Dietrich Mateschitz: Flügel für Menschen und Ideen - Volker Viechtbauer - E-Book

Dietrich Mateschitz: Flügel für Menschen und Ideen E-Book

Volker Viechtbauer

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Beschreibung

Die Red Bull-Geschichte: Gelebter Humanismus als Leitbild für Unternehmenswerte Der Autor Volker Viechtbauer war ein langjähriger Weggefährte von Dietrich Mateschitz, dem legendären Gründer von Red Bull. Den Slogan "Red Bull verleiht Flügel" kennt wohl jeder: Dahinter steht eine Weltanschauung, die Freiheit, Eigenverantwortung und den Gestaltungswillen des Menschen ganz im Sinne des Humanismus in den Mittelpunkt stellt. Mateschitz ließ sich dabei maßgeblich von den Erkenntnissen Viktor Frankls leiten, der als Neurologe und Psychiater eine neue Schule innerhalb seiner Disziplin begründete. - Wie die Lehre Viktor Frankls den Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz beeinflusste - Viktor Frankls Logotherapie: Der Wille zum Sinn - Dietrich Mateschitz: Gestaltungswille und Unternehmertum - Führungskompetenz und Talentmanagement: Viktor Frankls Wertesystem und die Unternehmenskultur von Red Bull - Ein Insider berichtet: Volker Viechtbauer, ein enger Weggefährte von Mateschitz, war lange Jahre für Recht und Personal bei Red Bull verantwortlich Unternehmensphilosophie: Was Red Bull mit der Logotherapie Viktor Frankls zu tun hat Frankl entwickelte die Logotherapie, die die Sinnkomponente als entscheidende Motivation menschlichen Handelns etablierte. Mateschitz wiederum adaptierte diese Lehre für seine Managementphilosophie. Der Autor dieses Buches spürt diesen Einflüssen nach und erzählt dabei auch die außergewöhnliche Unternehmensgeschichte von Red Bull. Ein besonderes Buch über zwei inspirierende Persönlichkeiten und welche Bedeutung das Denken des einen für das Tun des anderen hatte. Wer sich für Wirtschaftspsychologie in der modernen Arbeitswelt oder auch für die Unternehmensphilosophie einer so erfolgreichen Marke wie Red Bull interessiert, wird hier fündig und mit vielen Einsichten belohnt.

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Seitenzahl: 243

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VOLKER VIECHTBAUER

DIETRICH MATESCHITZ: FLÜGEL FÜR MENSCHEN UND IDEEN

Mit Red Bull auf den Spuren von Viktor Frankl

Die Pinguingeschichte auf den Seiten 134ff. wurde mit freundlicher Genehmigung von Dr. Eckart von Hirschhausen nacherzählt und zitiert aus: Glück kommt selten allein, Rowohlt Verlag, Reinbeck bei Hamburg 2009.

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw. Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.

1. Auflage

© 2023 Benevento Verlag bei Benevento Publishing München – Salzburg, einer Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Red Bull Media House GmbH

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15

5071 Wals bei Salzburg, Österreich

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

Gesetzt aus der Palatino, Futura PT

Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München

Umschlagillustration: © Hoika Mikhail / shutterstock

Printed by CPI Books in Germany

ISBN 978-3-7109-0177-5

eISBN 978-3-7109-5160-2

Für meinen Onkel Herbert,der mit uns die Freiheit in vielen Fahrten suchte

»Die sogenannte ›Welt von Red Bull‹ hat im Grunde genommen nicht mehr sehr viel mit dem klassischen Begriff von Consumer Marketing zu tun, sondern ist eher schon eine Art Philosophie oder Weltanschauung. Diese inkludiert ein gewisses Maß an Leistungsbereitschaft, ein vernünftiges Maß Risiko, die Freude, etwas zum Erfolg zu führen, ebenso wie die dazu erforderliche Ausbalanciertheit mit Sport, Vergnügen, Musik, Unterhaltung, sozialer Akzeptanz.

Red Bull hat einige Erfolgsfaktoren. Konsequenz, Motivation, Können und Hausverstand gehören zum Beispiel dazu. Oder die Freude an dem, was man tut. Die Dankbarkeit für Erfolge. Und vielleicht am wichtigsten: eine positive Grundeinstellung zum Leben, zu Arbeit und zu Leistung. Darüber hinaus halte ich es mit Viktor Frankl, der das Recht auf Eigenverantwortung als das ureigenste aller Menschenrechte bezeichnete.«

Dietrich Mateschitz

INHALT

Vorwort

Einleitung

I DAS WERTEKORSETT VIKTOR FRANKLS UND DIE UNTERNEHMENSKULTUR VON RED BULL

1 Freiheit und Selbstverantwortung

Wie in den Anfangsjahren von Red Bull der Grundstein für ein modernes Unternehmen gelegt wurde

2 Der Wille zum Sinn oder der Aufgabencharakter des Lebens

Wie Red Bull einen neuen Markt schuf und sich dabei selbst nicht zu wichtig nahm …

… und schließlich von Österreich aus die Welt eroberte

3 Wertschätzung, Zuversicht und Vertrauen

Wie Red Bull die Rahmenbedingungen für Ideenreichtum und Kreativität setzt

4 Paradoxe Intention

Wie Red Bull Grenzen auslotet und über sich hinauswächst

II WIE MAN UNTERNEHMEN FLÜGEL VERLEIHT

1 Viktor Frankl als Wegbereiter eines gelebten Humanismus

Vom Talent zur Stärke zum Sinn – eine persönliche Schatzsuche

2 Martin Seligman, Don Clifton und die Erfindung des Stärkentests

Wie Unternehmen und Mitarbeiter bei Red Bull gemeinsam zu einem sinnorientierten Arbeiten gelangen

Gedanken über die Zukunft der Arbeit – ein Schlusswort

Dank

Weiterführende Literatur von Viktor Frankl

VORWORT

Im Frühjahr 2020 hatte ich nach mehrmonatiger Arbeit eine erste Fassung dieses Buches Dietrich Mateschitz zu Durchsicht und Freigabe vorgelegt. Ich denke, ihm war das Projekt von Anfang an nicht ganz geheuer: Warum solle dieses Buch erscheinen, was sei der Zweck des Ganzen, fragte er mich, wenn wir das Thema im Gespräch kurz streiften.

Meine Antwort war, dass ich mit dem Buch die Philosophie von Red Bull erklären, eine Art Orientierungshilfe für neue Mitarbeiter geben wolle. Darüber hinaus gäbe es aber sicher auch ein breiteres Publikum, das Interesse zeigen würde.

Ob es also auch im Buchhandel erscheinen solle, fragte er mich. Ich entgegnete, dass er dies zu entscheiden habe. Aber es sei ja schon geschrieben, »veröffentliche es einfach«, meinte er. Ich bestand darauf, dass er es liest und freigibt.

Die nächste Reaktion erfolgte ein paar Wochen später. Er hatte angefangen das Manuskript zu lesen und war, so schien es mir, zufrieden. Es sei gut, das Manuskript, aber es hätten sich ein paar Fehler eingeschlichen, die müsse man korrigieren. Zum Beispiel stamme der im Zusammenhang mit vier Weltmeistertiteln in der Formel 1 getätigte Ausspruch »Not bad for a beverage company« nicht von Bernie Ecclestone, sondern von Lewis Hamilton.* Er dachte aber nicht nur an solche Ungenauigkeiten. Man müsse sich ein paar Wochen lang ein- oder zweimal die Woche zusammensetzen und alles durchgehen, meinte er.

Weitere Wochen vergingen, ehe ich nachfragte, ob er schon eine Meinung zum Buch habe. Dietrich Mateschitz meinte, er habe das Thema verdrängt, werde es jetzt aber angehen. Zwei oder drei Wochen später rief er mich zu sich nach Thalgauegg, an den Firmensitz seiner Privatgesellschaften, ein paar Kilometer von der Firmenzentrale in Fuschl am See entfernt. Er habe keine guten Nachrichten für mich. Das Buch könne nicht erscheinen. Sinngemäß meinte er, Red Bull sei nicht auf eine einzige Formel oder Quelle – in diesem Fall Viktor Frankl – zurückzuführen. Red Bull sei facettenreicher. Wenn man ihn, seine langjährige Assistentin Sonja Ernstbrunner oder CFO Walter Bachinger fragen würde, sie alle hätten eine andere Sicht auf Red Bull.

Da war sie wieder, die subjektive Vorstellung von Red Bull, die er keinem der Mitarbeiter oder Konsumenten nehmen wollte (ich komme darauf im Buch noch zu sprechen). Red Bull sollte eine Projektionsfläche für die Wünsche und Ambitionen derjenigen bleiben, die einen Bezug dazu hatten. Am Ende unseres Gesprächs nahm er das Manuskript, das er zur Gänze durchgelesen und zum Teil korrigiert hatte (darunter eben auch den Ecclestone-Fauxpas), und übereichte es mir mit den Worten: »Schmeiß es aber nicht weg. Leg es in den Safe. Vielleicht ist es so etwas wie ein Nachruf.« Damit war das Thema erst einmal erledigt.

Ich ergänze dieses Vorwort am 1. Januar 2021, weil ich in der Nacht zuvor einen Traum hatte. Dietrich Mateschitz und ich saßen mit anderen Leuten – vielleicht Mitarbeitern – an einem Tisch und erörterten ein Problem. Es ging offensichtlich auch um einen Vertrag. Ich hatte diesen aus juristischer Sicht auf Risiken und – vor allem – auf Beendigungsmöglichkeiten und Konsequenzen geprüft. Was er von mir, von uns allen am Tisch verlangte, war, über das Nicht-Offensichtliche, über Synergien, Möglichkeiten und Verknüpfungen nachzudenken. Denn »die Summe aller Teile ist mehr als das Ganze«.

Nachtrag: Wenig später erkrankte Dietrich Mateschitz schwer. Er redete nicht über seine Krankheit und arbeitete weiter. Erst kurz vor seinem Tod gab er seine Anweisungen und Wünsche bekannt. Am Samstag, den 22. Oktober 2022, rief mich seine Assistentin Tina abends an und bat mich, eine Nachricht an die Mitarbeiter über das Ableben von Mateschitz zu versenden. Er hatte diese noch selbst verfasst.

* Der Fehler wurde in der Zwischenzeit natürlich korrigiert.

EINLEITUNG

»Im Leben geht es nicht darum, sich zu finden, im Leben geht es darum, sich selbst zu erschaffen.«

GEORGE BERNARD SHAW

Dietrich Mateschitz hat Ende der Achtzigerjahre Red Bull gegründet und den gleichnamigen Energy Drink als das erste funktionale Getränk außerhalb Asiens in Österreich eingeführt. Das innovative Marketingkonzept von Red Bull wird heute an Wirtschaftsuniversitäten inner- und außerhalb Europas unterrichtet. Energy Drinks stehen neben Coca-Cola und Pepsi ganz vorne in der Getränke-Weltrangliste und haben auch nach mehr als dreißig Jahren zweistellige Zuwachsraten, während traditionelle Erfrischungsgetränke stagnieren.

Red Bull ist jedoch nicht nur ein Getränk, sondern auch eine Lebenseinstellung. Die Marke steht für Erfolg, Dynamik, Innovation, Unabhängigkeit, Nonkonformismus, Spaß und Unberechenbarkeit. Im Gegensatz zur Marke wurde das Unternehmen Red Bull von Dietrich Mateschitz humanistisch geprägt und wertkonservativ geführt. Professionalität und Bescheidenheit bestimmen das Handeln. Und was aufs Erste nicht offensichtlich ist: Dieses Handeln ist von den Grundsätzen Viktor Frankls getragen.

Viktor Frankl war nach Sigmund Freud und Alfred Adler Begründer der dritten und letzten großen Wiener Schule der Psychotherapie, der Logotherapie und Existenzanalyse. Frankl war Humanist. Im Zentrum seiner Überlegungen standen der Mensch und seine ganz spezifische Aufgabe, seine Bestimmung: Jeder Mensch muss demnach diese Aufgabe in Freiheit und Selbstverantwortung für sich wählen, für sie einstehen, sie beharrlich verfolgen, wenn notwendig auch gegen Widerstände und im Vertrauen auf die Möglichkeit der Veränderung der Umstände zum Besseren.

Oberflächlich betrachtet, hat die Logotherapie mit Red Bull wenig gemeinsam. Zu gegensätzlich scheinen die Gedankenwelten, hier Sinnfindung und Existenzanalyse, dort Fun und Lifestyle. Und doch sind beide »Phänomene« von denselben Grundsätzen getragen und reichen über ihre primäre Intention hinaus. Sie sind Weltanschauung, und zwar eine Weltanschauung, die Freiheit, Selbstverantwortung und unbedingten Gestaltungswillen in den Mittelpunkt rückt.

Mateschitz hat die Vorlesungen Frankls persönlich besucht. Frankls gelebter Humanismus und die Suche nach dem Sinn stimmten mit der Lebenshaltung des Red-Bull-Gründers, -Gesellschafters und -Geschäftsführers Mateschitz überein und waren für ihn ein taugliches Gegenmodell zur immerwährenden Versuchung, dem Menschen (Selbst-)Verantwortung abzunehmen.

Viktor Frankl hat mit seiner Philosophie genauso wie Dietrich Mateschitz mit Red Bull von Österreich aus die Welt erobert. Auch wenn beide Persönlichkeiten übereinstimmende Grundsätze lebten, war Viktor Frankl vor allem Psychotherapeut und Dogmatiker, Dietrich Mateschitz hingegen Unternehmer und Pragmatiker. Ein Vergleich der Persönlichkeiten ist daher nicht sinnvoll und zielführend. Red Bull verdankt seinen Erfolg auch nicht den Lehren Frankls, sondern dem Gestaltungswillen und der Persönlichkeit von Dietrich Mateschitz. Andererseits lieferte Frankl das Wertekorsett, innerhalb dessen Red Bull ganz real Flügel verleiht, Tag für Tag, an Mitarbeiter, Athleten und Andersdenker jeder Art und Couleur. Viele, die dieses Denken teilen, lieben Red Bull genau dafür. Und wenn Indoktrinierte, welcher Ismen-Liste auch immer sie angehören, die Marke dafür kritisieren oder sogar anfeinden, bestärkt sie das, auf dem richtigen Weg zu sein.

Die Geißel unserer Zeit ist der Konformismus – wir tun, was alle tun. Dazu bedarf es nicht einmal mehr totalitärer Systeme, die Indoktrination erfolgt heute subtiler über soziale Medien, in deren Filterblasen und Echokammern. Der Wahrheitsgehalt einer Information ist dabei kein Kriterium, und ganz nebenbei werden die Errungenschaften der Aufklärung wieder abgeschafft. Die Erde ist eine Scheibe, der Mensch war nie auf dem Mond, und Impfstoffe übertragen Aids – das Angebot an alternativen Fakten ist mittlerweile grenzenlos.* Das Gefährliche an dieser Entwicklung ist, dass eine Diskussion, die humanistisch zu führen wäre, politisch geführt wird, und das, obwohl Gefahren aus allen Richtungen drohen. Vom rechtsliberalen Flügel droht oder lockt – je nach Sichtweise – der sogenannte Raubtierkapitalismus, die Jagd nach Erfolg, kurzfristigem Gewinn und einzelnen kurzen, wahllos aneinandergereihten Glücksmomenten des Konsums, die dem Akteur nur noch die Wahl zwischen Hedonismus und Nihilismus lassen. Von links wird bezweifelt, ob wir fähig sind oder es uns überhaupt erlaubt sein sollte, Verantwortung zu übernehmen. Man will uns vor uns selbst schützen, mit Regeln und Vorschriften, die zunehmend kafkaesk anmuten und in den geschützten Werkstätten gewerkschaftlicher Wunschbilder ersonnen werden. Der Aufpasser Staat will uns beschützen, auch und vor allem vor uns selbst, und unser Schicksal sanft, aber bestimmt von der Wiege zur Bahre regeln und begleiten. Aus der sogenannten Mitte droht die gesellschaftliche Konvention, der Kompromiss und das politisch Korrekte.

Die allgemeine Sinnkrise verläuft somit existenziell »humanitär« zwischen Fremd- oder Selbstbestimmung. Verführt, bemuttert, normiert und berechnet ist es heute wie gestern keine Selbstverständlichkeit, gegen den Strom zu schwimmen, seine spezifische Aufgabe im Leben zu finden – und dabei anständig zu bleiben. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Erlebnisse in vier Konzentrationslagern, darunter Auschwitz und Theresienstadt, haben Frankl gelehrt, dass es nur zwei Arten von Menschen gibt: die Anständigen und die Nichtanständigen. Gelebter Humanismus ist es, danach zu trachten, den Mut zu geistiger Selbstständigkeit und Entfaltung von Talenten zu haben und am Ende des Lebens zu wissen, wozu man gelebt hat. Das Wieso entzieht sich ohnehin unserer Vorstellungskraft. Sowohl Frankls Erkenntnisse als auch Red Bull ermutigen den Menschen, genau das zu tun – entgegen allen gesellschaftlichen Konventionen.

Der Leser mag sich von dieser Ermutigung inspirieren lassen, für seinen beruflichen genauso wie für seinen privaten Weg. Frankls Lehren verdienen es, Wegweiser sowohl in der Arbeitswelt als auch in der Familie und Gesellschaft zu sein. Darüber hinaus gewinnt der Leser mit der Lektüre dieses Buches nicht nur Einblick in die Geschichte und Kultur des Unternehmens Red Bull. Vielmehr erlebt er, wie sich Unternehmensgeschichte, Philosophie und das beherzte Denken und Handeln einzelner Persönlichkeiten zu einer einzigartigen, ja beflügelnden Einheit verschränken. Denn Viktor Frankl darf nicht nur als Begründer einer Denkrichtung gelten, die die Sinnkomponente als die entscheidende Motivation menschlichen Handelns etabliert und damit Dietrich Mateschitz beziehungsweise Red Bull auf entscheidende Weise beeinflusste. Genauso wichtig und vielleicht maßgeblich für kommende Generationen ist, dass er damit den Grundstein für eine an Sinn, Talent und Stärken orientierte Ökonomie und Managementphilosophie legte. In der Volkswirtschaftslehre baut die Wiener Schule um Carl Menger, Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek ebenso auf diese Gedanken auf wie die Managementlehre Peter Druckers. Die Betonung der Bedeutung des einzelnen Menschen und seines Beitrags zur evolutorischen Schöpfung ist von Wien ausgegangen und stellt sich gegen den herrschenden Reduktionismus der Neoklassischen Theorie einer Chicagoer Schule ebenso wie gegen den Keynesianismus um John Maynard Keynes in den Wirtschaftswissenschaften und der prozessorientierten und entmenschlichten Betriebsführung eines Frederick Winslow Taylor.

Wenn man so will, findet hier ein philosophisches Kräfteringen statt, dessen bedeutendster Vertreter Viktor Frankl war. Gerungen wird um nichts weniger als eine humane versus eine entmenschlichte Weltanschauung: Humanismus gegen Konformismus und Nihilismus, Individualismus gegen Automation und Prozessorientierung, Selbstvergessenheit gegen Selbstverwirklichung, unternehmerischer Spürsinn gegen mathematische Gleichgewichtsmodelle und letztlich das Postulat eines freien Willens gegen einen totalitären und existenzialistischen Determinismus. Die Position von Viktor Frankl lautete: »Das Entscheidende ist immer der Mensch. Was aber ist der Mensch? Das Wesen, das immer entscheidet. Und was entscheidet es? Was es im nächsten Augenblick sein wird.«

* Die Netzwerke (Google, Facebook etc.) reagieren nur zögerlich auf diesbezügliche Kritik. Als Technologieunternehmen, die nur Plattformen zur Verfügung stellen, sei man nicht für die Inhalte, die die User posten, verantwortlich. Zur ausführlicheren Lektüre sei hier Die Facebook-Gefahr: Wie Mark Zuckerbergs Schöpfung die Demokratie bedroht empfohlen. Der Autor Roger McNamee war einer der ersten Facebook-Investoren und Unterstützer von Mark Zuckerberg, gehört aber heute zu den schärfsten Kritikern. Dietrich Mateschitz, der diesen Entwicklungen und den sozialen Medien ebenfalls kritisch gegenüberstand, hat mit Quo Vadis Veritas und Addendum sowie dem Pragmaticus Projekte ins Leben gerufen, die sich um wahrheitsgemäße Berichterstattung bemühen.

I

DAS WERTEKORSETT VIKTOR FRANKLS UND DIE UNTERNEHMENSKULTUR VON RED BULL

»Der ziellose Mensch erleidet sein Schicksal, der zielbewusste gestaltet es.«

IMMANUEL KANT

Viktor Frankl war Humanist. Humanismus ist eine Weltanschauung, sie respektiert die Würde des Menschen, seine Persönlichkeit und sein Leben, sie übt Toleranz und tritt für Gewissens- und Gewaltfreiheit ein. Eine humanistische Ethik bejaht das Leben, die Wahlfreiheit und die Entwicklungsmöglichkeiten. Ideen müssen er- und durchdacht werden, bedürfen aber der Entfesselung der menschlichen Kräfte, um nicht Hirngespinste zu bleiben. Die wahren Abenteuer finden eben nicht nur im Kopf statt, sondern müssen, sollen sie Bestand und Bedeutung haben, ins wirkliche Leben treten, sich manifestieren. Sonst bleiben wir, wie Arthur Schopenhauer es so trefflich ausdrückte, lediglich »Theaterdirektoren unserer Träume, [und nicht] unseres eigenen Schicksals«. Und umgekehrt müssen unsere Gedanken gewissenhaft geprüft werden, bevor wir handeln. Während wir im Handeln meist den inneren Schweinehund zu überwinden haben, gilt es, im Denken dem »Sinn-Organ« Gewissen die »Trotzmacht des Geistes« zur Seite zu stellen. Visionär zu sein allein genügt nicht. Jede Vision bedarf eines zweifachen Korrektivs, nämlich ihre Machbarkeit in der realen Welt unter Wahrung des Grundsatzes der Anständigkeit. Ohne diesen Prüfstand können Visionen auch direkt ins Verderben führen. Frankl erinnerte uns daran, dass wir »seit Auschwitz wissen …, wessen der Mensch fähig ist. Und seit Hiroshima …, was auf dem Spiel steht«.

Für den Humanisten ist der Mensch und das, was er der Welt hinterlässt, seine guten Werke, zwar Ausgangspunkt, aber nicht das Maß aller Dinge. Wie Hugo von Hofmannsthals Jedermann muss der Mensch, seine Endlichkeit vor Augen, sein Bestes geben, Gutes tun und sich einer Sache widmen, die größer ist als er selbst. Er muss über sich hinauswachsen. »Die Krise des Humanismus beginnt dort, wo der Mensch im Vordergrund der Betrachtung, im Mittelpunkt der Bewertung steht – zum Maßstab aller Wertung wird«, schrieb Viktor Frankl in Der leidende Mensch.*

Die äußeren Feinde des Humanismus sind Totalitarismus und Konformismus. Weder behördlicher Zwang oder Willkür noch gesellschaftliche Erwartungshaltung dürfen uns daran hindern, das Richtige zu tun. Bei Frankl gebietet es unser Gewissen, trotz äußerer Abhängigkeit unsere innere Freiheit zu bewahren. Nur ein Mensch, »der über sich selbst hinauswächst, reift zu sich selbst heran«. Die inneren Feinde sind Nihilismus und Existenzialismus. Sie verneinen einen Sinn des Lebens; der Nihilist übt sich in Verantwortungslosigkeit gegenüber sich selbst und der Gesellschaft, der Existenzialist setzt einer sinnentleerten und damit absurden Welt das Sinnbild des Sisyphos entgegen, der zwar immer wieder den Stein der Mühsal wälzt, dessen Dasein letztlich aber ohne Ziel bleibt. Frankl hielt mit dem »Willen zum Sinn« dagegen, der Wertigkeit und Bedeutung des eigenen freien Handelns und des eigenen Beitrags zum Ganzen. »Nimm dir ein Ziel vor, gehe darauf zu, erreiche es und du wirst ein anderer Mensch. Jemand, der eine Herausforderung annimmt, geht seinen Lebensweg anders als einer, der ziellos vor sich hinlebt«, schrieb er.

Frankl beschäftigte sich in seinen Büchern mit den zentralen Fragen der Würde, des Sinnes und der Verantwortung. Im Folgenden werden die wesentlichen Grundgedanken hierzu skizziert. Gleichzeitig tauchen wir tiefer in die Welt von Red Bull ein und zeigen, wie Dietrich Mateschitz’ Handeln von ihnen beeinflusst wurde und Red Bull bis heute beeinflusst wird. Frankls Wege zum Sinn lassen sich in drei Gedanken zusammenfassen, die auch bei Red Bull eine zentrale Rolle spielen: Freiheit und Selbstverantwortung, der Aufgabencharakter des Lebens und Zuversicht und Wertschätzung, ergänzt um die Methode der paradoxen Intention. Die Werte Viktor Frankls bilden sozusagen den geistigen Rahmen dieser Erzählung und erleichtern das Verständnis für die Zusammenhänge beider Welten, einer aufgabenorientierten Unternehmenskultur und den Grundsätzen einer humanistischen Weltanschauung.

* Viktor Frankl wird zitiert nach den gängigen Werkausgaben, Vorträgen sowie nach diversen Websites (siehe auch Weiterführende Literatur von Viktor Frankl im Anhang). Hervorzuheben ist hier das 2019 erschienene Buch Berg und Sinn. Mit Viktor Frankl im Vorstieg von Michael Holzer und Klaus Haselböck.

1 FREIHEIT UND SELBSTVERANTWORTUNG

»Es ist keine Schande, sein Ziel nicht zu erreichen, aber es ist eine Schande, kein Ziel zu haben!«

VIKTOR FRANKL

Achtung und Würde des Menschen sind bei Frankl unabdingbar. Zu dieser Achtung und Würde gehört die Überzeugung, dass nichts den Menschen in sein Schicksal zwingen kann, weder die Gene noch der Charakter, noch die Umstände. »Statt daran zu verzweifeln, dass die konkreten Lebensumstände bestehende Vorstellungen nicht erfüllen«, empfahl Frankl in Ärztliche Seelsorge, »auf diese Lebensumstände einzugehen«. Im Grunde vollzog er damit eine »kopernikanische Wendung« bei der Frage nach dem Sinn des Lebens. Der Mensch hat das Recht und die Pflicht, frei und in eigener Verantwortung in jeder Situation seines Lebens zu entscheiden. Mit seinem freien Willen kann der Mensch Zuversicht in sein und das Leben anderer Menschen bringen.

Die Geschichte mit dem Marmorstein, die Frankl in seinen Lebenserinnerungen Was nicht in meinen Büchern steht erzählte, macht deutlich, was genau er mit eigenverantwortlichen Gewissensentscheidungen meinte: Wie seine Geschwister bemühte sich auch Viktor Frankl Anfang der Vierzigerjahre um ein Ausreisevisum. Seiner Schwester Stella war bereits mit ihrem Mann Walter Bondy die Ausreise nach Australien gelungen, sein Bruder Walter fand mit seiner Frau Else vorerst in Italien vermeintlichen Schutz. Viktor Frankl arbeitete zu dieser Zeit am Rothschild-Spital, er und seine Eltern hatten deswegen Deportationsschutz vor dem Konzentrationslager. Im Herbst 1941 wurde Viktor Frankl, nicht aber seinen Eltern, das Ausreisevisum nach Amerika erteilt. Es war auf drei Wochen befristet. Das Visum stürzte ihn in einen schweren Gewissenskonflikt. Sollte er ausreisen und seine Studien und Lehren an einer amerikanischen Universität fortsetzen oder in Wien bleiben? Eine Ausreise bedeutete die sichere Deportation seiner Eltern ins Konzentrationslager, sein Bleiben eine ungewisse Zukunft für ihn und seine Familie in Österreich. Als er wieder einmal darüber nachgedacht hatte, wie er sich entscheiden sollte – dieses Mal im Stephansdom bei Orgelmusik, obwohl es für Juden damals verboten war, die Kirche zu betreten –, und dann nach Hause in die Czerningasse 6 in der Leopoldstadt kam, sah er auf dem Tisch einen Marmorstein liegen. Sein Vater hatte ihn während eines Spaziergangs bei der zerstörten Synagoge gleich um die Ecke in der Tempelgasse gefunden. Der Stein war ein Stück von den Gesetzestafeln der Zehn Gebote aus der Synagoge. »Darauf eingemeißelt war ein hebräischer Buchstabe. Mein Vater sagte: ›Wenn es dich interessiert, kann ich dir sagen, zu welchem der Zehn Gebote dieses Stück gehört. Denn dieser Buchstabe kann nur das Initial für ein einziges Gebot sein: Ehre deinen Vater und deine Mutter, auf dass du lange lebest im Land.‹ Und in diesem Augenblick wusste ich: Das war die Antwort. Ich ließ das Visum verfallen.«

Die Entscheidung war, wie vorausgesehen, folgenschwer für Frankl. Seine junge Frau Tilly, die er kurz zuvor kennengelernt hatte, musste ihr gemeinsames Kind abtreiben, weil Schwangerschaften unter Juden mit Deportation geahndet wurden. Auch das geliebte Klettern war dem jungen Frankl nur noch selten und wenn, dann nur unter Lebensgefahr möglich. Sich ohne Judenstern auf den Weg in den Wienerwald zur Mizzi-Langer-Wand zu machen, konnte im Falle einer Kontrolle die sofortige Deportation bedeuten. Wenig später wurde das Rothschild-Spital enteignet und in ein Lazarett für die SS umgewidmet. Frankl verlor seinen Deportationsschutz und wurde im September 1942 zusammen mit seiner Frau, deren Mutter, seinem Vater und seiner Mutter ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Seine ganze Familie, mit Ausnahme seiner in Australien lebenden Schwester, kam in den folgenden Jahren in Konzentrationslagern ums Leben.

Viktor Frankl überlebte nicht nur, weil er Glück hatte. In Auschwitz, wohin er im Oktober 1944 verlegt worden war, stand er bereits in der Gruppe, die für den Tod in der Gaskammer vorgesehen war, als er in einem scheinbar unbeobachteten Moment zur anderen Gruppe, der jüngeren und kräftigeren, hinüberhuschte. Der SS-Wachmann hatte es nicht bemerkt oder bewusst weggeschaut. Frankl wusste bereits aus Theresienstadt, dass Anständigkeit und politische Gesinnung einander nicht immer bedingten.

Frankl überlebte auch, weil er überleben wollte, um nach diesem – wie er es nannte – »Schlüsselexperiment« seinen Vortrag über Logotherapie und Existenzanalyse an der Volkshochschule zu halten und um seine geliebten Berge wiederzusehen. Unzählige Male visualisierte er im Lager die Kletterpartien auf der Rax, Schritt für Schritt und Griff für Griff. So wurde das »Bergsteigen, die Erinnerung, wie sich der Fels anfühlt, […] einer der Beweggründe, die Schrecken des KZs zu überstehen«. Nach der Befreiung aus dem KZ Türkheim im April 1945 begann sein neues Leben, in das er »Schritt für Schritt – nicht anders« eintrat und in dem er erkennen sollte, dass »Sinn im Leben nicht nur ›lebenswichtig‹ ist, sondern in dieser extremen Situation sogar ›über-lebenswichtig‹ war«.

Das Leben stellt jeden von uns vor Entscheidungen, die selbstverantwortlich zu treffen sind. Wir dürfen hoffen, dass die Umstände und Folgen dieser Entscheidungen nicht ähnlich dramatisch sind wie bei Viktor Frankl. Doch die Begebenheit mit dem Marmorstein macht deutlich, dass wir aufgerufen sind, auch unter widrigsten Umständen nicht Opfer der Verhältnisse, sondern Gestalter unseres Schicksals zu sein. Wir tragen die Verantwortung für jeden Augenblick in unserem Leben durch unsere Entscheidungen – Möglichkeiten, die, wenn sie nicht verwirklicht werden, »verwirkt« sind. Für Viktor Frankl war das Leben ein Roman, er wird in jedem Moment des Lebens geschrieben. Und was einmal in das Buch des Lebens geschrieben ist, kann nicht mehr gelöscht werden und bleibt bestehen – »für alle Ewigkeit«. Gleichzeitig wird durch diese Entscheidungen – sie mögen groß oder klein sein – die eigene Zukunft, die der Mitmenschen und der Dinge um uns herum beeinflusst. »Was ich durch sie verwirkliche, was ich durch sie ›in die Welt schaffe‹, das rette ich in die Wirklichkeit hinein und bewahre es so vor der Vergänglichkeit«, schrieb Frankl in Ärztliche Seelsorge.

Der Mensch verantwortet, wie er entscheidet, und sein Verhalten wird nicht von den Umständen erzwungen. Frankl lehnte den Determinismus, der uns glauben machen will, dass die Umstände oder der Charakter, die Herkunft, die Gene oder der Zwang einer Situation menschliches Verhalten diktieren, ab und plädierte für die Freiheit des Menschen, zu entscheiden und somit sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Freiheit und Verantwortung bedingen einander gegenseitig, »das menschliche Dasein [ist] Verantwortlichsein, weil es Freisein ist«. Weiter heißt es: »Freiheit hat man nicht – wie irgendetwas, was man verlieren kann –, sondern die Freiheit ›bin ich‹.« In diesem Sinne regte Frankl in seinen Vorträgen immer wieder an, »daß zur Freiheitsstatue an der Ostküste das Pendant errichtet werde, nämlich eine Statue der Verantwortlichkeit an der Westküste«.

Wie in den Anfangsjahren von Red Bull der Grundstein für ein modernes Unternehmen gelegt wurde

»Entweder machen wir uns das Leben schwer und legen uns einen Haufen Steine in den Weg, oder wir leben bewusst und räumen die Steine auf dem Weg zu unserem Ziel aus dem Weg. Der Arbeitsaufwand ist der gleiche.«

CARLOS CASTANEDA

Auch die Gründungsjahre von Red Bull waren geprägt von freien, selbstverantwortlichen Entscheidungen, und das vor allem von einer Person. Dietrich Mateschitz war gleichsam Red Bull und umgekehrt. Red Bull war seine Erfindung und spiegelte seine Denk- und Lebensweise wider. Der Erfolg gab Mateschitz die Freiheit, »Menschen Flügel zu verleihen«, sodass sie ihre eigenen Ideen wahr werden lassen können.

Mateschitz wuchs im steirischen Mürztal auf. Er wurde von seiner Mutter, einer Volksschullehrerin in St. Marein, wertkonservativ erzogen. Gute Erziehung im Sinne von Bescheidenheit, Geradlinigkeit und gutem Benehmen waren ihm immer sehr wichtig. Nach der Matura im Internat in Graz ging er nach Wien, um an der Hochschule für Welthandel zu studieren. »Zwei, drei Jahre länger, als ich vielleicht hätte müssen«, sagte er von sich selbst. Hier besuchte er auch Vorlesungen Viktor Frankls, und zwar mit mehr Engagement als so manch andere Vorlesung seines Fachstudiums.

Nach dem Studium, das er mit dem Titel eines Diplomkaufmanns 1972 abschloss, überlegte er ernsthaft, nach Kalifornien auszuwandern und sich der Gruppe um den Schriftsteller Carlos Castaneda anzuschließen, entschloss sich dann jedoch, das Marketing-Handwerk bei Unilever zu lernen. Nach einer kurzen Erfahrung im Sales-Bereich von Jacobs Kaffee in Österreich wechselte er zu Blendax, wo er bis zur Gründung von Red Bull als globaler Marketingdirektor tätig war.

Die Lehren Viktor Frankls und der literarischen Figur Castanedas, Don Juan Matus, neben einer Bilderbuchkarriere in Fast Moving Consumer Goods (kurz FMCG) – zwei Paralleluniversen, die dann eben doch irgendwann nicht mehr zusammenpassten. Nach zehn Jahren Weltenbummelei für die Lever Brothers, bei der sich Mateschitz seine Routen immer so legte, dass er noch genügend Freiraum hatte, um seine Leidenschaften abseits des Business zu leben, kam dann der Bruch. »Zu konventionell das alles. Menschen in Uniform, Anzug, Krawatte, und in der Hand haben alle dieselbe Zeitung. Ich hab mir gesagt: ›So als richtiger Steirer passt du da nicht hinein.‹ Dazu ein Budget, mit dem ›man halt a bissl a Werbung machen kann‹«, berichtete er 2008 in einem Interview mit der Zeit.* Die Geschichten aus der Business Class leid, flüchtete Mateschitz aus der Welt der grauen Anzüge und gründete Red Bull.

Der Firmenname lehnte sich an den thailändischen Energy Drink an, den Mateschitz erstmals 1980 auf einer Geschäftsreise nach Thailand konsumiert. Sein Freund und Geschäftspartner Chalerm Yoovidhva erinnerte sich: »Dietrich kam 1980 als zweiter Partner und Marketingdirektor von Blendax ins Spiel. TC Pharmaceuticals und Blendax waren bereits Geschäftspartner. Dietrich ist nach Bangkok gekommen, um sich mit mir zu treffen. Er war gejetlagt nach dem langen Flug von Europa, weshalb ich ihm ein Glas Krating Daeng anbot. Es wirkte. Der Jetlag war überwunden, und Dietrich wieder regeneriert – und beeindruckt.« Krating Daeng, übersetzt der Rote Stier, würde das Leben der beiden Männer grundlegend verändern.

Red Bull war so etwas wie ein Ort der Sehnsucht für Mateschitz. Dort sollten die beiden Parallelwelten verschmelzen. Diese Träume waren ambitioniert und durchaus konträr: Die Projektionsfläche Red Bull war von Anfang an klar umrissen und sollte nicht nur den üblichen Marketingmix, den Mateschitz im Schlaf beherrschte, sondern auch die Beschränkungen des zivilisierten Durchschnittsmenschen hinter sich lassen, einschließlich der vorgezeichneten Karrieresprünge mit ihren üblichen Attributen und Statussymbolen. Beyond the Ordinary, jenseits des Gewöhnlichen, wurde zur Red-Bull-DNA – facettenreich, vielfältig und den Prinzipien eines Lebens in Freiheit und Verantwortung treu. Diese Welt sollte ein einfaches, kontemplatives Einsiedlerleben – das Mateschitz gelegentlich am Strand in Thailand in der Hütte seines Freundes Chalerm führte und in dem beide schon von Anfang an von einem eigenen Formel-1-Team träumten – genauso umspannen wie Extremerfahrungen beim Ski-, Auto- oder Motorradfahren oder die völlige Hingabe an die eine Sache. In seinem Fall war das ab sofort die Welt von Red Bull. Als Dietrich Mateschitz Jahre später in einem Londoner Taxi auf der Fahrt zum Shareholder Meeting sein Produkt in der Hand hielt, sagte er denn auch: »Schon witzig, alles, was wir tun, verdanken wir dieser Dose.« Und zum Taxifahrer gewandt: »Wissen Sie, diese Dose ist ein Jahrhundertereignis.«*

Das hinter »dieser Dose« stehende Business Model: die Positionierung des Getränkes als Luxus- und Zielgruppengetränk, das Ersinnen einer ganz neuen Kommunikationspolitik und der Aufbau einer globalen Marke mit einem revolutionären Content-Marketing-Konzept. Alles in allem die Umsetzung einer großen Marketingidee with clear mind and open eyes, mit klarem Verstand und offenen Augen.

In einer Zeit, in der man noch von Firmengründungen und Startkapital sprach, war die Verwirklichung dieses Traumes keine Selbstverständlichkeit. Fernab von der Start-up- und Venture-Capital-