Diebesküsse - Rebecca May - E-Book

Diebesküsse E-Book

Rebecca May

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Beschreibung

Maia plant einen Diebeszug. In der Nacht des Juwelenballs wird sie in sich unter die Gäste schmuggeln und den Magierclan um einige seiner Schätze erleichtern. Nur eine Handvoll der Schmuckstücke würde all ihre Probleme lösen! Aber Maia muss schnell feststellen, dass sie nicht als Einzige hinter den Juwelen her ist. Auch der Dieb Aden hat sein Auge auf die Schätze geworfen. Als Aden Maia vorschlägt, gemeinsame Sache zu machen und mit ihm zusammen in der Ballnacht zuzuschlagen, stimmt sie widerwillig zu: Aber auch wenn sie am liebsten einen Bogen um den Mann machen will - wenn sie an die Schätze des Clans kommen will, braucht sie seine Hilfe. Diebe in ihrer Nähe zu haben ist gefährlich für Maia und sie kann den Moment, an dem sie Aden nie wieder sehen muss, kaum erwarten. Doch während sie zusammen ihren Diebstahl planen, ist es auf einmal Maias Herz, das in Gefahr schwebt, gestohlen zu werden...

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Contents

Diebesküsse

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Epilog

Rebecca May

Impressum

Diebesküsse

Magical Kisses

von

Rebecca May

KAPITEL 1

Die Holzdielen unter Maias Füßen knarrten, und sie hielt erschrocken inne. Doch es blieb still in der Villa. Mondlicht ergoss sich durch die großen Glasfenster in das Arbeitszimmer, in dessen Mitte sie sich nun befand. Polstersessel standen zu ihrer Rechten, die linke Wand wurde fast gänzlich von einem Schrank eingenommen. Vor sich erblickte sie das Ziel des nächtlichen Ausflugs: ein gewaltiger Schreibtisch, der beinahe die gesamte Breite des Raums einnahm.

Langsam bewegte sich Maia auf ihn zu, darauf bedacht, ja keinen Lärm zu erzeugen. Ihr honigblondes Haar hatte sie unter einer dunklen Kapuze verborgen. Sie fühlte sich wie eine Diebin. Dann verdrehte sie über sich selbst die Augen. Sie war gerade in ein fremdes Clanhaus eingestiegen, weil sie etwas stehlen wollte. Sie war eine Diebin. Nun, wenn alles nach Plan läuft, werde ich bald eine sein.

Nervös linste sie über ihre Schulter. Hatte sie sich das eingebildet oder tatsächlich Schritte vor der Tür gehört? Das Haus der Minar war für seine regelmäßigen Tagesabläufe bekannt, daher sollten um diese Zeit alle Clanmagier schlafen. Maja hatte sich durch eines der unteren Teezimmer Zugang in das Anwesen verschafft und weder dort noch in den heikleren Momenten auf dem Weg zu dem Arbeitszimmer hatte sie einen Mucks vernommen.

Auch nun waren es wohl nur ihre Nerven gewesen. Sie atmete durch und richtete den Blick erneut auf ihr Ziel – den Schreibtisch des Oberhauptes der Minar. Er thronte am Stirnende des Raumes und passte mit seinem Prunk zum Ruf des Juwelenclans. Doch an diesem Abend war sie nicht auf der Suche nach den bunten Steinen des Hauses. Nicht, dass Maia die Edelsteine nicht mit Handkuss nehmen würde, wenn ihr welche in einer der Schubladen entgegenrollen sollten. Aber so bekannt die Minar für ihren Reichtum waren, so bekannt war auch, dass sie ihre Sammlung sorgfältig versteckt hielten. Mit einer einzigen Ausnahme – der Nacht des Juwelenballes.

Mit angehaltenem Atem durchschritt Maia das Zimmer des Clanoberhauptes. Hier würde sie die Aufzeichnungen finden, die verrieten, wo in der Stadt die Juwelen des Clans vor dem großen Ball aufbewahrt wurden. Wenn es nach ihr ginge, würde am Ende des Balles zumindest ein Stück dieser Sammlung ihr gehören, doch dafür brauchte sie den Lageplan und – Was war das?

Aber das Geräusch war wieder verstummt, falls es überhaupt existiert hatte. Ihr Herz schlug hart gegen die Rippen und ihr Magen war ein harter Klumpen. Maia war mehr als bereit, ihre Karriere als Diebin an den Nagel zu hängen, noch bevor sie wirklich begonnen hatte. Doch sie war bereits hier, im Haus, direkt vor dem Tisch, der ihr verraten würde, was sie wissen wollte. Sie könnte sich nie verzeihen, wenn sie nun kniff.

Entschlossen steuerte sie das Ungetüm von einem Möbelstück an, das darauf wartete, von ihr erkundet zu werden. Mit einer Hand auf dem seidigen Holz umrundete sie den Tisch und beugte sich zu den Schubladen. Maia streckte die Hand nach dem Knauf der obersten Schublade aus – und blickte direkt in zwei blaue Augen, die unter dem Schreibtisch hervorsahen.

»Guten Abend«, erklang eine dunkle, männliche Stimme.

Mit einem erstickten Schrei wollte sie zurückweichen, doch der Arm des Mannes schoss vor und hielt sie fest.

»Leise«, zischte der Fremde.

Leise? Er hatte tatsächlich den Finger vor den Mund gehoben. Da dämmerte ihr, dass sich ein rechtmäßiger Bewohner des Anwesens kaum verstecken würde, falls jemand das Zimmer betreten sollte. Sie verengte die Augen. Die Papiere in den Händen des Mannes sahen verdächtig nach den Aufzeichnungen aus, wegen denen sie gekommen war. Ihr Herzschlag beruhigte sich ein wenig. Er hatte wohl genauso wenig etwas hier zu suchen wie sie.

»Lass mich los«, gab sie ebenso scharf zurück. Die Finger des Mannes lagen immer noch um ihr Handgelenk. Seine Augen wurden schmal und einen Wimpernschlag lang wusste Maia, wie es sich anfühlen musste, verhaftet zu werden.

»Solange du nicht davonläufst. Oder schreist«, setzte er hinzu, obwohl ihm klar sein musste, dass sie an keinem davon Interesse hatte. Sein Blick bohrte sich immer noch in sie und zwang sie zu einer Antwort.

»Wieso sollte ich eines davon tun?«, knurrte sie. »Ich will das Haus nicht aufwecken und ich habe immer noch nicht das, weswegen ich hier bin.«

»Und das wäre?«, erkundigte er sich, während er sie tatsächlich losließ.

Maia atmete innerlich auf. Ihre magische Gabe erlaubte ihr zwar, jedes Schloss zu öffnen, aber damit hatte es sich. Sie verfügte weder über Kampfmagie noch besaß sie einen Feuerblick, egal wie oft sie sich vor allem letzteren schon gewünscht hatte.

Für den Moment wirkte es, als hätte der Fremde sie vergessen. Er war ans Fenster getreten und studierte die Notizen. Das Mondlicht zeichnete seine konzentrierten Gesichtszüge unter dem blonden Haar nach. Er war groß, fast zwei Köpfe größer als sie, und sie schätzte ihn auf Ende zwanzig, nicht viel älter als sie selbst. Vergeblich versuchte sie, einen besseren Blick auf die Schriften in seiner Hand zu erhaschen Maia rieb sich das Handgelenk und überlegte, wie sie ihn dazu bringen konnte, ihr die Aufzeichnungen zumindest kurz zu überlassen.

Sie wollte die Verhandlungen mit dem Mann gerade eröffnen, als sie es beide hörten – Schritte. Dieses Mal war kein Zweifel möglich. Es waren eindeutig Schritte und sie kamen auch noch rasch näher, begleitet vom lauten Lachen zweier Männer.

Maia wechselte einen panischen Blick mit dem Fremden, der die Papiere soeben zurück in die Schublade stopfte. Im nächsten Moment eilten sie beide auf den großen Schrank zu. Maia riss die linke Tür auf und starrte erschrocken auf die Wand aus Schubladen, die sich vor ihr erhob. Hier konnte sie sich nicht verstecken! Der Mann neben ihr hatte die andere Seite geöffnet, die Jagdgewand beherbergte. Ohne ein Wort packte er sie an der Schulter und zog sie mit sich hinein inmitten der Mäntel. Maia griff nach der Tür und schloss sie hastig hinter sich, keine Sekunde zu früh: Ohne Rücksicht auf den Rest des schlafenden Hauses zu nehmen, trampelten die Neuankömmlinge in den Raum.

»… ob er die perfekte Partie ist.«

»Selbst wenn nicht, sie hat sich ihn in den Kopf gesetzt. Hier, halt das.« Die Zimmertür wurde schwungvoll zugeschoben. »Sie will ihm sogar den Partnerstein geben, du wirst da nicht mehr viel ausrichten können, alter Freund.«

»Das werden wir sehen«, grummelte der ›alte Freund‹, doch im Kontrast zu seinen Worten war seine Stimme mehr ein ergebener Seufzer. Maia hörte das Klirren von Gläsern und dann wurde eine Flasche entkorkt. Ihr Herz sank. Oh nein! Wie lange wollten die beiden hierbleiben?

Der wollene Stoff der Jagdmäntel kratzte an ihrer linken Wange. Die rechte war an die Brust des Fremden gepresst. Der Geruch von leicht verschwitztem Stoff stieg ihr in die Nase, doch es war nicht unangenehm. Eine warme Note lag darunter und Maia blinzelte. Fast hätte sie ihr Gesicht in seinen Mantel gebohrt, um sicherzugehen, dass sie sich nicht täuschte. Sie waren in einem stickigen Schrank, doch der Mann neben ihr roch nach Wald. Das sind sicher die Jagdmäntel und nicht er. Sein Herz schlug ruhig und gleichmäßig, keine Spur von Nervosität, während Maia übel vor Angst war. Im Schrank war es zu finster, als dass sie einen Blick auf sein Gesicht erhaschen konnte. Hatte sie sich getäuscht? War er gar kein Dieb, sondern doch ein Adeliger? Ihr wurde kalt.

Wenn er zu einem Magierclan gehörte, konnte er sie mit einem einfachen Wort für den Rest ihres Lebens in den Kerker werfen lassen. Was er in dem Raum zu suchen gehabt hatte, während sie, eine Clanlose, dort eingestiegen war, würde für die Stadtwache nicht von Bedeutung sein. Sobald eine Familie mächtig genug war, dass der Clanrat sie als eigenes Haus anerkannte, galten für diese andere Regeln als für den Rest der Bevölkerung, gleich, ob sie Magie besaß oder nicht. Sie schluckte nervös.

Die Clanhäuser spielten einander gerne Streiche und wenn sie sich dabei gegenseitig auf die Schliche kamen, hatten sie in den wenigsten Fällen Konsequenzen zu fürchten. Ganz im Gegenteil zu dem Rest der Bevölkerung, der in einer Situation wie dieser hier tausend Tode sterben würde.

Sie musste ein Geräusch von sich gegeben haben, denn seine Hand legte sich auf ihren Mund. Nicht fest, mehr eine sanfte Erinnerung, dass der kleinste Laut sie beide verraten konnte.

Maia nickte, um zu signalisieren, dass sie achtsamer sein würde. Sie spürte Schwielen an seinen Fingern und entspannte sich ein wenig. Clanmagier verrichteten keine körperliche Arbeit, die Spuren auf ihrer Haut hinterließ, und das bedeutete … Sie schluckte erneut. Ihre Erleichterung erstarb. Es war immer noch besser, dass sie einem gewöhnlichen Dieb in die Arme gelaufen war statt einem der Magierschaft, doch das warf nur andere Probleme auf.

Ich hätte nie hierherkommen sollen. Doch sie brauchte die verdammten Pläne! Ohne die Pläne würde sie die Juwelen nie rechtzeitig vor dem Ball finden und dann konnte sie den Clan nicht bestehlen und dann war der Gelbe Falter verloren. Was sie sich immer und immer wieder vorgebetet hatte, um sich selbst Mut zu machen, war nun zurückgekommen, um ihr die Verzwicktheit ihrer Lage vor Augen zu führen. Ihr Leben lang war sie vor Leuten wie diesem Fremden davongelaufen und nun … nun würde sie mit ihm zusammenarbeiten müssen. Wenn er sich überhaupt dazu überreden lässt. Hatte er gesehen, was auf den Schriftstücken gestanden war? Würde er das Wissen mit ihr teilen?

Langsam sah sie zu ihm auf. In der Dunkelheit des Schrankes leuchteten seine Augen plötzlich in einem unnatürlichen Licht auf. Dann öffnete sich die Schranktür, und Maia blieb das Herz stehen.

KAPITEL 2

Der ältere Mann, der nun vor ihnen stand, studierte die Jagdmäntel nachdenklich. Auf seiner Brust glänzte das Wappen des Minarclans. Sein Blick glitt über Maia hinweg, als wäre sie nicht da.

Sie wagte nicht zu atmen. Ihr Herz donnerte schmerzhaft in ihrer Brust. Die Arme des Fremden lagen fest um sie und sie war sich sicher, dass sie ohne ihn etwas Unüberlegtes getan hätte. Wie schreiend aus dem Raum zu laufen.

Schließlich griff der Mann nach einem der Kleidungsstücke und zog eine Börse aus der Tasche. Dann schob er die Schranktür zu. Er sagte etwas zu dem anderen im Raum, doch was immer es war, ging in dem Rauschen in Maias Ohren unter. Schwach vor Erleichterung ließ sie sich nach vorne sinken. Die Arme des Fremden hielten sie weiter fest.

»Dein erster Einbruch?« Er klang amüsiert, doch die Frage verlangte eine Antwort. Eine Antwort, die sie verweigerte. Sein Atem strich über Maias Wange, als er sagte: »Du musst dir keine Sorgen machen, dass sie uns hören.«

»Deine Magie?«, flüsterte sie. Der Lichtstreifen, der durch die angelehnte Tür fiel, verlor an Bedrohlichkeit.

»Ja. Und bevor du denkst, ich hätte dich in den Schrank gezogen, um dich in den Armen halten zu können: Ich kann uns hier ungesehen machen, aber nicht in einem Zimmer.« Maia versteifte sich. Sie hätte sich gerne aus seiner Umarmung gewunden, doch es gab in dem Schrank nicht viel Bewegungsspielraum. »Nicht, dass ich mich beschwere«, kam es jetzt von ihm. »Ich kann mir schlimmere Momente vorstellen, als mir mit einer hübschen Diebin ein Versteck zu teilen.«

Maia biss sich auf die Lippen, bevor ihr entschlüpfen konnte, dass sie keine Diebin war. Es war besser, wenn der Fremde sie für eine Kollegin hielt. Außerdem: In ein paar Nächten würde sie eine sein.

»Hübsch, aber nicht sonderlich gesprächig«, stellte der Dieb fest. Sein blondes Haar hing ihm in die Stirn, als er auf sie hinabsah. Er entließ sie aus der Umarmung und stieß die Schranktür auf.

»Nicht!« Sie griff nach seiner Hand, doch es war zu spät. Ihr Versteck war keines mehr. Doch statt zwei aufgebrachter Clanmitglieder entdeckte sie … niemanden. Das Zimmer war verlassen, sie und der Dieb waren die Einzigen hier. Die beiden Männer waren längst wieder gegangen und in ihrer Nervosität hatte Maia nichts davon mitbekommen. Röte schoss ihr ins Gesicht. Professionalität hatte sie bis jetzt keine bewiesen. Hastig ließ sie seinen Arm los. Sein Lächeln ignorierend stieg sie aus dem Schrank und ging zurück zum Schreibtisch. Zwei benutzte Gläser und eine halbvolle Flasche waren zurückgelassen worden.

Maia kniete sich vor die Schublade und blätterte durch die Papiere. Doch keines davon beinhaltete die Aufzeichnungen, die sie brauchte. Sie schluckte einen Fluch hinunter und stand auf. Hatten die Clanmagier sie mitgenommen oder hatte der Dieb zuvor bloß so getan, als ob er sie zurückgelegt hätte? Sie musterte ihn. Sie hatte kein Knistern von Papier gehört, als sie im Schrank an seinen Mantel gepresst gewesen war, doch das bedeutete nicht, dass er die Pläne nicht doch am Körper trug.

»Ich nehme an, du bist ebenfalls auf der Suche nach den Lageplänen der Juwelen vor der Ballnacht?« Der Fremde stand noch vor dem verschlossenen Schrank.

Maia nickte nur.

»Die sind nicht hier, glaub mir, ich habe gesucht.«

Mit neuer Heftigkeit regte sich Misstrauen in ihr. Wie hieß es doch gleich? Keine Ehre unter Dieben? Doch aus irgendeinem Grund glaubte sie ihm dann doch.

»Hast du eine Idee, wo sie sein könnten?«, fragte sie.

»Ich fürchte, die Planungsmeisterin für den Ball hat die Unterlagen.«

»Oh«, murmelte Maia. Das waren keine guten Nachrichten. Die Magierin, die den Ball für den Clan ausrichtete, war stadtbekannt und niemand, mit dem man sich anlegen wollte. Irgendetwas polterte im Haus, und Maia zuckte zusammen.

»Komm.« Der Dieb öffnete die Tür zum Flur. »Lass uns von hier verschwinden.«

Sie folgte ihm ohne Widerspruch in den dunklen Gang. Er nahm einen anderen Weg als den, über den sie in die Clanvilla eingestiegen war. Wie selbstverständlich bewegte er sich durch das Anwesen. Vielleicht verlieh ihm seine Magie Nachtsicht, aber womöglich war es auch nur Erfahrung, die er im Gegensatz zu ihr gesammelt hatte. Er macht das hier eindeutig nicht zum ersten Mal.

Im Unterschied zu ihr wusste er vermutlich, wie er doch noch an den Plan kommen konnte, der das Versteck der Minarjuwelen verriet. Ich muss ihn irgendwie dazu bringen, mit mir zusammenzuarbeiten. Der Gedanke war ihr so fremd wie das Haus, durch das er sie führte. Mit einem Dieb zusammenzuarbeiten … Hatte die Angst ihr kurzfristig den Verstand geraubt? Nur die Götter wussten, wie er reagieren würde, wenn er von ihrer speziellen magischen Gabe erfuhr. Nun gut, bis jetzt hat er mir nur geholfen … Ja, und sie wollte nicht herausfinden, wie rasch sein Wohlwollen ins Gegenteil umschlagen konnte.

Entschieden verwarf sie die aberwitzige Idee wieder und schlich ihm grimmig nach. Sie hatte genug Probleme, ohne dass sie sich ein neues in der Gestalt des blonden Magiers in ihr Leben holen musste.

So leise wie möglich tappte sie hinter ihm eine Kellertreppe hinunter, um zwei Gänge später wieder Stufen hinaufzugehen. Das Clanhaus war um einiges verwinkelter als auf dem Plan, den sie davon bekommen hatte. Das Wissen, das Dienstboten benötigten, unterschied sich offenbar deutlich von dem, was Verbrecher brauchten.

Der Mann öffnete eine schwarz gestrichene Tür, die Maia in dem Zwielicht übersehen hätte. Kühle Nachtluft und der Geruch von Kräutern schlugen ihr entgegen. Sie mussten in der Nähe des Küchengartens sein. Geduckt folgte sie dem Dieb über das kurze Stück Rasen, bevor die Bäume der Auffahrt sie vor eventuellen Blicken aus dem Haus verbargen. Seine Haare schimmerten im Mondlicht fast golden. Anders als sie schien er sich keine Sorgen darüber zu machen, dass es ihn in der Nacht verraten konnte.

Vor einer Steinmauer blieben sie stehen. Sie war um einiges höher als das Tor, über das Maja geklettert war. Doch noch bevor sie etwas sagen konnte, hatte der Dieb sich bereits neben die Wand gestellt und hielt ihr seine Hände als Aufstiegshilfe hin.

»Danke«, wisperte sie, bevor sie sich mit seiner Unterstützung hochzog. Als sie auf der Mauerkrone zu sitzen kam, streckte sie die Hand nach unten, doch er schüttelte den Kopf. Mühelos schwang er sich neben ihr auf den Steinwall und landete einen Moment später auf der anderen Seite auf dem Boden. Maia tat es ihm gleich.

Immer noch schweigend ließen sie das Anwesen mit raschen Schritten hinter sich. Die Gegend um sie herum blieb ruhig. Hin und wieder durchstreifte ein Nachtvogel den Himmel und Blätter raschelten, als sich kleine Tiere ihren Weg durch die weitläufigen Gärten suchten. Verzierte Tore unterbrachen in regelmäßigen Abständen die Mauern der Villen, deren parkähnliche Anlagen sich hier aneinanderreihten. Vereinzelt ließen Bäume ihre Zweige über die Begrenzungen hängen und ein Nachtfalter flatterte um die geschlossenen Blüten eines Busches. Als sie die nächste Seitenstraße erreicht hatten, blieben sie in stillem Einverständnis stehen.

»Ich …«, begann sie, doch nein, sie würde ihn nicht um Beistand bitten. Es war einfach zu riskant. »Danke«, sagte sie stattdessen. »Für deine Hilfe«, fügte sie unnötigerweise hinzu, doch die forschende Art, mit der er sie ansah, machte es ihr unmöglich, den Mund zu halten.

»Es war mir eine Freude«, war seine gelassene Antwort. Viel zu gelassen, wenn man bedachte, dass der Einbruch für sie beide ein Reinfall gewesen war und fast in einem Desaster geendet hätte.

»Ich schulde dir etwas«, hörte sich Maia zu ihrem Entsetzen sagen. Ihr Magen krampfte sich bei ihren rausgerutschten Worten zusammen, doch es war zu spät. Mit angehaltenem Atem wartete sie auf seine Erwiderung. Sie war einer ganzen Stadt davongelaufen, um nichts mit Dieben zu tun zu haben, und nun …

Er winkte ab. »Nicht dafür. Aber wenn du mir unbedingt etwas geben willst, wie wäre es mit deinem Namen?«

»Maia«, stellte sie sich nach kurzem Zögern vor. Mit ihrem Namen würde er nicht viel anstellen können, weder als Magier noch als Dieb. Oder?

»Aden.« Und bevor sie sich versah, küsste er ihre Hand. »Gute Nacht, Maia, und komm gut nach Hause.« Er betonte Letzteres mit einer merkwürdigen Ernsthaftigkeit. Nicht drohend, eher so, als ob er tatsächlich um ihr Wohlergehen besorgt wäre. Noch bevor sie etwas erwidern konnte, schritt er bereits zielstrebig die Straße hinunter, scheinbar mit seinen Gedanken bei dem nächsten Punkt auf seiner Liste für diese Nacht.

»Du … auch?«, brachte sie viel zu spät über die Lippen, als er längst außer Hörweite war.

Glocken erschollen in der Ferne und brachten sie ins Hier und Jetzt zurück. Schon so spät?! In ein paar Stunden musste sie im Blumenladen sein. Wenn sie auch nur ein wenig Schlaf bekommen wollte, war es schleunigst an der Zeit, nach Hause zu kommen. Eilig duckte sie sich in die Schatten der anderen Gasse, die sie zum Falter bringen würde.

Kapitel 3

Maias Ziel war das ehemals gelbe Haus, das sich mit seinem Strohdach zwischen zwei Handwerkshäuser gedrängt hatte. Niemand hätte den Gelben Falter von außen als einladend bezeichnet. Die Glasfenster waren blind vor Schmutz und wiesen Sprünge auf. Der Putz war größtenteils von der Hauswand abgeplatzt und gab den Blick auf die Ziegelwand frei, in deren Ritzen Moos wucherte. Am neuesten war die Eingangstür, doch auch das dicke Holz wies Spuren von Einbruchsversuchen und betrunkener Wut aus der Zeit auf, als sie noch Teil eines anderen Hauses gewesen war.

Trotzdem weckte der Anblick des Hauses immer eine Welle von Dankbarkeit in Maia. Hier hatte sie Zuflucht gefunden, als sie nicht mehr ein noch aus gewusst hatte, hier hatte die Wirtin Tala sie dem Blumenhändler vorgestellt, bei dem sie Arbeit und Lohn gefunden hatte. Wäre die Falter-Wirtin nicht gewesen, hätte Maia auch in dieser Stadt keine Ruhe vor den Diebesbanden gefunden, die die Gabe besaßen, solche wie sie im Handumdrehen aufzuspüren.

Liebevoll legte sie ihre Hand auf die Türklinke. Die letzten Gäste waren schon lange aufgebrochen, die Aufräumarbeiten in den Küchen und Schankräumen erledigt. In den kurzen Stunden nach Mitternacht und vor Sonnenaufgang schlummerte auch dieser Teil der Stadt friedlich. Doch selbst zu den wilden Zeiten musste Maia sich nicht fürchten. Der Gelbe Falter und seine Wirtin waren eine Institution in dem Viertel und der Schutz hatte sich mit der Zeit auf sie übertragen. Sie zog den Schlüssel hervor und drehte ihn im angerosteten Schloss. Es war nicht zu bestreiten, dass die kleine Schenke schon bessere Tage gesehen hatte. Doch das hatte die ganze Straße und das Viertel, in dem sie lag, und so teilte der Falter sich die Kundschaft mit den anderen Wirtshäusern der umliegenden Gassen. In diesem Jahr war die Kundschaft weniger geworden. Viel weniger. Und die meisten Räume über dem Schankraum standen leer. Wie viele andere Gaststätten gab es auch Zimmer zur Miete, und Maia wohnte seit fast drei Jahren in der kleinen Schenke. Ihre Füße lenkten sie wie von selbst durch die leeren Wirtsräume und zu der schmalen Treppe, die zu den Wohnräumen führte. Das Holz knackste in seiner vertrauten Melodie, und ihre Tür entsperrte sich mit einem Klicken, als freute sich das Zimmer ebenfalls, sie wiederzusehen.

Ihr Raum war klein, doch er hatte alles, was sie benötigte: ein Bett, eine Kommode mit Waschschüssel, einen kleinen Tisch mit einem wackeligen Stuhl und ein loses Bodenbrett, das sich wunderbar als Geheimversteck eignete.

Maia gähnte lautstark. Jetzt, da sie zu Hause und in Sicherheit war, spürte sie, wie müde sie nach dem langen Tag war. Viel Schlaf würde sie nicht bekommen, bevor sie wieder im Laden Blumen verkaufen musste. Trotzdem holte sie den Villenplan unter dem Brett hervor, unter dem sie ihn verborgen hatte. Sie strich das Papier glatt und begutachtete den Grundriss mit einem leisen Seufzen. Sie hatte Monate gebraucht, um das Innenleben des Hauses durch vorsichtige Befragung von Dienstboten und anderen Lieferanten Stück für Stück zusammenzusetzen. Sie hatte gedacht, das Clanhaus ausreichend zu kennen, doch der Weg, den sie zusammen mit dem Mann hinaus genommen hatten, war ihr völlig neu gewesen. Die Gestalt des blonden Diebes tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Er hatte nicht gewirkt wie die Verbrecher, mit denen sie bisher unfreiwillig Bekanntschaft geschlossen hatte. Im Gegensatz zu diesen hatte er etwas fast übermäßig Korrektes im Umgang mit ihr gehabt. Hätte ich ihn doch um Hilfe bitten sollen? Doch sie verbat sich diesen Gedankengang sogleich wieder. Denn ganz abgesehen davon, dass sie ihm nicht mit ihrer Gabe trauen konnte: Je mehr Leute von dem Diebstahl wussten, desto eher würde es sich nach der Tat in der Stadt herumsprechen. Pelin war zwar keine allzu kleine Stadt und groß genug, wenn man bestimmten Leuten aus dem Weg gehen wollte. Aber dennoch klein genug, dass sich Neuheiten und Tratsch innerhalb eines Vormittages wie ein Lauffeuer von einem Ende der Stadt zum anderen verbreiteten. Weswegen die Verlobung der Tochter des Oberhauptes der Minar in der Nacht des Juwelenballes längst in aller Munde war. Obgleich ungeklärt war, ob die Tochter selbst davon wusste, wenn ihr der Tratsch bis jetzt noch nicht zu Ohren gekommen war.

Maia griff nach dem Stift und zeichnete die neu begangenen Gänge und Zimmer im Minaranwesen ein, bevor sie die genaue Lage vergessen konnte. Wäre dieser Aden nicht gewesen, hätte es anders ausgehen können. Der Gedanke daran ließ sie schwer schlucken. Doch sie war hier und nicht im Kerker, und sie würde einen Weg finden, an eines der Schmuckstücke des Clans zu kommen.

Entschlossen schob sie den Plan unter das Bodenbrett, als ihre Fingerspitzen gegen etwas Kaltes stießen. Es war die Brosche der Kell, die ihr aus dem kleinen Versteck entgegenschimmerte. Es war ein einfaches, silbernes Oval, das den Rosenstrauch des Clans in seiner Mitte hatte. Ein simpler Zierrahmen umfasste die Blumen und das Namenszeichen der Kell.

---ENDE DER LESEPROBE---