Die Zwillinge. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen - Friedrich Maximilian Klinger - E-Book

Die Zwillinge. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen E-Book

Friedrich Maximilian Klinger

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Guelfos Brudermord setzte eine Generation in Flammen und rückte "Die Zwillinge" damit ins Zentrum des ›Sturm und Drang‹. Eifersucht auf die Erstgeburt und Braut des Bruders, Hass gegen die Eltern, grimmiges Wüten gegen sich selbst treiben die Figur in den Wahnsinn, den Klinger auf offener Bühne psychologisch seziert – das schafft ein Seelentheater von expressionistischer Kraft. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 132

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Friedrich Maximilian Klinger

Die Zwillinge

Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Herausgegeben von Alexander Košenina

Reclam

2021 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2021

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-961873-9

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014051-2

www.reclam.de

Inhalt

Personen.

Erster Aufzug.

Erster Auftritt.

Zweyter Auftritt.

Dritter Auftritt.

Vierter Auftritt.

Fünfter Auftritt.

Zweyter Aufzug.

Erster Auftritt.

Zweyter Auftritt.

Dritter Auftritt.

Vierter Auftritt.

Fünfter Auftritt.

Sechster Auftritt.

Dritter Aufzug.

Erster Auftritt.

Zweyter Auftritt.

Dritter Auftritt.

Vierter Aufzug.

Erster Auftritt.

Zweyter Auftritt.

Dritter Auftritt.

Vierter Auftritt.

Fünfter Auftritt.

Fünfter Aufzug.

Erster Auftritt.

Letzter Auftritt.

Zu dieser Ausgabe

Dokumente

1. Ankündigung in: Theatralisches Wochenblatt, 3. März 1775

2. Johann Heinrich Miller an Johann Heinrich Voß, 12. September 1775

3. Johann Heinrich Voß an Ludwig Christoph Heinrich Hölty, 14. November 1775

4. Klinger an Philipp Christoph Kayser, 24. November 1775

5. Heinrich Christian Boie an Friedrich Wilhelm Gotter, 10. Juni 1776

6. Rezension der Erstausgabe und Hamburger Aufführung, 11. Juli 1776

7. Karl Lessing an Gotthold Ephraim Lessing, 2. August 1776

8. Johann Georg Schlosser an Heinrich Christian Boie, 28. März 1778

9. Gottfried August Bürgers Absage, an einer Liebhaberaufführung mitzuwirken, 6. Januar 1780

10. Karl Philipp Moritz zu einem Gastspiel der Schröderschen Gesellschaft in Hannover (Mai 1776)

11. August Klingemann: Über Guelfo’s Karakter, 1797

12. Otto Ludwig, Notiz um 1860, aus den Nachlassschriften

Anmerkungen

Literatur

Ausgaben

Forschungsliteratur

Nachwort

[5]Personen.

Guelfo, Vater.

Herr Reinecke.

Amalia, Mutter.

Madame Reinecke.

Ferdinando,

Söhne.

Herr Lamprecht.

Guelfo,

Herr Brockmann.

Grimaldi.

Herr Schröder.

Gräfinn Kamilla.

Madem. Ackermann.

Doctor Galbo.

Herr Klos.

Bediente.

 

Die Scene ist ein Landgut an der Tiber.

[7]Erster Aufzug.

Erster Auftritt.

(Ein Zimmer.)

GUELFO. GRIMALDI. (An einem Tisch mit Weinflaschen und ein Buch vor sich aufgeschlagen.)

GRIMALDI. Guelfo. Du bist einmal wieder sehr wild ernsthaft geworden. Ich bitt’ Dich, verscheuch diesen starren in sich nagenden Blick mit einigem Lächeln, das Deiner grossen Miene mehr Zierde giebt.

GUELFO. Still und trink! (geht auf und nieder)

GRIMALDI. Soll ich weiter lesen in Brutus Leben?

GUELFO. Nein, ich habs nun sehr genung. Laß mich das zusammenrechnen, was ich gehört habe. Caßius, Grimaldi! Caßius!

GRIMALDI. Du nennst ihn eben so oft, als Du sonst eine gewisse Donna nanntest. Gilt der mehr bey Dir, als Brutus?

GUELFO. Das glaub’ ich. Was in dem Menschen lag! Oh! wenn Du mir jeden Tag einen solchen Charakter aufstelltest, Grimaldi! Du solltest der einzige Mensch seyn, den ich liebte.

GRIMALDI. Und ich wär’ der einzige Mensch auf Gottes Boden, der am meisten litte. Ich zieh’ mir den Brutus vor.

GUELFO. Ich fühl’ den Caßius näher. Und Grimaldi, darauf kömmts doch an. Wie viel gewinnt der Mahler, wenn er mir ein Gemählde hinstellt, wofür ich den Spiegel in mir habe. Mir gehts in allen Fällen so. Ich kann eigentlich den [8]nur recht durchschauen, ganz meinem Herzen nachfühlen und bestimmen, der am meisten mit mir übereinkömmt; der meine Seele so trift, daß ich gleich das Reißbley nehmen möchte, ihn lebendig hinzuwerfen. Deßwegen gewinnen bey mir Dichter und Geschichtschreiber so selten. Hu, hagrer Caßius! Mir ists, als stieg er vor mir auf. Ich werd’ diese Nacht unruhig schlafen.

GRIMALDI. Ich will Dir mehr lesen.

GUELFO. Das thu’ doch! Den Pyrrhus.

GRIMALDI. Wenn Du mir nur nicht so bang’ machtest! nicht so oft im ängstlichen Schlummer fürchterlich träumtest und riefst!

GUELFO. Wen ruf ich, Grimaldi?

GRIMALDI. Ferdinando – wie man einen Todtfeind ruft.

GUELFO. Ha! da! meinen Bruder! Grimaldi, nimm den Stammbaum, streich seinen Namen durch, und denn reiß ihn hier weg. Trink dem Caßius zu! Ich wollt’ ihn mahlen, den hagren Caßius!

GRIMALDI. Das wollt’ ich auch.

GUELFO. Du? wenns Juliette wäre.

GRIMALDI. Guelfo! nur diesen Namen nicht, wenn Du meine Augen trocken sehen willst.

GUELFO. Du wolltest den Caßius mahlen? Wie machtest Du das?

GRIMALDI. Ich wollte Ferdinando rufen – den Guelfo ansehen, fest, ohne Zittern, das einen Furchtsamen, wie mich, viel kostet; wollte diesen Blick nehmen, diese Farbe, diese lebenden Muskeln – he, Guelfo?

GUELFO. Willst Du mich stolz machen? Trink, Grimaldi! Wacker! (trinken) Ich trink zeither gern. Der Wein ist doch gut?

[9]GRIMALDI. Sehr gut, wenn Du freundlich siehst.

GUELFO. O Grimaldi, wenn der Wein nicht wäre! Ohne ihn hätts das wilde ungestüme meines Herzens lang’ mit mir zu Ende gebracht. Ich kanns mit nichts so gut unter mich bringen, als wenn ich mich nach und nach in Schlaf trinke. Und Grimaldi, das sind meine besten Stunden, die vorhergehen; wenn der süsse Geist des Weins meine Nerven einschmeichelt, sich der milde Geist auf mich herabläßt, und mich mit seinen sanften balsamischen Fittigen deckt. – Laß ihn sprudeln! Unter mich, Teufel! (trinken)

GRIMALDI. Es ist ein herrlicher Trunk; aber, Guelfo, mich macht er düsterer und trauriger. Nu seine Wirkung in Betracht Deiner?

GUELFO. Recht, Grimaldi. Ja, wenns auch immer so bey mir ginge. Aber selten, selten! O es hitzt mein Blut zu oft, und treibt mir die Würggedanken mit einem Feuer durch die Adern, daß sie schwellen, und mir für mich selbst bange machen. Wenn mir so dieß und jens unter dem Trinken einfällt, wobey ich denn gewöhnlich schneller trinke, endigt sichs zu oft mit einer Wuth, die Blut heischt – Laß nur! wir wollen ihr schon noch zur Gnüge geben!

GRIMALDI. Steh’ uns Gott bey! wenn Du so bist. Kaum sinds acht Tage, schmißt Du mich an Boden, daß meine Gebeine zusammen rasselten. Und das blos, weil Deine verkehrtstehende Augen einen andern in mir zu sehen glaubten. Und wenn ich der Schreckscene gedenke –

GUELFO. Was ist das? Eine Schreckscene? ich hör’ gern’ so was.

GRIMALDI. Als Du den Della Forza durch die Lunge schossest, um seine Marter zu verlängern.

[10]GUELFO. Sieh’ da! das hätt’ ich fast vergessen.

GRIMALDI. Nu, wer auch das vergißt!

GUELFO. Ich verbitte mir alle Bemerkungen. Erzähl’ mirs, es thut mir gut itzt. Noch so weiß ich, wie er die Augen drehte, und sich in Staub wälzte. Was hatt’ ich doch mit ihm?

GRIMALDI. Das erste war, daß er Deinen Bruder bey dem Herzog herausstrich – Du wirst zu ernsthaft.

GUELFO. Trink und red’ fort, ohne Dich um mein Gesicht zu kümmern.

GRIMALDI. Daß er Deiner nicht mit einem Worte dachte, ob Du schon in der Antichamber standest, und alles hören konntest.

GUELFO. Itzt fällt mirs nach und nach wieder ein. Ha! das hetzte mich grimmig.

GRIMALDI. Das zweyte war, daß der Herzog Deinen Bruder allenthalben zu haben suchte, und, noch mehr, ihm die reiche und schöne Gräfinn Kamilla verschafte, die er nie kriegt hätte. Guelfo! Guelfo! faß dich! Kamilla, die der rauhe Guelfo liebte, die der süsse, empfindsame, kluge Ferdinando wegschnappte. Ein herrliches Geschöpf, die Kamilla! Sie soll leben!

GUELFO. O Grimaldi! Grimaldi! Du thust meinem Bruder trefliche Dienste. (drückt ihm die Hand und umfaßt ihn) Erzähle weiter!

GRIMALDI. Nur schone mich mit Deinen Liebkosungen; ich bin zu schwach, in Guelfos starkem Arm zu liegen. Zu Venedig küßte Della Forza Gioconda; Du verbotst es ihm, er thats doch –

GUELFO. Begegnete mir höhnisch, und ich knallt’ ihn nieder. Die Geschichte that mir damals sehr gut. Sie [11]wickelte mir die Galle los, die mich nach und nach erwürgt hätte. Trink, Grimaldi! Deine Augäpfel ziehen sich ja schon mächtig in die Länge.

GRIMALDI. Und hier der aufgeworfne Zug an Deinem Munde schwillt grimmig. Deine Augenbraunen senken sich noch tiefer – Du wirst immer mehr Caßius.

GUELFO. Schwinde immer mehr zusammen, und mein Bruder reitet auf dem Adler über mich hinaus. Aber herunterreissen will ich ihn, will ihn im stolzen Schwung haschen, und niederschmettern! Kriechen soll er bey der Erde, und ich will schweben! Zittre, Grimaldi! und ich will Dich packen, dürres Geripp! Dich an Boden schmettern! Blaß sollt ihr alle stehen, bricht Guelfos Zorn los, der mich hinreißt, wie der hohe Sturm. Weg dann! ich bin nichts, nichts! schlag auf mein Herz – und nichts! Wenn ich seine Titel hinschreibe, schmier ich einen Bogen voll. Schreib ich mich gegen über, heißts – Ritter Guelfo, mit einem Einkommen von 500 Ducaten. Hörst Du, Grimaldi! hier die grossen Excellenzen, die Gouverneurs, der Herr von des alten Guelfos fetten Gütern. Nicht so viel Land ist mein, als ich mit meinem Degen übermessen kann. Und warum denn nun? Grimaldi, warum hab’ ich nichts, und er alles? Suchs in Deinem Gehirn auf, bleicher Strudelkopf!

GRIMALDI. (geht ans Clavier und spielt wechselsweise einige sanfte und starke Passagen.)

GUELFO. Dich und Dein Instrument in die Tiber, Schwärmer! Was willst Du mich locken, daß meine Seele auf diesen Saiten schwebe? Daß ich den Guelfo vergesse?

GRIMALDI. (spielt wie oben)

GUELFO. Grimaldi! starke, dumpfe, rasche Töne! Meine [12]Nerven zittern einen Ton, Deine Saiten springen, wenn Du ihn anschlägst. Hör’ auf! Wirf mich nicht so nieder, Grimaldi!

GRIMALDI. (endigt stark)

GUELFO. Diesen Ton verstund ich.

GRIMALDI. Brutus, du schläfst! Brutus, du schläfst! riefen alle, und trafen Brutus Geist, schriebens ein mit Feuerflammen. Caßius rief auch: Brutus, du schläfst! Brutus überdachts bey Donner und Blitz, es reifte, Cäsar lag.

GUELFO. Ha, mein freundlicher Grimaldi? Dieß ist die Erklärung Deiner letzten Töne? Was solls heissen?

GRIMALDI. Du verstehst mich, Guelfo! Es soll wenig heissen; so viel, wenn Du doch willst – Guelfo, ich weiß selten, was ich selbst will – Nun dann! Nimms so! Guelfo, schweb’ auch! es breite sich Dein starker Geist aus, heb’ sich über ihn! Jag mit dem Bruder zum blinkenden Ziel! was kömmt auch drauf an, wenn Du ihm im Ringrennen ein Bein unterstellst, daß Du hoch am Ziel schwebest! That ers doch auch, und oft, oft! Aber nur die Nase muß er sich blutig fallen, Guelfo, mehr nicht; sonst wärs unbrüderlich. Mehr nicht, und Du schwebst oben! Ha, mein Guelfo, Du schwebst, der Wein blinkt! Siehst Du, Guelfo – auf mich wollte einstens ein ungeheurer Berg stürzen, ich hatte noch Stärke und frohen Muth, ich faßte ihn an der Wurzel, schob ihm ein Sandkorn unter. Er stund, drohte, und stund. Ich hatte Glauben, Guelfo! Wenn Du Glauben hättest – oh! mit der schwarzen Melancholie und der traurigen Phantasie, die mich zerarbeitet! Ich schwitze und schrumpfe zusammen – Guelfo! Ritter Guelfo!

GUELFO. Grimaldi, Dein Herz liegt mir über verschiedne Punkte verdeckt. Aber herausreissen will ichs, wies in [13]Deinem Innern liegt. Aufgedeckt will ich lesen, ob das blosse Racketten sind, die nur manchmal beym Wein aufsteigen, und zerknallen; oder ob das Festigkeit, Grösse und Entschluß ist? Itzt siehst Du wieder so kleinlaut – trink! trink!

GRIMALDI. Guelfo, Dir fehlt nichts, als Glauben an Dich, und Du bist ein gemachter Mann, der alles mit Gewalt nach sich zieht. Sieh, ich bin ein zusammengedrückter, gewürgter Wurm, der sich kaum aufwenden kann, so haben ihn Menschen in Koth gestampft, wohin er sich wandte. Und das all ist so scharf durch meinen sonst emporschwebenden Geist gefahren, hat so unedel alle grosse Triebe verschlungen, und das Feuer verkältet, daß mit mir nichts anzufangen ist. Oh Guelfo! es war eine blühende Zeit – ich kann itzt nichts, als mein Herz nach und nach aufreiben, und hassen mich und alles. Für mich ist Natur und Leben todt, weil man mir den Sinn dafür unfreundlich tödtete. In meinem Leben möcht’ ich mich an Einem rächen, mich dann in mein Kissen hüllen, und mit Wollust sterben. (sieht durchs Fenster) Dort kömmt eine Chaise her!

GUELFO. Es wird der Doctor Galbo seyn, ich ließ ihn rufen.

GRIMALDI. Hast Du noch nichts entdeckt? – Adieu, Ritter Guelfo! Der traurige Mantel der Melancholie hat sich um mich geschlungen, ich will weinen. Adieu! Gib mir Deine Hand! Adieu!

GUELFO. Mensch! Mensch! Du machst mich rasend mit Deiner Zweydeutigkeit. Merk Dir das! Wo ich Dich erwische, will ichs aus Dir herausziehen, und hingen die Gedanken mit Hacken in Deiner Seele. Du sagst zu viel und zu wenig.

[14]GRIMALDI. Ich schlaf die Melancholie weg. Und dann ruf ich diese Nacht, wie Caßius – Brutus, du schläfst! (geht ins Nebenzimmer)

GUELFO. Was hilft das nun all, wenn ich mir mit geballter Faust vor die Stirne schlag’ und mit den Winden heule – droh’ und lerme, und bey alledem nur Luftschlösser, Kartenhäuser baue! Der Junge wird gekos’t, geleckt, geliebt, von Vater und Mutter, und ich steh’ allenthalben in der Rechnung ein garstiges Nichts. Guelfo! Guelfo! – Nichts lautet närrischer, als wenn ich mir selbst rufe. Guelfo! He dann, Guelfo! (stampft) Mein Blut wird heiß, mein Zorn drängt sich hervor.

Zweyter Auftritt.

DOCTOR GALBO, (klopft an) GUELFO, (hernach) GRIMALDI.

GUELFO. Näher! Näher!

GALBO. Wie befinden sich Eure Gnaden? Ich bin sehr erschrocken über die eilige Botschaft.

GUELFO. Zu viel Hitze, lieber Doctor! Zu viel Hitze!

GALBOfühlt den Puls. Unruhig, unruhig, sehr unruhig, gnädiger Herr! Aber ists Wunder? Hier die Flaschen, und gewiß erst von der Jagd?

GUELFO. Davon mags kommen; ich verfolgte ein Reh zu hastig. Setzen Sie sich doch. Ich hab letzthin über etwas mit Ihnen gesprochen – Wär mir nicht zu Kühlung zu helfen?

GALBO. Ich will gleich etwas aufschreiben.

GUELFO. Gut denn!

[15]GALBO. (schreibts und giebts ihm)

GUELFO. Doctor, hier – nehmen Sie diesen Wechsel.

GALBO. Gnädiger Herr!

GUELFO. Ohne Umstände! – Donner! was zaudern Sie? Sie wissen, daß ich das Gezier nicht leiden kann. Umsonst geb’ ich nichts!

GALBO. Sanfter, gnädiger Herr! So legt sich die Hitze nicht.

GUELFO. Lassen Sie mich mit dem Geschwätz! – Doctor!

GALBO. Was befehlen Sie?

GUELFO. Ich fragte Sie schon einigemal, und nun – Sie waren bey der Niederkunft meiner Mutter; nicht wahr?

GALBO. Das war ich – die schrecklichste! Ich glaubte nicht, daß es die gnädige Gräfinn überleben würde.

GUELFO. Denn sagen Sie mir schnell – hören Sie? so schnell, wie ich frage – wer von uns beyden erblickte zuerst das Licht? Guelfo oder Ferdinando?

GALBO. Das kann ich nicht sagen.

GUELFO. Doctor!

GALBO. Es ging so ängstlich, so schrecklich, und in der Sorge für die Gräfinn, für die Kleinen, trug sichs zu –

GUELFO. Heraus mit, oder ich pack Sie an der Brust, und drück’ Ihnen das letzte Wort mit dem letzten Hauch heraus! He dann, bey meinem Leben! es wird Licht – Fort!

GALBO. Sie waren beyde da, und man wußte nicht, welches der Erstgeborne war. Aber aus sichern Zeichen –

GUELFO. Behalten Sie den Wechsel, und gehn Sie! Fort, Doctor! Weiter brauch ich nichts. Und wenn Sie vor der Hand ein Wort – verstehn Sie mich?

GALBO. (ab.)

GUELFO. Grimaldi! Grimaldi! – Ha! was schüttelst du, Feuer? was reißt du in mir? Haben sie? Still! still! Laß [16]mich zu mir kommen, und treib mich zur Raserey! Grimaldi! o ich will alles zerreissen! Vater! Vater! Mutter! ich will euch ausstreichen! will euch ausstreichen, euch bis aufs letzte Fäserchen aus dem Herzen reissen! Grimaldi!

GRIMALDI. (kömmt.)

GUELFO. (faßt ihn an der Brust) Sieh mich an, Grimaldi! Sieh mich an, und häng an meiner Stirne! Zweifelst Du, ob ich der Erstgeborne bin? Zweifelst Du?

GRIMALDI. Guelfo, ich hab’ alles gehört; mich warf ein dumpfes Gefühl herum, daß ich nicht schlafen konnte. Donner und Wetter! steh da, Guelfo! (führt ihn an den Spiegel)Dieser Blick! dieses Wesen! diese sich ausbreitende Menschenbeugende Gluth im schwarzen, grossen, rollenden Auge! – Guelfo! Du bist für ein Königreich geboren. Eine weissagende Gottheit, mein Genius sagt mirs