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Digital Assets haben das Potenzial, traditionelle Finanzsysteme zu revolutionieren, weltweite Transaktionen zu ermöglichen, Intermediäre zu reduzieren und nicht zuletzt zu weitreichenden Änderungen im nationalen Rechtssystem zu führen. Sie bieten eine neue Art, Eigentum und Werte in einer sicheren, transparenten und definierbaren Weise zu repräsentieren. Derzeit ebnen sie den Weg für innovative Anwendungen im Finanzwesen, in der Supply Chain, bei der Verifikation von Identitäten und vielen weiteren Bereichen mehr. Ihnen zugrunde liegt die Blockchain-Technologie, die inzwischen einen praxisfähigen Reifegrad erreicht hat. Mit dem Mitwachsen des regulativen Rahmens haben Digital Assets das Potenzial, ganze Industrien neu zu gestalten, Effizienz in Prozessen zu verbessern und sogar den Zugang zu bestimmten Wirtschaftsgütern zu erleichtern. Dieses Werk beleuchtet den Umgang mit Digital Assets im deutschen Rechtssystem aus unterschiedlichen Perspektiven: - der des Verbrauchers, der digitale Produkte erwirbt und qua seines Status eine Sonderrolle einnimmt; - der des Software-Anbieters, der sich ständig mit neuen Geschäftsmodellen und Lizenzmodellen auseinandersetzen muss; - der eines Software-Anwenders von Digital-Asset-Management Systemen bei der rechtssicheren Speicherung und Verwaltung von digitalen Inhalten; - der des Steuerberaters, der sich mit der Behandlung und Einordnung von Krypto-Werten hinsichtlich steuerlicher Sachverhalte auseinandersetzen muss; - der eines Erben oder Nachlassgerichts zur Frage der Qualifikation von digitalen Nachlässen; - der des Juristen, der sich die Frage stellt, wie Digital Assets in der Zwangsvollstreckung und Insolvenz zu behandeln sind; - der einer Aufsichtsbehörde über den Markt von Kryptowährungen und gleichzeitig auch der eines Investors, für die Frage, wie der Schutz von Investoren und die Verhinderung von Missbräuchen sichergestellt werden kann; - der eines Geldwäschebeauftragten oder Ermittlers, der Zahlungsströme bei Digital Assets nachverfolgt. In all diesen Bereichen steht das Rechtssystem vor neuen Herausforderungen, die die komplexe Natur der Digital Assets mit sich bringt. Existierende Normen müssen ausgelegt und neue geschaffen werden, um dieser neuen Art von Rechtsgütern und ihren Besonderheiten zu begegnen. In diesem Band 2 der Schriftenreihe für Recht und Wirtschaft des KcW KompetenzCentrums für Wirtschaftsrecht der FOM Hochschule für Oekonomie und Management gGmbH haben sich die Autoren zur Aufgabe gemacht, Antworten aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu diesem Themen zu formulieren. Mit Beiträgen von: Prof. Dr. Matthias Amort, Prof. Dr. Esther Bollhöfer, Prof. Dr. Jan-Friedrich Bruckmann, Prof. Dr. Hans-Jörg Fischer, Prof. Dr. Marcus Helfrich, Prof. Dr. Jens M. Schmittmann, Marcel Supernok-Kolbe (LL.M.) und Prof. Dr. Wolfgang Wirbelauer
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Seitenzahl: 415
Herausgegeben von
Prof. Dr. Hans-Jörg Fischer, FOM Hochschule, Mannheim
und
Prof. Dr. Esther Bollhöfer, FOM Hochschule, Mannheim
Bearbeitet von:
Prof. Dr. habil. Matthias Amort; Prof. Dr. Esther Bollhöfer; Prof. Dr. Jan-Friedrich Bruckermann; Prof. Dr. Hans-Jörg Fischer; Prof. Dr. Marcus Helfrich; Prof. Dr. Jens M. Schmittmann; Marcel Supernok-Kolbe, LL.M.; Prof. Dr. Wolfram Heinrich Wirbelauer
Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main
Alle im Buch verwendeten Begriffe verstehen sich geschlechterneutral. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet – entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN: 978-3-8005-1864-7
© 2024 Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, Frankfurt am Main www.ruw.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Druck: Beltz Grafische Betriebe GmbH, 99947 Bad Langensalza
Digital Assets sind aus aktuellen Diskussionen über die Zukunft der Wirtschaft und des Wirtschaftens kaum noch wegzudenken. Groß und vielversprechend scheinen die Potenziale, die sich offenbaren. Zudem passen sie perfekt zu der allgemeinen Wahrnehmung, dass die Digitalisierung zu langsam umgesetzt wird.
Als Basis dient das Blockchain-Verfahren zur Schaffung von virtuellen Einheiten, kurzgefasst Digitale Werte oder Kryptowerte, die als Zahlungsmittel verwendet oder mit anderen Wirtschaftsgütern unterlegt werden. Der Umgang hiermit prägt unsere Gesellschaft und das tägliche Leben, aber auch die wissenschaftliche Literatur auf vielen Gebieten bereits heute. Kryptowerte bestimmen das Leben der Menschen, mit zunehmenden Innovationen auf dem Gebiet der KI wird diese Entwicklung noch mehr Schwung aufnehmen. Angesichts der rasanten technischen Entwicklung sind viele Ausgestaltungen nicht oder nur unzureichend rechtlich erfasst und beschrieben worden – das Recht „hinkt“ der Technik „wieder einmal“ hinterher. Demzufolge werfen digitale Werte in zahlreichen Rechtsgebieten, so im Zivil-, Zwangsvollstreckungs-, Insolvenz-, Technik-, Datenschutz-, Sozial-, Aufsichts-, Straf- und Steuerrecht neue Fragen und Probleme auf.
Dieser Sammelband hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Phänomen von digitalen Wirtschaftsgütern aus verschiedenen rechtlichen Perspektiven zu beleuchten und den Versuch einer Orientierung und rechtlichen Einordnung der zahlreichen Varianten zu wagen. Den Herausgebern ist bewusst, dass hierbei z.T. Neuland betreten wird und zukünftige Entwicklungen nur unzureichend abzuschätzen sind – dies macht die Herangehensweise zu einer spannenden, aber auch herausfordernden Aufgabe.
Ob es um Steuerfragen bei der Schaffung von Kryptowerten, um den Handel damit oder um spezielle Erscheinungsformen wie nicht übertragbare Kryptowerte (NFT) geht, jede Variante dieser Werte kann für Transaktionen verwendet werden, bei denen ein Gewinn erzielt werden kann. Gerade bei NFT mit den als Content unterlegten Unikaten stellen sich vielfältige rechtliche und technische Fragen, die einer gründlichen Aufarbeitung bedürfen. Ein weiteres Thema ist die Frage, inwieweit der Verbraucherschutz beim Handel mit digitalen Produkten gewährleistet werden kann. Dem Schutz des Verbrauchers, aber auch von Kapitalanlegern und Investoren vor Irreführung und Täuschung bei Digital Assets dient das Aufsichtsrecht, das erst kürzlich auf europäischer Ebene durch eine europäische Verordnung geregelt wurde. Ein anderer relevanter Aspekt ist das Spannungsfeld zwischen staatlichen Aufgaben zur Aufsicht, Verbraucherschutz und Verbrechensbekämpfung bei Digital Assets einerseits und dem Datenschutz andererseits. Im Fokus dieses Bandes steht weiterhin die Frage, wie Digital Assets in ihrer Eigenschaft als nichtkörperliches Wirtschaftsgut im Rahmen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder im Insolvenzverfahren behandelt werden. Schließlich werden auch die rechtliche Einordnung von Digital Assets bei der missbräuchlichen Verwendung durch Kriminelle zur Geldwäsche erörtert und Lösungsansätze diskutiert.
Im Rahmen der nachfolgenden Beiträge werden die beteiligten Autoren Fragen zu Digital Assets im Recht jeweils aus den genannten unterschiedlichen Blickwinkeln erörtern. Die Herausgeber erhoffen sich, durch die Beschäftigung mit dieser Thematik innovative und zukunftsweisende Denkanstöße zur Rechtsfortbildung in einer immer stärker durch technologische Innovationen geprägten Gesellschaft zu geben.
Die Herausgeber danken ihren engagierten Autoren aus dem KCW KompetenzCentrum für Wirtschaftsrecht der FOM Hochschule sowie dem Verlag für die zügige Umsetzung des vorliegenden Werkes.
Mannheim, im September 2023
Die Herausgeber
Hans-Jörg Fischer
Esther Bollhöfer
Prof. Dr. habil. Matthias Amort
Professor für Wirtschaftsrecht, FOM Hochschule Düsseldorf und Essen
Prof. Dr. Esther Bollhöfer
Professorin für Wirtschaftsrecht, insbesondere IT-Recht, FOM Hochschule Mannheim; Wissenschafltliche Leiterin des KompetenzCentrum für Technologie- und Innovationsmanagement (KCT)
Prof. Dr. Jan-Friedrich Bruckermann
Professor für Sozial- und Gesundheitsrecht, FOM Hochschule Köln; Rechtsanwalt in Köln
Prof. Dr. Hans-Jörg Fischer
Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht, FOM Hochschule Mannheim; Wissenschaftlicher Leiter des KompetenzCentrum für Wirtschaftsrecht (KCW) und Sprecher des Hochschulbereichs Wirtschaft & Recht der FOM Hochschule. Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Fachanwalt für Steuerrecht in München und Mannheim; Mitherausgeber des Fischer/Pellmann/Schoch, Kommentar zum Hinweisgeberschutzgesetz
Prof. Dr. Marcus Helfrich
Professor für Wirtschaftsrecht, FOM Hochschule München; Rechtsanwalt in Rosenheim; Mitherausgeber eines Handbuches zum betrieblichen Datenschutz, Co-Autor eines Kommentars zu DS-GVO und BDSG; Herausgeber einer Textausgabe zum Datenschutzrecht mit ausführlicher Einführung
Prof. Dr. Jens M. Schmittmann
Professor für ABWL, Wirtschafts- und Steuerrecht, FOM Hochschule Essen; Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, für Handels- und Gesellschaftsrecht und für Steuerrecht, Essen; Mitglied des Senats für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofes
Marcel Supernok-Kolbe, LL.M. (Essen)
Vereinigung Baden-Württembergische Wertpapierbörse e.V., Stuttgart, Lehrbeauftragter FOM Hochschule Stuttgart
Prof. Dr. Wolfram Heinrich Wirbelauer
Professor für Arbeitsrecht, FOM Hochschule Frankfurt; Rechtsanwalt in Frankfurt
Vorwort der Herausgeber
Bearbeiterverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Kapitel 1 Verbraucherschutz bei digitalen Produkten
A. Einleitung
B. Überblick zu zentralen Regelungen
I. Transformation unionaler Vorgaben
II. Kein eigener Vertragstyp
III. Vertragsgegenstand
IV. Gegenleistung des Verbrauchers
V. Aktualisierungspflicht des Unternehmers
C. Mängelgewährleistung
I. Überblick
II. Abweichende Vereinbarungen
III. Praxisbeispiele und Rechtsprechung
D. Fazit und kritische Würdigung
Literaturverzeichnis
Kapitel 2 NFTs als neues Geschäftsmodell für Softwareanbieter – eine rechtlich-technische Analyse
A. Einleitung
B. NFTs und Besonderheiten
I. Was sind NFTs?
II. Technischer Hintergrund
III. Kryptowerte
IV. Rechtlicher Hintergrund
C. Geschäftsmodelle Software
I. Geschäftsmodell (betriebswirtschaftlich)
II. Lizenzmodelle
D. Lösungsansatz NFT
I. Konzept
II. Rechteübergang und Einsatz des Smart Contracts
E. Ergebnis
Literaturverzeichnis
Kapitel 3 Datenschutz – ein Begriff auch für Digital Assets?
A. Einleitung
I. Datennutzung
II. Demokratiedefizit
III. Konkrete Lösungsansätze
IV. Rechtsgrundlage in den Menschenrechten
B. Ausgangslage: Datenleaks und Datenmissbrauch geraten regelmäßig in Vergessenheit
I. Cambridge Analytica
II. Deutsche Post
III. Tesla-Datenmissbrauch
IV. Elektrofahrzeuge unter besonderer Berücksichtigung von Tesla
V. Kochava Inc.
VI. Genomanalyse
VII. Fitnesstracker
VIII. ePA
IX. Notwendigkeit einer Änderung der Datenschutzstrategie
C. Kann eine Partizipation der Urheber durch verpflichtende Wertzumessung für jede Art generierter Digitalinformationen (Digital Assets) den Datenschutz garantieren?
I. Information der Urheber
II. Digital Assets
III. Effekt der Finanzkalkulation: Eindämmung der Datenabrufe
IV. Internationales Vorgehen
D. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Kapitel 4 Die Besteuerung von Digital Assets
A. Einführung
B. Begriffsbestimmungen
I. Allgemeines
II. Kryptowährungen, Currency Token
III. Utility Token
IV. Security Token
V. Sonderfall: Non-Fungible Token (NFT)
C. Besteuerung
I. Allgemeines
II. Kryptowährungen, Currency Token
III. Utility Token
IV. Security Token
V. Non-Fungible Token (NFT)
D. Durchführung der Besteuerung
I. Allgemeines
II. Das Plattformen-Steuertransparenzgesetz
III. Entwurf der 8. Amtshilferichtlinie der EU (DAC 8)
IV. Blockchain-basierte Unterstützung bei umsatzsteuerlichen Reihengeschäften in der EU
V. Steuerstrafrechtliche Fragen
VI. Überlegungen für eine rechtssichere Besteuerung von Digital Assets
E. Schlussbetrachtung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Kapitel 5 Digitale Assets im Erbfall
A. Einleitung
B. Vererbbarkeit digitaler Werte
C. Anspruch auf Zugangsdaten
D. Ansprüche Dritter
I. Einwilligung
II. Vertragserfüllung
III. Erfüllung einer Rechtspflicht, Schutz lebenswichtiger Interessen, Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse oder Ausübung öffentlicher Gewalt
IV. Wahrnehmung eines berechtigten Interesses
V. Zwischenergebnis
E. Folgerungen für die Praxis
Literaturverzeichnis
Kapitel 6 Digital Assets in Zwangsvollstreckung und Insolvenz
A. Einleitung
B. Rechtsrahmen
I. Europarechtliche Regelungen
II. Regelungen im deutschen Recht
C. Digital Assets in der Zwangsvollstreckung
I. Vollstreckungsrechtliche Einordnung von Digital Assets
II. Zwangsvollstreckung in Digital Assets
D. Digital Assets in der Insolvenz
I. Insolvenzantragsverfahren
II. Insolvenzverfahren
E. Fazit
Literaturverzeichnis
Kapitel 7 Der Proof of Stake unter der Markets in Crypto-Assets Regulation
A. Einleitung
B. Technologische Grundlagen
C. Allgemeiner Regelungsinhalt der Markets in Crypto-Assets Regulation
D. Übersicht und Einordnung der Konsensusmechanismen
I. Der „Proof of Work“-Mechanismus
II. Der „Proof of Stake“-Mechanismus
E. Zivilrechtliche Einordnung der Staking-Dienstleistung in Deutschland
F. Finanzaufsichtsrechtliche Einordnung des Stakings in Deutschland
G. Analyse der MiCAR-Anforderungen an den PoS-Mechanismus
H. Organisationale Umsetzungsempfehlungen für CASP
I. Folgepflichten der CASP nach MiCAR
J. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Kapitel 8 Digital Assets und Geldwäsche
A. Einleitung
I. Praxisrelevanz der Thematik
II. Methodischer Ansatz der Darstellung
III. Grundlagen der Geldwäsche
IV. Makromethodik der Geldwäsche
V. Kryptowährungen
B. Internationaler Rechtsrahmen
C. Europäisches Recht
D. Nationales Recht, der „Status quo“
I. Der Straftatbestand der Geldwäsche
II. Das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)
III. Das Geldwäschegesetz
IV. Die Kryptowertetransferverordnung
E. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
a.A.
anderer Ansicht
a.a.O.
am angegebenen Ort
a.E.
am Ende
a.F.
alte Fassung
ABl.
Amtsblatt
Abs.
Absatz
AEUV
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
AG
Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)
AGB
Allgemeine Geschäftsbedingungen
AnwBl
Anwaltsblatt (Zeitschrift)
AO
Abgabeordnung
ART
Asset Referenced Token
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
BaFin
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BB
Betriebs-Berater (Zeitschrift)
BBankG
Bundesbankgesetz
BBP
Betriebswirtschaft im Blickpunkt (Zeitschrift)
BCBS
Basel Commitee on Banking Supervision
BeckOK
Beck’scher Online-Kommentar
BewG
Bewertungsgesetz
BFH
Bundesfinanzhof
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BKR
Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht
BMF
Bundesministerium der Finanzen
BSI
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik
BSIG
Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik
BTC
Bitcoin
BT-Drs.
Bundestags-Drucksache
bzw.
beziehungsweise
CARF
Crypto-Assets Reporting Framework
CASP
Crypto Asset Service Provider
CB
Compliance Berater (Zeitschrift)
CBDC
Central Bank Digital Currency
CR
Computer und Recht (Zeitschrift)
d.h.
das heißt
DAC
Directive on Administrative Cooperation
DAO
Decentralized Autonomous Organizations
DCGK
Deutsche Corporate Governance Kodex
DeFi
Decentralized Finance
ders.
derselbe
DEX
Decentralized Exchanges
dies.
dieselbe/n
DLT
Distributed Ledger Technology
DORA
Digital Operational Resilience Act
DRM
Digital Rights Management
DSGVO
Datenschutz-Grundverordnung
DSRITB
Deutsche Stiftung für Recht und Informatik (Tagungsband)
DStR
Deutsches Steuerrecht
DStV
Deutscher Steuerverband
DZWIR
Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht
EBA
European Banking Authority
ECB
Europäische Zentralbank (European Central Bank)
ECLI
European Case Law Identifier
Ed.
Edition
EG
Europäische Gemeinschaften
EGBGB
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch
EMT
E-Money Token
EnEV
Energieeinsparverordnung
EPUB
Electronic Publication
ErbR
Erbrecht (Zeitschrift)
ErbStB
Erbschaft-Steuerberater (Zeitschrift)
ErbStR
Erbschaftsteuer-Richtlinie
ESG
Environmental, Social, Governance
ESMA
European Securities and Markets Authority
EStB
Der Ertrag-Steuerberater (Zeitschrift)
EStG
Einkommensteuergesetz
EStH
Einkommensteuer-Hinweise
et al.
et alii; und andere
etc.
et cetera
ETH
Ethereum
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EU-MwStSystRL
EU-Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie
EUR
Euro
EUV
Vertrag über die Europäische Union
EuZW
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
f.
folgende
ff.
fortfolgende
FG
Finanzgericht
FR
FinanzRundschau (Zeitschrift)
FSB
Financial Stability Board
gem.
gemäß
ggf.
gegebenenfalls
GPL
General Public License
GPR
Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union
GRUR-Prax
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in der Praxis (Zeitschrift)
GRUR-RS
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Rechtsprechungssammlung
h.M.
herrschende Meinung
HD
High Definition
HGB
Handelsgesetzbuch
Hrsg.
Herausgeber
Hs.
Halbsatz
i.d.F.
in der Fassung
i.d.R.
in der Regel
i.S.d.
im Sinne des/der
i.S.e.
im Sinne eines/einer
i.S.v.
im Sinne von
i.V.m.
in Verbindung mit
ICO
Initial Coin Offering
IEC
International Electrotechnical Commission
IEEE
Institute of Electrical and Electronics Engineers
IIC
International Review of Intellectual Property and Competition Law (Zeitschrift)
IKS
Internes Kontrollsystem
InTeR
Zeitschrift für Innovations- und Technikrecht
IoT
Internet of Things
IP
Internetprotokoll
IPRB
IP-Rechtsberater (Zeitschrift)
ISO
Internationale Organisation für Normung
ISR
Internationale Steuer-Rundschau (Zeitschrift)
IT
Informationstechnik
ITS
Implementing Technical Standards
JuS
Juristische Schulung (Zeitschrift)
JZ
Juristenzeitung
Kap.
Kapitel
kbps
kilobits per second
KWG
Kreditwesengesetz
LG
Landgericht
lit.
litera
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
MiCAR
Markets in Crypto-Assets Regulation
MiFID
Markets in Financial Instruments Directive
Mio.
Millionen
MMR
Zeitschrift für IT-Recht und Recht der Digitalisierung
Mrd.
Milliarde
MüKo
Münchener Kommentar
NCA
National Competent Authorities
NetzDG
Netzwerkdurchsetzungsgesetz
NFT
Non Fungible Token
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nr.
Nummer
NZI
Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht
o.g.
oben genannt
OSS
Open Source Software
P2P
Peer-to-Peer-Netzwerk
PC
Personal Computer
PGP
Pretty Good Privacy
PIStB
Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift)
PoS
Proof of Stake
PoW
Proof of Work
PStTG
Plattformen-Steuertransparenzgesetz
RdF
Recht der Finanzinstrumente (Zeitschrift)
RDi
Recht Digital (Zeitschrift)
RL
Richtlinie
Rn.
Rn.
RTS
Regulatory Technical Standards
S.
Seite
s.
siehe
S/MIME
Secure/Multipurpose Internet Mail Extensions
s.o.
siehe oben
SC
Smart Contracts
SD
Standard Definition
sog.
sogenannt
SSL
Secure Sockets Layer
StBp
Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift)
STO
Security Token Offering
StuW
Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)
TGE
Token Generation Event
TIN
Tax Identification Number
TLS
Transport Layer Security
u.a.
unter anderem/und andere
u.U.
unter Umständen
Ubg
Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift)
UR
UmsatzsteuerRundschau (Zeitschrift)
UrhG
Urheberrechtsgesetz
Urt.
Urteil
US
United States
USD
US-Dollar
UStAE
Umsatzsteuer-Anwendungserlass
UStG
Umsatzsteuergesetz
usw.
und so weiter
v.
vom/von
vgl.
vergleiche
VuR
Verbraucher und Recht (Zeitschrift)
wistra
Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht
WM
Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht
XML
Extensible Markup Language
z.B.
zum Beispiel
z.T.
zum Teil
ZAG
Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz
ZD
Zeitschrift für Datenschutz
ZErb
Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis
ZEuP
Zeitschrift für Europäisches Privatrecht
ZEV
Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge
ZfPW
Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
ZInsO
Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
ZPO
Zivilprozessordnung
ZUM
Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht
Übersicht
A. Einleitung
1
B. Überblick zu zentralen Regelungen
2
I. Transformation unionaler Vorgaben
2
II. Kein eigener Vertragstyp
3
III. Vertragsgegenstand
4
1. Digitale Produkte
4
2. Paketvertrag und Vertrag über Sachen mit digitalen Elementen
6
a) Paketvertrag
6
b) Vertrag über Sachen mit digitalen Elementen
7
3. Art des Vertragsschlusses und Vertriebsweg
9
4. Maßgeschneiderte, kostenlose und quelloffene Software
10
IV. Gegenleistung des Verbrauchers
11
V. Aktualisierungspflicht des Unternehmers
19
1. Grundlagen
19
2. Zeitraumbezogene Betrachtungsweise
22
3. Dauer der Aktualisierungspflicht
28
4. Keine Installation durch Verbraucher
35
a) Ausschluss der Haftung des Unternehmers
35
b) Voraussetzungen des Haftungsausschlusses
36
c) Beweislast
41
C. Mängelgewährleistung
42
I. Überblick
42
II. Abweichende Vereinbarungen
43
III. Praxisbeispiele und Rechtsprechung
44
1. Praxisbeispiele
44
a) Textverarbeitungsprogramme
44
b) Suchmaschinen
47
c) E-Mail-Programme
50
d) E-Books
53
e) Soziale Netzwerke
55
f) Video-Streaming
58
g) Musik-Streaming
60
h) Messenger-Dienste
65
2. Rechtsprechung
69
D. Fazit und kritische Würdigung
72
1
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem Verbraucherschutz bei digitalen Produkten, also mit den Vorschriften der §§ 327 bis 327s BGB, die zum 1.1.2022 in Kraft traten. Demgegenüber sind §§ 327t f. BGB, also Vorschriften zum Rückgriff bei Verträgen zwischen Unternehmern (§ 327u BGB), nicht Gegenstand der Untersuchung. Verbraucherverträge sind gemäß § 310 Abs. 3 BGB Verträge zwischen Verbrauchern (§ 13 BGB) und Unternehmern (§ 14 BGB). Im Folgenden wird zunächst ein Überblick zu zentralen Regelungen gegeben. Sodann widmet sich der Beitrag zwei besonders praxisrelevanten Komplexen, nämlich wichtigen Fragen der Aktualisierung der digitalen Produkte sowie der Mängelgewährleistung. Die Untersuchung endet mit einem Fazit und einer kritischen Würdigung.
2
Die §§ 327 bis 327s BGB sind Umsetzungen der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen1 aus dem Jahr 2019 (im Folgenden „Digitale-Inhalte-Richtlinie“). Die Richtlinie wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen vom 25.6.20212 (verkündet am 30.6.2021) in deutsches Recht transformiert. Das übergeordnete Anliegen der Richtlinie besteht darin, zur Verwirklichung eines digitalen Binnenmarkts beizutragen und ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen. Durch die Vereinheitlichung bestimmter Kernbereiche des Vertragsrechts sollen das Verbrauchervertrauen gestärkt und die Rechtssicherheit für Unternehmer erhöht werden.3 Die Regelungen der Richtlinie und des Umsetzungsgesetzes sollen Anwendung finden auf Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern über die Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (digitale Produkte), die durch Zahlung eines Preises vergütet werden, sowie auf solche Verträge, bei denen als Gegenleistung eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch den Unternehmer erfolgt.4 Die Richtlinie ist vollharmonisierend, wie deren Artikel 4 bestimmt: Die Mitgliedstaaten „dürfen in ihrem nationalen Recht keine von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichenden Vorschriften aufrechterhalten oder einführen; dies gilt auch für strengere oder weniger strenge Vorschriften“. Der Gesetzgeber der Europäischen Union (EU) hat den Mitgliedstaaten eine Frist bis zum 1.7.2021 gesetzt; die Vorschriften sind seit dem 1.1.2022 in allen Mitgliedstaaten verbindlich anzuwenden. Der deutsche Gesetzgeber hat mit der Verkündung des Umsetzungsgesetzes am 30.6.2021 die Umsetzungsfrist eingehalten.
1
Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen, ABl. Nr. L 136 vom 22.5.2019.
2
BGBl. 2021 I, S. 2123ff.
3
Digitale-Inhalte-Richtlinie, Erwägungsgrund Nr. 8.
4
Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen, BT-Drs. 19/27653 (im Folgenden: „Regierungsentwurf“), S. 23.
3
Offen lässt die Richtlinie, ob die Mitgliedstaaten für das Recht der digitalen Produkte (digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen) ein Sonderrecht in Form eines eigenen Vertragstyps mit eigenständigen Regelungen schaffen5 oder ob sie dieses in die bestehenden allgemeinen Regelungen und existierenden Vertragstypen einflechten müssen.6 Das verwundert nicht, da diese Offenheit in der Umsetzung gerade die Richtlinie (Art. 288 Abs. 3 AEUV) von der Verordnung (Art. 288 Abs. 2 AEUV) abgrenzt. Der deutsche Gesetzgeber hat sich mit dem Umsetzungsgesetz für die Integration der Richtlinienvorgaben in die bestehenden gesetzlichen Strukturen entschieden.7 So heißt es in der Begründung des Regierungsentwurfs: „Die Richtlinie beschreibt gerade keinen einheitlichen Vertragstyp.“8 Das kann sie auch nicht leisten, da das Zivilrecht in den einzelnen Mitgliedstaaten durchaus sehr unterschiedlich gestaltet ist. Daher und unter dem Primärziel des Verbraucherschutzes zieht sich die Richtlinie auf das Modell, die Terminologie und die Mechanismen der Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf9 zurück, die nunmehr durch die Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs10 (im Folgenden „Warenkaufrichtlinie“) ersetzt wurde.11 Im Sinn dieses Integrationsansatzes finden sich nunmehr im Bürgerlichen Gesetzbuch spezielle Regelungen zu digitalen Produkten; ein eigener Vertragstyp ist damit aber nicht eingeführt. Dies wäre auch aus systematischen Gründen nicht sinnvoll gewesen, da sich digitale Produkte verkaufen, verschenken, vermieten oder als Werklieferleistung herstellen lassen. Im Einzelnen enthält das Bürgerliches Gesetzbuch nun spezielle Regelungen für den Verbrauchsgüterkaufvertrag über digitale Produkte (§ 475a sowie § 453 Abs. 1 Satz 2 und 3), den Verbrauchervertrag über die Schenkung digitaler Produkte (§ 516a), den Vertrag über die Miete digitaler Produkte (§ 578b), den Verbrauchervertrag über digitale Dienstleistungen (§ 620 Abs. 4) sowie den Verbrauchervertrag über die Herstellung digitaler Produkte (§ 650 Abs. 2).
5
So der Vorschlag von
Metzger
, JZ 2019, 577.
6
Bittner
, VuR 2022, 9.
7
Bittner
, VuR 2022, 9.
8
Begründung des Regierungsentwurfs, S. 27.
9
Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. Nr. L 171 vom 7.7.1999, S. 12.
10
Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG, Abl. Nr. L 136 vom 22.5.2019, S. 28.
11
Bittner
, VuR 2022, 9, 10.
4
Den Vertragsgegenstand beschreibt § 327 Abs. 1 BGB: „Die Vorschriften dieses Untertitels sind auf Verbraucherverträge anzuwenden, welche die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen (digitale Produkte) durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben. Preis im Sinne dieses Untertitels ist auch eine digitale Darstellung eines Werts.“ Die Vorschrift enthält damit auch eine Legaldefinition für den Begriff der digitalen Produkte. Demgegenüber lässt die Digitale-Inhalte-Richtlinie eine Begriffsklärung vermissen.12 Während § 327 Abs. 1 BGB nur die gesetzliche Definition des Begriffs der digitalen Produkte enthält, klärt § 327 Abs. 2 BGB die Termini „digitale Inhalte“ und „digitale Dienstleistungen“. Demnach sind digitale Inhalte Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. Digitale Dienstleistungen sind Dienstleistungen, die dem Verbraucher die Erstellung, die Verarbeitung oder die Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang zu solchen Daten ermöglichen oder die gemeinsame Nutzung der vom Verbraucher oder von anderen Nutzern der entsprechenden Dienstleistung in digitaler Form hochgeladenen oder erstellten Daten oder sonstige Interaktionen mit diesen Daten ermöglichen. Digitale Inhalte können z.B. Computerprogramme, Anwendungen, Videodateien, Audiodateien, Musikdateien, digitale Spiele, elektronische Bücher und andere elektronische Publikationen sein. Beispiele für digitale Dienstleistungen sind die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form und der Gewährung eines Zugriffs auf diese, des Weiteren im „Software-as-a-Service“, wie der gemeinsamen Nutzung von Video- oder Audioinhalten und anderen Formen des Datei-Hostings, bei der Textverarbeitung oder Spielen, die in einer Cloud-Computing-Umgebung und in sozialen Medien zur Verfügung gestellt werden.13
5
Digitale Inhalte und Dienstleistungen sind aber oftmals auch mit körperlichen Gegenständen verwoben, z.B. beim Kauf von Software auf einem Datenträger im Gegensatz zur Bereitstellung der Software zum Herunterladen auf ein Endgerät des Kunden, beim Kauf oder Leasing eines Computers mit einer Betriebssoftware oder dem Kauf einer Smart Watch. Hierzu hält das Umsetzungsgesetz zahlreiche Abgrenzungsbestimmungen bereit, z.B. in den §§ 327 Abs. 5, 475a Abs. 1, 516a Abs. 1 Nr. 2, 578b Abs. 1 Satz 3, 650 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 BGB: Die Regelungen der §§ 327ff. BGB sollen auch gelten, wenn die Bereitstellung der digitalen Inhalte auf einem körperlichen Datenträger erfolgt. Die Bereitstellungshandlung als solche, die Übergabe im Rahmen eines Kauf-, Miet- oder Werkvertrags erfolgt nach den Regeln, die für Sachen (Datenträger) gelten, also z.B. über § 433 Abs. 1 BGB, wohingegen bei Nicht- oder Schlechtleistung die Rechtsmittel aus den §§ 327c ff. BGB zur Verfügung stehen.
6
Gemäß § 327a Abs. 1 Satz 1 BGB sind die Vorschriften auch auf Verbraucherverträge anzuwenden, die in einem Vertrag zwischen denselben Vertragsparteien neben der Bereitstellung digitaler Produkte die Bereitstellung anderer Sachen oder die Bereitstellung anderer Dienstleistungen zum Gegenstand haben (Paketvertrag). Soweit nicht anders bestimmt, sind die Vorschriften jedoch nur auf diejenigen Bestandteile des Paketvertrags anzuwenden, welche die digitalen Produkte betreffen (§ 327a Abs. 1 Satz 2 BGB). Zu denken ist etwa an die Vermietung eines Kraftfahrzeugs mit gleichzeitiger Verpflichtung zur Bereitstellung einer Navigationssoftware.14 Weitere Beispiele sind die Bereitstellung von Digitalfernsehen in Verbindung mit dem Kauf elektronischer Geräte, von digitalen journalistischen Angeboten in Verbindung mit dem Kauf von Zeitungen oder Zeitschriften, von Fitness-Apps durch den Betreiber eines Fitnessstudios, die Gewährung des Zugangs zu einem geschützten Bereich einer Website für die Besucher eines Festivals, die Bereitstellung einer Smartphone-Anwendung für den Käufer oder den Mieter eines Fahrzeugs oder einer „Smart Home“-fähigen Heizungsanlage.15 Da § 327a Abs. 1 BGB von „Sachen“ und nicht von „Waren“ spricht, sind nur körperliche Gegenstände im Sinne des § 90 BGB erfasst. Damit können auch Immobilien Bestandteile eines Paketvertrags sein. § 327a Abs. 1 BGB soll verhindern, dass der Unternehmer die Vorgaben der §§ 327ff. BGB umgehen kann, indem er das digitale Produkt in eine nicht-digitale Leistungsverpflichtung integriert.16 Die Frage, ob sowohl die nicht-digitale als auch die digitale Leistungsverpflichtung des Unternehmers einem einheitlichen Vertrag im Sinne des § 327a Abs. 1 Satz 1 BGB oder vielmehr mehreren einzelnen Verträgen zwischen den Parteien entspringen, beurteilt sich allein nach den national-rechtsgeschäftlichen Grundsätzen.17 Von einem einheitlichen Vertrag ist dementsprechend auszugehen, wenn ein Einheitlichkeitswille der Parteien oder zumindest einer Partei unter Billigung bzw. Hinnahme dieses Willens durch die andere Partei festgestellt werden kann.18
7
Aus den Paketverträgen greift § 327a Abs. 2 Satz 1 BGB Verträge über Sachen heraus, die digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind und ordnet ebenfalls die Anwendbarkeit der §§ 327ff. BGB (nur) für den digitalen Teil des Vertrags an.19 Beispiele hierfür sind Smartphones, die gemäß dem Kaufvertrag standardisierte, vorinstallierte Anwendungen haben, wie z.B. eine Alarmfunktion oder eine Kameraanwendung. Weitere Beispiele sind Computer mit einem vorinstallierten Betriebssystem oder die sogenannte Smart Watch. In einem solchen Fall ist der Computer bzw. die Uhr selbst die Kaufsache (als „Ware mit digitalen Elementen“), die ihre Funktionen aber nur mittels der digitalen Anwendungen erfüllen kann. Dem ist auch so, wenn die digitalen Anwendungen vom Verbraucher erst auf den Rechner bzw. das Smartphone heruntergeladen werden müssen bzw. der Verbraucher zunächst einer Lizenzvereinbarung mit einem Dritten zustimmen muss, um die digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nutzen zu können. Falls Zweifel an dieser Einordnung bestehen, vermutet § 327a Abs. 3 Satz 2 BGB, dass die Bereitstellung der digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen Teil des Kaufvertrags ist und somit dem Recht des Sachkaufs unterfällt. Dies bringt für den Verbraucher keinen Nachteil, da die Regeln über den Sachkauf für Verbraucher dieselben Rechtsmittel bei einer Schlechtleistung bereithalten, nämlich Nachbesserung, Minderung und Vertragsbeendigung als Gewährleistungsrechte.20
8
Die in § 327a Abs. 2 Satz 1 BGB umschriebene Konstellation stellt jedoch keine Alternative zu § 327a Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Sofern ein Vertrag über eine Sache im Sinne des § 327a Abs. 2 Satz 1 BGB in Kenntnis des „Enthaltenseins“ eines digitalen Produkts geschlossen wird, hat dieser Vertrag stets die Bereitstellung dieses digitalen Produkts im Sinne des § 327a Abs. 1 Satz 1 BGB (zumindest konkludent) zum Gegenstand. Die Vorschrift des § 327a Abs. 1 Satz 1 BGB verfügt insofern über einen weiteren Anwendungsbereich, als sie das Sacherfordernis nicht enthält und damit – über § 327a Abs. 2 Satz 1 BGB hinausgehend – beispielsweise auch partielldigitale Werk- oder Dienstleistungskonstellationen (z.B. den Umbau eines Hauses zu einem Smart Home samt Bereitstellung der Software) erfassen kann. Die Kategorie des § 327a Abs. 2 BGB geht dementsprechend richtigerweise in der des Paketvertrags auf, da andernfalls – dem Grundsatz der Vertragstypenunabhängigkeit zuwiderlaufend – gerade die vertragliche Typologisierung eine Differenzierung begründete. Für ein solches Verständnis spricht ferner ein Blick auf die europarechtlichen Grundlagen: Die Digitale-Inhalte-Richtlinie kennt in Art. 3 Abs. 6 lediglich den Paketvertrag. § 327a Abs. 2 BGB stellt damit eine genuin nationalrechtliche Schöpfung dar, ohne dass ein spezifischer „Modifikationswille“ des – ansonsten bewusst „eins zu eins“ umsetzenden21 – nationalen Gesetzgebers auch nur angedeutet wäre.22
9
§§ 327ff. BGB regeln nicht die von den Parteien gewählte Art des Vertragsschlusses und den gewählten Vertriebsweg. Die Vorschriften betreffen also nicht die Frage, ob die Willenserklärungen in körperlicher Anwesenheit der Parteien oder im Wege des Fernabsatzes bzw. Onlinehandels (E-Commerce), einschließlich des Austauschs der Willenserklärungen über Telemedien, abgegeben wurden. Ebenso wenig finden sich in den §§ 327ff. BGB Regelungen zu Widerrufsrechten mit den Rechtsfolgen der §§ 355ff. BGB.23
10
§ 327 Abs. 4 und § 650 Abs. 2 BGB stellen klar, dass die Bestimmungen der §§ 327ff. BGB auch für digitale Produkte gelten, die nach den Spezifikationen des Verbrauchers (z.B. maßgeschneiderte Software) entwickelt werden. Die Regelungen gelten nicht für kostenlose und quelloffene Software, sofern sie nicht gegen Zahlung eines Preises bereitgestellt und die personenbezogenen Daten der Verbraucher ausschließlich zur Verbesserung der Sicherheit, Kompatibilität oder Interoperabilität der Software verwendet werden (siehe § 327 Abs. 6 Nr. 6 BGB). So sollen Hindernisse für die „Forschung und Innovation auf dem Markt für digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen“ vermieden werden.24
12
Begründung des Regierungsentwurfs, S. 24.
13
Bittner
, VuR 2022, 9, 10; weitere Beispiele nennt die Digitale-Inhalte-Richtlinie in Erwägungsgrund Nr. 19.
14
Gansmeier/Kochendörfer
, ZfPW 2022, 1, 9.
15
Die Begründung des Regierungsentwurfs nennt auf S. 46 die Beispiele des Smart Car und Smart Home im Kontext von § 327a Abs. 2 BGB;
Metzger
, in: MüKo BGB, § 327a Rn. 3.
16
Begründung des Regierungsentwurfs, S. 46 (zu § 327a Abs. 2 BGB).
17
Digitale-Inhalte-Richtlinie, Erwägungsgrund Nr. 12.
18
Gansmeier/Kochendörfer
, ZfPW 2022, 1, 9; zum Ganzen m.w.N.
Ellenberger
, in: Grüneberg, BGB, § 139 Rn. 5 („miteinander stehen und fallen“).
19
Gansmeier/Kochendörfer
, ZfPW 2022, 1, 9.
20
Bittner
, VuR 2022, 9, 10f.
21
Begründung des Regierungsentwurfs, S. 2.
22
Gansmeier/Kochendörfer
, ZfPW 2022, 1, 10.
23
Bittner
, VuR 2022, 9, 11.
24
Bittner
, VuR 2022, 9, 11; Digitale-Inhalte-Richtlinie, Erwägungsgrund Nr. 32.
11
Nach § 327 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt als Gegenleistung des Verbrauchers zum einen die „Zahlung eines Preises“ in Betracht. Dieser Preis wird nach Art. 2 Nr. 7 Digitale-Inhalte-Richtlinie definiert als „Geld [...], das im Austausch für die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen geschuldet wird.“ Erfasst sind damit Geldzahlungen aller Art, und zwar unabhängig vom gewählten Zahlungsmittel. Dabei ist es unerheblich, ob der Verbraucher einmalig einen Geldbetrag oder mehrere Zahlungen schuldet. Auch regelmäßige Zahlungen, etwa monatliche für die Dauer des Vertrags, sind erfasst.25
12
Zum anderen kommt als Leistung des Verbrauchers gemäß § 327 Abs. 1 Satz 2 BGB die „digitale Darstellung eines Wertes“ in Betracht. Die Formulierung folgt Art. 2 Nr. 7 Digitale-Inhalte-Richtlinie, die unter „Preis“ neben der Geldzahlung auch die digitale Darstellung eines Wertes versteht. Als Beispiele seien elektronische Gutscheine und E-Coupons genannt.26 Erfasst sind damit auch im Rahmen von Computerspielen erlangte und als Mittel zum Erwerb digitaler Güter eingesetzte Guthaben, Bonuspunkte oder fiktive Währungen.27 Zudem sind virtuelle Währungen erfasst, „soweit sie nach nationalem Recht anerkannt sind“.28 Virtuelle Währungen werden von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) als „digital representation of value“ definiert,29 was wiederum der englischsprachigen Version der Formulierung „digitale Darstellung eines Wertes“ in Art. 2 Nr. 7 Digitale-Inhalte-Richtlinie entspricht. Die „Anerkennung nach nationalem Recht“30 erfordert nicht die Anerkennung als gesetzliches Zahlungsmittel im Sinn des § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG31. Die verbreiteten virtuellen Währungen, wie z.B. Bitcoins, sind in keinem EU-Mitgliedstaat als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt.32 Die Regelung würde also ins Leere laufen, verlangte man eine solche Anerkennung. Die Formulierung ist vielmehr als Vorbehalt für einen Ausschluss auf der Ebene des mitgliedstaatlichen Rechts zu verstehen. Die Formulierung wurde als Zugeständnis an diejenigen Mitgliedstaaten aufgenommen, die einer gesetzlichen Anerkennung virtueller Währungen durch die Digitale-Inhalte-Richtlinie nicht zustimmen wollten.33 Dies legt eine Auslegung nahe, nach der es den Mitgliedstaaten erlaubt ist, die Zahlung mit einer virtuellen Währung aus dem Anwendungsbereich der nationalen Umsetzungsvorschriften auszunehmen. Die Gesetzesmaterialien zu § 327 Abs. 1 BGB erwähnen virtuelle Währungen nicht,34 übernehmen aber die allgemeine Formulierung „digitale Darstellung eines Wertes“. Dies ist so zu verstehen, dass die Zahlung mit virtuellen Währungen von der Regelung umfasst ist.35
13
Eine besondere Neuerung und damit eine deutliche Reaktion auf die fortschreitende Digitalisierung stellt § 327 Abs. 3 BGB dar, nach dem die Vorschriften auch auf Verbraucherverträge über die Bereitstellung digitaler Produkte anzuwenden sind, bei denen der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt oder sich zu deren Bereitstellung verpflichtet. Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ wird in Art. 2 Nr. 8 Digitale-Inhalte-Richtlinie nicht gesondert definiert, sondern durch Verweis auf Art. 4 Nr. 1 DSGVO36 geregelt. Dementsprechend sind personenbezogene Daten „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen“. Als identifizierbar wird eine natürliche Person gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO angesehen, die „direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.“ Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist hiervon auch die dynamische IP-Adresse erfasst, die der Betreiber einer Webseite anlässlich des Besuchs einer Webseite durch einen Nutzer abspeichert, sofern die zumindest abstrakte Möglichkeit besteht, vom Internetzugangsanbieter (dem sogenannten Access Provider) den Klarnamen herauszuverlangen.37 Die Preisgabe von Daten kann auch neben die Zahlung eines Preises treten (gemischter Vertrag).
14
In typischen Fallkonstellationen wird der Verbraucher, der seine personenbezogenen Daten an den Unternehmer übermittelt oder sie von ihm sammeln lässt, in diese Datenverarbeitung einwilligen. Die Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO ist der praktisch wichtigste Rechtsgrund der Datenverarbeitung in entsprechenden Konstellationen. Der Vertragsschluss und die Einwilligung in die Datenverarbeitung werden häufig gleichzeitig vorgenommen. Die Digitale-Inhalte-Richtlinie und die Gesetzesbegründung zu § 327 Abs. 3 BGB gehen auf diesen typischen Fall ein.38
15
§§ 327ff. BGB finden keine Anwendung auf Verträge, bei denen der Unternehmer die vom Verbraucher bereitgestellten personenbezogenen Daten ausschließlich verarbeitet, um seine Leistungspflicht oder an ihn gestellte rechtliche Anforderungen zu erfüllen, und sie zu keinem anderen Zweck verarbeitet. Dies ergibt sich aus dem Verweis am Ende von § 327 Abs. 1 i.V.m. § 312 Abs. 1a Satz 2 BGB. In diesen Fällen kann die Preisgabe der Daten nicht als Äquivalent zu einer Leistung des Verbrauchers oder einer Zahlung angesehen werden, sodass die auf entgeltliche Verträge zugeschnittene Haftung des Unternehmers nach den §§ 327ff. BGB als zu weitgehend erscheint.39
16
Kommt es zu einem Vertragsschluss, so gelten die allgemeinen Regeln des Schuldrechts in Verbindung mit den Vorschriften des besonderen Teils zu unentgeltlichen Verträgen. Entsprechende Fallgestaltungen sind bei digitalen Produkten in sogenannten „Freemium“-Geschäftsmodellen denkbar, bei denen die Produkte für die Phase der Markteinführung kostenlos angeboten werden und erst später ein Entgelt oder eine Verarbeitung von Daten verlangt wird40 oder nur die Zusatzprodukte oder die Erweiterungen kostenpflichtig sind, etwa sogenannte „Free to play“-Spiele. Wenn sich das Produkt aus der Sicht eines verständigen Verbrauchers als ein einheitliches, kostenpflichtiges Angebot darstellt, so sind die §§ 327ff. BGB auf das gesamte Produkt anwendbar; Unternehmer können Produkte nicht künstlich aufspalten, um die Haftung nur auf entgeltliche Zusatzprodukte zu beschränken. Die §§ 327ff. BGB finden zudem Anwendung, wenn die Datenverarbeitung über das hinausgeht, was zur Erfüllung des Vertrags oder der Rechtspflicht erforderlich ist.41
17
Das typische Beispiel für die Bereitstellung personenbezogener Daten durch den Verbraucher sind Cookies. Personenbezogene Daten gelten als „Währung der Digitalisierung“; sie bilden nicht nur ein „wichtiges Geschäftsmodell in der Digitalwirtschaft“,42 sondern dienen in der Industrie vielen digital automatisierten Prozessen als Steuerungselemente, wie Datenbrillen, Exoskelette usw. Zu den bekannten „Tauschelementen“ Geld oder Ware gegen Ware oder Dienstleistung tritt nun das „Tauschpaar“ personenbezogene Daten gegen digitales Produkt (Inhalt, Dienstleistung) hinzu.43
18
Nach dem Willen des Unionsgesetzgebers sollen die Regelungen „für alle Verträge gelten, auf deren Grundlage ein Verbraucher einem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt oder deren Bereitstellung zusagt,“ so z.B. auch, wenn ein Verbraucher ein Konto in den sozialen Medien eröffnet und dem Unternehmer Namen und E-Mail-Adresse bereitstellt, die nicht ausschließlich zur Bereitstellung der digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen oder zur Erfüllung rechtlicher Anforderungen verwendet werden.44 §§ 327ff. BGB sollen zudem auch dann gelten, wenn der Verbraucher seine Einwilligung erteilt, dass das Material, das als personenbezogene Daten zu betrachten ist, wie z.B. Fotos oder Textbeiträge, die der Verbraucher in das Internet hochlädt, von einem Unternehmer zu Marketingzwecken verarbeitet werden darf.45 Damit wird diese gesellschaftliche Praxis einer rechtlichen Regelung zugeführt.46 Gerade hier zeigt sich, dass der Unionsgesetzgeber auf technische Innovationen wie auch auf gesellschaftliche Veränderungen, die oft Hand in Hand gehen, reagiert.
25
Begründung des Regierungsentwurfs, S. 38;
Metzger
, in: MüKo BGB, § 327 Rn. 14.
26
Digitale-Inhalte-Richtlinie, Erwägungsgrund Nr. 23.
27
Staudenmayer
, in: Schulze/Staudenmayer, Digital Content Directive, Art. 3 Rn. 32.
28
Digitale-Inhalte-Richtlinie, Erwägungsgrund Nr. 23.
29
EBA Opinion on ‘virtual currencies’, EBA/Op/2014/8, 11–13.
30
Digitale-Inhalte-Richtlinie, Erwägungsgrund Nr. 23.
31
Gesetz über die Deutsche Bundesbank (Bundesbankgesetz, BBankG) vom 26.7.1957, BGBl. I, S. 745.
32
EBA Opinion on ‘virtual currencies‘, EBA/Op/2014/8, 13.
33
Vgl.
Staudenmayer
, in: Schulze/Staudenmayer, Digital Content Directive, Art. 3 Rn. 33.
34
Begründung des Regierungsentwurfs, S. 38.
35
Metzger
, in: MüKo BGB, § 327 Rn. 14.
36
Datenschutz-Grundverordnung, Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016, S. 1.
38
Digitale-Inhalte-Richtlinie, Erwägungsgründe Nr. 24, 38; Begründung des Regierungsentwurfs, S. 40;
Metzger
, in: MüKo BGB, § 327 Rn. 18.
39
Staudenmayer
, in: Schulze/Staudenmayer, Digital Content Directive, Art. 3 Rn. 61; ebenso
Metzger
, in: MüKo BGB, § 327 Rn. 19.
40
Mischau
, ZEuP 2020, 335, 344f.
41
Staudenmayer
, in: Schulze/Staudenmayer, Digital Content Directive, Art. 3 Rn. 60;
Metzger
, in: MüKo BGB, § 327 Rn. 19.
42
Müller
, InTeR 2020, 1.
43
Bittner
, VuR 2022, 9, 12.
44
Digitale-Inhalte-Richtlinie, Erwägungsgrund Nr. 32.
45
Digitale-Inhalte-Richtlinie, Erwägungsgrund Nr. 24.
46
Bittner
, VuR 2022, 9, 12.
19
Vor dem Hintergrund, dass sich digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen beständig technisch und inhaltlich weiterentwickeln, hat der Unternehmer gemäß § 327f Abs. 1 Satz 1 BGB sicherzustellen, dass dem Verbraucher während des maßgeblichen Zeitraums Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind, bereitgestellt werden und der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird. Im nationalen deutschen Recht gibt es bislang keine vergleichbare Regelung.47 Der Unternehmer ist also dem Verbraucher etwa beim Kaufvertrag über den Gefahrübergang hinaus zum Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware verpflichtet. Das führt etwa beim Kaufvertrag zu einem Nebeneinander von zeitpunktbezogener Leistungspflicht bei Gefahrübergang und auf Dauer gerichteter Vertragserhaltungspflicht.48 Die „neuartige Figur“49 der Vertragserhaltungspflicht hat in der Rechtswissenschaft dogmatische Bedenken50 und in der Rechtspraxis Unsicherheiten hinsichtlich der inhaltlichen Reichweite51 hervorgerufen.52
20
Die Digitale-Inhalte-Richtlinie setzt in der deutschen Fassung die Begriffe „Aktualisierung“ und „Update“ gleich.53 Der Begriff des „Update“ ist in der Informationstechnik jedoch kein fest umrissener Begriff, sondern umfasst neben technisch geprägten Nachbesserungen („Patches“)54 oder Fehlerbehebungen („Bugfixes“) von Computerprogrammen auch Aktualisierungen allgemeiner Art, etwa neue Versionen von Webseiten oder einzelnen Beiträgen. Insofern hilft der Begriff „Update“ nicht weiter. Maßgeblich für die Eingrenzung der vertraglich geschuldeten Aktualisierungen sind die subjektiven und objektiven Anforderungen des § 327e BGB; was für die Aufrechterhaltung der Vertragsmäßigkeit erforderlich ist, gehört zu den von § 327f BGB erfassten Aktualisierungen.55
21
Nach § 327f Abs. 1 Satz 2 BGB gehören zu den erforderlichen Aktualisierungen auch Sicherheitsaktualisierungen. Diese sind erforderlich für die Aufrechterhaltung der Sicherheit des digitalen Produkts im Sinn des § 327e Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB, also für die Verfügbarkeit, Unversehrtheit und Vertraulichkeit des digitalen Produkts selbst oder der digitalen Umgebung des Verbrauchers. Zu den Sicherheitsaktualisierungen zählen auch Sicherheitsupdates zum Schutz vor Viren oder anderen Arten von Schadprogrammen („Malware“; vgl. § 2 Abs. 5 BSIG56).57 Die vom Unternehmer bereitzustellenden Updates müssen also die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung von Funktionalität, Kompatibilität, Kontinuität und Sicherheit abdecken.58 Grundsätzlich können außer dem Verkäufer auch Dritte, z.B. der Softwarehersteller, die Aktualisierung übernehmen (siehe § 267 BGB).59
22
Der Gesetzgeber hat erkannt, dass die auf der fehlenden Aktualisierung fußende Mangelhaftigkeit nicht mit dem herkömmlichen Konzept der Mangelfreiheit bei Gefahrübergang harmoniert. Daher hat er sich für die Aktualisierungspflicht von der zeitpunktbezogenen Mangelhaftigkeit gelöst und stattdessen eine zeitraumbezogene Betrachtungsweise gewählt. Diese zeitraumbezogene Betrachtungsweise hat es daneben erforderlich gemacht, Ausnahmen von der an sich das Kaufrecht prägenden Pflicht zur sach- und rechtsmängelfreien Verschaffung (§ 433 Abs. 1 BGB) vorzusehen. Denn mit der mangelfreien Verschaffung hat der Unternehmer seine vertragliche Hauptleistungspflicht bereits erfüllt. Eine weitergehende Verpflichtung im Sinn einer Aktualisierungspflicht ist in § 433 BGB nicht angelegt.
23
Diesem Umstand hilft für digitale Produkte § 327d BGB ab, der lex specialis zu § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB ist.60 Das Produkt ist dabei nicht nur einmalig zu verschaffen, sondern es ist „bereitzustellen“. Zu Unstimmigkeiten kommt es, wenn man die aus dem Mangel folgende Nacherfüllungspflicht in den Blick nimmt. Ursprünglich ist der Unternehmer zur vertragsgemäßen Leistung verpflichtet. Im Rahmen der Aktualisierungspflicht schuldet er die Erhaltung der Vertragsmäßigkeit. Das kann letztlich nur meinen, dass die sonstigen Anforderungen an den Leistungsgegenstand weiterhin erfüllt werden müssen, also insbesondere Beschaffenheits- und Verwendungsanforderungen (etwa § 327e Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 BGB). Art. 8 Abs. 2 Digitale-Inhalte-Richtlinie stützt diese Sichtweise ausdrücklich, da dort statt von Mängeln von „Vertragsmäßigkeit“ die Rede ist. Diese Vertragsmäßigkeit ist eingehalten, soweit die sonstigen Anforderungen (Art. 8 Abs. 1 Digitale-Inhalte-Richtlinie) an den Leistungsgegenstand erfüllt werden. § 327e Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BGB nennt die Aktualisierungen im Gegensatz zur Digitale-Inhalte-Richtlinie neben den anderen Anforderungen an die Mangelfreiheit des Leistungsgegenstands. Das ist ein Zirkelschluss, denn die Aktualisierungspflicht ist eine Dauerpflicht, auf die das Mängelgewährleistungsrecht nicht passt. Auch das Mietrecht kennt keinen sekundären Nacherfüllungsanspruch, weil es an einem primären Erfüllungsanspruch fehlt. Die mietrechtliche Mangelbeseitigung ist nicht die Ausbesserung einer verletzten Hauptleistungspflicht, sondern fußt auf der Pflicht zur dauerhaften Erhaltung der Vertragsmäßigkeit (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB).61 In das Grundsystem aus Erfüllungspflicht, Sachmangel und Nacherfüllungspflicht lässt sich die Aktualisierungspflicht nicht integrieren.62
24
Wegen dieser systematischen Unstimmigkeit ist im Schrifttum vorgeschlagen worden, zusätzlich für die Fälle, in denen eine Aktualisierungspflicht nicht im Vertrag vereinbart worden ist, eine Aktualisierungspflicht im Gesetz zu regeln.63 Der Gesetzgeber hat sich dem nicht angeschlossen. Auch wenn eine Regelung zur Verständlichkeit sicher beigetragen hätte, lässt sich überlegen, ob das Gesetz nicht schon jetzt eine primäre Aktualisierungspflicht beinhaltet. Hier ist vor allem § 327f Abs. 1 Satz 1 BGB in den Blick zu nehmen: „Der Unternehmer hat sicherzustellen, dass [...] Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit [...] erforderlich sind, bereitgestellt werden [...].“ Der Formulierung „hat sicherzustellen“ lässt sich – so auch die Gesetzesbegründung64 – eine eigenständige Verpflichtung entnehmen. Anders liegt es bei § 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB. Dieser regelt statt einer eigenständigen Verpflichtung nur die objektiven Anforderungen des Leistungsgegenstands. Man könnte nun argumentieren, dass auch § 327f Abs. 1 Satz 1 BGB über den Verweis von § 327e Abs. 3 Nr. 5 BGB nur die objektiven Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit bestimmt. Zwar regelt § 327e Abs. 3 BGB die objektiven Anforderungen, dem ist aber nicht zu entnehmen, dass § 327f Abs. 1 Satz 1 BGB keine eigenständige Bedeutung zukomme. Für den Verbrauchsgüterkauf über Waren mit digitalen Elementen sollte § 327f Abs. 1 Satz 1 BGB ebenso gelten. Ob sich dies bereits aus der Gesetzesauslegung ergibt, ist fraglich. In der Gesetzesbegründung heißt es, „der Anspruch [...] nach § 327f BGB besteht ungeachtet dessen, ob (der Verbraucher) z.B. einen Computer mit Betriebssoftware kauft (dies unterfiele § 475b BGB)“.65 § 327f BGB soll danach wohl auch im Verbrauchsgüterkauf gelten. Dafür lässt sich auch anführen, dass die §§ 327ff. BGB im allgemeinen Teil des Schuldrechts geregelt sind.66
25
Gegen eine direkte Anwendung von § 327f BGB im Verbrauchsgüterkauf spricht aber § 327 Abs. 3 Satz 1 BGB. Danach gilt § 327 Abs. 2 Satz 1 BGB – nach dem §§ 327ff. BGB für anwendbar erklärt werden – gerade nicht für Waren mit digitalen Elementen, für die dann wieder § 475b BGB gilt. Wer eine direkte Anwendung durch Gesetzesauslegung aus diesem Grund ablehnt, wird einer analogen Anwendung das Wort reden müssen. Die planwidrige Unvollständigkeit lässt sich nicht einfach damit verneinen, dass der Gesetzgeber § 327f Abs. 1 Satz 1 BGB für Verträge über digitale Produkte eigenständig geregelt hat. Denn durch die Gesetzesreform wird das Gewährleistungsrecht so grundlegend geändert, dass der Gesetzgeber schwerlich sämtliche Probleme überblickt haben kann. Auch lässt die benannte Stelle der Gesetzesbegründung gerade erkennen, dass der Gesetzgeber einen Primäranspruch regeln wollte.67
26
Die Anwendung von § 327f BGB und somit eine Trennung der Aktualisierungspflicht vom Gewährleistungsrecht ist auch durch die Warenkaufrichtlinie geboten. Nach Art. 7 Abs. 3 der Warenkaufrichtlinie soll die Aktualisierung die Vertragsmäßigkeit erhalten, die Aktualisierung ist also nicht selbst Teil der Vertragsmäßigkeit. Ebenso dient nach Art. 8 Abs. 2 Digitale-Inhalte-Richtlinie die Aktualisierung der Erhaltung der Vertragsmäßigkeit. Nach den Richtlinien gehört die Aktualisierung also selbst nicht zur Vertragsmäßigkeit. Dem widerspricht es, dass der deutsche Gesetzgeber die Aktualisierungspflicht als Unterfall der Mangelhaftigkeit geregelt hat. Das ist nicht zwingend eine richtlinienwidrige Umsetzung, spricht aber für die hiesige Deutung der Aktualisierungspflicht als neben der Mangelgewährleistung eigenständige Pflicht. § 327f Abs. 1 Satz 1 BGB ist daher jedenfalls analog anzuwenden auf Aktualisierungen bei Verbrauchsgüterkaufverträgen über Waren mit digitalen Elementen.68
27
Kommt der Unternehmer seiner Aktualisierungspflicht nicht nach, muss mangels spezieller Regelung das allgemeine Leistungsstörungsrecht angewendet werden. Hierbei sind im Wege richtlinienkonformer Auslegung die Vorgaben der Richtlinien zu beachten. Im allgemeinen Leistungsstörungsrecht hat der Verbraucher die Wahl zwischen Schadensersatz (§ 280 Abs. 1, 3; § 281 BGB) und Rücktritt (§ 323 BGB). Hierbei ist die Grenze der Geringfügigkeit aus Art. 14 Abs. 6 Digitale-Inhalte-Richtlinie bzw. Art. 13 Abs. 5 Warenkaufrichtlinie zu beachten, die sich in § 281 Abs. 1 Satz 3 bzw. § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB im Begriff der Unerheblichkeit wiederfindet. Auch im Falle nicht durchgeführter Aktualisierungen muss eine Vertragsbeendigung aber grundsätzlich in Betracht kommen.69 Die Aktualisierungspflichtverletzung dürfte etwa erheblich sein, wenn man den Leistungsgegenstand nur noch sehr eingeschränkt nutzen kann. In anderen Fällen wird ein „kleiner“ Schadensersatzanspruch statt der Leistung genügen. Auch wenn das deutsche Mängelgewährleistungssystem der Aktualisierungspflicht nicht entspricht, muss auch eine Minderung (Art. 15 Digitale-Inhalte-Richtlinie und Art. 15 Warenkaufrichtlinie) zugelassen werden. Hier sind die §§ 327n, 441 BGB – weil ein Mangel nicht vorliegt – analog anzuwenden.70
28
Schwierigkeiten bereitet die Auslegung des § 327f BGB hinsichtlich der Feststellung, wie lange der Unternehmer die digitalen Produkte aktualisieren muss. Dies ist aus Praxissicht brisant: Nur wenige Unternehmer haben Interesse daran, dass ihre digitalen Produkte wegen dauerhafter Updates eine sehr lange Lebensdauer aufweisen. Denn während Updates Kosten verursachen, ist der Verkauf eines Nachfolgemodells gewinnträchtig. Gemäß § 327f Abs. 1 Satz 3 BGB ist der maßgebliche Zeitraum nach Satz 1 bei einem Vertrag über die dauerhafte Bereitstellung eines digitalen Produkts der Bereitstellungszeitraum (Nr. 1) und in allen anderen Fällen der Zeitraum, den der Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks des digitalen Produkts und unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann (Nr. 2).
29
§ 327f Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BGB erfasst die einmalige Bereitstellung sowie die Reihe einzelner Bereitstellungen gemäß § 327b Abs. 5 BGB.71 Für diese Fälle ist die Dauer der Aktualisierungspflicht nicht mit einer festen Frist oder auf andere Weise konkretisiert. Entscheidend ist vielmehr die objektiv zu bestimmende72 Erwartung des Verbrauchers. Für diese Lösung spricht, dass die §§ 327ff. BGB sehr unterschiedliche digitale Produkte erfassen, bei denen sich eine angemessene Dauer der Aktualisierungspflicht kaum einheitlich festlegen lässt. Das geht auf Kosten der Rechtssicherheit: Unternehmer können vor einer näheren Konkretisierung durch die Rechtsprechung kaum abschätzen, wie lange sie Aktualisierungen bereitstellen müssen.73 Zumindest dann, wenn keine dauerhafte Bereitstellung geschuldet ist, wird man sich wohl nicht auf eine womöglich gerichtliche Konkretisierung der Aktualisierungspflicht einlassen wollen. Die Erfüllung von Aktualisierungspflichten muss zumindest bei komplexeren Produkten bereits in der Lieferkette geplant werden und lässt sich dann kaum ohne größere Anstrengungen – und vor allem teure Nachverhandlungen mit den Zulieferern – nach dem Produktlaunch verlängern.74
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Im Fall des § 327f Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BGB steht zu befürchten, dass die Anbieter digitaler Produkte versuchen werden, dieses „unsichere Terrain der Verbrauchererwartungen“ durch vertragliche Regelungen zum Bereitstellungszeitraum der Aktualisierungen zu gestalten. Gemäß § 327h BGB darf unter anderem von den Anforderungen an die Aktualisierungsverpflichtung abgewichen werden, wenn der Verbraucher hierüber informiert wird und die Abweichung ausdrücklich im Vertrag, z.B. durch einen hervorgehobenen Hinweis mit eigener Bestätigung,75 vereinbart wurde. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich die tatsächlichen Folgen dieser Regelung in der Praxis vorzustellen: Letztlich bringt § 327h BGB faktisch eine weitere formale Anforderung beim Abschluss von Verträgen über digitale Produkte mit sich. Im Fall des Offline-Vertragsschlusses wird ein eigenes Vertragsdokument sicher den Anforderungen einer „gesonderten Vereinbarung“ genügen, etwa in Form eines gesondert zu unterzeichnenden Blatts. Vermutlich dürfte die Vorlage dieses Dokuments auch gleichzeitig das „in Kenntnis setzen“ vor Abgabe der Vertragserklärung erfüllen, vorausgesetzt, dem Verbraucher wird dieses Dokument rechtzeitig vor Abgabe seiner Unterschrift ausgehändigt. Bei online geschlossenen Verträgen über digitale Produkte dürfte ein Hinweistext erforderlich sein, der auf den Umstand des abweichenden Bereitstellungszeitraums hinweist und sich dabei hinreichend von den ihn umgebenden Texten abhebt, etwa durch Fettdruck oder eine andere Art der Hervorhebung.76 Für eine ausdrückliche und gesonderte Vereinbarung dieser Regelung dürfte dann wohl eine gesondert zu aktivierende Checkbox genügen. Diese sollte allerdings, mit Blick auf das Merkmal der „Ausdrücklichkeit“ der Vereinbarung, nicht vorausgewählt sein. Es dürfte aber nichts dagegensprechen, die Auswahl der Checkbox zur Bedingung des Vertragsschlusses zu machen. Ebenfalls offen ist die Frage, ob ein Abweichen von den Regelungen der Aktualisierungspflicht insgesamt möglich ist – und damit auch von den Informationspflichten. Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung diese Fragen beantworten wird.77 Im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) wäre jedenfalls eine Verkürzung des Bereitstellungszeitraums der Aktualisierungen in den Gewährleistungszeitraum hinein (§ 327j BGB) wegen § 309 Nr. 8 lit. b ff) BGB unwirksam, sodass hier die Aktualisierungspflicht mindestens den Gewährleistungszeitraum umfasst.78
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Die Digitale-Inhalte-Richtlinie deutet darauf hin, dass bezüglich Sicherheitsaktualisierungen auch ein über den Gewährleistungszeitraum hinausgehender Bereitstellungszeitraum verbraucherseitig erwartbar sein kann.79 Vertreten wird am Beispiel von Sicherheitsupdates für Microsoft Windows, dass für einen Zeitraum von sechs bis acht Jahren entsprechende Updates bereitgestellt werden müssten. Plädiert wird zudem für eine zeitliche Grenze zum Ende der Gewährleistungsfrist.80 Dem ist aber nicht zu folgen, denn die Aktualisierungspflicht kann kürzer bemessen sein, wenn sich der Zweck des digitalen Produkts in kürzerer Zeit erschöpft,81 etwa bei einer App, die begleitend zu einem Musikfestival oder einer Konferenz bereitgestellt wird.82