Die Zyklusstrategie - Sabeth Ohl - E-Book

Die Zyklusstrategie E-Book

Sabeth Ohl

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Beschreibung

Welchen Einfluss hat der Zyklus einer Frau auf Denken und Fühlen, auf Leistungsfähigkeit, Partnerwahl oder Kaufentscheidungen? Wann kann er beflügeln - zum Beispiel im Job? Und wie können Frauen Stärken aus den schwächeren Tagen ziehen? Könnte ihnen eine persönliche Zyklusstrategie helfen? Und wie ist das bei Frauen, die hormonell verhüten? Die beiden Autorinnen Sabeth Ohl und Eva Dignös werfen in ihrem Buch »Die Zyklusstrategie« einen neuen und positiven Blick auf den weiblichen Zyklus und zeigen, dass er weit mehr ist als ein lästiges wiederkehrendes Ereignis. Sie haben Studien ausgewertet, mit führenden Wissenschaftlern gesprochen – und natürlich mit vielen Frauen. Dabei verlieren die Autorinnen nicht aus den Augen, dass jeder Zyklus einzigartig ist. Sie wollen nicht vorschreiben, wie sich eine Frau in den verschiedenen Phasen ihres Zyklus fühlen muss, wie sie sich zu verhalten hat. Sie möchten zeigen, was alles möglich sein kann. Herausgekommen ist ein unterhaltsames Sachbuch, das zeigt, wie Frauen die Stärken ihres Zyklus erkennen und bewusst nutzen können.

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Mehr über unsere Autoren und Bücher:www.piper.deISBN 978-3-492-97015-0Mai 2015© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2015© Sabeth Ohl und Eva Dignös 2015Covergestaltung: Zero Werbeagentur, MünchenCovermotiv: FinePic®, MünchenDatenkonvertierung: Fotosatz Amann, MemmingenAlle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich der Piper Verlag die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

EINFÜHRUNG

Den Zyklus nutzen? Von ihm profitieren? Für die Herausforderungen des Alltags, für die Karriere, den Erfolg? So ein Blödsinn! Das ist doch verrückt!

Ist es das, was Sie gerade denken?

Weil Sie nicht als Hormonbündel gelten möchten. Weil es Sie unendlich nervt, wenn sich zwei Kollegen mit wissendem Blick zuwispern: »Die hat doch bestimmt gerade ihre Tage.«

Und weil Sie damit nicht alleine sind. Den meisten Frauen, die wir kennen, fallen spontan jede Menge Geschichten ein. Über Tränen im Streitgespräch mit dem Chef, Tampons, die (natürlich immer vor Publikum) aus der Tasche purzeln, über Pillen und ihre Nebenwirkungen. Oder stressigen Sex nach Terminkalender. Geschichten also zu PMS, Blutung, Verhütung und Kinderkriegen, ungefähr in dieser Reihenfolge. Vor allem aber: negative Geschichten. Sie sehen den Zyklus als Hindernis und Bürde. Schließlich sorgt das Auf und Ab der Hormone für miese Laune, für Sentimentalität und Verletzlichkeit zum falschen Zeitpunkt, für Bauchweh, Pickel, Bad Hair Days und Heulanfälle.

Klar: ohne Zyklus keine Kinder. Aber es gibt viele Monate im Leben einer Frau, in denen Nachwuchs kein Thema ist, und es gibt viele Frauen, für die Nachwuchs nie ein Thema sein wird. Zeiten also, in denen der Zyklus eher als Belastung und nicht als Gewinn empfunden wird. Dabei, und das wissen nur die wenigsten Frauen, können wir ganz einfach den Spieß umdrehen – und von unserem Zyklus profitieren. Ja, tatsächlich, Forschungsergebnisse zeigen: Auch wenn wir besonders gut sind, kann das an den Hormonen liegen.

Und vor allem daran, wie wir sie uns zunutze machen.

Aber dafür müssen wir nicht nur unsere starken Tage genau kennen. Wir müssen auch wissen, wie wir Stärken aus den vermeintlich schwachen Tagen ziehen. Müssen lernen herauszufinden, in welcher Phase wir uns im Moment befinden. Warum wir gerade, denn das ist kein Zufall, so sind, wie wir sind. Und welche Strategie im Moment die beste ist: schweigen – oder reden. Durch Zurückhaltung gewinnen – oder erfolgreich auftrumpfen.

Denn auch auf andere wirken wir niemals gleich. Jeden Tag senden wir unbewusst Signale aus, die Kollegen, Freundinnen, Partner, Fremde ebenso unbewusst wahrnehmen. Und zwar immer anders: Stehen unsere Hormone günstig, machen wir nicht nur mehr aus uns, sehen wir besser aus. Sondern andere trauen uns auch mehr zu.

Was Frauen Monat für Monat spüren, beschäftigt zunehmend auch die Wissenschaft. Seit einigen Jahren ist der weibliche Zyklus nicht mehr nur ein Thema für Gynäkologen. Auch Psychologen, Evolutionsbiologen, Marketingexperten oder Hirnforscher interessieren sich dafür, ob und wie die Hormone unser Verhalten beeinflussen. In den letzten Jahren sind dazu jede Menge Studien erschienen. Wir haben mit einigen der Wissenschaftler gesprochen. Freuen Sie sich auf interessante Interviews, und erfahren Sie, warum sich Werbestrategen für den Zyklus interessieren, was die Pille mit russischem Roulette zu tun hat und warum Männer beim Anblick einer schönen Frau die Ärmel hochkrempeln.

So amüsant das klingen mag: Der Blick auf den Zyklus ist und bleibt eine heikle Sache. Wer will schon, dass Entscheidungen, die man trifft, die Art und Weise, wie man sich anderen gegenüber verhält, nur noch als Resultat einer bestimmten Hormonkonstellation gewertet werden? Die Frau als Sklavin ihrer Eierstöcke – bitte seien Sie sich sicher: Das ist das Letzte, was wir Autorinnen wollen.

Andererseits erleben wir selbst immer wieder, dass gewisse Tage anders sind als andere. Dass wir im Rückblick doch den einen oder anderen Termin hätten anders legen sollen. Dass wir manchmal zu anderen so fies sind, dass wir uns selbst kaum wiedererkennen, und manchmal so selbstbewusst, dass uns alles gelingt. Wir erleben uns ja täglich selbst im Umgang mit anderen, in der Bewertung von Freundinnen und Kolleginnen. Nicht zuletzt haben wir beide miteinander unsere Erfahrungen gemacht, in der Zusammenarbeit als Chefinnen. Vielleicht konnten wir dieses Buch nur gemeinsam schreiben, weil wir an verschiedenen Redaktionsstandorten arbeiteten, also beruflich immer eine Fernbeziehung hatten.

Als Leiterinnen weiblich dominierter Teams kennen wir schnelle Wetterwechsel in der Stimmung. Wir wissen um die besonderen klimatischen Bedingungen in Konferenzen, Budgetverhandlungen und Personalgesprächen unter weiblichen und männlichen Vorgesetzten.

Nicht selten aber haben wir uns geärgert, dass wir am falschen Tag am falschen Ort waren, obwohl wir es – mit einer Zyklusstrategie – hätten besser wissen können, denn viele Termine bestimmt man selbst. Die Beschäftigung mit dem Thema half uns zu erkennen, wann uns die Hormone im Weg stehen. Und wann sie uns pushen.

Verantwortlich dafür sind keine individuellen Gefühlslagen, sondern richtiggehende Regeln. Gesetzmäßigkeiten, die nicht nur für uns gelten, sondern für die meisten Frauen. Also auch für Sie.

Das ist einer von vielen Gründen, warum für die Wissenschaftler, mit denen wir für dieses Buch sprachen, das Thema Zyklus so ungemein spannend ist. Auch vielen der Frauen, mit denen wir im Zuge unserer Recherche Gespräche führten, war das so noch nicht bewusst. Wir baten sie, uns zu erzählen, wie sie sich im Verlauf ihres Zyklus erleben, ob sie gewisse Regelmäßigkeiten entdecken, wie sie mit bestimmten Tagen umgehen – und was sie überhaupt davon halten, den Zyklus zum Thema zu machen. Denn so richtig viel spricht man normalerweise ja nicht darüber. Das hat mit Kulturgeschichte zu tun, aber auch mit persönlicher Sozialisation: Welchen Stellenwert der Zyklus für uns hat, hängt davon ab, wie unsere Mütter und Großmütter mit dem Thema umgingen. Wurde darüber gesprochen? Durfte man als Mädchen Fragen stellen, und wurden sie beantwortet? Wie eine Frau zu ihrem Zyklus steht, hängt aber auch davon ab, welche Erwartungen sie an sich selbst stellt.

Natürlich haben wir auch mit Männern gesprochen. Und wir wissen: Wir werden eine mehr oder weniger geheime männliche Leserschaft haben.

Dieses Buch will den Blick für eine neue Sichtweise öffnen. Der Zyklus und sein Einfluss auf unser Denken, Fühlen und Handeln, das kann für uns Frauen ein Baustein unserer persönlichen Erfolgsstrategie sein. Doch dazu müssen wir zunächst wissen, was die Zyklushormone mit unserem Körper anstellen. Wie diese Botenstoffe arbeiten, wie sie den Kreislauf von Eireifung und Menstruation steuern und wo sie dabei im Körper wirken. Wie sie uns beeinflussen: unseren Orientierungssinn oder unsere Art und Weise, Geld zu investieren. Unsere Konkurrenzbereitschaft, für welchen Mann wir uns entscheiden, und womöglich auch, welchen Politiker wir wählen. Und natürlich, was und wie wir einkaufen. Wir haben jetzt eine sehr gute Entschuldigung, wenn wir morgens mal wieder mehr Zeit vor dem Kleiderschrank und im Bad verbringen müssen. Aber wir geben auch Antworten auf die Frage: Haben wir Einflussmöglichkeiten, und wenn ja, welche?

Und wir erzählen, was sich in unserem Leben auf einmal alles ändern kann, wenn wir die Pille nehmen – oder absetzen. Wenn wir unbeschwert Sexualität genießen, unsere Karriere planen – oder unsere Familie. Mit hormonellen Verhütungsmethoden haben wir heute alle Möglichkeiten.

Frauen, die die Pille nehmen, werden möglicherweise manche Tage anders erleben als Frauen mit natürlichem Zyklus. Das hat, wie der natürliche Zyklus auch, seine Vor- und Nachteile. Erfahren Sie in den folgenden Kapiteln mehr darüber, wie die künstlich hergestellten Hormone den Zyklus beeinflussen und damit auch unsere Männervorlieben, unsere Lust und unsere Launen.

Leider konnten wir in unserem Buch lesbische Frauen nicht berücksichtigen, weil es kaum wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Zyklus und Homosexualität gibt. Das liegt unter anderem daran, dass für Zyklusstudien meist heterosexuelle Frauen gesucht werden. Forscher reduzieren ihre Probanden häufig auf den Durchschnitt. So können sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Beispiel in Verhaltensweisen besser identifizieren, einen Mittelwert finden. Einen Trend abbilden.

Lassen Sie sich überraschen, was die Forscher so ans Licht bringen. Sie werden bei manchen Erkenntnissen lachend rufen: »Ja, das ist doch bei mir genauso!« Und Sie werden an anderen Stellen empört sagen: »Ich doch nicht!« Ob Sie sich wiedererkennen oder nicht: Die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien treffen keine Aussagen über Individuen, lassen sich nicht eins zu eins auf jede von uns übertragen. Sie spiegeln ebenjenen Trend wider. Wenn Sie also sagen: »Ich doch nicht!«, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Sie haben entweder intensiv funktionierende Abwehrmechanismen. Oder Sie haben recht.

Vielleicht macht dieses Buch etwas mit Ihnen. Vielleicht werden Sie eine neue Sicht auf sich selbst und Ihren Zyklus bekommen. Werden besser kommunizieren. Dinge anders anpacken. Beziehungen im Job und im Privaten entspannter gestalten. Als Frau zufriedener und erfolgreicher arbeiten. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen.

PS: Einige von uns Frauen sind überzeugt, dass immer nur die anderen schuld sind, wenn sie mal wieder gereizt und missgestimmt sind. Nach dem Motto: »Hormone! Doch nicht bei mir! Das ist was für Schwache …« Das geht Ihnen auch so? Na immerhin – Sie haben sich dieses Buch besorgt. Lesen Sie ruhig weiter. Es muss ja niemand erfahren … ;–)

KAPITEL 1

OHNE HORMONE GEHT ES NICHT

Die Taktgeber des Zyklus

Einmal rundherum. Und dann wieder von vorn. Frauen drehen sich im Kreis. Immer und immer wieder. Oder sagen wir besser: Ihre Biologie dreht sich, ihr Hormonkarussell. Im Schnitt rund 400-mal in ihrem Leben machen verschiedene Cocktails an Zyklushormonen die Runde durch unseren Körper.

»Meine Hormone bringen mich um«, denken wir, wenn uns das prämenstruelle Syndrom (PMS) an den Tagen vor den »Tagen« das Wasser in die Augen treibt, nur weil der Chef eine kritische Bemerkung gemacht hat. »Hormonhuhn«, denken wir, wenn die beste Freundin am Mädelsstammtisch mal wieder kein gutes Haar an denen lässt, die nicht dabei sind. »Das sind die Hormone«, sagen wir resignativ-achselzuckend, wenn die pubertierende Tochter uns die Zimmertür vor der Nase zuknallt. Hormone – das klingt nach »unberechenbar«, nach »nicht zu steuern« und ein bisschen immer auch nach »Triebe, Lust und Liebe«.

Dass der Zyklus mehr als drei Jahrzehnte eines Frauenlebens prägt, ist in der Natur des Frauseins angelegt. Und doch sind es erst wenige Generationen von Frauen, die den Monatszyklus in dieser Regelmäßigkeit erleben, wie wir es heute tun. Schlicht aufgrund der Tatsache, dass Frauen früher häufiger schwanger waren oder ein Kind stillten und in dieser Zeit keinen Eisprung erlebten und somit auch keine Blutung.

Heutzutage, so könnte man glatt sagen, ist er die Regel.

Und zugleich ist der Zyklus so individuell, wie wir Frauen es nur sein können. Ein Thema, bei dem jede mitreden kann und doch nur weiß, was sie selbst erlebt. Da gibt es die Pragmatikerinnen: »Ist halt so. Blöd nur, wenn’s im Urlaub losgeht, kurz bevor ich in den Pool springe.« Es gibt die gut Organisierten, die immer Berge von Notfalltampons in der Tasche haben und entsprechend große Taschen. Und die Zicken, die ihrer Umwelt und vor allem sich selber das Leben schwermachen.

Bei manchen Vertreterinnen unseres Geschlechts lässt sich das Wohlbefinden nur mit großen Mengen an Schokolade wiederherstellen, was wiederum auf die Dauer zu anderem Unwohlsein führt. Und es gibt viele, die Monat für Monat Schmerzen aus der Hölle haben und doch kaum jemanden finden, der sie versteht. Weil jede das anders erlebt. Das gilt auch für die Begleitumstände. Manche Frau hasst es zu bluten – »ich empfinde mich als ungepflegt« – und fühlt sich endlich frei, wenn dann mit der Hormonspirale die Blutung ausbleibt. Und dann gibt es natürlich diejenigen, die froh sind, wenn in der Pilleneinnahmepause die Menstruation kommt, »weil ich dann weiß, dass alles in Ordnung ist«. Eine Umfrage ergab: Ein Drittel aller Frauen hätte am liebsten gar keine Menstruation, ein Drittel fände sie alle drei Monate gut erträglich, ein Drittel kommt mit ihrem normalen Zyklus gut zurecht.

Merken Sie was? Wenn wir über unseren Zyklus sprechen, reden wir eigentlich nur über die Menstruation. Was in den übrigen drei Wochen passiert, ist vielleicht noch interessant, wenn wir schwanger werden wollen oder eben nicht. Dieser Zeitraum ist ja auch vergleichsweise unspektakulär, wenn nicht sogar so unauffällig, dass man ihn oft kaum als Phase wahrnimmt, in der mit unserem Körper etwas geschieht. Dabei sind in dieser Zeit unsere Hormone genauso aktiv. Mindestens.

Sehen wir uns diesen Zyklus einmal etwas genauer an. Und haben Sie keine Angst: Wir umarmen jetzt nicht den Mond, trommeln nicht unsere Fruchtbarkeit, treffen nicht die rote Lola. Wir gucken nur ganz nüchtern, was sich da in unserem Körper abspielt. Das ist nämlich faszinierend genug. Hormone in Höchstform sind wie ein ganzes Uhrwerk an Zahnrädchen, die ziemlich genial ineinandergreifen. Die 28 Tage, die gemeinhin als Dauer eines Zyklus angegeben werden und denen er den Namen »Monatszyklus« verdankt, sind übrigens nicht mehr als ein statistischer Durchschnittswert. 80 Prozent aller weiblichen Zyklen spielen sich in 25 bis 35 Tagen ab. Zeitlich variabel ist vor allem die erste Zyklushälfte bis zum Eisprung. Das gilt nicht nur von Frau zu Frau, sondern auch innerhalb eines Frauenlebens. In einem Zyklus kann der Eisprung am 10. Tag stattfinden, im nächsten ist es vielleicht erst an Tag 15 so weit.

Die Voraussetzungen sind bereits geschaffen, wenn ein Mädchen zur Welt kommt. Mehrere 100000 Eizellen trägt es in seinen Eierstöcken. 400 bis 500 davon werden im Laufe eines Frauenlebens heranreifen. Auch sonst ist alles schon da: Eileiter, Gebärmutter, Eierstöcke. Die nehmen mit Beginn der Pubertät die Hormonproduktion auf. Der Busen wächst, die Schamhaare sprießen, aus dem Mädchen wird optisch allmählich eine Frau. Irgendwann zwischen dem zehnten und vierzehnten Geburtstag erleben die meisten ihre erste Periode, in den folgenden Jahren stellt sich allmählich ein regelmäßiger Zyklus ein. Das Gefühlskarussell, das viele Mädchen – und ihre Eltern – in diesen Jahren erleben, ist dabei wie ein vorweggenommener Hinweis auf das Hormonkarussell, das wir eingangs erwähnten und das jetzt in Gang kommt. Was genau den Schalter umlegt und den Zyklus startet, der Frauen fruchtbar macht, weiß die Hormonforschung bislang nicht. Die Gene spielen eine Rolle. Auch die Lebensumstände; die Periode setzt heute drei Jahre früher ein als vor 100 Jahren, was auch mit der besseren Ernährung zu tun hat.

Das soll jetzt kein Biologieunterricht werden, aber ein wenig in die Details gehen wir noch. Frauen wüssten erstaunlich wenig über ihren Zyklus, konstatierten Wissenschaftler der Yale University nach der Auswertung einer Umfrage unter 1000 Frauen in den USA zwischen 18 und 40. Sie hatten unter anderem wissen wollen: Wann sind die fruchtbaren Tage? Wann sollte man Sex haben, wenn man schwanger werden will? 40 Prozent der Frauen kannten ihren Ovulationszyklus nicht. Einem Viertel der Befragten war nicht klar, dass der Zyklus in der Länge sehr variieren kann. Und nur zehn Prozent wussten, dass man Sex eher vor als nach dem Eisprung haben sollte, wenn man ein Kind zeugen möchte.

Doch ein Karussell, auf das wir 400-mal in unserem Frauenleben aufspringen, lohnt einen näheren Blick. Denn es geht hier nicht um abstrakte physikalische und chemische Formeln – es geht um Ihren Körper. Und es gilt auch hier: Wissen ist Macht. Und der Zyklus, das ist viel mehr als nur eine lästige Blutung.

Auch wenn es in der Natur eines Kreises, eines Zyklus, liegt, dass er keinen Anfang und kein Ende hat: Tag eins eines jeden Zyklus ist der erste Tag der Menstruation, denn irgendwo muss man ja beginnen. Die Regie führt dabei der Hypothalamus, eine kleine, aber machtvolle Schaltzentrale im Gehirn, die unter anderem unser komplexes Hormonsystem steuert. Er gibt den Startschuss, indem er einen Botenstoff mit dem etwas sperrigen Namen Gonatropin-Releasing-Hormon (GnRH) produziert. Er ist an die wenige Zentimeter entfernt positionierte Hypophyse, die Hirnanhangdrüse, adressiert und stößt dort die Produktion des follikelstimulierenden Hormons (FSH) an. FSH macht sich auf den Weg zu den Eierstöcken und lässt dort ein gutes Dutzend Eibläschen heranreifen, die Follikel. Sie schützen die Eizellen und produzieren wiederum selbst ein Hormon aus der wichtigen Familie der Östrogene, das Östradiol. 10 bis 16 Tage dauert diese sogenannte Follikelphase. Die Östradiolkonzentration steigt dabei kontinuierlich an. Das hat Folgen: Die Gebärmutter macht sich unter Östrogeneinfluss für die Aufnahme einer befruchteten Eizelle bereit und öffnet ihre Pforten für den Samen. Die Schleimhaut in der Gebärmutter wächst, der Schleimpfropf im Gebärmutterhals verflüssigt sich. Denn – wir verlieren es leicht aus dem Blick – eigentliches Ziel des Zyklus ist die Fortpflanzung.

Ist alles bereit – was die Hormonzentrale aufgrund des stark gestiegenen Östradiolspiegels registriert –, schüttet die Hypophyse ein weiteres wichtiges Zyklushormon in hoher Konzentration aus, das luteinisierende Hormon (LH). Ein Follikel wächst nun stärker als die anderen, füllt sich mit Flüssigkeit und wird zwischenzeitlich zur größten Zelle des Körpers. Die darin befindliche Eizelle reift so weit heran, dass sie befruchtet werden könnte. LH lässt schließlich das Eibläschen platzen, die Eizelle springt in den Eileiter und begibt sich zwölf bis 24 Stunden lang auf Wanderschaft Richtung Gebärmutter, der Dinge harrend, die kommen mögen – und wenn das Sex ist, kann alles passieren. Manche Frau spürt ihren Eisprung als leichten Schmerz, aber wer nichts merkt, hat auch nichts falsch gemacht. Wann genau das Ei springt, lässt sich nicht vorhersagen – der Zeitpunkt kann von Zyklus zu Zyklus schwanken. Sich bei der Verhütung auf Durchschnittswerte aus vergangenen Zyklen zu verlassen ist deshalb extrem riskant.

Der leere Follikel verwandelt sich in den Gelbkörper, der nicht nur so heißt, sondern auch so aussieht – ein kleiner gelber Punkt im Eierstock. Er gibt der nächsten Zyklusphase ihren Namen, der Gelbkörper- oder Lutealphase. Neben dem Östradiol, das nach wie vor, allerdings in nicht mehr ganz so hoher Konzentration produziert wird, ist nun ein zweites Zyklushormon wichtig: Der Gelbkörper stellt Progesteron her. Dieses sorgt dafür, dass keine weiteren Eizellen heranreifen, und setzt stattdessen die Bauarbeiten in der Gebärmutter fort. Die Schleimhaut lagert Nährstoffe ein und verdichtet sich, um eine befruchtete Eizelle besser halten zu können. Die Körpertemperatur steigt dabei um einige Zehntelgrad an. Wer wissen möchte, wann er einen Eisprung hatte, kann das mit einem regelmäßigen Temperaturcheck am Morgen ganz gut nachvollziehen.

Wird nun die Eizelle im Eileiter befruchtet, macht sie es sich in der Gebärmutter bequem. Das Schwangerschaftshormon hCG lässt den Gelbkörper die Progesteronproduktion weiter hochfahren, ein Teil der Schleimhaut wächst dadurch zur Plazenta, dem Mutterkuchen, heran. Was danach so alles passiert, bis hin zur Geburt, der Einschulung, dem Pferdegeburtstag mit 30 Freundinnen und dem dringenden Wunsch nach einem eigenen Handy mit Spiderman drauf, darauf müssen wir an dieser Stelle nicht groß weiter eingehen.

Wird die Eizelle nicht befruchtet, tut der Gelbkörper alles, um sich überflüssig zu machen, und zerfällt. Die Progesteronausschüttung wird ebenso zurückgefahren wie die Produktion von Östradiol. Sämtliche für eine Schwangerschaft getroffenen Vorkehrungen werden rückgängig gemacht – die Menstruation beginnt, und der Zyklus startet von vorn.

Dafür muss die Schleimhaut weg, die wie eine weiche Tapete die Gebärmutter auskleidet, als Nest für die befruchtete Eizelle, das nicht benötigt wird. Eine Art monatliche Grundrenovierung des Kinderzimmers. Das kann wehtun, weil beim Ablösen der Tapete das Gewebshormon Prostaglandin für Schmerzen sorgt. Außerdem hemmt der vor der Menstruation stark gesunkene Östrogenspiegel die Endorphinausschüttung, das macht schmerzempfindlicher.

Nüchtern betrachtet, ist es nicht viel mit Schleimhautresten gemischtes Blut, das Frauen bei der Menstruation verlieren. 30 bis 80 Milliliter der vier bis fünf Liter, die im Körper zirkulieren, ein Kaffeetässchen voll. Und doch kann es sich nach so viel mehr anfühlen. Womit wir wieder bei der Diskrepanz zwischen Fakten und Wahrnehmung wären. Und bei der Frage, warum wir überhaupt so viel davon mitkriegen, wenn ein paar Hormone irgendwo zwischen Gehirn, Eierstöcken und Gebärmutter unterwegs sind.

Warum zieht es dann im Busen? Warum bekomme ich Pickel? Fühle mich dick und bin mies drauf, kurz bevor die Tage losgehen? Und könnte Bäume ausreißen, wenn alles wieder vorbei ist? Die Hormone beschränken ihre Aktivität eben nicht auf den Unterleib. Sie sind zwar höchst sorgfältig adressiert. Doch die Rezeptoren, die diese Adresse lesen können, sitzen nicht nur auf den Organen, die mit der Fortpflanzung zu tun haben. Es gibt sie überall im Körper.

Sie fassen sich jetzt schon an den Kopf? – »Na klasse, die Frau als Ganzkörperhormonbündel, das kann doch wohl nicht wahr sein!« Das hatten Sie sich von diesem Buch anders erwartet?

Keine Sorge. Niemand schnürt Sie zu einem willenlosen Bündel. Hormone sind nur einer von vielen Faktoren, die unser Befinden ausmachen. Aber sie sind ein Faktor, der Power hat – und das natürlich nicht nur in Bezug auf den Zyklus. Hormone steuern so essenzielle Vorgänge wie das Gefühl für Hunger und Durst, das Empfinden von Hitze und Kälte. Sie treiben den Stoffwechsel an, regulieren den Blutzuckerspiegel, können gute Gefühle erzeugen und tiefe Traurigkeit. Sich damit ein bisschen auszukennen kann nicht schaden, wenn man all das für sich nutzen will – und das wollen Sie doch, oder?

Also bleiben Sie dran. Im nächsten Kapitel begeben wir uns auf eine kurze Tour durch die Chemiefabrik unseres Körpers.

Was sie sind und wie sie uns antreiben

Mit den Botenstoffen unseres Zyklus haben wir erst einen kleinen Teil der Hormone kennengelernt, die in unserem Körper unterwegs sind. Es gibt noch Massen von ihnen, Multitalente und Störenfriede, Effizienzkünstler und Sensibelchen, und sie alle sorgen dafür, dass die höchst komplexen Abläufe, die uns am Leben erhalten und die unser Wohlbefinden erst möglich machen, reibungslos ablaufen. Wie gesagt: Wie in einem mechanischen Uhrwerk müssen viele große und kleine Zahnräder ineinandergreifen. Hormone sind immer aktiv, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Und sie haben Macht: Sie sorgen dafür, dass aus einer befruchteten Eizelle ein Mensch entsteht, lassen 52-Zentimeter-Babys zu 1,95-Meter-Hünen heranwachsen.

Hormone sind auch auf ganz anderen Feldern aktiv. Sie ermöglichen uns die schnelle Flucht bei Gefahr. Sie können Männer zu Frauen machen und Frauen zu Männern. Für die Wissenschaft sind Hormone noch immer eine Art Eisberg: Gerade mal gut 100 bis 150 von ihnen sind einigermaßen identifiziert, rund zehnmal so viele schwimmen sozusagen noch unentdeckt unter der Wasseroberfläche. Was sie natürlich nicht davon abhält, in unserem Körper zu schalten und zu walten.

Die Entdeckung der Hormone liegt noch gar nicht so lange zurück. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts kamen ihnen die beiden englischen Forscher Ernest Henry Starling und William Maddock Bayliss auf die Spur. Ihre Vermutung: Es sind nicht nur die Nerven, über die Informationen weitergeleitet werden. Um das zu beweisen, kappten sie in einem Versuch sämtliche Nervenverbindungen, die zur Bauchspeicheldrüse führten. Das Organ funktionierte trotzdem weiter. Den Substanzen, die das ermöglichten, gaben die beiden Wissenschaftler einen ausgesprochen passenden Namen: Der Begriff »Hormone« stammt vom griechischen Wort »hormao« ab – zu Deutsch »antreiben« oder »anregen«.

Die »Antreiber« werden auch gern als Botenstoffe bezeichnet. Denn Hormone transportieren Informationen, und zwar nicht wie die Nerven in Form schneller elektrischer Impulse, sondern verpackt in chemische Verbindungen, die im Blut zirkulieren oder ins Gewebe freigegeben werden. Das geht nicht ganz so schnell wie auf der Nervendatenautobahn, dafür passt aber in die Hormonbotschaft mehr Information. Und: Sie enthält nicht nur Anweisungen, sondern sie sorgt auch gleich dafür, dass diese umgesetzt werden. Also eine Art Kurier, der Ihnen nicht nur den Brief in den Briefkasten wirft, in dem Ihre beste Freundin Sie nach Berlin zur Hochzeit einlädt, sondern der auch noch gleich dafür sorgt, dass Sie ein Geschenk besorgen, den Koffer packen und ein Zugticket in die Hauptstadt lösen.

Nehmen wir zum Beispiel Adrenalin, das Antreiberhormon schlechthin. Sie sind abends auf dem Heimweg, der Tag war lang, es ist dunkel, Sie sind müde. Da bemerken Sie diesen Typen hinter sich. Und als Sie schneller gehen, kommt es Ihnen vor, als beschleunige auch er seine Schritte. Ihr Herz rast, kalter Schweiß bricht Ihnen aus, alle Sinne sind fast schmerzhaft auf Empfang geschaltet, Sie checken schon mal die möglichen Fluchtwege. Höchstwahrscheinlich völlig grundlos. Aber Ihr Körper hat Sie vorsorglich in die Lage versetzt wegzurennen.

Denn das Gehirn interpretiert das Konglomerat an Eindrücken – Dunkelheit, unbekannte Menschen, niemand anderes in der Nähe, schwer einschätzbare Situation – als Stress und schaltet auf »Alarm«. Das kurbelt die Produktion von besagtem Adrenalin an, einem wahren Tausendsassa-Hormon, das die Herzleistung steigert, den Stoffwechsel hochfährt, die Sinne schärft und dafür sorgt, dass Energiereserven in Form von Glukose freigesetzt werden.

Hat es seinen Job erledigt, baut der Körper das Adrenalin durch Bewegung wieder ab. Eine eigentlich clevere Eigenschaft, die uns heute allerdings zu schaffen machen kann. Wer erfolgreich vor der Gefahr flüchtet – und das war ja zu Zeiten unserer Jäger-und-Sammler-Vorfahren häufiger notwendig, wenn der nächste Säbelzahntiger auftauchte –, bringt damit gleichzeitig den Adrenalinspiegel auf Normallevel. Der Körper kommt wieder zur Ruhe. Heute erleben wir Stresssituationen, die sich oft nicht körperlich ausgleichen lassen. Wenn die Projektpräsentation in zwei Stunden fertig sein muss, aber ständig Kollegen mit Fragen in der Tür stehen, können wir nicht in gestrecktem Galopp durch den Notausgang fliehen. Wenn wir eigentlich losmüssen, um unser Kind aus der Kita abzuholen, die Chefin aber jetzt doch noch einen Auftrag hat, können wir nicht zähnefletschend auf sie losgehen. Oder sollten es zumindest nicht.

Ohne Bewegung bleibt das Adrenalin länger im Körper aktiv als notwendig. Und das macht uns nervös und unruhig, weil die bereitgestellte Energie nicht aufgebraucht werden kann. Deshalb rast das Herz auch zu Hause noch weiter, obwohl sich der Typ in der dunklen Straße längst als harmlos herausgestellt hat.

Produziert werden Hormone an vielen Stellen im Körper. In der Bauchspeicheldrüse, in den Eierstöcken, in den Hoden, in der Schilddrüse, in den Nebennieren, aber auch in der Muskulatur oder in der Haut. So viele dezentral gelegene Abteilungen erfordern eine effiziente Steuerung, das ist in unserem Körper nicht anders als in einem Unternehmen. Der Body hält es dabei mit klassischen Hierarchien: Es gibt einen Boss, der fast immer sagt, wo’s langgeht.

Den haben wir schon kennengelernt: Welches Hormon wann, wo und in welcher Menge aktiv wird, entscheidet sich vor allem im Hypothalamus. Gerade einmal so groß wie ein Fünf-Cent-Stück ist diese Zentrale im Gehirn, die mit dem Nerven- und dem Hormonsystem gleichermaßen verbunden ist und in der unzählige Informationen einlaufen, über Körperfunktionen ebenso wie über Sinnesreize. Der Hypothalamus sammelt die Daten, wertet sie aus und sorgt dafür, dass die notwendigen Reaktionen in Gang kommen.

Wenn wir zum Beispiel morgens vor Kälte bibbernd an der Bushaltestelle stehen, ist der Hypothalamus schuld (na ja, ein bisschen vielleicht auch wir selbst, weil wir die Pumps einfach schicker fanden als die Winterboots, aber das tut jetzt nichts zur Sache). Die Kältesensoren in der Haut machen nämlich im Gehirn Meldung. Und der Hypothalamus weist die Muskeln an: »Zittert!« Das erzeugt Wärme. Die Füße sind immer noch kalt? Ja, auch das verantwortet der Boss in der Schaltzentrale. Er sorgt nämlich außerdem dafür, dass das Blut vor allem die wichtigen Organe wärmt. Konzentration auf das Wesentliche sozusagen. Die Adern in den Fingern und Zehen haben das Nachsehen.

Oder nehmen wir den Heißhunger auf Süßigkeiten. Auch er entsteht im Gehirn. Im Hypothalamus läuft die Nachricht ein, dass der Blutzuckerspiegel zu niedrig und damit die Energieversorgung nicht mehr sichergestellt ist. Jetzt muss schnell was passieren: Essen, sofort! Eine ganze Kaskade von Reaktionen startet: Der Magen knurrt, die Laune sinkt in den Keller, und uns läuft nicht nur sprichwörtlich das Wasser im Mund zusammen, denn die Speicheldrüsen fahren in freudiger Erwartung schon mal die Produktion hoch. Ein Schokoriegel wirkt jetzt am schnellsten. Kein Wunder, Zucker geht besonders schnell ins Blut. Ist allerdings auch genauso schnell wieder aufgebraucht. Und der Hypothalamus bekommt wieder Arbeit.

Aus der eigentlichen Hormonproduktion hält sich der Hypothalamus weitgehend heraus. Aus gutem Grund. Denn wegen der sogenannten Blut-Hirn-Schranke, die das sensible Gehirn von den nicht immer ganz berechenbaren Verhältnissen in den Adern abschottet, könnte er seine Botschaften gar nicht in die Blutgefäße und damit auf die Reise schicken. Doch Oberboss Hypothalamus hat gleich um die Ecke, ein Stockwerk tiefer, einen loyalen Assistenten, nämlich die Hirnanhangdrüse. Sie schüttet Steuerungshormone aus, die wiederum in den Hormondrüsen überall im Körper die gewünschten Schalter umlegen, wie es ja auch – wir erinnern uns – beim Zyklus der Frau geschieht.

Der Hypothalamus gibt zwar den Ton an, ist aber durchaus bereit, auf seine Mitarbeiter zu hören. Wenn die ihm zum Beispiel mitteilen, dass es nun aber gut ist mit dem Stress, dann regelt er die Produktion von Stresshormonen entsprechend wieder herunter; das wiederum ist anders als in vielen Unternehmen.

Oft sind zwei miteinander korrespondierende Hormone an diesen ausgeklügelten Regelkreisläufen beteiligt. Die Bauchspeicheldrüse zum Beispiel, die übrigens unabhängig von der Schaltzentrale im Gehirn tätig ist, produziert und speichert neben Verdauungsenzymen die Hormone Insulin und Glucagon. Sie regulieren als Gegenspieler den Zuckergehalt im Blut. Denn der sollte immer auf einem einigermaßen gleichmäßigen Niveau liegen. Nach einer binnen Minuten inhalierten Tafel Frustschokolade ist das verständlicherweise nicht mehr der Fall. Die Bauchspeicheldrüse reagiert auf die Nachricht »Alles so süß hier« mit einer Portion Insulin. Es fungiert als eine Art Türöffner und bahnt dem Zucker den Weg aus dem Blut in die Zellen, wo er als Energielieferant entweder direkt verbrannt oder eingelagert wird. Ist der Zuckergehalt im Blut zu niedrig, dann kommt Glucagon ins Spiel und sorgt dafür, dass die Zuckerlager in der Leber und in der Muskulatur angezapft werden und Zucker zurück in die Blutbahn gelangt.

Damit solche ausgeklügelten Informationssysteme funktionieren, ist es entscheidend, dass die Botschaft auch ankommt. In den rund 100000 Kilometern an Blutgefäßen in unserem Körper könnte man sich schließlich durchaus auch mal verfahren.

Doch Hormone finden ihre Zieladresse perfekt, die Deutsche Post hätte daran ihre wahre Freude. Sie können aufgrund ihrer Struktur nur an den Zellen andocken, die sie aktivieren sollen, ihr chemischer Schlüssel passt nur in ein ganz bestimmtes Schloss. Zellen können dabei eine ganze Reihe von Schlössern haben, jedes gültig für ein bestimmtes Hormon. Damit nicht genug. Es macht auch einen Unterschied, ob dieser Rezeptor auf Zellen im Verdauungstrakt sitzt oder in der Muskulatur. Nehmen wir noch einmal das Adrenalin. Damit wir bei Gefahr schneller wegrennen können, kurbelt es die Durchblutung in Beinen und Armen an. In Sachen Darmtätigkeit dagegen wirkt es als Bremse. Hat ja auch durchaus Vorteile, auf der Flucht nicht auf die Toilette zu müssen.

Wie viele Türen sich in unserem Körper öffnen und wie viele Schlüssel dafür umgedreht werden müssen, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Manche reagieren sensibler auf Hormonschwankungen, manche weniger. Manche schütten allein unterwegs auf der dunklen Straße mehr Adrenalin aus, manche weniger, abhängig auch davon, welche Situationen unser Gehirn als gefährlich interpretiert. Auch Alter, Tagesform, Gewicht, Erfahrungen und diverse andere Faktoren haben ein Wörtchen mitzureden. Das macht es so schwierig, Hormonwerte zu deuten, die eine Laboruntersuchung ergeben hat. Umgekehrt gilt: Ein identischer Hormonspiegel bedeutet nicht unbedingt dieselbe Befindlichkeit. Eine Frau, der Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Depressionen die Tage vor den »Tagen« zur Hölle machen, kann dieselben Werte aufweisen wie eine Frau, die das Wort »PMS« nur vom Hörensagen kennt.

Es ist auch mitnichten so, dass im Körper einer jeden 35-Jährigen gleich viel Östrogen zirkuliert. Wie viel an Hormonen unsere Drüsen ausschütten, haben wir zum Teil geerbt, wobei Abweichungen vom Durchschnitt nicht unbedingt ein Problem sein müssen. Die möglichen Schwankungen sind bei einigen Hormonen enorm.

Wann Hormonschwankungen das komplexe System aus dem Takt bringen, ist deshalb kaum vorhersehbar. Wenn es allerdings aus dem Tritt gerät, kann das angesichts der vielseitigen Fähigkeiten der Botenstoffe gravierende Auswirkungen haben. Ein gutes Beispiel ist unsere Schilddrüse. Die Hormone, die das schmetterlingsförmige Miniorgan im Hals produziert, sind wahre Alleskönner. Sie steuern wichtige Funktionen des Herz-Kreislauf-Systems ebenso wie Stoffwechsel und Verdauung. Feuert die Schilddrüse zu viele Hormone ins Blut, macht uns das nervös, wir können uns nicht mehr konzentrieren, schlafen schlecht. Haben wir zu wenig Schilddrüsenhormon in unseren Adern, verlangsamt sich der Stoffwechsel, wir legen an Gewicht zu, sind antriebslos und schnell müde.

Das verändert – natürlich – auch unser Verhalten. Wer immer erschöpft ist, wird im Job keine Bäume ausreißen, wird weniger mit Freunden unterwegs sein. Doch das gilt nicht nur für hormonelle Fehlfunktionen. Ins Blickfeld der Wissenschaftler rückt deshalb immer mehr die Frage, wie die Hormone grundsätzlich unser Verhalten beeinflussen. Ein Lieblingskind der Hormonforschung ist derzeit das Oxytocin. Von ihm werden Sie in diesem Buch noch einiges lesen. Denn es ist ein gutes Beispiel dafür, dass Hormone nicht nur körperliche Vorgänge an- oder abschalten, sondern auch Gefühle beeinflussen können, je nachdem, in welcher Situation und wo sie gerade zugange sind – richtig: Gefühle!

Bei der Liebe zum Beispiel. Oxytocin, auch Bindungshormon genannt, bringt die Geburt in Gang, sorgt für das Gefühl der Nähe zwischen Mutter und Baby, lässt die Wehenschmerzen schnell vergessen, regt den Milchfluss an und erleichtert das Stillen. Es wird aber auch in großen Mengen während des Orgasmus ausgeschüttet, und es kann die Bande zwischen Partnern festigen.

Wir dürfen also durchaus Respekt haben vor den großen Fähigkeiten der kleinen Antreiber. Sie regulieren nicht nur körperliche Prozesse. Sie beeinflussen auch unsere Stimmung und unser Verhalten. Sie prägen unsere Persönlichkeit.

Vielfalt der Biologie: Nicht alles läuft nach dem gleichen Programm

Es sind die gleichen Hormone, es ist der gleiche Ablauf. Und doch erlebt jede Frau ihren Zyklus anders. Das beginnt schon mit der Frage, wie lange er zu dauern hat. Viele Frauen stressen sich grundlos, weil sie nicht auf die 28 Tage kommen, die die gynäkologischen Lehrbücher vorsehen, obwohl Zykluslängen von 25 bis 35 Tagen als völlig unauffällig gelten.

Was in dieser Zeit passiert und wie wir das Hormon-Auf-und-Ab wahrnehmen – da gibt es unendlich viele Variationen. Was sind Sie für ein Typ? Gehören bei Ihnen jedes Mal die Tage dazu, an denen Sie, ehrlich gesagt, unausstehlich sind? Oder ganz viel Kompensation brauchen? Haben Sie schon mal einen Kinotermin verschoben, weil Sie genau wussten, dass Sie beim Happy End wie ein Schlosshund heulen? Oder freuen Sie sich, wenn wieder diese Phase kommt, in der das Aftershave Ihres Partners ganz besonders gut riecht …?

Die Zyklushormone Östrogen und Progesteron verrichten ihr Werk nicht still und heimlich irgendwo zwischen Gebärmutter und Eierstöcken. Das Auf und Ab im Hormonspiegel zeigt im ganzen Körper Wirkung.

Steigt der Östrogenspiegel, wird die Haut glatt und elastisch, weil die Zellen Feuchtigkeit besser speichern können. Die Talgdrüsen arbeiten erfreulich unauffällig, Unreinheiten verschwinden. Selbst eine antientzündliche Wirkung wird dem Hormon zugeschrieben. Wir sehen so richtig gut aus.

Aber wo’s raufgeht, geht’s auch wieder runter: Wenn die Pickel sprießen, können wir schon mal die Tampons einpacken. Kurz bevor die Menstruation einsetzt, fällt der Östrogenspiegel in den Keller. Jetzt bekommt das Testosteron Oberwasser. Das männliche Sexualhormon, das auch ein Frauenkörper in kleinen Mengen produziert, kurbelt die Produktion der Talgdrüsen an, was bei vielen Frauen vor den »Tagen« für unreine Haut sorgt.

Dazu gesellt sich gern noch ein »Bad Hair Day«: Störrisch und stumpf hängen die Strähnen herab, die sich vor ein paar Tagen doch noch willig in Form föhnen ließen. Auch hier waren Östrogene am Werk. Sind sie reichlich vorhanden, kurbeln sie das Wachstum an, die Haare wirken voll und gesund. Sinkt der Spiegel, lässt der Effekt nach. Die gute Nachricht: Nach ein paar Tagen geht’s wieder aufwärts.

Für viele Frauen ist der Zyklusverlauf am Hosenbund ablesbar. Kurz bevor die Periode beginnt, lagert der Körper Wasser ein, der Bauch fühlt sich unangenehm aufgebläht an, der Gürtel zwickt. Wenige Stunden nach Einsetzen der Blutung ist der Spuk wieder vorbei, der Körper schwemmt das überflüssige Wasser aus. Das kann auf der Waage durchaus mal mit einem Kilo weniger zu Buche schlagen und zu ziemlich unbegründeten Freudenjuchzern führen.

Auf den Schlaf nehmen die Geschlechtshormone offenbar ebenfalls Einfluss. Wobei auch hier wieder gilt: Die Biologie ist ein Meister der Vielfalt. Bei der Hormonwirkung gilt das ganz besonders. Dasselbe Hormonniveau kann die eine Frau um den Schlaf bringen, während die andere davon überhaupt nichts merkt. Die Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zwischen Hormonen, Umwelteinflüssen und psychischen Faktoren sind noch weitgehend unerforscht.

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