:
Wer ich bin? (Für sich) Dumme Frage! (Laut) Ein Mensch,
wie du. – Wenn ich dich nun fragte, wer du bist?
Tamino:
So würde ich dir antworten, daß ich aus fürstlichem
Geblüte bin.
Papageno:
Das ist mir zu hoch. – Mußt dich deutlicher
erklären, wenn ich dich verstehen soll!
19
1. AUFZUG / 2. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
(Gesprochener Text)
20
Tamino:
Mein Vater ist Fürst, der über viele Länder und Menschen
herrscht; darum nennt man mich Prinz.
Papageno:
Länder? – Menschen? – Prinz? – Sag’ du mir zuvor:
Gibt’s außer diesen Bergen auch noch Länder und Men-
schen?
Tamino:
Viele Tausende!
Papageno:
Da ließ’ sich eine Spekulation mit meinen Vögeln 
machen.
Tamino:
Wie nennt man eigentlich diese Gegend? Wer beherrscht sie?
Papageno:
Das kann ich dir ebensowenig beantworten, als ich weiß, wie
ich auf die Welt gekommen bin.
Tamino (lacht):
Wie? Du wüßtest nicht, wo du geboren oder wer deine
Eltern waren?
Papageno:
Kein Wort! – Ich weiß nur so viel, daß nicht weit von hier
meine Strohhütte steht, die mich vor Regen und Kälte
schützt.
Tamino:
Aber wie lebst du?
Papageno:
Von Essen und Trinken wie alle Menschen.
Tamino:
Wodurch erhältst du das?
Papageno:
Durch Tausch. – Ich fange für die sternflammende Königin
und ihre Jungfrauen verschiedene Vögel; dafür erhalt’ ich
täglich Speis’ und Trank von ihr.
Tamino (für sich):
Sternflammende Königin? – (Laut) Sag mir, guter Freund,
warst du schon so glücklich, diese Göttin der Nacht zu
sehen?
21
1. AUFZUG / 2. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
(Gesprochener Text)
22
Papageno:
Deine letzte alberne Frage überzeugt mich, daß du in einem
fremden Land geboren bist.
Tamino:
Sei darüber nicht ungehalten, lieber Freund! Ich dachte 
nur …
Papageno:
Sehen? – Die sternflammende Königin sehen? – Welcher Sterbliche kann sich rühmen, sie je gesehen zu haben? (Für sich) Wie er mich so starr anblickt! Bald fang ich an, mich vor ihm zu fürchten. (Laut) Warum siehst du so verdächtig und schelmisch nach mir?
Tamino:
Weil – weil ich zweifle, ob du Mensch bist.
Papageno:
Wie war das?
Tamino:
Nach deinen Federn, die dich bedecken, halt’ ich dich …
Papageno:
Doch für keinen Vogel? – Bleib zurück, sag ich, und traue
mir nicht, denn ich habe Riesenkraft. (Für sich) Wenn er
sich nicht bald von mir schrecken läßt, so lauf’ ich davon.
Tamino:
Riesenkraft? (Er sieht auf die Schlange.) Also warst du wohl
gar mein Erretter, der diese giftige Schlange bekämpfte?
Papageno:
Schlange? (Sieht sich um, weicht zitternd einige Schritte zu-
rück) Ist sie tot oder lebendig?
Tamino:
Freund, wie hast du dieses Ungeheuer bekämpft? – Du bist
ohne Waffen!
Papageno:
Brauch’ keine! – Bei mir ist ein starker Druck mit der Hand
mehr als Waffen!
Tamino:
Du hast sie also erdrosselt?
Papageno:
Erdrosselt! (Für sich) Bin in meinem Leben nicht so stark
gewesen als heute.
23
1. AUFZUG / 2. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
(Weiterhin gesprochener Dialog ohne jede musikalische Beglei-
tung oder Untermalung.)
24
DRITTER AUFTRITT
(Die drei Damen erscheinen verschleiert. Die erste trägt ein Gefäß
mit Wasser, die zweite einen Stein, die dritte ein Vorhängeschloß
    und ein Medaillonbildnis.)
Die drei Damen (drohen und rufen zugleich):
Papageno!
Papageno:
Aha, das geht mich an! – (Halblaut zu Tamino) Sieh dich
um, Freund!
Tamino (halblaut):
Wer sind diese Damen?
Papageno (ebenso):
Wer sie eigentlich sind, weiß ich selbst nicht. Ich weiß nur
so viel, daß sie mir täglich meine Vögel abnehmen und mir
dafür Wein, Zuckerbrot und süße Feigen bringen.
Tamino (wieder halblaut):
Sie sind vermutlich sehr schön?
Papageno (ebenso):
Ich denke nicht! – Denn wenn sie schön wären, würden sie
ihre Gesichter nicht bedecken.
Die drei Damen (näher tretend, drohend):
Papageno!
Papageno (halblaut):
Sei still! Sie drohen mir schon. – (Laut) Du fragst, ob sie
schön sind, und ich kann dir darauf nichts antworten, als 
daß ich in meinem Leben nichts Reizenderes sah. – (Für
sich) Jetzt werden sie bald wieder gut werden! –
Die drei Damen (noch näher tretend, drohender):
Papageno!
Papageno (für sich):
Was muß ich denn heute verbrochen haben, daß sie
so aufgebracht wider mich sind? (Er überreicht den
Vogelbauer; laut) Hier, meine Schönen, übergeb’ ich
meine Vögel!
Erste Dame (überreicht ihm das Gefäß mit Wasser):
Dafür schickt dir unsere Fürstin heute zum ersten Mal statt
Wein reines helles Wasser.
Zweite Dame:
Und mir befahl sie, daß ich statt Zuckerbrot diesen Stein dir
25
1. AUFZUG / 3. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
(Gesprochener Text)
26
überbringen soll. (Sie überreicht Papageno den Stein.) Ich
wünsche, daß er dir wohl bekommen möge!
Papageno:
Was? Steine soll ich fressen?
Dritte Dame:
Und statt der süßen Feigen hab’ ich die Ehre, dir dies
goldene Schloß vor den Mund zu schlagen. (Sie hängt ihm
das Schloß vor den Mund.)
(Papageno zeigt seinen Schmerz durch Gebärden.)
Erste Dame:
Du willst vermutlich wissen, warum die
Fürstin dich heute so wunderbar bestraft?
(Papageno bejaht es durch Nicken mit dem Kopf.)
Zweite Dame:
Damit du künftig nie mehr Fremde belügst.
Dritte Dame:
Und daß du nie dich der Heldentaten rühmest, die andre
vollzogen haben.
Erste Dame:
Sag an, hast du diese Schlange bekämpft?
(Papageno verneint es durch Schütteln des Kopfes.)
Zweite Dame:
Wer denn also?
(Papageno deutet an, daß er es nicht weiß.)
Dritte Dame:
Wir waren’s, Jüngling, die dich befreiten. – Hier, dies
Gemälde schickt dir die große Fürstin; es ist das Bildnis
ihrer Tochter. (Sie überreicht es Tamino.) Findest du, sagte
sie, daß diese Züge dir nicht gleichgültig sind, dann ist
Glück, Ehr’ und Ruhm dein Los! Auf Wiedersehen! 
(Geht ab.)
Zweite Dame:
Adieu, Monsieur Papageno! (Geht mit dem Vogelbauer ab.)
Erste Dame:
Fein, nicht zu hastig getrunken! (Geht lachend ab.)
(Papageno eilt in stummer Verlegenheit ab.)
(Tamino hat gleich beim Empfang des Bildes seine
Aufmerksamkeit nur diesem zugewendet.)
27
1. AUFZUG / 3. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
Die »Bildnisarie« (Es-Dur, Larghetto, -Takt) gehört zu den berühmtesten Tenorarien der deutschen Oper. Sie ist frei gestaltet, keine ihrer Melodien wird wiederholt, wie es sonst in Liedern oder Arien üblich ist. Ein Stück stärkster seelischer Empfindung, in dem das Orchester streckenweise das erwartungsvoll erregte Klopfen des Herzens nachahmt und in den melodischen Sequenzen vielleicht  das  Aufkeimen  der  Liebe  in  einem  reinen,  nochunberührten Herzen ausgedrückt wird.
(Gesprochener Text)
28
(4)
VIERTER AUFTRITT
Nr. 3 Arie
Tamino:
Dies Bildnis ist bezaubernd schön,
wie noch kein Auge je gesehn!
Ich fühl’ es, wie dies Götterbild
mein Herz mit neuer Regung füllt.
Dies Etwas kann ich zwar nicht nennen,
doch fühl’ ich’s hier wie Feuer brennen.
Soll die Empfindung Liebe sein?
Ja, ja! Die Liebe ist’s allein. –
Oh, wenn ich sie nur finden könnte!
Oh, wenn sie doch schon vor mir stände!
Ich würde – würde – warm und rein –
Was würde ich? – Ich würde sie voll Entzücken
an diesen heißen Busen drücken,
und ewig wäre sie dann mein.
(Will sich entfernen; die drei Damen treten ihm entgegen.)
FÜNFTER AUFTRITT
Erste Dame:
Rüste dich mit Mut und Standhaftigkeit, schöner Jüngling! –
Die Fürstin …
Zweite Dame:
Hat mir aufgetragen, dir zu sagen, …
Dritte Dame:
Daß der Weg zu deinem künftigen Glück nunmehr gebahnt
sei.
29
1. AUFZUG / 4./5. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
Die Orchestereinleitung führt in die Welt der »großen« Oper (während das meiste Vorangegangene auch im Singspiel Platz finden könnte). Ein großes Crescendo (B-Dur, Allegro maestoso, -Takt) mit festgehaltenem synkopierten Rhythmus schafft die starke Spannung, die der Auftritt der  »sternflammenden Königin«erfordert.
30
Erste Dame:
Sie hat jedes deiner Worte gehört; sie hat …
Dritte Dame:
hat beschlossen, dich ganz glücklich zu machen. – Hat
dieser Jüngling, sprach sie, auch so viel Mut und Tapferkeit,
als er zärtlich ist, oh, so ist meine Tochter ganz gewiß ge-
rettet.
Erste Dame:
Ein böser Dämon hat ihr Pamina entrissen!1
Tamino:
Kommt, Mädchen, führt mich. – Pamina sei gerettet! –
Das schwöre ich bei meiner Liebe, bei meinem Herzen!
(Kurzer starker Donner) Ihr Götter, was ist das? (Es wird
dunkel.)
Die drei Damen:
Fasse dich!
Erste Dame:
Es verkündet die Ankunft unserer Königin.
(Donner)
Die drei Damen:
Sie kommt – (Donner) Sie kommt! – (Donner) Sie
kommt!
SECHSTER AUFTRITT
(Die Königin der Nacht erscheint vor dem Sternenhimmel.)
Nr. 4 Rezitativ und Arie
31
1. AUFZUG / 5./6. AUFTRITT
1
Dieser Satz, ähnlich in vielen Fassungen vorhanden, sollte hier auf jeden Fall ein-
gefügt werden, da er Tamino von Sarastros vermeintlicher böser Tat überzeugen
soll.
ERLÄUTERUNGEN
Der Rhythmus wird auch noch in der Begleitung des Rezitativsbeibehalten und drückt die tiefe Erregung der Königin aus.Bei diesen Worten beruhigt sich die Musik …
und geht in die trauervolle Melodie über, mit der die Arie einsetzt. Sie steht in g-Moll (Mozarts »melancholischer« Tonart), in sehr langsamen Tempo (Largo) und ¾-Takt. Dieser erste Teil der Arie weist die Königin der Nacht als tiefempfindende, durch den Verlust ihrer Tochter schwer getroffene Frau aus (und kann so der vielumstrittenen Version eines »Charakterwandels« – siehe unseren geschichtlichen Teil, S. 205, 207 – interessante Argumente liefern). Bemerkenswert: die Verwendung der Fagotte, deren charakteristischer Klang in allen »traurigen« Szenen desWerkes eingesetzt wird.
(5)
Hier, bei der direkten Anrede an Tamino, geht die Arie in ihren zweiten, nun völlig anderen Teil über: B-Dur, Allegro moderato, -Takt; rollende, hohe, Entschlossenheit und Gefährlichkeit ausdrückende Koloraturen jagen vorüber. Der Wunsch nach Rache wird klar, Taminos Anspruch auf Paminas Hand wird bekräftigt. Die Synkopen des Anfangs werden als Symptom derinneren Erregung im Orchester immer wieder verwendet.
32
   Rezitativ
Die Königin der Nacht:
O zitt’re nicht, mein lieber Sohn!
Du bist ja schuldlos1, weise, fromm;
ein Jüngling, so wie du, vermag am besten
dies tiefbetrübte Mutterherz zu trösten.
   Arie
Zum Leiden bin ich auserkoren,
denn meine Tochter fehlet mir;
durch sie ging all mein Glück verloren,
ein Bösewicht entfloh mit ihr.
Noch seh’ ich ihr Zittern,
mit bangem Erschüttern
ihr ängstliches Beben,
ihr schüchternes Streben.
Ich mußte sie mir rauben sehen,
»Ach helft«, war alles, was sie sprach:
Allein, vergebens war ihr Flehen,
denn meine Hilfe war zu schwach.
Du wirst sie zu befreien gehen,
du wirst der Tochter Retter sein;
und werd’ ich dich als Sieger sehen,
so sei sie dann auf ewig dein.
33
1. AUFZUG / 6. AUFTRITT
1
Ursprünglich stand im Text »Unschuldig«, doch der besseren Betonung wegen
wird es zumeist in »ja, schuldlos« umgeändert.
ERLÄUTERUNGEN
(Gesprochener Text)
Nach Singspielart folgt auf die sehr dramatische Arie der Königin der Nacht ein humoristischer Beginn (B-Dur, Allegro, alla breve) des folgenden Musikstücks: Papageno,  das Schloß  vor  dem Mund,kann nur »hm, hm« singen:
(Fortsetzung des Notenbeispiels S. 36)
34
(Donner. – Es wird wieder hell; Gegend wie vorher, Tamino ist 
allein.)
SIEBENTER AUFTRITT
Tamino (nach einer Pause):
Ist’s denn auch Wirklichkeit, was ich sah? – O ihr guten
Götter, täuscht mich nicht! (Will gehen, Papageno tritt ihm
in den Weg.)
Nr. 5. Quintett
Papageno (deutet traurig auf das Schloß an seinem Munde):
Hm, hm, hm, hm, hm, hm, hm, hm!
Tamino:
Der Arme kann von Strafe sagen,
denn seine Sprache ist dahin.
Papageno:
Hm, hm, hm, hm, hm, hm, hm, hm!
Tamino:
Ich kann nichts tun als dich beklagen,
weil ich zu schwach zu helfen bin.
Papageno:
Hm, hm, hm, hm, hm, hm, hm, hm!
35
1. AUFZUG / 7. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
       (6)
Dem Hörer bleibt es überlassen, wie er Taminos Worte auffassen will: als ehrlichen Trost, oder als Ironie, da er die Gerechtigkeit dieser (sicherlich vorübergehenden) Bestrafung – er hält ja das Reich der Königin für ein Muster der Gerechtigkeit, aber auch der »fürstlichen« Milde, die ihm als Edelmann vertraut ist – völlig einsieht. Für diesen letzteren Standpunkt spricht vielleicht auch, daß Taminos  Melodie die klägliche  Papagenos nachahmt.
Die Strafe wird Papageno erlassen – wiederum nicht ganz uneigennützig, da dieser  als  Diener  Taminos  die  gefährliche  Reisezu Sarastro mitmachen soll – …
und es entwickelt sich ein mit Moralgedanken verbundenesQuintett.
36
ACHTER AUFTRITT
(Die drei Damen erscheinen.)
Erste Dame (zu Papageno):
Die Königin begnadigt dich,
erläßt die Strafe dir durch mich.
(Sie nimmt ihm das Schloß vom Munde.)
Papageno:
Nun plaudert Papageno wieder.
Zweite Dame:
Ja, plaudre! Lüge nur nicht wieder!
Papageno:
Ich lüge nimmermehr. Nein! Nein!
Die drei Damen:
Dies Schloß soll deine Warnung sein!
Papageno:
Dies Schloß soll meine Warnung sein!
Alle:
Bekämen doch die Lügner alle
ein solches Schloß vor ihren Mund:
Statt Haß, Verleumdung, schwarze Galle
bestünde Lieb’ und Bruderbund.
37
1. AUFZUG / 7./8. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
Hier nimmt die Musik nun den fortlaufenden Fluß der Handlung an. Sie wird bis zum Schluß der Szene nicht mehr unterbrochen, zerfällt aber in verschiedene Abschnitte: die Überreichung derFlöte,
deren Lob in geschlossener Quintettmelodie besungen wird,
den Versuch Papagenos, sich zu verabschieden,
seine Bestimmung, Tamino zu Sarastros Burg zu geleiten,
seinen heftigen Protest,
38
Erste Dame (gibt Tamino eine goldene Flöte):
O Prinz, nimm dies Geschenk von mir!
Dies sendet unsre Fürstin dir!
Die Zauberflöte wird dich schützen,
im größten Unglück unterstützen.
Die drei Damen:
Hiermit kannst du allmächtig handeln,
der Menschen Leidenschaft verwandeln.
Der Traurige wird freudig sein,
den Hagestolz nimmt Liebe ein.
Alle:
Oh, so eine Flöte ist mehr als Gold und Kronen wert,
denn durch sie wird Menschenglück und Zufriedenheit
vermehrt.
Papageno:
Nun, ihr schönen Frauenzimmer,
darf ich – so empfehl’ ich mich.
Die drei Damen:
Dich empfehlen kannst du immer,
doch bestimmt die Fürstin dich,
mit dem Prinzen ohn’ Verweilen,
nach Sarastros Burg zu eilen.
Papageno:
Nein, dafür bedank’ ich mich!
Von euch selber hörte ich,
daß er wie ein Tigertier!
Sicher ließ ohn’ alle Gnaden
mich Sarastro rupfen, braten,
setzte mich den Hunden für.
Die drei Damen:
Dich schützt der Prinz, trau ihm allein!
Dafür sollst du sein Diener sein.
Papageno (für sich):
Daß doch der Prinz beim Teufel wäre!
Mein Leben ist mir lieb;
am Ende schleicht, bei meiner Ehre,
er von mir wie ein Dieb.
39
1. AUFZUG / 8. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
die Überreichung eines Zauberinstruments (Glockenspiel) auch
an ihn,
Abschied im Quintett.
Hierauf noch die Frage Taminos,
von Papageno unterstützt, »wie man die Burg wohl finden kann«?
Und dann, als Szenenschluß (B-Dur, Andante, -Takt), die Ankündigung der drei Damen, daß »Drei Knäbchen, jung, schön, hold und weise …«, die  beiden Männer auf  der Reise begleitenwerden, um sie zu leiten und ihnen Ratschläge zu geben.
Über diese musikalisch sehr schöne, dramaturgisch aber äußerst anfechtbare Szene kann in den allgemeinen Betrachtungen über die Oper noch mehr nachgelesen werden (s. S. 205f.). Wie kommen die drei Damen, die zum Reich der Königin der Nacht gehören, dazu, dem mit Rachegedanken ausziehenden Tamino die Führung durch die drei  elfenartigen, holden,  ganz zu  Sarastros
40
Erste Dame (übergibt Papageno ein Kästchen mit einem
Glockenspiel):
Hier, nimm dies Kleinod, es ist dein.
Papageno:
Ei, ei! Was mag darinnen sein?
Die drei Damen:
Darinnen hörst du Glöckchen tönen.
Papageno:
Werd’ ich sie auch wohl spielen können?
Die drei Damen:
O ganz gewiß! Ja, ja, gewiß!
Silberglöckchen, Zauberflöten
sind zu eurem Schutz vonnöten
Lebet wohl, wir wollen gehn,
lebet wohl, auf Wiedersehn!
Tamino, Papageno:
Silberglöckchen, Zauberflöten
sind zu unserm Schutz vonnöten.
Lebet wohl, wir wollen gehn,
lebet wohl, auf Wiedersehn!
(Die drei Damen wenden sich zum Gehen.)
Tamino:
Doch schöne Damen saget an:
Papageno:
Wie man die Burg wohl finden kann?
Beide:
Wie man die Burg wohl finden kann?
Die drei Damen (kommen zurück):
Drei Knäbchen, jung, schön, hold und weise,
umschweben euch auf eurer Reise;
sie werden eure Führer sein,
folgt ihrem Rate ganz allein.
41
1. AUFZUG / 8. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
Reich gehörigen Knaben anzukündigen? Mit der Wiederholung
der lieblichen Voraussage
(7)
durch Tamino und Papageno schließt sehr melodiös und ausdrucksvoll die Szene im Wechselgesang der beiden Gruppen (der
drei Damen und der beiden Männer): »Auf Wiedersehn!«
(Gesprochener Text)
42
Tamino, Papageno:
Drei Knäbchen, jung, schön, hold und weise,
umschweben uns auf unsrer Reise.
Alle:
So lebet wohl! Wir wollen gehn,
lebt wohl, lebt wohl! Auf Wiedersehn!
Verwandlung
Reich ausgestattetes Zimmer in Sarastros Palast; vorne eine
Ottomane.
NEUNTER AUFTRITT1
Dritter Sklave:
Hahaha!
Erster Sklave:
Pst! Pst!
Zweiter Sklave:
Was soll denn das Lachen?
Dritter Sklave:
Unser Peiniger, der alles belauschende Mohr wird morgen
sicherlich gehangen oder gespießt. – Pamina … Hahaha!
Erster Sklave:
Nun?
43
1. AUFZUG / 8./9. AUFTRITT
1
Der neunte und zehnte Auftritt werden sehr oft weggelassen.
ERLÄUTERUNGEN
(Gesprochener Text)
44
Dritter Sklave:
Das reizende Mädchen! – Hahaha!
Zweiter Sklave:
Nun?
Dritter Sklave:
Ist entsprungen.
Erster und zweiter Sklave:
Entsprungen?
Erster Sklave:
Und sie entkam?
Dritter Sklave:
Unfehlbar! – Wenigstens ist’s mein wahrer Wunsch.
Erster Sklave:
Oh, Dank euch, ihr guten Götter! Ihr habt meine Bitte erhört.
Dritter Sklave:
Sagt’ ich euch nicht immer, es wird doch ein Tag für uns
scheinen, wo wir gerochen, und der schwarze Monostatos
bestraft werden wird?
Zweiter Sklave:
Was spricht nun der Mohr zu der Geschichte?
Erster Sklave:
Er weiß doch davon?
Dritter Sklave:
Natürlich! Sie entlief vor seinen Augen. – Wie mir einige
Brüder erzählten, die im Garten arbeiteten und von weitem
sahen und hörten, so ist der Mohr nicht mehr zu retten; auch
wenn Pamina von Sarastros Gefolge wieder eingebracht
würde.
Erster und zweiter Sklave:
Wieso?
Dritter Sklave:
Du kennst ja den üppigen Wanst und seine Weise; das Mäd-
chen aber war klüger, als ich dachte. – In dem Augenblicke,
als er zu siegen glaubte, rief sie Sarastros Namen: das er-
schütterte den Mohren; er blieb stumm und unbeweglich ste-
hen. – Indes lief Pamina nach dem Kanal und schiffte von
selbst in einer Gondel dem Palmenwäldchen zu.
45
1. AUFZUG / 9. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
(Gesprochener Text)
Ohne Vorspiel, gleichsam atemlos setzt die Szene (G-Dur, Allegro molto, -Takt) ein: Monostatos, der Mohr im Dienste Sarastros – worüber vom dramaturgischen Standpunkt an anderer Stelle, s. S. 240f., ebenfalls noch zu reden ist –, hat die fliehende Pamina eingeholt. Nun bedroht er ihr Leben, wohl aber nur,  um damit ihreLiebe erpressen zu können.
46
Erster Sklave:
Oh, wie wird das schüchterne Reh mit Todesangst dem
Palast ihrer zärtlichen Mutter zueilen!
ZEHNTER AUFTRITT
(von innen)
Monostatos:
He, Sklaven!
Erster Sklave:
Monostatos’ Stimme!
Monostatos:
He, Sklaven! Schafft Fesseln herbei!
Die drei Sklaven:
Fesseln?
Erster Sklave (läuft zur Seitentür):
Doch nicht für Pamina? O ihr Götter! Da seht, Brüder, das
Mädchen ist gefangen.
Zweiter und dritter Sklave:
Pamina? – Schrecklicher Anblick!
Erster Sklave:
Seht, wie der unbarmherzige Teufel sie bei ihren zarten
Händchen faßt – das halt’ ich nicht aus. (Geht auf die
andere Seite ab.)
Zweiter Sklave:
Ich noch weniger. –
(Auch dort ab.)
Dritter Sklave:
So was sehen zu müssen ist Höllenmarter! (Ab)
ELFTER AUFTRITT
Nr. 6 Terzett
Monostatos (Pamina hereinschleudernd):
Du feines Täubchen, nur herein!
Pamina:
O welche Marter! Welche Pein!
Monostatos:
Verloren ist dein Leben.
47
1. AUFZUG / 9./10./11. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
Mit dem großen Aufschrei auf »Barbar!« sinkt Pamina in Ohnmacht. Die Musik drückt hierauf aus, wie Monostatos sie lüstern umschleicht. In diese tastende Tonfolge werden Papagenosschüchterne Schritte eingebaut.
Als er »Leute« erblickt, wird Papagenos Melodie frohgemut; es sind seine spielerischen »Vogelfänger«-Klänge, mit denen erPamina entdeckt.
Sie werden unterbrochen, als er und Monostatos einander erblicken: in grotesker Weise erschrecken sie voreinander, stammeln erbärmlich mit fast sichtbarem Herzklopfen im abgehackten Duett und  laufen, von  der Musik  witzig untermalt,  in entgegengesetzerRichtung von der Bühne.
(Gesprochener Text)
48
Pamina:
Der Tod macht mich nicht beben,
nur meine Mutter dauert mich;
sie stirbt vor Gram ganz sicherlich.
Monostatos:
He, Sklaven! Legt ihr Fesseln an!
Mein Haß soll dich verderben.
Pamina:
O laß mich lieber sterben,
weil nichts, Barbar, dich rühren kann!
Monostatos:
Nun fort! Laßt mich bei ihr allein.
(Pamina ist ohnmächtig auf die Ottomane gesunken. Die Sklaven
gehen ab.)
ZWÖLFTER AUFTRITT
Papageno (am Fenster von außen, ohne von Monostatos
bemerkt zu werden):
Wo bin ich wohl? Wo mag ich sein?
Aha, da find’ ich Leute!
Gewagt, ich geh hinein. – (Tritt ein)
Schön Mädchen, jung und fein,
viel weißer noch als Kreide! –
Monostatos, Papageno (erschrocken voreinander):
Hu! Das ist der Teufel sicherlich!
Hab Mitleid – verschone mich!
Hu! Hu! Hu!
(Laufen beide davon.)
DREIZEHNTER AUFTRITT
Pamina (spricht wie im Traum):
Mutter – Mutter – Mutter! (Sie erholt sich, sieht sich um.)
Wie? – Noch schlägt dies Herz? – Zu neuen Qualen
erwacht? – Oh, das ist hart, sehr hart! – Mir bitterer als
der Tod.
49
1. AUFZUG / 11./12./13. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
(Gesprochener Text)
50
VIERZEHNTER AUFTRITT
Papageno (tritt ein):
Bin ich nicht ein Narr, daß ich mich schrecken ließ? –
Es gibt ja schwarze Vögel in der Welt, warum denn nicht
auch schwarze Menschen? – (Er erblickt Pamina.)
Ah, sieh da! Hier ist das schöne Fräuleinbild. –
Du, Tochter der nächtlichen Königin –
Pamina (erhebt sich):
Nächtliche Königin? – Wer bist du?
Papageno:
Ein Abgesandter der sternflammenden Königin.
Pamina (freudig):
Meiner Mutter? – O Wonne! Dein Name?
Papageno:
Papageno.
Pamina:
Papageno? – Papageno – ich erinnere mich, den Namen
oft gehört zu haben; dich selbst aber sah ich nie.
Papageno:
Ich dich ebensowenig.
Pamina:
Du kennst also meine gute, zärtliche Mutter?
Papageno:
Wenn du die Tochter der nächtlichen Königin bist – ja!
Pamina:
Oh, ich bin es.
Papageno:
Das will ich gleich erkennen.
(Er sieht das Porträt an, welches der Prinz zuvor empfan-
gen, und das Papageno nun an einem Bande am Hals trägt.)
Die Augen schwarz (blau) – richtig, schwarz (blau).
Die Lippen rot – richtig, rot. – Blonde Haare – blonde
Haare. Alles trifft ein, bis auf Händ’ und Füße. – Nach dem
Gemälde zu schließen, sollst du weder Hände noch Füße
haben; denn hier sind keine angezeigt.
(Zeigt ihr das Porträt.)
Pamina:
Erlaube mir – Ja, ich bin’s! – Wie kam es in deine Hände?
51
1. AUFZUG / 14. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
(Gesprochener Text)
52
Papageno:
Ich muß dir das umständlicher erzählen. – Ich kam heute
früh, wie gewöhnlich, zu deiner Mutter Palast mit meiner
Lieferung.
Pamina:
Lieferung?
Papageno:
Ja, ich liefere deiner Mutter und ihren Jungfrauen schon seit
vielen Jahren alle die schönen Vögel in den Palast. – Eben,
als ich im Begriffe war, meine Vögel abzugeben, sah ich
einen Menschen vor mir, der sich Prinz nennen läßt. –
Dieser Prinz hat deine Mutter so eingenommen, daß sie ihm
dein Bildnis schenkte und ihm befahl, dich zu befreien. –
Sein Entschluß war so schnell, als seine Liebe zu dir.
Pamina:
Liebe? (Freudig) Er liebt mich also? Oh, sage mir das
noch einmal; ich höre das Wort Liebe gar zu gern!
Papageno:
Das glaube ich dir; du bist ja ein Fräuleinbild! – Wo blieb
ich denn?
Pamina:
Bei der Liebe.
Papageno:
Richtig, bei der Liebe! Komm! Du wirst Augen machen,
wenn du den schönen Jüngling erblickst.
Pamina:
Wohl denn, es sei gewagt! (Sie gehen; Pamina kehrt um.) Aber wenn dies ein Fallstrick wäre – wenn dieser nun ein
böser Geist von Sarastros Gefolge wäre? – (Sieht ihn be-
denklich an.)
Papageno:
Ich ein böser Geist? – Wo denkst du hin, Fräuleinbild? –
Ich bin der beste Geist von der Welt.
Pamina:
Vergib, vergib, wenn ich dich beleidigte! Du hast ein gefühl-
volles Herz.
Papageno:
Ach, freilich habe ich ein gefühlvolles Herz! Aber was nützt
mir das alles? Ich möchte mir oft alle meine Federn ausrup-
53
1. AUFZUG / 14. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
Es-Dur, Andantino, -Takt. Mit knappster Orchestereinleitung
setzt die getragene Melodie ein,
die zuerst von jedem der beiden Partner gesungen wird und dann
zum Zusammenklang führt.
54
(8)
fen, wenn ich bedenke, daß Papageno noch keine Papagena
hat.
Pamina:
Armer Mann! Du hast also noch kein Weib?
Papageno:
Noch nicht einmal ein Mädchen, viel weniger ein Weib! –
Und unsereiner hat doch auch bisweilen seine lustigen Stun-
den, wo man gern gesellschaftliche Unterhaltungen haben
möchte. –
Pamina:
Geduld, Freund! Der Himmel wird auch für dich sorgen; er
wird dir eine Freundin schicken, ehe du dir’s vermutest.
Papageno:
Wenn er sie nur bald schickte!
Nr. 7 Duett
Pamina:
Bei Männern, welche Liebe fühlen,
fehlt auch ein gutes Herze nicht.
Papageno:
Die süßen Triebe mitzufühlen,
ist dann der Weiber erste Pflicht.
Beide:
Wir wollen uns der Liebe freu’n,
wir leben durch die Lieb’ allein.
55
1. AUFZUG / 14. AUFTRITT
      ERLÄUTERUNGEN
Es handelt sich um eine zweistrophige Form, deren zweite
Strophe melodiös weitergesponnen wird und …
Pamina Gelegenheit zu einer gefühlvollen Koloraturphrase gibt. Dieses prächtige Duett ist in mehrfacher Hinsicht bedeutungsvoll und einer Untersuchung wert: Musikalisch deutet die volkstümliche Melodik auf die Sphäre Papagenos. Textlich aber »steigt« dieser auf ihm eigentlich fremde Höhen. Wie kann der »Vogelmensch«, dessen einzige »Ideale« im Essen, Trinken und einer primitiven Erotik bestehen, erfassen, daß »Mann und Weib« – in tiefmenschlicher Verbindung der Seelen – »an die Gottheit anreichen«?  Rein  musikalisch  eines  der  edelsten Stücke derPartitur.
Mozart setzt beim ersten Auftreten der drei Knaben, die Lichtboten sind, seine hellste Tonart (C-Dur) ein, ein getragenes Zeitmaß (Larghetto) und einen fast feierlichen Marschrhythmus. Der Gesang der Knaben ist stets melodisch, wobei die drei Stimmen reine Harmonien  ergeben  und  nur  sehr  selten Ansätze  zu einerPolyphonie spürbar werden.Bei Taminos an die Knaben gerichteter Frage kommt durch die Orchesterbegleitung in  Triolen  etwas (begreifliches) Drängen indie Szene.
56
Pamina:
Die Lieb’ versüßet jede Plage,
ihr opfert jede Kreatur.
Papageno:
Sie würzet unsre Lebenstage,
sie wirkt im Kreise der Natur.
Beide:
Ihr hoher Zweck zeigt deutlich an,
nichts Edlers sei als Weib und Mann.
Mann und Weib, und Weib und Mann,
reichen an die Gottheit an.
(Beide zusammen ab.)
Verwandlung
In einem Hain stehen die drei Tempel: der Vernunft, der Natur
und (in der Mitte) der Weisheit.
FÜNFZEHNTER AUFTRITT
Die drei Knaben führen Tamino, der die Flöte umgehängt trägt,
auf die Szene.
Nr. 8 Finale
Die drei Knaben:
Zum Ziele führt dich diese Bahn,
doch mußt du, Jüngling, männlich siegen.
Drum höre unsre Lehre an:
Sei standhaft, duldsam und verschwiegen.
Tamino:
Ihr holden Knaben, sagt mir an,
ob ich Pamina retten kann?
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1. AUFZUG / 14./15. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
Die Antwort geht sofort wieder in die vorherige vertrauensvolle
        Ruhe zurück und …
schließt mit einer stimmlich wirkungsvollen Wendung.
Nun ändert Tamino seinen Ton. Es folgt ein langes Rezitativ, bei dem das Orchester sich fast ausschließlich auf kurze Akkorde oder kleine Phrasen beschränkt. Dadurch wird die Deklamation äußerst deutlich, ist  aber  trotzdem  an  den Höhepunkten  melodisch unddramatisch sehr ausdrucksvoll gestaltet.
Taminos zweimaliges Vordringen zu deutlich sichtbaren Tempel-pforten wird durch zwei (gesteigerte) »Zurück« ausunsichtbaremMunde aufgehalten.
Als er sich der dritten Pforte nähert,
erfolgt im Orchester eine wesentliche Stimmungsänderung: Ein zerlegter As-Dur-Streicherakkord verbreitet Würde und Weihe. Obwohl auch alles Folgende noch im Rezitativ vor sich geht, werden  die  Singstimmen  Taminos  und  des  alten  Priesters(»Sprecher«) sowie das Orchester zeitweise äußerst expressiv.
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Die drei Knaben:
Dies kundzutun, steht uns nicht an;
sei standhaft, duldsam und verschwiegen.
Bedenke dies; kurz, sei ein Mann,
dann, Jüngling, wirst du männlich siegen.
(Sie gehen ab.)
Tamino:
Die Weisheitslehre dieser Knaben
sei ewig mir ins Herz gegraben.
Wo bin ich nun? Was wird mit mir?
Ist dies der Sitz der Götter hier?
Es zeigen die Pforten, es zeigen die Säulen,
daß Klugheit und Arbeit und Künste hier weilen;
wo Tätigkeit thronet und Müßiggang weicht,
erhält seine Herrschaft das Laster nicht leicht.
Ich wage mich mutig zur Pforte hinein,
die Absicht ist edel und lauter und rein.
Erzitt’re, feiger Bösewicht!
Pamina1 retten ist mir Pflicht.
(Er geht an die Pforte zur rechten Seite.)
Stimmen / [Sprecher] (von innen):
Zurück!
Tamino:
Zurück? So wag’ ich hier mein Glück!
(Er geht an die Pforte zur linken Seite.)
Stimmen / [Sprecher] (von innen):
Zurück!
Tamino:
Auch hier ruft man: Zurück?
(Er wendet sich zur Mittelpforte.)
Da seh’ ich noch eine Tür,
vielleicht find ich den Eingang hier.
(Indem er sich der Mittelpforte nähert,
öffnet sich diese und ein alter Priester
[Sprecher] erscheint.)
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1. AUFZUG / 15. AUFTRITT
1    Schikaneder wendet stets den Akkusativ »Paminen« an, den wir zumeist mit dem
modernen »Pamina« ersetzen.
ERLÄUTERUNGEN
Die Gestaltung dieser Szene stellt eine prophetische Vorschau auf die spätere deutsche Oper dar. Von hier führt der Weg zu »Fidelio«, zu Weber, Marschner und Wagner. Die Kunst, mit der Mozart hier deklamatorische mit melodischen Stellen verbindet, hat kaum ein Vorbild. Die »melodische Deklamation«, die einst die Grundlage des Musikdramas (aller Länder) bilden wird, ist hier (1791!) nicht nur vorausgeahnt, sondern schon weitgehend verwirklicht. Diese »Sprecher-Szene« stellt den ersten dramatischen Höhepunkt der »Zauberflöte« dar. Sie bildet den Eingang in Sarastros geheimnisvolle, aber nicht unzugängliche Welt, die sich mit ihren tiefen, humanistischen (»aufklärerischen«, wie man damals  sagte) Gedanken  den Welten der  »nächtlichen  Königin«und Papagenos überlegen zeigen wird.
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Sprecher:
Wo willst du, kühner Fremdling, hin?
Was suchst du hier im Heiligtum?
Tamino:
Der Lieb’ und Tugend Eigentum.
Sprecher:
Die Worte sind von hohem Sinn!
Allein, wie willst du diese finden?
Dich leitet Lieb’ und Tugend nicht,
weil Tod und Rache dich entzünden.
Tamino:
Nur Rache für den Bösewicht.
Sprecher:
Den wirst du wohl bei uns nicht finden.
Tamino (schnell):
Sarastro herrscht in diesen Gründen?
Sprecher:
Ja, ja, Sarastro herrschet hier.
Tamino (schnell):
Doch in dem Weisheitstempel nicht?
Sprecher (langsam):
Er herrscht im Weisheitstempel hier.
Tamino:
So ist denn alles Heuchelei! 
(Will gehen)
Sprecher:
Willst du schon wieder gehn?
Tamino:
Ja, ich will gehn, froh und frei,
nie euren Tempel sehn.
Sprecher:
Erklär dich näher mir,
dich täuschet ein Betrug.
Tamino:
Sarastro wohnet hier,
das ist mir schon genug.
Sprecher:
Wenn du dein Leben liebst,
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1. AUFZUG / 15. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
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so rede, bleibe da!
Sarastro hassest du?
Tamino:
Ich haß’ ihn ewig! Ja!
Sprecher:
So gib mir deine Gründe an!
Tamino:
Er ist ein Unmensch, ein Tyrann!
Sprecher:
Ist das, was du gesagt, erwiesen?
Tamino:
Durch ein unglücklich Weib bewiesen,
das Gram und Jammer niederdrückt.
Sprecher:
Ein Weib hat also dich berückt?
Ein Weib tut wenig, plaudert viel.
Du, Jüngling, glaubst dem Zungenspiel?
Oh, legte doch Sarastro dir
die Absicht seiner Handlung für!
Tamino:
Die Absicht ist nur allzu klar,
riß nicht der Räuber ohn’ Erbarmen
Pamina aus der Mutter Armen?
Sprecher:
Ja, Jüngling, was du sagst, ist wahr.
Tamino:
Wo ist sie, die er uns geraubt?
Man opferte vielleicht sie schon?
Sprecher:
Dir dies zu sagen, teurer Sohn,
ist jetzt und mir noch nicht erlaubt.
Tamino:
Erklär dies Rätsel, täusch’ mich nicht.
Sprecher:
Die Zunge bindet Eid und Pflicht.
Tamino:
Wann also wird das Dunkel schwinden?
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1. AUFZUG / 15. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
An dieser Stelle verdichtet sich die Antwort des Sprechers mit ausdrucksvoller Cellobegleitung zu einer äußerst melodischen Phrase,  die  geheimnisvoll  und  zugleich  tröstlich wirkt: a-Moll,Andante, -Takt:
(9)
Über der gleichen melodischen Orchesterphrase, die nun von Posaunenklang  gefärbt  ist,  verheißt ein  unsichtbarer Chor: Baldoder nie.
Zum dritten Mal ertönt im Orchester die gleiche Melodie: wieder die Dreizahl, die in  dieser  Oper  eine  so  bedeutungsvolle  Rollespielt!
Tamino, wie von einem Druck befreit, singt eine lange ausdrucksvolle Phrase im Rezitativstil, freudig, auf hohen Tönen        gipfelnd, nur von minimalen Orchesterakkorden gestützt. –
Hierauf ergreift er die »Zauberflöte« und bläst eine liebliche, der
          Flöte glänzend liegende Melodie:
(Notenbeispiel S. 66)
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Sprecher:
Sobald dich führt der Freundschaft Hand
ins Heiligtum zum ew’gen Band.
(Er geht ab.)
Tamino:
Oh, ew’ge Nacht, wann wirst du schwinden?
Wann wird das Licht mein Auge finden?
Stimmen (von innen):
Bald, bald, Jüngling, oder nie!
Tamino:
Bald, sagt ihr, oder nie?
Ihr Unsichtbaren, saget mir,
lebt denn Pamina noch?
Stimmen (von innen):
Pamina, Pamina lebet noch.
Tamino (freudig):
Sie lebt? Ich danke euch dafür!
(Er nimmt die Flöte in die Hände.)
Oh, wenn ich doch imstande wäre,
Allmächtige, zu eurer Ehre
mit jedem Tone meinen Dank zu schildern,
wie er hier (aufs Herz deutend) hier entsprang!
(Tamino spielt auf seiner Flöte. Sogleich erscheinen Tiere.)
(Sobald er zu spielen aufhört, fliehen die Tiere.)
65
1. AUFZUG / 15. AUFTRITT
ERLÄUTERUNGEN
Hierzu wird meist ein kleines »Tierballett« inszeniert.
Papagenos fünftöniger Flötenruf ertönt; er bildet hier eine lustig
wirkende Antwort auf Taminos ernsteres Spiel.
Dann folgt eine kurze, sehr schnelle Phrase Taminos (Presto),
die zweimal auf stimmlichen Höhepunkten in Fermaten anhält, bevor sie – in der Freude, Pamina endlich zu sehen – zuschnellem Ende geführt wird.
Pamina und Papageno stimmen eine äußerst einfache Melodie an (Andante, das aber wegen der kleinen Notenwerte rascher wirkt, G-Dur), ein Stück entzückend naiver Musik, so als wüßten sie nichts von der gefährlichen Situation, in der sie sich befinden. Reizend das fast schelmische Spiel mit den Worten »erwischen«
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(10)
Wie stark ist nicht dein Zauberton,
weil, holde Flöte, durch dein Spielen,
selbst wilde Tiere Freude fühlen.
(Er spielt wieder.)
Doch nur Pamina bleibt davon. –
Pamina! Höre, höre mich!
Umsonst! –
Wo? Ach, wo find’ ich dich? 
(Er spielt wieder.)
(Papageno antwortet mit seinem Waldflötchen von ferne.)
Ha, das ist Papagenos Ton!
(Tamino spielt und Papageno antwortet.)