Dies ist das ewige Leben - Christian Briem - E-Book

Dies ist das ewige Leben E-Book

Christian Briem

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Beschreibung

Der Apostel Johannes bedient sich einer schlichten Sprache. Mit einfachen Worten und Sätzen drückt er jedoch tiefgründige Wahrheiten aus. Das wird gerade auch in seinem ersten Brief deutlich. Diese Auslegung bietet eine gründliche Vers-für-Vers-Betrachtung des ersten Johannes-Briefes. Sich anhand dieses Briefes mit der Herrlichkeit des Herrn Jesus und den Vorrechten der Familie Gottes zu beschäftigen, wird jeden gläubigen Leser mit Dank und Freude erfüllen.

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ISBN Printversion: 978-3-89287-270-2 ISBN E-Book: 978-3-89287-275-7 © 2022 Christliche Schriftenverbreitung e.V. und www.bibelkommentare.deDieser Kommentar ist im Internet veröffentlicht unter: www.bibelkommentare.de/ebooks/uid?cmt.810.epubKontakt: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Historische Bemerkungen

Irrtümer

Merkmale des neuen Lebens

Wie Johannes redet

Überblick und Gliederung

Mit Gott im Licht

Gemeinschaft mit göttlichen Personen

Merkmale des göttlichen Lebens

Neuer Abschnitt – Gliederung und Einleitung

Gehorsam – Quelle des Segens

Die Familie Gottes - Vorrechte und Gefahren

Gliederung des Abschnitts

Sündenvergebung

„Väter“

„Jünglinge“

Eine textliche Besonderheit > Böse, schlecht

„Kindlein“

Zum zweiten Mal: „Väter“

Zum zweiten Mal: „Jünglinge“

Zum zweiten Mal: „Kindlein“

Gerechtigkeit - Merkmal der Kinder Gottes

Bleiben in Christus

Beschämung bei Seiner Ankunft

Gerechtigkeit wirken

Die Liebe des Vaters

Was wir sein werden

„Sünde tun“

Über das Wegnehmen von Sünden

Zwei unterschiedliche Familien

Liebe - Merkmal der Kinder Gottes

Bruderliebe

Vertrauen zu Gott

Gottes Wohnen in uns unser Wohnen in Gott

Einführung

Noch einmal Gebote

Eine zweifache Segnung

Die Gabe des Heiligen Geistes

Gott ist Liebe

Keine Furcht in der Liebe

Das Zeugnis Gottes

Wie Christus gekommen ist

Gesegnete Ergebnisse des Todes Christi

Drei Zeugen

Das Zeugnis Gottes über Seinen Sohn

Gott gibt ewiges Leben

Leben im Sohn

Den Sohn haben

Das Leben des Glaubens

Der Wert des geschriebenen Wortes

Kühnheit im Gebet

Das Gebet für den Bruder

Summa Summarum

Die neue Natur – ihr Wesen

Die neue Natur – ihr Ursprung

Eine unerwartete Warnung

Einleitung

Seit jeher haben die Schriften des Apostels Johannes eine besondere Anziehungskraft auf die Kinder Gottes ausgeübt. Zum einen wohl deshalb, weil sich diese Dokumente direkt an sie als Familie Gottes richten. Zum anderen aber – und das mag von noch größerem Gewicht sein – sehen sie darin die Person des Herrn Jesus unmittelbarer vor sich gebracht als in jedem anderen Teil des Neuen Testaments. Beides werden wir im ersten Brief des Johannes bestätigt finden, dessen Studium wir uns jetzt mit Gottes Hilfe widmen wollen. Beides ist auch geeignet, uns mit unaussprechlichem Glück zu erfüllen.

Historische Bemerkungen

Ähnlich wie der Brief an die Hebräer wendet sich dieser Brief nicht an eine örtliche Versammlung, und wie jener erwähnt er auch keinen Verfasser. Doch ist seine sprachliche und gedankliche Verwandtschaft mit dem vierten Evangelium kaum zu übersehen, so dass wir als sicher davon ausgehen können, dass beide Bücher denselben menschlichen Autor haben: Johannes. Das wird übrigens auch durch Polycarp, einen der frühesten Kirchenväter, bestätigt, der Johannes noch persönlich gekannt hat und ihm diesen Brief zuschreibt. In einer seiner Schriften zitiert er fast Wort für Wort den dritten Vers von Kapitel 4. Auch sein Schüler, Irenäus, führt mehrfach diesen Brief an und nennt Johannes als dessen Verfasser.

Dabei muss das Evangelium vor dem Brief geschrieben worden sein. Denn manches im ersten Brief hätte den Empfängern unverständlich sein müssen, wäre ihnen das Evangelium nicht schon bekannt gewesen. Man nimmt heute allgemein an, dass der erste Brief um 90 n. Chr. entstanden ist, jedoch vor der Offenbarung, deren Entstehung auf 96 n. Chr. datiert wird. Daraus wird auch ersichtlich, dass der Apostel Johannes der letzte noch lebende Apostel war und dass seine Schriften die spätesten des Neuen Testaments sind und somit den Kanon der Heiligen Schriften abschließen. Der Gedanke, dass der Apostel Paulus schon an die zwanzig Jahre bei seinem Herrn im Himmel weilte, bevor schließlich auch Johannes zur Feder griff, um sein Evangelium und noch einige Jahre später auch diesen Brief zu schreiben, lässt uns gewiss nicht unberührt und erfüllt uns mit Ernst.

Irrtümer

Der Herr ließ Seinen Knecht Johannes fast das Ende des ersten christlichen Jahrhunderts erleben und damit eine Zeit, in der bereits ernste Gefahren die junge Versammlung (Gemeinde) bedrohten. Schon kurz nach dem Tod des Apostels Paulus, etwa um 67 n. Chr., entstand unter den Christen – besonders unter denen in Kleinasien – eine Sekte, die später als „Gnostiker“ bekannt wurde. Die Führer dieser Sekte maßten sich an, eine höhere Erkenntnis (gr. gnósis) von Gott zu besitzen als die einfachen Kinder Gottes. Daher die Bezeichnung „Gnostiker“. Sie ließen zwar das Christentum als Ausgangspunkt, als elementare Sache zunächst stehen, behaupteten aber, sie hätten inzwischen neues Licht empfangen, das sie in die Lage versetzt habe, das Christentum weiter zu entwickeln. Für einfache, ungebildete Fischerleute sei es zu Anfang schon ganz recht gewesen, doch nun sei es veraltet und müsse den neuen Erkenntnissen angepasst werden.

Im Besonderen verbreiteten sie – und das machte die Bewegung für die junge Familie Gottes so außerordentlich gefährlich – neue Ideen über Jesus. Wir müssen uns hier nicht mit den falschen Vorstellungen im Einzelnen befassen. Es genügt zu wissen, dass die „Gnostiker“ keine in sich geschlossene, einheitliche Gruppe bildeten, sondern sich in mehrere Richtungen entwickelten. Die eine leugnete die wahre Menschheit Jesu, die andere Seine wahre Gottheit, und wieder eine andere die Möglichkeit, dass Jesus beide Naturen in einer Person besessen haben könne. Es ist beschämend, anmerken zu müssen, dass diese Irrtümer über die Person Jesu sich bis heute in der Christenheit gehalten und weite Verbreitung gefunden haben.

Dass der greise Apostel Johannes beim Verfassen seines Briefes diese Irrlehrer, die er als „Antichristen“ und „falsche Prophe- ten“ brandmarkt (Kap. 2,18; 4,1), im Blickfeld hat, macht ein Satz aus dem zweiten Kapitel des Briefes deutlich: „Dies habe ich euch im Hinblick auf die geschrieben, die euch verführen“ (Vers 26). Es wird uns mit Bewunderung und tiefer Freude erfüllen, wenn wir Gelegenheit bekommen werden, zu sehen, auf welch göttliche Weise der Schreiber diesen Gefahren und Irrtümern begegnet.

Merkmale des neuen Lebens

Aber nicht nur maßten sich die ungläubigen Verführer an, höhere Einsicht über Gott zu haben als die einfachen, ungelehrten Gläubigen, sondern sie bezweifelten auch, dass diese überhaupt ewiges Leben hätten. Das ist der Grund dafür, dass der Apostel in weiten Teilen seines Briefes ausführlich die Kennzeichen des neuen Lebens beschreibt. Er will vor allem die Gläubigen in der Gewissheit des ewigen Lebens befestigen, zugleich aber auch die Betrüger entlarven, die sich zwar eines hohen christlichen Bekenntnisses rühmten, aber nicht zur Familie der Kinder Gottes gehörten. Und so sagt er den Kindern Gottes: „Dies habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes“ (Kap. 5,13).

Eine ähnliche Absicht gibt der Apostel Johannes für sein Evangelium an: „Diese (Zeichen) aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr glaubend Leben habt in seinem Namen“ (Kap. 20,31). Damit werden aber auch die unterschiedlichen Zielsetzungen beider Bücher deutlich: Das Evangelium wurde geschrieben, damit die Menschen^z/fow sollten, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit sie auf diese Weise Leben empfingen. Der Brief dagegen wurde geschrieben, damit die Kinder Gottes, die bereits an den Namen des Sohnes Gottes glaubten, wissen möchten, dass sie ewiges Leben haben.

Wenn wir eben von den Merkmalen des ewigen Lebens sprachen, so besteht auch hier ein Unterschied zwischen dem Evangelium und dem ersten Brief des Johannes. Im Evangelium ist Christus selbst die vollkommene Offenbarung des ewigen Lebens. Auch der Brief bringt Christus als das ewige Leben vor uns, das bei dem Vater war und uns offenbart worden ist. Aber es ist hier mehr Christus, das Leben, in uns als das Leben in Christus, obwohl die Beziehungen zwischen beiden beständig vorhanden sind. Christus persönlich ist der vollkommene Ausdruck des Lebens, das wir haben. Wenn wir also wissen wollen, was für ein Leben wir besitzen, so müssen wir Christus anschauen; und wenn wir all die köstlichen Züge in Ihm sehen, dann können wir beglückt sagen: „Das ist mein Leben.“ Unendliche Gnade! Ja, Christus ist unser Leben, und dieses Leben wird in uns – wie vergleichsweise schwach auch immer – dieselben Charakterzüge offenbaren, die in Ihm gesehen wurden.

Dieses Leben ist die Grundlage des Verkehrs zwischen Menschen und Gott. Der Auslegung dieses gesegneten Gegenstandes wird ein weiter Raum in diesem Brief eingeräumt. Dennoch ist der Grundgedanke dieser: „Und dies ist das Zeugnis: dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn“ (1. Joh 5,11). Auf welche Weise man in den Besitz des ewigen Lebens kommt, ist nicht Gegenstand des Briefes, sondern des Evangeliums.

Wie Johannes redet

Johannes bedient sich einer äußerst schlichten Sprache. Er kommt mit den einfachsten Wörtern und Sätzen aus und spricht damit doch die tiefgründigsten Wahrheiten aus. Beispiele dafür werden wir in diesem Brief genügend finden – Beispiele, die uns sogleich auch die Grenzen unseres Auffassungsvermögens bewusst werden lassen.

Typisch für Johannes ist seine abstrakte Redeweise. Er stellt das Wesen einer Sache vor, sagt, was sie wirklich, was sie vor Gott ist. Nebeneinflüsse, die das Bild trüben könnten, lässt er unberücksichtigt. Darin liegt ein großer Segen. Der Verfasser dieser Zeilen hat Gott oft dafür gedankt, dass der Heilige Geist die Wahrheit durch Johannes in dieser abstrakten Form gegeben hat. So sind wir in der Lage, unbeeinflusst durch unser Versagen und unsere Unzulänglichkeit, zu erkennen, was eine Wahrheit in sich, was eine Segnung wirklich ist. Wer diese abstrakte Betrachtungsweise des ersten Johannes-Briefes nicht erfasst, wird große Mühe haben, den Brief überhaupt zu verstehen. Ermahnungen mögen und werden sich aus den abstrakten Aussagen des Briefes ableiten, aber das Vorgestellte selbst ist keine Ermahnung, sondern ist unumstößliche Tatsache.

Der Dienst des Johannes unterscheidet sich von Grund auf von dem des Apostels Paulus und dem der anderen Briefschreiber des Neuen Testaments.

Paulus spricht von der christlichen Stellung, von den himmlischen Beziehungen der Versammlung Gottes, von der christlichen Verantwortlichkeit. Er zeigt Christus mehr in Seinen offiziellen Herrlichkeiten, zeigt Ihn als den Gegenstand des ewigen Ratschlusses Gottes.

Jakobus wird benutzt, um uns ein Bild des besonderen und abnormalen Zustands der Christen inmitten des Judentums zu beschreiben – eines Zustands, den Gott – historisch gesehen – bis zur Zerstörung Jerusalems im Jahr 70. n. Chr. mit Langmut ertrug.

Petrus leitet die christlichen Fremdlinge aus Israel als Teilhaber der himmlischen Berufung durch die Wüste. Er unterrichtet uns über die gegenwärtige Regierung Gottes im Blick auf Seine Kinder und auf die Welt.

Judas besteht auf heiliger Energie in dem sich verfinsternden Zustand der Christenheit, die rasch dem Abfall entgegeneilt.

Johannes hat ein Thema, das über alle anderen erhaben ist: das ewige Leben in dem Sohn Gottes – ein Leben, das den Kindern Gottes mitgeteilt worden ist. Er entfaltet die göttlichen Beziehungen der Familie Gottes und die besonderen Vorrechte, die den Kindern dieser Familie eigen sind. Johannes spricht von den persönlichen Herrlichkeiten Christi.

Paulus schreibt an die Versammlung, Petrus an die Bekehrten aus Israel, Jakobus an die zwölf Stämme, Judas an die Heiligen, Johannes an die Welt (Evangelium) und an die Familie der Kinder Gottes (Brief).

Diese fünf Briefschreiber mögen uns an die fünf Säulen erinnern, die den Vorhang – ein Bild von Christus – am Eingang des Zeltes der Zusammenkunft trugen (2. Mo 26,37).

In mancher Hinsicht ist der erste Brief des Johannes tiefer als die anderen inspirierten Briefe des Neuen Testaments. Er beginnt direkt mit Christus, und er schließt mit Ihm.

Überblick und Gliederung

Für den ersten Brief des Johannes eine klare Gliederung zu finden, ist stets als Schwierigkeit empfunden worden. Manche Ausleger haben sogar gemeint, dass der Brief überhaupt keine logischen Zusammenhänge habe, die sich vernünftig gliedern ließen. Und wenn doch der Versuch einer Gliederung unternommen wurde, so war das Ergebnis jeweils ein anderes. Dem Verfasser sind jedenfalls von den vielen Auslegern nicht zwei bekannt, die dieselbe Gliederung anbieten. Alle dargebotenen Übersichten haben durchaus etwas für sich und beweisen zumindest eins: Der Brief weist durchaus einen textlichen Zusammenhang auf, der sich nach verschiedenen Gesichtspunkten gliedern lässt.

Es ist wahr, dass der Brief eine Fülle von Einzelheiten und Abschweifungen bietet, deren Zusammenhang und Grund nicht immer leicht zu erkennen sind. Auch werden Versuche zur Gliederung erschwert, wenn man nicht erkennt, dass es sich tatsächlich hier und da um größere oder kleinere Parenthesen (Einschaltungen) handelt. So stellt zum Beispiel der ganze Abschnitt in Kapitel 2 ab Vers 12 bis einschließlich Vers 27 eine einzige gedankliche Einschaltung dar. Lässt man sie einmal weg, wird die Struktur des Textes viel klarer erkennbar.

Für unsere Arbeit soll uns folgende Einteilung des Briefes gleichsam als „oberstes Deckblatt“ dienen:

Gott als

Licht

(Kap. 1 und 2),

Gott als

Liebe

(Kap. 3 bis Kap. 5,5),

Gott als

Leben

(Kap. 5,6 bis Ende).

Wenn ich „oberstes Deckblatt“ sage, so meine ich damit, dass dies das gröbste Raster für die Gliederung des Briefes darstellt, dass darunter jedoch noch andere, feinere Strukturen liegen, die ich jeweils zu Beginn eines neuen großen Abschnittes deutlich machen möchte.

Im Verlauf der Betrachtungen und Erklärungen wird der Leser hier und da auf die Überschrift „Eine textliche Besonderheit treffen. Hier sollen ihm Einblicke in die Aussagekraft und Genauigkeit des griechischen Textes des Neuen Testaments geboten werden. Wir müssen eben immer bedenken, dass nur der griechische Text Wort für Wort von Gott inspiriert oder eingegeben ist (1. Kor 2,13; 2. Tim 3,16), nicht eine noch so gute Übersetzung. Natürlich ist auch sie Gottes Wort, aber die wörtliche Inspiration bezieht sich nur auf den zu Grunde liegenden Text in der Originalsprache. Die griechische Sprache ist eine mächtige Sprache, und sie beweist ihre Stärke besonders im Gebrauch der verschiedenen Zeitformen der Verben (Tätigkeits-Wörter), im Gebrauch des Artikels (Geschlechtswort) und im Gebrauch der Präpositionen (Verhältniswörter). Es gibt Stellen, wo der griechische Text in dieser Hinsicht interessante Besonderheiten aufweist und Zusammenhänge deutlich macht, die dem deutschen Leser im Allgemeinen verborgen bleiben, die aber nicht selten für das richtige Verstehen des Textes von Bedeutung sind. Sie dem Leser nahe zu bringen ist der Wunsch des Verfassers. Diese Erklärungen stellen Einsehcdtungen dar, die im Allgemeinen mitten im Haupttext platziert und durch Einrückung nach rechts kenntlich gemacht sind.

So möge der Herr Seinen reichen Segen auf die Beschäftigung mit diesem kostbaren Teil des Wortes Gottes legen! Möge sie uns zur Anbetung Dessen führen, dessen Liebe bis in den Tod wir alles verdanken!

Mit Gott im Licht

Der erste grosse Abschnitt in diesem Brief umfasst das erste Kapitel und die beiden ersten Verse von Kapitel 2. Dieser Teil enthält praktisch die ganze Lehre des Briefes.

Drei große Wahrheiten werden hier entfaltet:

das

göttliche Leben,

dem Menschen mitgeteilt, und unsere Einführung in die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn kraft dieses Lebens (Kap. 1,1–4): „

Gemeinschaft mit göttlichen Personen“;

die

Natur Gottes,

mit dem wir in Gemeinschaft sind (Kap. 1,5–10):

„Die Botschaft“;

die

Mittel,

die von Gott angeordnet sind, um uns in der Gemeinschaft zu erhalten (Kap. 2,1.2):

„Der Sachwalter bei dem Vater“.

Gemeinschaft mit göttlichen Personen

Ohne einen Hinweis auf den Verfasser des Briefes oder seine Empfänger zu geben, beginnt dieser Brief des Johannes unmittelbar mit Christus. So alles überragend steht die Person des Sohnes Gottes vor dem Auge des Schreibers, dass er selbst vollkommen in den Hintergrund tritt.

Auch scheint angesichts der Erhabenheit und des Ernstes des Gegenstandes keine Zeit zu sein, die sonst üblichen Grüße zu wechseln: Die „letzte Stunde“ war schon angebrochen, und viele waren bereits Antichristen geworden (Kap. 2). Es war in der Tat eine letzte Botschaft an die Familie Gottes, und die Zeit drängte.

Was von Anfang an war

„Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben, betreffend das Wort des Lebens“ (1. Joh 1,1).

Es wird kaum möglich sein, im ganzen Neuen Testament einen Abschnitt zu finden, der reicher und tiefer an Wahrheit ist als die ersten Verse dieses Briefes. Sie behandeln, um es einmal so auszudrücken, den eigentlichen „Kern“ des Christentums.

Johannes, der als Letzter der Apostel „geblieben“ war (Joh 21,22.23), blickt in seinem Brief auf einen bestimmten Anfang zurück; und wir mögen uns fragen, warum er das tut und was er damit meint, zumal er auch sein Evangelium mit einem „Im Anfang“ einleitet. Beginnen wir mit der zweiten Frage.

Wenn in der Heiligen Schrift von einem „Anfang“ gesprochen wird, wird damit in aller Regel der Beginn eines besonderen Zeitabschnitts bezeichnet, der für die Wege Gottes mit den Menschen von Bedeutung ist. In dieser Hinsicht finden wir in der Schrift hauptsächlich vier Anfänge, und wir müssen sie gut voneinander unterscheiden.

Der Anfang der Schöpfung

Die Bibel, Gottes Wort, beginnt mit den erhabenen, wie in Fels gehauenen Worten: „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“ (1. Mo 1,1). Das ist der Anfang der Schöpfung, der Beginn der Zeit. Wie weit dieser Anfang zurückliegt, vermag niemand zu sagen. Es mögen seitdem Milliarden von Jahren vergangen sein.

Eins steht jedoch fest: Es war Gott, der das Universum ins Dasein rief, die sichtbare wie die unsichtbare Welt. Er selbst war vorher da.

Ein Anfang ohne Anfang

Zu Beginn des Johannes-Evangeliums hören wir, wie bereits bemerkt, ebenfalls von einem Anfang; der liegt jedoch noch weit vor dem Anfang der Schöpfung: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses (oder: Er) war im Anfang bei Gott“ (Verse 1.2). In Wahrheit ist dies ein Anfang ohne Anfang, ein zeitloser Anfang.

Zwar lauten die benutzten Wörter in 1. Mose 1 und in Johannes 1 völlig gleich: „im Anfang“, und im Deutschen entsteht „im“ durch Kontraktion (Zusammenziehung) von „in“ und „dem“, das heißt durch Kontraktion von Präposition (Verhältniswort) und Artikel (Geschlechtswort). Im Griechischen weist der Ausdruck in Johannes 1 jedoch eine Besonderheit auf: Vor „Anfang“ fehlt der Artikel. Es heißt einfach nur „in Anfang“, nicht „in dem Anfang“. Das macht deutlich, dass nicht auf einen bestimmten, festen Zeitpunkt hingewiesen wird. Dann hätte unbedingt der Artikel stehen müssen.

Nein, so weit wir in unseren Gedanken in die zurückliegende Ewigkeit gehen mögen, wohin immer wir auch den Punkt setzen mögen – das „Wort“ war da. Ehe irgendetwas begann, wr Er, war der Sohn „bei Gott“. Alles wurde durch das „Wort“ geschaffen, das „Wort“ aber ist ohne Anfang, ist ewig. Gott allein hat in Sich selbst eine ewige Existenz, und „das Wort war Gott“.

Der Anfang des Dienstes des Herrn

Den dritten Anfang erwähne ich eher beiläufig und mehr der Vollständigkeit wegen. Das Markus-Evangelium beginnt mit den Worten: „Anfang des Evangeliums Jesu Christi, des Sohnes Gottes.“ Hier haben wir den Anfang des Dienstes des Herrn Jesus, den Anfang der Predigt des Evangeliums durch den Sohn Gottes.

Ein wenig weiter zurück geht Lukas, wenn er zu Beginn seines Evangeliums von solchen Menschen spricht, die „von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind“ (Lk 1,2).

Der Anfang des Christentums

Der Anfang im ersten Brief des Johannes hat manches mit dem von Lukas 1 gemein: „Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben, betreffend das Wort des Lebens.“

Es fällt uns auf, dass Johannes nicht „Wer von Anfang an war“ sagt, sondern: „Was ...“ Aber da er die Sache, von der er spricht, mit dem „Wort des Lebens“, mit Christus, in Verbindung bringt, können wir davon ausgehen, dass er den Beginn des Christentums in der Person Christi beschreibt. Unser Brief beginnt mit der wunderbaren Tatsache von Johannes 1, Vers 14: „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns (und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater) voller Gnade und Wahrheit.“

Der Ausdruck „von Anfang an“ (anders als „im Anfang“) hat bei Johannes eine besondere Bedeutung. In seinen Briefen kommt er nicht weniger als achtmal vor. Er wird durchweg benutzt, um die Offenbarung einer Person oder Sache zu zeigen, von der gesprochen wird, sie sei gut oder böse. Ein Blick nach Kapitel 3 mag helfen, diesen Gedanken besser zu erfassen. Dort ist vom Teufel die Rede, und es wird von ihm gesagt: „Der Teufel sündigt an“ (Vers 8). Damit wird nicht auf das Bezug genommen, was er war, ehe er der Teufel wurde. Als er jedoch von Gott abfiel, sündigte er von Anfang an. Das ist sein Charakter als Teufel: Er sündigt.

Wenn wir diese Bedeutung des Ausdrucks „von Anfang an“ auf den Herrn Jesus anwenden, zeigen sich uns große Herrlichkeiten. Er war eine göttliche Person, eine Person der Gottheit. Aber Er trat als Mensch in diese Welt ein, war und lebte als wirklicher Mensch in dieser Szene voller Sünde. Und was offenbarte Er hier von Anfang an? Eine ganz andere Art von Leben – das ewige Leben. „Und das Leben ist offenbart worden“ (Kap. 1,2).

Das war in der Tat ein neuer, ein wunderbarer Anfang! Alle früheren Zeitalter offenbarten nur die Geschichte des gefallenen Menschen. Es war die ständige Wiederholung dessen, was der „erste Mensch“ ist. Tausend Jahre mochten vergehen, zweitausend und mehr Jahre – es war doch immer nur die Geschichte des „ersten Menschern. Bis Christus kam, der „zweite Mensch“, der Mensch vom Himmel (1. Kor 15,47), der Sohn des Vaters (2. Joh 3). Er offenbarte ein ganz neues Leben, wie es in seiner ganzen Fülle noch nie zuvor gesehen worden war. Mit anderen Worten: In Seiner Person konnte man sehen, was wahres Christentum ist. Das ist es, was Johannes mit „Was von Anfang an war“ meint.

Keine Entwicklung

Noch ist indes die andere Frage offen, warum der Schreiber auf diesen Anfang zurückgeht. Nachdem wir gesehen haben, was er mit dem Ausdruck „Was von Anfang an war“ meint, ist die Antwort nicht mehr schwer.

Wie in der Einleitung bemerkt, gab es bereits damals, als Johannes schrieb, böse Verführer in der Christenheit, antichristliche Lehrer. Sie verbreiteten falsche Ideen über den Herrn Jesus und gaben vor, neues, höheres Licht in göttlichen Dingen zu besitzen. Damit unterhöhlten sie den Glauben der einfachen Kinder Gottes. Denn wenn die göttliche Wahrheit weiter entwickelt werden musste, wie sie behaupteten, dann war es zu Anfang nicht die Wahrheit gewesen, und dem Glauben der Kinder Gottes wurde vollständig der Boden entzogen.

Das ist der Grund, warum Johannes mit aller Energie hier und immer wieder in seinen Briefen auf das zurückkommt, was von Anfang an war. Als der Sohn Gottes Fleisch wurde, offenbarte Er in vollkommener Weise Gott und das göttliche, ewige Leben. Darüber hinaus kann es nichts geben. Die vollkommene

Offenbarung der Wahrheit durch den Sohn schließt jede Fortentwicklung aus. Etwas Vollkommeneres gibt es nicht. Er selbst ist dev Weg und die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6). Alles, was später als Höherentwicklung des Christentums gelehrt und angepriesen worden ist, ist schlicht Irrtum, ist nicht das, was von Anfang an war. Der Apostel warnt die Kinder Gottes und sagt gleichsam: „Lasst euch nicht von dem blenden, was als neu gelobt wird. Die Wahrheit ist alt. Und was neu ist, ist nicht die Wahrheit. Die Botschaft, die ihr von Anfang an gehört habt, das allein ist die göttliche Botschaft. Darin rnüsst ihr bleiben. Wenn Leute zu euch kommen und sagen, sie hätten eine neue Lehre, ein neues Denksystem, eine neue Offenbarung, dann lasst sie gehen, haltet für euch selbst aber an dem fest, was von Anfang an war – an Christus, offenbart im Fleisch.“

Tatsächlich ist es bis heute die Taktik des Teufels, der offenbarten Wahrheit Gottes menschliche Gedanken und Spekulationen hinzuzufügen, um sie so zu einer „höheren Entfaltung“ zu bringen und für den menschlichen Geist anziehender zu machen. Er lehnt die Wahrheit nicht einfach ab oder bekämpft sie – obwohl er zuweilen auch das tut –, sondern er lässt sie zunächst einmal stehen, fügt aber fremde Elemente hinzu. Das ist weit gefährlicher als offener Widerstand. So behaupten auch heute viele Irrlehrer: „Natürlich glauben wir an die Bibel. Aber hier ist noch eine neue Offenbarung, eine neue Lehre, die die Apostel vor alters noch nicht kannten ...!“

Wir sollten uns mit aller Entschiedenheit von solchen „Angeboten“ abwenden und der Warnung des Apostels Johannes Gehör schenken – einer Warnung, die allein schon in den Eingangsworten seines Briefes verborgen liegt! Wir werden sehr rasch Klarheit bekommen über die Stimme, die zu uns redet, wenn wir fragen: „Ist es das, was von Anfang an war?“

Wie sehr auch die Kirche (Versammlung) versagt hat, wie sehr auch wir selbst zu dem Verfall in der Christenheit beigetragen haben mögen – das, was von Anfang an war, bleibt, weil Christus bleibt. Die in Ihm offenbarte Wahrheit ist unantastbar, und sie bleibt für jeden verfügbar, der danach verlangt. Welch ein tiefer Trost liegt für uns darin in Tagen, die durch Umsturz und Zerfall gekennzeichnet sind!

Das Wort des Lebens

Es gab unter den so genannten „Gnostikern“ eine von Cerin- thus, einem alexandrinischen Juden, angeführte Richtung, die behauptete, dass der Christus der göttliche Geist sei. Erst nach der Taufe sei Er auf Jesus herniedergestiegen und habe von Ihm Besitz ergriffen während Seines ganzen Lebens, sei aber von Ihm gewichen, als Er am Kreuz hing. Dies war eine der vielen Formen böser Lehre, die unter dem Ausdruck „Gnosti- zismus“ zusammengefasst wird. Sie trug einen stark intellektuellen Charakter, wobei in diesem System auch Magie und selbst Unsittlichkeit eine traurige Rolle spielten. Auch heute gibt es innerhalb der Christenheit Menschen, die in der einen oder anderen Form dasselbe sagen: dass Jesus nur der natürliche Sohn von Joseph und Maria und dass Christus ein Geist sei, der von Ihm Besitz ergriff. Dies ist beispielsweise die Grundlehre der so genannten Christlichen Wissenschaft.

Eine andere Richtung unter den Gnostikern leugnete die Wirklichkeit der Menschheit Jesu. Diese Irrlehrer verneinten, dass Er einen menschlichen Körper gehabt habe. Für sie war alles Böse mit dem Stofflichen, mit der Materie verbunden, und es war für sie undenkbar, dass die Gottheit je herabsteigen könnte, um in einer stofflichen Hütte zu wohnen. Für sie war Jesus nur ein Phantom, gleichsam dünne Luft, die man nicht greifen konnte – eine Ausstrahlung Gottes, mehr nicht.

In seinen Briefen begegnet Johannes beiden Irrlehren, ohne sie allerdings direkt zu nennen oder näher zu beschreiben. Dem zuletzt genannten Irrtum tritt er zuerst entgegen, wenn er fortfährt:

„... wir gehört, was wir mit unseren Augengesehen, was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben, betreffend das Wort des Lebens“ (Vers 1).

Noch immer sagt er: „was“, nicht: „wer“, weil er vom „Wort des Lebens“ spricht. Das ist natürlich Christus, aber er nennt Ihn noch nicht persönlich. Es geht dem Schreiber darum, zu zeigen, was in Ihm offenbart wurde, als Er hier war. Er war das „Wort des Lebens“, das heißt, Er gab dem göttlichen Leben völlig Ausdruck. Wunderbare Tatsache! Wenn wir wissen wollen, was ewiges Leben in all seiner Vollkommenheit, in all seiner Reinheit ist, müssen wir den Herrn Jesus anschauen, müssen wir Sein Leben hier auf der Erde betrachten, wie die Evangelien es uns schildern. Das ist es, was Johannes mit „Wort des Lebens“ meint.

Es ist wahr: Mit den Eingangsworten des ersten Verses gibt der Schreiber den Inhalt seines Briefes an. Aber nichtsdestoweniger drückt er darin auch einen Fortschritt in der Erfahrung aus, den sie, die Apostel, im Blick auf Christus erlebt hatten. Was er hier schildert, ist eine sich vertiefende Vertrautheit mit dieser göttlichen Person. Und so bringt jeder der verwendeten Ausdrücke den Herrn Jesus näher zu uns.

Er beginnt mit dem, was sie gehört hatten. Doch es war nicht nur eine entfernte Stimme gewesen. Man mag ja eine Person von Weitem hören, ohne sie auch sehen zu können; sie aber waren dem „Wort des Lebens“ so nahe gekommen, dass er hinzufügen kann: „... was wir mit unseren Augen gesehen haben.“ Doch man mag eine Person sehen, ohne ihr nahe genug zu sein, um sie auch genauer anschauen und betrachten zu können; sie aber waren dem „Wort des Lebens“ so nahe gekommen, dass er hinzufügen kann: „... was wir angesehaut haben.“ Sie hatten Ihn aus nächster Nähe anschauen können. Aber man mag eine Person aus nächster Nähe beobachten, ohne sie auch berühren zu können; sie aber waren dem „Wort des Lebens“ so nahe gekommen, dass er hinzufügen kann: „... was unsere Hände betastet haben.“

In der Tat, Johannes und die übrigen Apostel hatten Christus, das Wort des Lebens, aufs Innigste gekannt. Er war nicht wie „dünne Luft“ bei ihnen gewesen, die man nicht fassen kann, nicht nur eine vorübergehende Vision, sondern ein Mensch von Fleisch und Blut. Sie hatten sich nicht getäuscht.

Hatte nicht der Schreiber in jener letzten, denkwürdigen Nacht selbst zu Tisch im Schoß Jesu gelegen und sich an Seine Brust gelehnt und gefragt: „Herr, wer ist es, der dich überliefert?“ (Joh 13,23; 21,20)? Und nachdem der Heiland auferstanden war – war Er nicht noch am Abend desselben Tages in die Mitte der in Jerusalem versammelten Jünger getreten und hatte sie, weil sie sich fürchteten, aufgefordert: „Seht meine Hände und meine Füße, dass ich es selbst bin; betastet mich und seht, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Gebein, wie ihr seht, dass ich habe“ (Lk 24,39)? Auch acht Tage später geschah etwas Ähnliches, als der Herr zu Thomas sagte: „Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ (Joh 20,27).

Ja, so nahe ist der Unendliche, der Allerhöchste, zu uns Menschen hingekommen! Gott kam in Seine eigene Schöpfung als Mensch, kam so nahe zu uns, dass Er sich uns offenbaren und für unsere Sünden sterben konnte. Das wird uns ewig zur Anbetung leiten.

Wenn hier drei Sinneswahrnehmungen (Hören, Sehen, Betasten) genannt werden, so geschieht das einerseits, um – entgegen den Ideen der Gnostiker – auf die Wirklichkeit der Menschheit Jesu hinzuweisen. Andererseits aber will der Heilige Geist dadurch auch hervorheben, wie geeignet der Schreiber ist, davon zu berichten.

Eine textliche Besonderheit > Zeitformen

Doch sei noch, ehe wir diesen Vers verlassen, auf die unterschiedlichen Zeitformen im griechischen Text hingewiesen, die der Heilige Geist hier benutzt. Sie sind zweifellos nicht „zufällig“ so gewählt. Auch sind es ja gerade die Zeitformen, die der griechischen Sprache so tiefe Ausdrucksmöglichkeiten verleihen. Die beiden ersten Teilsätze lauten:

„... was wir gehört haben“;„... was wir mit unseren Augen gesehen haben“.

Hier wird die Perfekt-Form verwendet. Die beiden nächsten Teilsätze haben dagegen die Aorist-Form, die wir zur Unterscheidung so wiedergeben können:

„... was wir anschauten“;„... was unsere Hände betasteten“.

Wir können uns vorab als Regel merken: Die Perfekt-Form beschreibt im Griechischen die gegenwärtigen Folgen einer Handlung in der Vergangenheit. Sie gibt einen Zustand an, der schon in der Vergangenheit erreicht wurde und der noch andauert. Auch die Aorist-Form ist eine Vergangenheitsform; aber sie ist die typische Erzählform, mit ihr werden historische Vorgänge wiedergegeben.

In den beiden ersten Sätzen mit „haben“ betont Johannes also die bleibenden Ergebnisse ihrer Erfahrungen. Das, was sie von Anfang an gesehen und gehört hatten, war auch dann noch so, als er von diesen Dingen schrieb. Das ist es, was hier durch die Perfekt-Formen ausgedrückt wird. Aber dann hebt er mit den Aorist-Formen die Bestimmtheit der Ereignisse hervor, die die Apostel im persönlichen Umgang mit dem Herrn erlebt hatten. Dazu dient die Aorist-Form. So haben wir zuerst sein Bestehen auf dem, was bleibt; und dann bestätigt er das alles dadurch, dass er historisch von der Vergangenheit berichtet. Oder anders ausgedrückt: Wir haben zuerst eine lehrmäßige und dann eine historische Feststellung.

Die Aussagekraft der unterschiedlichen griechischen Zeitformen ist gerade für die Auslegung des ersten Briefes des Johannes so wichtig. Ich bin deswegen gleich zu Anfang ein wenig näher darauf eingegangen. Wenn der Leser sich diese einfachen Bedeutungen der genannten Zeitformen ein wenig einprägen kann, besitzt er einen guten Schlüssel für das weitere Studium dieses Briefes und der Schrift überhaupt. Es mag und wird noch die eine oder andere Zeitform hinzukommen, aber das sind zuerst einmal die wichtigsten. Wo es angebracht erscheint, werde ich im Übrigen später diese Zeitformen in Klammern durch „Perf.“ und „Aor.“ kenntlich machen.

Um die beiden genannten Zeitformen noch etwas näher zu erläutern, sei noch ein Vers aus dem ersten Korintherbrief als Beispiel angeführt. Dort beschreibt ein anderer Schreiber, Paulus, den Inhalt des Evangeliums und sagt: „Denn ich habe euch zuerst überliefert, was ich auch empfangen habe: dass Christus für unsere Sünden gestorben ist (Aor.) nach den Schriften; und dass er begraben wurde (Aor.) und dass er auf erweckt worden ist (Perf.) am dritten Tag nach den Schriften“ (Kap. 15,3.4). Die heilsgeschichtlichen Tatsachen des Sterbens und des Begrabenwerdens Christi werden durch den Aorist ausgedrückt. Seine Auferweckung wird jedoch durch das Perfekt beschrieben, was so viel bedeutet wie: Er ist damals auferweckt worden, und Er ist noch immer in diesem Zustand; das heißt, Er lebt.

Doch kommen wir zu unserem Text zurück. Wir haben gesehen, dass das ewige Leben in dem Herrn Jesus auf der Erde seinen vollkommenen Ausdruck gefunden hat und dass es etwas Vollkommeneres, dass es eine darüber hinausgehende Offenbarung nicht geben kann. Angesichts der ständigen Bemühungen Satans, unseren Blick von Christus und der in Ihm offenbarten Wahrheit weg und auf irgendetwas Neues hinzulenken, haben wir es immer wieder nötig, zu dem zurückzukehren, was wir „von Anfang an gehört“ haben, damit es in uns „bleibt“. Das macht nicht nur unsere Sicherheit, sondern auch unser Glück aus; denn so werden wir auch „in dem Sohn und in dem Vater bleiben“ (1. Joh 2,24).

Die Offenbarung des Lebens

Der zweite Vers in Kapitel 1 stellt eine Einschaltung dar, in der das im ersten Vers Gesagte näher erläutert und erweitert wird. Der Gedanke des ewigen Lebens wird darin wie folgt aufgegriffen:

„Und das Leben ist offenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns offenbart worden ist“ (Vers 2).

Wenn der Apostel Johannes von „Leben“ spricht, so meint er in den allermeisten Fällen damit das geistliche, göttliche Leben – Leben als Grundsatz. Dafür benutzt er ausnahmslos das griechische Wort „zoe“. Es ist das edelste Wort für „Leben“ im Neuen Testament, und es kommt allein in unserem Brief 15-mal vor. Dieses Leben ist nicht nur ein Leben ohne Anfang und ohne Ende, sondern es ist die Natur Gottes selbst. Nur Gott hat Leben in sich selbst. Johannes unterscheidet daher scharf zwischen diesem göttlichen Leben und dem natürlichen Leben (gr. psychef wie es uns zum Beispiel in Kapitel 3, Vers 16, begegnet: „Er hat für uns sein Leben hingegeben; auch wir sind schuldig, für die Brüder das Leben hinzugeben.“

Christus – das ewige Leben

Während nun im ersten Vers von Christus als dem „Wort des Lebens“ gesprochen wird, zeigt Vers 2 Ihn uns als das „Leben“

oder auch als das „ewige Lebern. Wir müssen also keinen Unterschied zwischen „Leben“ und „ewigem Lebern herstellen. Im Gegenteil: Das „Wort“ ist das „Leben“. Wir werden das sogleich bestätigt finden.

Auf drei Tatsachen von größter Tragweite weist der Heilige Geist in diesem Vers hin:

Die ewige, nicht erschaffene

Existenz

der Person Christi, angedeutet durch die Wiederholung des Ausdrucks „das Lebern mit dem Zusatz „ewig“: Christus ist „das ewige Lebern. Diese Feststellung wie auch die nächste richtet sich gegen die Leugnung der

Gottheit

Christi, wie sich der erste Vers gegen die Leugnung Seiner

Menschheit

wandte. Christus hat nicht nur vom ewigen Leben gesprochen, hat es nicht nur verheißen, sondern Er ist es selbst. „Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben“ (Kap. 5,20).

Seine

Gottheit

in Beziehung zu dem Vater. Dieses ewige Leben war „bei dem Vater“ – seit jeher, seit aller Ewigkeit. Der Herr Jesus war und ist wahrer Gott, wahrer Gott und wahrer Mensch in

einer

Person. Er war, ehe Er Mensch wurde, als das ewige Leben bei dem Vater, von Ihm unterschieden und doch bei Ihm. Wie im ersten Vers des Evangeliums bezeichnet die Präposition (Verhältniswort) „bei“ (gr.

„pros“

mit nachfolgendem Artikel im Akkusativ) nicht nur ein Nebeneinander, sondern eine lebendige Beziehung und innige, persönliche Gemeinschaft mit dem Vater. „Bei dem Vater“ (1. Joh 1,2), „bei dem Gott“ (Joh 1,1.2) – diese Ausdrucksweise müssen wir im höchsten Sinn auffassen. Buchstäblich bedeutet sie „von Angesicht zu Angesicht mit dem Vater (... mit Gott)“. Sie wird weder im Blick auf Engel noch auf Heilige verwendet, sondern nur im Blick auf den Sohn innerhalb der Gottheit. Der Sohn stand und steht in einer einzigartigen Beziehung zum Vater. Sowohl in diesem Brief als auch im Evangelium kleidet Johannes diese unendliche Tatsache in die schlichtesten Worte – ein Beweis mehr, dass der Geist Gottes durch ihn redete.

Seine

Offenbarung

durch Seine Fleischwerdung: Das Leben ist offenbart worden, „uns“ offenbart worden, fügt der Apostel beim zweiten Mal hinzu. Das ist der Grundton, der beherrschende Gedanke des Briefes.

In dem Satz „Das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns offenbart worden ist“ liegt eine besondere Konstruktion vor, die so viel bedeutet wie: „Das ewige Leben, das solcherart ist, dass...“ Es wird also nicht nur eine Feststellung getroffen, sondern es wird der Charakter des ewigen Lebens hervorgehoben. Und was ist der Charakter des ewigen Lebens? Dass es bei dem Vater seine Heimat hat und uns offenbart worden ist.

Unergründliche Gnade, wunderbares Geschehen: Das ewige Leben ist offenbart worden! Mit dieser Offenbarung wollen wir uns nun noch ein wenig näher befassen. Vorab jedoch noch diese Bemerkung: Es ist alles andere als selbstverständlich, dass Gott sich offenbart; denn es liegt an sich nicht im Wesen der Gottheit, sich zu erkennen zu geben. Eine ganze zurückliegende Ewigkeit hindurch hat sie es schließlich nicht getan. Wenn sie es aber dennoch tut, so ist es eben lauter Gnade. Wir vergessen das manchmal.

Eine zweifache Absicht Gottes

„Offenbaren“ bedeutet, das bekannt zu machen, was schon existiert, ob sichtbar oder unsichtbar. Wann und wo wurde nun das Leben offenbart? Nicht, als der Herr noch im Himmel, als Er bei dem Vater war. Erst als der Sohn Gottes Mensch wurde, wurde das Leben, das bis dahin bei dem Vater war, offenbart – hier auf der Erde und nirgends sonst. Das bedeutet nicht, dass die Gläubigen nicht auch schon früher Leben von oben empfangen hätten; aber die Sache als solche war noch nicht offenbart worden.

Als der Sohn Gottes als Mensch auf der Erde weilte, offenbarte Er in Seinem vollkommenen und heiligen Wandel, was ewiges Leben ist. Nun scheint mit der Offenbarung des ewigen Lebens eine zweifache Absicht verknüpft zu sein. Zunächst einmal die, dass Menschen, die für Gott tot waren, dieses ewige Leben durch den Glauben an Christus empfangen sollten. Denn „Gott hat seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt, damit wir durch ihn leben möchten“ (Kap. 4,9). „Dies habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes“ (Kap. 5,13). „Und dies ist das Zeugnis: dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn“ (Kap. 5,11).

Das ist die beglückende erste Seite: Die Offenbarung des Lebens durch den Herrn auf der Erde geschah in der Absicht, dass Menschen an diesem göttlichen Leben teilhaben sollten. Kann jemand diese unendliche Segnung je ganz ermessen?

Aber dann verfolgte Gott mit der Offenbarung des ewigen Lebens durch Seinen Sohn noch eine weitere Absicht: Wir sollten wissen, welcherart das Leben ist, das wir in Ihm besitzen. Das ist nicht minder köstlich. Wenn das ewige Leben in der Person Jesu hier offenbart worden ist, dann müssen wir nicht mehr mühsam danach suchen, weder in uns noch in anderen: Es ist in Ihm vollkommen sichtbar geworden, und zwar in allen nur vorstellbaren Umständen des menschlichen Lebens. Ob Er ein Kind war oder ein Knabe oder ein erwachsener Mann, ob Er im Verborgenen lebte oder in der Öffentlichkeit – immer tat Er kund, welcherart das göttliche Leben ist, das uns geschenkt ist. In allem zeigte Er den Menschen, wer Gott ist.

Wir Kinder Gottes offenbaren das göttliche Leben nur bruchstückartig, der eine diesen lieblichen Zug, der andere jenen. Doch das alles ist nur ein schwacher, unwürdiger Ausdruck davon, was göttliches Leben wirklich ist. Denn tausend Dinge, die wir in unserem Leben zulassen, verdunkeln das Bild. Doch welch ein Trost: Gott zeigt Seinen Kindern, was für ein kostbares Leben Er ihnen in Seinem Sohn gegeben hat! Er ist unser Leben; denn wer den Sohn hat, hat das Leben (Kap. 5,12). In seiner Vollkommenheit ist es jedoch nur in Dem zu sehen, der dessen Quelle ist. Wollen wir daher unseren Blick nicht ausschließlicher auf Ihn richten?

Die Verkündigung des Lebens

Es bleibt uns noch, den Mittelteil des zweiten Verses anzuschauen:

„... und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben ...“

Hier redet Johannes nicht vom Hören, es wird vorausgesetzt, dass sie schon mit dem Herrn vertraut waren. Auch heißt es nicht mehr wie zu Anfang „hören und sehen“, sondern „sehen und bezeugen und verkündigen“. Was die Apostel gesehen hatten, als der Herr Jesus hier lebte, das bezeugten und verkündigten sie dann auch – das ewige Leben. Wem galten ihr Zeugnis und ihre Verkündigung? Den Heiligen.

Obwohl wir den Heiland mit unseren natürlichen Augen nicht sehen können, sind wir doch durch das Zeugnis des Apostels Johannes und seiner Mitapostel in die Lage versetzt, Ihn im Glauben zu sehen – die Offenbarung des ewigen Lebens. Und so fährt er fort:

„... wie wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt“ (Vers 3).

Dieser Vers fasst das in den beiden ersten Versen Gesagte noch einmal zusammen. Wie erstaunlich und bemerkenswert, dass der Apostel in drei Versen dreimal sagt: „Wir haben gesehen“ (Perf.) und damit auf die bleibende Kenntnis, erworben durch ein Sehen des Glaubens, hinweist. Wiederholung ist entweder das Zeichen eines schwachen Schreibers oder der Ausdruck großer Kraft. Keine Frage, was die dreimalige Wiederholung hier bedeutet. Wenn der Apostel nur einmal von dem anbetenden Betrachten spricht (Vers 1), so ist sein dreifaches Bestehen auf der Absolutheit seines Wissens umso bedeutsamer. Es sei noch angemerkt, dass der Apostel in den ersten fünf Versen auch das „Wir haben gehört“ (Perf.) dreimal erwähnt (Verse 1, 3 und 5). Er verbindet sich hier, wie auch später, mit den übrigen Aposteln, obwohl das nicht in sich schließt, dass diese auch tatsächlich zu irgendeiner Zeit persönlich das „Wort des Lebens“ verkündigt haben. Johannes betrachtet die Apostelschaft als Ganzes.

Und dann gibt er das Ziel der apostolischen Verkündigung an: „Damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt“ – ihr, die Gläubigen, mit uns, den Aposteln. Das ist schon eine erstaunliche Aussage. Längst haben die Apostel diese Erde verlassen, und viel Böses hat sich im Lauf der Jahrhunderte in der Christenheit breitgemacht. Und doch können wir auch heute noch mit den Aposteln Gemeinschaft haben. Das will sagen: Wir dürfen und sollen dieselbe Gemeinschaft haben, wie die Apostel sie von den frühen Tagen des Christentums an hatten. Und dann wird der Charakter dieser apostolischen Gemeinschaft beschrieben.

Apostolische Gemeinschaft

„... und zwur ist unsere Gemeinschuft mit dem Vuter und mit seinem Sohn Jesus Christus“ (Vers 3).

„Gemeinschaft“ ist ein ausgesprochen neutestamentliches Wort. Es ist bezeichnend, dass es im Alten Testament nicht ein einziges Mal vorkommt. Von „Genossen“ hören wir dort wohl, nicht aber von Gemeinschaft. Was jedoch für das Christentum vor allem charakteristisch ist, ist Gemeinschaft (vgl. Apg 2,42; 1. Kor 1,9). Gemeinschuft mit jemand zu haben bedeutet, mit ihm dieselben Interessen, Gedanken und Empfindungen zu teilen. Und das setzt, wie wir sogleich sehen werden, mehr voraus als nur gewisse Vereinbarungen und Übereinkünfte auf menschlicher Grundlage.

Zuerst aber noch eine andere Frage. Warum sagt Johannes nicht einfach: „... damit auch ihr mit dem Vater und dem Sohn Gemeinschaft habt“? Warum führt er zunächst die Apostel ein und zeigt, mit wem sie Gemeinschaft haben? Wegen der Antichristen und Verführer. Im nächsten großen Abschnitt des ersten Kapitels wird die wahre Gemeinschaft in Gegensatz gesetzt zu den falschen Ansprüchen der Irrlehrer auf Gemeinschaft mit Gott (Verse 6.7). Männer wie Cerinthus verwarfen das Zeugnis der Apostel und leugneten die reinigende Kraft des Blutes Jesu, behaupteten aber, mit Gott Gemeinschaft zu haben. Das ist der Grund, warum Johannes bereits hier die Gemeinschaft einführt und zunächst von der apostolischen Gemeinschaft spricht. Die Gemeinschaft der Apostel war nicht nur mit Gott an sich, sondern auch mit dem Vater und mit Seinem Sohn Jesus Christus. Es gibt keine andere Gemeinschaft. Ohne Jesus Christus hat niemand Gemeinschaft mit Gott. Und nur die, die mit den Aposteln Gemeinschaft haben, haben auch Gemeinschaft mit Gott und mit Seinem Sohn.

Das festzuhalten ist bis in unsere Tage von größter Wichtigkeit. Gibt es nicht auch heute viele, die das Zeugnis der Apostel verwerfen und somit keine Gemeinschaft mit ihnen haben, trotzdem aber viel von Gott und Gemeinschaft reden? In Wahrheit leugnen sie den Sohn und haben deswegen auch den Vater nicht (Kap. 2,23). Gleichgültig, was sie reden und behaupten – nur wer „bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, in ihm bleibt Gott und er in Gott“ (Kap. 4,15). Das allein ist wahre Gemeinschaft mit Gott. Alles andere ist Täuschung, ist Lüge.

Voraussetzungen für die Gemeinschaft mit Gott

Die Voraussetzung zur Gemeinschaft mit göttlichen Personen liegt im Besitz des ewigen Lebens. Deswegen sagt der Herr Jesus in Seinem wunderbaren Gebet zu Seinem Vater: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Joh 17,3). Das Leben, das der Gläubige besitzt; das ewige Leben, das ihm durch die Gnade gegeben ist; das Leben, das Christus auf der Erde offenbarte – dieses Leben befähigt uns zur Gemeinschaft sowohl mit dem Vater als auch dem Sohn. Es setzt uns in den Stand, unsere Beziehungen zum Vater und zum Sohn wahrzunehmen; denn das bedeutet „erkennen“: Beziehungen wahrnehmen und genießen. Das Leben entfaltet sich in der positiven und gesegneten Kenntnis des allein wahren Gottes und Seines Sohnes Jesus Christus – Dessen, den der Vater in die Welt gesandt hat.

Um mit Gott Gemeinschaft haben zu können, ist also mehr nötig, als allein die Vergebung der Sünden zu besitzen, so grundlegend wichtig das auch ist und bleibt (vgl. 1. Joh 1,7.9). Die Frage der Schuld musste geklärt werden, und es musste Sühnung geschehen. Und so hat Gott in Seiner Liebe zu uns Seinen Sohn gesandt „als Sühnung für unsere Sünden“ (Kap. 4,10). Aber erst die Tatsache, dass Christus unser Leben geworden ist, eröffnet uns die Segnung der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn. Denn erst dadurch erlangen wir die Fähigkeit zum Genuss und zur Freude an Gott. Der Besitz des ewigen Lebens ist eine außerordentliche Segnung, für die wir nie genug danken können. Sie liegt gleichsam an der Wurzel des ganzen Briefes, sie ist die Voraussetzung und Quelle für jede weitere Segnung, die uns in diesem Brief gezeigt wird – ja für die Freude des Himmels selbst.

Das Großartige ist also nicht nur die Tatsache, dass wir, die wir einst Sünder waren, angenommen sind, sondern dass wir, da Christus unser Leben geworden ist, die Segnung der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn genießen. Wir sind gewürdigt, jetzt dieselben Gedanken und Gefühle zu haben wie Gott. Er hat sie in Sich selbst, und wir haben sie in Ihm, aber es sind dieselben. Verabscheut Er das Böse? Wir tun das auch. Hat Er – um nur einige Beispiele zu nennen – Wohlgefallen an Liebe, an Reinheit, an Treue, an Aufrichtigkeit? Wir empfinden genauso. Das ist Gemeinschaft.

Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn

Doch dann wird noch zwischen der Gemeinschaft mit dem Vater und der Gemeinschaft mit Seinem Sohn Jesus Christus unterschieden. Wie ist das zu verstehen? Nun, wir haben, um beim ersten zu bleiben, Gemeinschaft mit dem Vater im Blick auf Seinen Sohn. Hat der Vater nicht eine unaussprechliche Freude an Seinem Sohn, der – als Er hier auf der Erde war – stets das Ihm Wohlgefällige tat (Joh 8,29)? Ja, der Heiland konnte sagen: „Denn der Vater hat den Sohn liebcc (Kap. 5,20). Nur Er konnte auch einen Grund für die Liebe des Vaters angeben: „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, damit ich es wiedernehme“ (Kap. 10,17).

Aber wenn der Vater Seine ganze Freude an Seinem Sohn findet, dann will Er diese Freude mit Seinen Kindern teilen. Und so weist Er uns auf Seinen Sohn hin, damit auch wir Ihn kennen mögen, sagt gleichsam auch zu uns: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe“, „Ihn hört“ (Mt 3,17; Lk 9,35). Wenn wir in der Kraft des Geistes Gottes dahin geführt werden, die Vortrefflichkeiten der Person Jesu zu erkennen und zu bewundern – Seinen Gehorsam, Seine Widmung für Gott, Seine Liebe bis zum Äußersten –, dann haben wir dieselben Gedanken und Empfindungen wie der Vater: Wir haben mit Ihm Gemeinschaft über Seinen Sohn.

Wann immer die Gläubigen dem Vater für Seinen Sohn danken und anbetend zu Ihm über das reden, was sie an Schönheiten in Ihm entdeckt haben – so ist das der Ausdruck ihrer Gemeinschaft mit dem Vater. Gewiss, nur der Vater erkennt den Sohn vollkommen (Mt 11,27), nur Er würdigt Ihn, wie Er es verdient. Dennoch haben wir den Sohn (1. Joh 5,12), lieben Ihn und erfreuen uns Seiner in der Kraft des Heiligen Geistes.

Auf welche Weise haben wir nun Gemeinschaft mit dem Sohn? In dem Besitz des Vaters. Diese Seite ist genauso unermesslich wie die erste. Der eingeborene Sohn hat uns zur Erkenntnis des Vaters geführt, Er hat Ihn kundgemacht (Joh 1,18), so dass der, der den Sohn gesehen hat, zugleich auch den Vater gesehen hat (Kap. 14,9)- In dem bereits angeführten Wort aus Matthäus 11 heißt es ja weiter: „... noch erkennt jemand den Vater als nur der Sohn und wem irgend der Sohn ihn offenbaren will“ (Vers 27). Der Sohn offenbart den Vater. Er tat das, als Er auf der Erde war – „Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan“ (Joh 17,26 a) –, und Er tut das heute durch den Heiligen Geist – „... und werde ihn kundtun“ (Vers 26b).

Gerade im Evangelium nach Johannes finden wir die Mitteilungen, die der Sohn über den Vater gab. Allein in den fünf Kapiteln, die mit der Fußwaschung beginnen und mit dem Gebet des Herrn enden (13–17), kommt das Wort „Vater“ nicht weniger als fünfzigmal vor. Hier finden wir denn auch im Besonderen die Offenbarung des Vaters durch den Sohn. Zur Zeit Seines Lebens auf der Erde konnte der Herr indes nur in gleichnishafter Rede vom Vater zu den Jüngern sprechen. Aber es würde die Stunde kommen – und sie ist inzwischen gekommen –, dass Er ihnen „offen von dem Vater verkündigen“ würde (Kap. 16,25). Diese offene Verkündigung über den Vater finden wir in den neutestamentlichen Briefen.

Welche überaus reichen Segnungen sind uns geschenkt! Nicht nur ist Sein Vater auch unser Vater (Kap. 20,17), sondern Er weckt auch in unserem Herzen das Verständnis darüber, Wer Sein Vater ist. Er sagt uns von Seinem Vater, damit wir dieselbe Freude über Ihn haben mögen wie Er. Mit anderen Worten: damit wir Gemeinschaft haben mit dem Sohn.

Unendliche Segnung! Der Vater liebt den Sohn, und der Sohn liebt den Vater – und wir haben Gemeinschaft mit ihnen und empfangen ihre Zuneigungen. Wir haben Gemeinschaft mit dem Vater in dem Besitz des Sohnes, und wir haben Gemeinschaft mit dem Sohn in dem Besitz des Vaters. Etwas Größeres, Geliebte, kann es nicht geben, selbst nicht im Himmel.

Völlige Freude

„Und dies schreiben wir euch, damit eure Freude völlig sei“ (1. Joh 1,4).

Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn zu haben ist die Krone aller Segnung. Kann dann unsere Freude anders als völlig sein?

Es ist wahr, dass unsere praktische Verwirklichung von allem heute noch recht unvollkommen ist; wahr auch, dass sich das ewige Leben erst droben in der Herrlichkeit voll wird entfalten können. Trotzdem, wir haben diese Gemeinschaft bereits, wir sind schon auf dem Ozean der Liebe Gottes, wir müssen nicht erst dorthin kommen. Wenn wir noch etwas suchen oder erstreben, so ist das nicht Gemeinschaft. Aber wie viel wir praktisch auch noch zu lernen haben – wir haben den Vater, und wir haben den Sohn, haben Gemeinschaft mit ihnen. Gerade das macht unsere Freude aus.

Zweierlei macht unser Vers noch deutlich. Zuerst, dass sich dieser Brief an Kinder Gottes richtet, und zwar mit dem Ziel, dass ihre Freude völlig sei. Er richtet sich nicht an ungläubige, leblose Bekenner, obwohl auch über sie darin gesprochen wird. Und er ist nicht geschrieben worden, um die Gläubigen zu verunsichern, sondern um ihre Freude auf das Vollmaß zu bringen. Im Verlauf unserer Betrachtungen mag es sich als nötig erweisen, daran zu erinnern.

Und dann haben wir hier „Heilige Schrift“ vor uns: „Und dies sehreiben wir euch ...“ Es ist äußerst wichtig, dass diese Mitteilungen durch inspirierte, apostolische Schriften zu uns gekommen sind, dass sie schriftlich fixiert sind. Die Apostel haben zuerst gesehen und gehört, und dann haben sie darüber geschrieben. Gott sei Dank dafür! Unser Teil ist es nun zu lesen, was sie zu unserer Befestigung und Freude geschrieben haben. Dazu möge der Herr jede Gnade schenken!

Die Botschaft

Die ersten vier Verse von 1. Johannes 1 haben uns gezeigt, wie das göttliche Leben in Christus auf der Erde offenbart und den Glaubenden mitgeteilt worden ist und wie sie kraft dieses Lebens in die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn eingeführt worden sind. Es sind in der Tat erhabene Mitteilungen, die wir dort gefunden haben – Offenbarungen, die geeignet sind, unsere Freude völlig zu machen. Dazu hat sie der Heilige Geist uns auch gegeben (Vers 4).

Aber mit so gesegneten Vorrechten sind auch Verantwortlichkeiten verbunden. Deswegen müssen wir auch erfassen lernen, was die Natur Gottes ist – das Wesen Dessen, mit dem wir in Gemeinschaft sind. Das ist der Gegenstand der Verse 5 bis 10, mit denen wir uns nun beschäftigen wollen. Sie bilden den zweiten Teil des ersten großen Abschnittes in diesem Brief (Kap. 1,1–2,2).

„Und dies ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist“ (1. Joh 1,$).

Die Aussage dieses Verses stellt eine Erweiterung oder Ergänzung dessen dar, was in den Versen 1 bis 3 gesagt worden war. Was die Apostel „betreffend das Wort des Lebens“gesehen und gehört hatten, hatten sie dann auch zu geeigneter Zeit den Kindern Gottes verkündigt. Wir haben das gesehen.

Von Christus gehört

Aber darüber hinaus hatten die Apostel („wir“) von Christus (nicht: Christus betreffend, sondern: von Ihm) eine gehört, und auch diese haben sie uns verkündigt. Das Zeugnis der Apostel kam nicht aus zweiter Hand. Was sie bezeugten, wussten sie nicht nur vom Hörensagen. Nein, sie hatten es direkt von ihrem Herrn empfangen.

Das ist eine sehr wichtige Feststellung, die geeignet ist, unseren Glauben zu stärken. Ursprünglich richtete sie sich gegen die verschiedenen Ableitungen und Schlussfolgerungen der Gnostiker, und sie steht in direktem Gegensatz dazu.

Was die falschen Lehrer von damals anzubieten hatten und was die von heute den christlichen Menschen schmackhaft machen wollen, trägt alles einen unauslöschlichen Makel an sich: Sie haben es nicht „von Ihm gehört“. Vielmehr hat es ihren Verstand zum Ursprung, ihre Logik, ihre Phantasie und dergleichen mehr, nicht aber Christus. Nicht einer von ihnen kann sagen, dass er es „von Ihm gehört“ hat. Und wenn jemand es trotzdem behauptet, obgleich seine Lehren im Widerspruch zur apostolischen Lehre stehen, so ist er ein Lügner.

Wir werden von diesem lügnerischen Geist schon sehr bald noch mehr hören. Die Apostel jedenfalls konnten sagen: „Wir sind aus Gott.“ Und die Frage, ob jemand wirklich mit Gott in Verbindung steht, wird auch heute noch allein daran entschieden, ob man ihr Wort als von Gott annimmt oder nicht: „Wer Gott erkennt, hört uns; wer nicht aus Gott ist, hört uns nicht“ (Kap. 4,6).

Der Inhalt der Botschaft

Was ist nun der Inhalt der Botschaft? Dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in Ihm ist. Diese Botschaft ist ernst, ist aber auch großartig. Wie sehr sie aber auch unsere Herzen erforschen mag, sie kann keineswegs von der Offenbarung getrennt werden, die in den ersten vier Versen des Kapitels vor uns war.

Die Offenbarung des Lebens geht mit der Botschaft über die Heiligkeit Gottes einher. Das eine ist so wichtig wie das andere. Man kann nicht die Gnade Gottes annehmen und Seine Wahrheit ablehnen. Beides ist „durch Jesus Christus geworden“ (Joh 1,18).

Gewiss, Gott ist auch Liebe., aber das wird bezeichnenderweise erst relativ spät in diesem Brief gesagt (Kap. 4,8.16). Dass Er Licht ist, betont der Heilige Geist gleich zu Anfang. Seit jeher bestand unter den Christen die Neigung, die Liebe auf Kosten des Lichts zu bevorzugen. Aber Gott lässt das nicht zu. Nie wird Er das Licht auf dem Altar der Liebe opfern. Licht und Liebe – beides sind Seine Wesenszüge, und beide gehören zusammen. Sie mögen wie Extreme (äußerste Standpunkte) erscheinen, vielleicht sind sie es auch. Sie sind jedoch untrennbar miteinander verbunden und von gleichem Wert.

Überhaupt können wir in der Heiligen Schrift die Tatsache feststellen, dass vielfach der einen Wahrheit eine andere, gleichwertige gegenübersteht. Deswegen dürfen wir niemals die eine Wahrheit oder Seite betonen und die andere darüber vernachlässigen. Wir würden sonst jemand gleichen, der in einem Boot so sehr an die eine Seite tritt, dass es kentert.

Ehe wir näher darauf eingehen, was „Licht“ bedeutet, sollten wir uns kurz noch damit befassen, warum der Apostel an manchen Stellen von „Gott“ und an anderen Stellen vom „Vater“ spricht. Auf den ersten Blick mag das unbedeutend erscheinen. Doch das ist es keineswegs.

Denken wir nur einmal an die Botschaft, die der auferstandene Heiland der Maria anvertraute: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott“ (Joh 20,17). Allein dieses Wort macht deutlich, dass diese Namen oder Titel – besonders in den Schriften des Johannes – nie ohne bestimmte Absicht verwendet werden und keinesfalls einfach ausgetauscht werden könnten. Vom Vater ist immer dann die Rede, wenn es um die uns geschenkte Gnade und um die Beziehungen geht, in die wir zu Gott gebracht sind oder die in der Gottheit selbst bestehen. Wenn jedoch die Natur Gottes und unsere Verantwortlichkeit infrage kommen, wird stets Gon vor die Blicke gestellt. Wenn wir diese Unterschiede beachten, wird uns das sehr zum Verstehen des Briefes helfen.

Die Natur Gottes: Licht

In unserer Stelle (Vers 5) geht es in der Tat um die Natur Gottes. Folgerichtig wird nun nicht länger, wie in den ersten vier Versen, vom Vater gesprochen, sondern nur noch von Gott (Verse 5–10). Und was ist das Wesen Gottes? Es ist „Licht“. Das drückt zunächst einmal aus, dass Er absolut heilig ist, absolut rein – zu rein von Augen, um Böses auch nur zu sehen (Hab 1,13). Er ist nicht das Licht, noch weniger nur ein Licht; und Er ist auch nicht nur im Licht, obwohl Letzteres wahr ist (Vers 7), sondern Gott ist in sich selbst Licht. In der gleichen Weise ist Gott auch Liebe, wie wir soeben berührt haben. Beides sind nicht allein Eigenschaften Gottes, wie zum Beispiel Gerechtigkeit oder Güte Tugenden oder Eigenschaften Gottes sind, sondern sie machen Sein eigentliches Wesen aus.

Das ist der Grund, warum vor „Licht“ (wie auch später dann vor „Liebe“) kein Artikel steht. Es heißt nicht: „Gott ist das Licht.“ Das würde unsere Gedanken auf irgendeinen Gegenstand oder eine bestimmte Sache hinlenken, würde uns an so etwas wie das Licht der Schöpfung oder dergleichen denken lassen. Nein, das sagt die Schrift nicht, sondern sie lässt uns wissen: Licht ist einer der Wesenszüge Gottes. Licht ist Gottes Natur. Alles, was auch nur eine Spur von Finsternis oder Bösem in sich trägt, ist mit Gott unvereinbar.

Eine textliche Besonderheit > Reziproke Sätze

Es gibt im Griechischen so genannte reziproke (wechselseitige) Sätze. Das sind Sätze, bei denen man das Subjekt (Satzgegenstand) und das Prädikat (Satzaussage) gegeneinander austauschen kann, ohne dass die Bedeutung dabei Schaden nähme. Solche Sätze kommen hier und da in den Schriften des Johannes vor, und sie sind stets sehr aufschlussreich.

Ein reziproker Satz liegt dann vor, wenn sowohl das Prädikat als auch das Subjekt den Artikel hat. In 1. Johannes 3, Vers 4, haben wir ein Beispiel für einen reziproken Satz: „Die Sünde ist die Gesetzlosigkeit.“ Sowohl das Subjekt („Sünde“) als auch das Prädikat („Gesetzlosigkeit“)