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Auch in Medienunternehmen entstehen tiefgreifende Veränderungen durch innovative technologische Möglichkeiten und neuartige Sichtweisen, die Veränderungen in den Bereichen Ökonomie und Arbeitsleben nach sich ziehen und überkommene Annahmen und Geschäftsmodelle radikal in Frage stellen. Hierzu gehört auch das Phänomen Digitalisierung, das als Initialzündung für viele folgende Entwicklungsschritte einzustufen ist. In diese historische Sichtweise ist auch die künstliche Intelligenz (KI) einzuordnen, die es ohne Digitalisierung und die mit ihr verbundenen Möglichkeiten der Datensammlung und -verknüpfung (Big Data) sowie die technisch-kommunikativen Perspektiven des Internets nicht gäbe. Aber KI ist nur eines von zahlreichen Beispielen für digitale Change-Prozesse, die einzelne Märkte, Content-Produkte, Vertriebsmöglichkeiten und Marketing bis hin zu Führungs- und Unternehmenskulturen gleichermaßen betreffen. »Digitale Transformation in Medienunternehmen« thematisiert derartige Prozesse mithilfe von rund 100 Abbildungen anschaulich, strukturiert und praxisnah. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis trägt ebenfalls dazu bei, dass ein neues Grundlagenwerk für die Zukunft der Branche entstanden ist. Denn alleine diejenigen Unternehmen werden erfolgreich am Markt agieren, die nicht nur auf Printerzeugnisse setzen, sondern auch chancenreichen digitalen Optionen aufgeschlossen gegenüber stehen und diese effizient nutzen.
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Seitenzahl: 224
Veröffentlichungsjahr: 2024
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BRAMANN Basics – buch & medien
Band 9
Hg. von Klaus-W. Bramann und Anke Vogel
Thomas Breyer-Mayländer
Alle Titel der Reihe werden in der Deutschen Nationalbibliografie angezeigt.
Die Deutsche Nationalbibliothek bietet nach Erscheinen detaillierte bibliografische Informationen unter http://dnb.d-nb.de.
© 2024 Bramann Verlag, Frankfurt am Main
Alle Rechte vorbehalten
Herstellung
Margarete Bramann, Frankfurt am Main
Druck und Bindung
ScandinavianBook, Druckhaus Nord
Printed in Germany 2024
ISBN (Print)978-3-95903-024-3
ISBN (EPUB)978-3-95903-117-2
Vorwort der Herausgeber
1Grundprinzipien der digitalen Transformation im Mediensektor
1.1Medienökonomie und digitale Märkte
1.2Plattformen und Plattformökonomie
1.3Transformation zwischen Organisationsentwicklung und Change
1.4Technologiemanagement als Unterstützungsprozess
2Technologien, Märkte und Produkte
2.1Lokale und regionale Medien
2.2Zeitschriften – von General bis Special Interest
2.3Fachmedien – für Wissenschaft und Professionals
2.4Buchverlage
2.5Content-Marketing und B2B-Communication
2.6Podcasts
3Transformationsstrategien
3.1Marktanalyse in Medienmärkten
3.2Strategisches Management
3.3Geschäftsmodelltransformation
3.4Lean Start-up als Vorgehensmodell
3.5Strategische Steuerung der digitalen Transformation
4Führungs- und Unternehmenskultur
4.1Leader, Manager und Entrepreneure
4.2Agilität als Grundmuster
4.3Eigenverantwortung der Mitarbeitenden und Professionalisierung
4.4Digitale Führungskulturen
4.5Digitale Organisationskulturen
5Diversifikation und strategische Kooperationen
5.1Spin-offs
5.2Digitales Investment und Einordnung der Geschäftsfelder
5.3Digitale Transformationen in pressetypischen Funktionsbereichen
Anhang
Literaturverzeichnis
Sachregister
Wer beruflich erfolgreich mit Medien arbeiten möchte – egal ob im Verlag, im verbreitenden Buchhandel, in der Leseförderung, in verschiedenen kulturellen Einrichtungen oder Agenturen –, benötigt ein breites Wissen. Vielfältige Change-Prozesse wirken sich derzeit auf die Erstellung von Produkten, auf deren Vertrieb und auf diverse Kommunikationsstrategien aus. Will man diesem Wandel in einer digitalisierten Medienumwelt erfolgreich begegnen, müssen traditionelle Wissensbestände ständig erweitert werden. Die Reihe BRAMANNBasics bietet hierfür komprimiertes Wissen zu verschiedenen Fragestellungen rund um Bücher und Medien. Sie richtet sich nicht nur an Studierende, sondern ist auch für Praktiker mit Gewinn zu nutzen. Denn bei den Autoren handelt es sich um anerkannte Wissenschaftler und herausragende Praktiker, die ihre Erfahrungen aus Forschung, Lehre und Berufspraxis in ihre Darstellungen einfließen lassen.
Der vorliegende Band thematisiert vordergründig die Entwicklung des Medienmarktes der letzten Jahrzehnte. Doch die Retrospektive ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, gelungene Change-Prozesse herauszufiltern, die im Rahmen der digitalen Transformation umgesetzt wurden. Auf diese Weise ist ein neues Grundlagenwerk entstanden – für die Zukunft der Branche. Denn nur die Unternehmen werden erfolgreich am Markt agieren, die neuartigen Optionen aufgeschlossen gegenüber stehen und diese effizient nutzen.
In dieser Hinsicht mag die künstliche Intelligenz (KI) oder artificial intelligence (AI) als ein Quantensprung erscheinen, in historischer Sicht hingegen ist sie eher als evolutionär-inkrementeller Fortschritt innerhalb der digitalen Entwicklung einzustufen. Denn ohne Digitalisierung und die damit verbundenen Möglichkeiten der Datensammlung und -verknüpfung (Big Data) sowie die technisch-kommunikativen Perspektiven des Internets gäbe es keine KI. Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen besteht in dem Entwurf völlig neuer Sichtweisen, die disruptive Veränderungen in den Bereichen Technik, Ökonomie und Alltagsleben nach sich ziehen und überkommene Annahmen und Geschäftsmodelle radikal in Frage stellen. In diesem Sinne ist Digitalisierung als umfassendes Phänomen zu werten und als Initialzündung für alle weiteren Entwicklungsschritte einzustufen.
Prof. Dr. Thomas Breyer-Mayländer, Inhaber einer Professur für Medienmanagement an der Hochschule Offenburg, begleitet den Prozess der digitalen Transformation in Medienunternehmen seit Jahren durch zahlreiche Publikationen und Zeitschriftenbeiträge. Außerdem ist er als Berater aktiv, unter anderem mit den Schwerpunkten Transformationsmanagement und Führungskultur. Dem Reihenkonzept entsprechend informiert er in gebotener Kürze über die Grundprinzipien der digitalen Transformation sowie Transformationsstrategien unter Berücksichtigung medienspezifischer Technologien, Märkte und Produkte, thematisiert neue Führungs- und Unternehmenskulturen und bietet einen Ausblick auf Diversifikation und strategische Kooperationen.
Juni 2024
Anke Vogel und Klaus-W. Bramann
Digitaler Wandel und digitale Transformation sind die Schlagworte, mit denen nicht nur die Medienbranche, sondern spätestens seit der Jahrtausendwende weite Teile von Wirtschaft und Politik die Veränderungen beschreiben, die durch digitale Technologien in unserer Gesellschaft spürbar sind.
•Was bedeutet das für die Akteure der Medienbranche, seien es nun Mitarbeitende oder Unternehmen?
•Wie können etablierte traditionelle Medienunternehmen, wie Buchoder Zeitungsverlage, in einer Wettbewerbsumgebung bestehen, die von internationalen Tech-Firmen wie Alpha (ehemals Google) oder Meta (ehemals Facebook) geprägt wird?
•Wie stark wirken sich die neuen Gesetzmäßigkeiten der digitalen Ökonomie, bei der beispielsweise Größe zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor werden kann, auf Handlungsspielräume der Akteure aus, wie Lektorate, Redaktionen und Marketingfachleute?
•Wie kann man die Weiterentwicklung etablierter Produkte im crossmedialen Wettbewerb planen?
Unternehmen stellen sich auf die neuen Spielregeln einer disruptiven, sich stark verändernden Branchenumgebung ein und stimmen nicht nur ihre Produktportfolio, sondern auch ihre Personalstrategie auf den Bedarf an neuen Kompetenzen ab. Diese Situation wird oftmals mit VUCA beschreiben. Das Akronym steht für volatile (unbeständig), uncertain (unsicher), complex (komplex) und ambiguous (mehrdeutig). Es beschreibt die Dimensionen einer Zukunft, die sich von alten Strukturen und Mustern löst und damit für die einzelnen Akteure, ob Personen oder Gruppen, weniger gut einschätzbar wird. Die Welt wird damit zunehmend als BANI empfunden: als brittle (brüchig, porös), anxious (ängstlich, besorgt), non-linear (nicht-linear) und incomprehensible (unverständlich, unbegreiflich).
In diesem Einführungskapitel geht es ums Grundsätzliche. Was unterscheidet publizistisch geprägte Medienunternehmen, die ihre Wurzeln im klassischen Pressebereich haben, von anderen Branchen? Nach welchen Gesetzmäßigkeiten haben diese Märkte früher funktioniert? Wie funktionieren sie gegenwärtig? Welche grundsätzlichen Veränderungen in den Geschäftsmodellen und Funktionsprinzipien sind absehbar und werden damit die künftige Entwicklung prägen?
Dabei gilt es zunächst im Rahmen von kurzen Definitionen zu klären, cwas Gegenstand dieses Einführungskapitels und der nachfolgenden Analysen sein wird und was nicht. Denn eine kurz gefasste Analyse auf die Herausforderungen, Rahmenbedingungen und Schlussfolgerungen der digitalen Transformation in Medienunternehmen kann nicht alle Teilaspekte und Subkategorien der Medienbranche umfassen.
Unter Medienunternehmen kann man alle Organisationen zusammenfassen, die »mehr als die Hälfte ihres Umsatzes durch Produktion von journalistischen Inhalten, Filmen, Musik, Büchern oder Online-Inhalten und/oder den Vertrieb von solchen Produkten erwirtschaften« (Weber & Rager 2006, S. 2). Diese pragmatische Dimension ist nur eine der möglichen Wege, sich dem Gegenstand unserer Analyse zu nähern. Schumann und Hess (2006, S. 12) stellten beispielsweise bei einer detaillierteren Analyse des Begriffsumfangs vier unterschiedliche Medienkategorien und drei Wertschöpfungsstufen heraus (Abb. 1) und berücksichtigten hierbei die wertschöpfungsbasierte Gliederung einzelne Funktionsbereiche. Diese Sichtweise entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das die Funktionsgarantie des Staates von Artikel 5 so ausgelegt hat, dass auch der Vertriebssektor einen freien Marktzugang für Inhaltsproduzenten beinhalten müsse.
Abb. 1: Medienmarkt nach Wertschöpfungsstruktur (Breyer-Mayländer 2022, S. 4)
Akteure im Medienmarkt
Dienstleister
• Filmproduktion
• Digital-Agenturen
• Werbeagenturen (Kreation, Media etc.)
• PR-Agenturen
• Druck/Weiterverarbeitung
• Redaktionsbüros
• Nachrichtenagenturen
• Werbevermarkter
• Dialogmarketing
• Hardware-Hersteller
• Content-Marketing
• Grafiker, Webdesigner, Videojournalisten etc.
Medienunternehmen
• Buchverlage
• Presseverlage (Zeitung, Zeitschrift, Anzeigenblatt)
• Musiklabels, Musikverlage
• TV + Radio
• Digitale Dienste
• Influencer
• Youtuber
• Blogs
• Game-Design, Game-Produktion
• Branchenfremde in Kooperation mit Corporate-Communication-Dienstleistern
Handel / Dienstleister
• Buchhandel / Barsortiment
• Pressehandel / Grosso
• Direktzustellung
• Downloadportale
• Streamingdienste
• Podcast-Anbieter
• App-Plattformen
• Digitale Plattformen als Spezial- oder Universalanbieter
• Nebensortimente im fachfremden stationären Handel (LEH etc.)
• umfassende Pay-Dienste
Abb. 2: Medienunternehmen als Akteure mit Wertschöpfungsschwerpunkten (Breyer-Mayländer 2023, S. 296)
Neben traditionellen Unternehmen 1.0 (Schumann, Hess & Hagenhoff 2016, S. 9), die Medien produzieren, kann man auf dem Weg zur Einordnung der Medienunternehmen in die Kulturwirtschaft auch einen eher breiten Ansatz verfolgen (Abb. 2). Hier steht nicht mehr nur die Produktion (Erzeugen und Bündeln von Content) und der Vertrieb im Vordergrund, sondern es wird der Weg für eine umfassendere Betrachtung geöffnet, bei der auch vorgelagerte Wertschöpfungsstufen des Dienstleistungssektors zu betrachten sind.
Wir werden allerdings den Fokus im Folgenden nicht so weit ausdehnen, dass Aussagen über Medienunternehmen nur noch auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau möglich sind. Ausgehend von der einengenden Definition von Jürgen Heinrich (2001, S. 28), der Organisationen als Medienunternehmen sieht, »die ihren wirtschaftlichen Schwerpunkt in der aktuellen/journalistischen Produktion von Informationen haben«, was »Zeitungsverlage, Zeitschriftenverlage, Anzeigenblattverlage, Nachrichtenagenturen, Nachrichtenbüros, Pressebüros, Hörfunkveranstalter, Fernsehveranstalter und Programm-Input-Produzenten« umfasst, fokussieren wir uns auf Unternehmen, die …
… ihren Schwerpunkt im Bereich der Akquise, Produktion, Konfiguration und Distribution von Inhalten haben;
… ihre Wertschöpfung mit publizistischen Inhalten erzielen, deren Nutzen in der Zielgruppe sowohl Information als auch Unterhaltung umfassen können;
… auf der Ebene der Mediengattungen digitale Medienformen und die typischen Medienformen der Verlage aus dem Bereich Presse (Zeitungen, Publikumszeitschriften, Fachmedien) und Buch zum Gegenstand haben.
Waren es früher die physischen Produktformen, die für Unterschiede sorgten, so stellt sich heute angesichts der Medienkonvergenz im Rahmen der digitalen Transformation die Frage, wo denn der Unterschied zwischen einem digitalen Nachrichtenangebot von TV-Sendern oder pressetypischen Produkten liegt. Das macht es vor allem in den für den Pressesektor wichtigen Bereichen der Nachrichten-, Informations- und Unterhaltungsebenen schwierig, Teilmärkte zu betrachten, zu analysieren und gegenseitig voneinander abzugrenzen.
Medienkonvergenz beschreibt eine Entwicklung, die durch das zunehmende Zusammenwachsen unterschiedlicher Medienformen und Mediengattungen geprägt ist (Zerdick et al. 1999, S. 132 ff.) und zu einer Verbindung ehedem getrennter Märkte führt (Breyer-Mayländer 2015, S. 4). Sie findet auf vier unterschiedlichen Ebenen statt.
In der Summe führen die durch die Medienkonvergenz erfolgten Veränderungen dazu, dass die digitale Transformation von Seiten der einzelnen Akteure (größere Medienunternehmen als Konzernverbund, Medienunternehmen als Einzelakteure sowie Mitarbeitende der Medienunternehmen als persönliche Akteure) in vielen Bereichen eine neue Ortsbestimmung verlangt.
Medienkonvergenz auf vier unterschiedlichen Ebenen
Medientechnik
Durch die Digitalisierung als einheitliche und verbindende Prozess- und Produkttechnologie werden Mediengattungen im Bereich der Medienproduktion und der Medienkonsumption austauschbar oder wachsen zusammen (Medienkonvergenz) und stehen somit nicht nur auf einer technisch einheitlichen Basis, sondern letztlich auch miteinander im Wettbewerb. Letztlich ist nicht nur im Kontext der Diskussion um Künstliche Intelligenz (KI) bzw. Artificial Intelligence (AI) eine zunehmende Algorithmisierung der Technologien, Produkte, Märkte und damit Geschäftsmodelle im Mediensektor erkennbar, die den kompletten Transformationsprozess entscheidend beeinflusst (Zydorek 2022).
Mediencontent
Innovationen im Mediensektor sind selten dadurch geprägt, dass ausschließlich eine neue Technologie zum Einsatz kommt. Zahlreiche Medieninnovationen entstanden und entstehen ausschließlich auf der Ebene der Inhalte, beispielsweise durch die Schaffung eines neuen Genres im Buchmarkt bei der Beibehaltung der Produktform eines gedruckten Buches, wie es mit den Cross-Over-Romanen von Harry Potter der Fall war. Gerade aber die Verbindung aus neuen technologischen Möglichkeiten und neuen Ideen auf der inhaltlichen Ebene sorgt in vielen Teilsegmenten der Medienbranche für Innovationen. Diese führen zu einer Veränderung etablierter Märkte und zum Entstehen neuer Märkte.
Mediengattungen
Einst gegeneinander scharf abgrenzbare Mediengattungen, wie Fernsehen, Publikumszeitschriften oder Zeitungen, treten im digitalen Umfeld zumindest in Teilfunktionen miteinander in einen intensiven Wettbewerb. Dieser war bislang durch die Mediennutzungszeit gegeben, fand aber mit Bezug zu unterschiedlichen Produktformen statt, sodass eine Abgrenzbarkeit der Mediengattungen einfach war.
Geschäftsmodelle
Bei der Analyse der Geschäftsmodelle bestehender Mediengattungen fällt auf, dass der Produktnutzen (z. B. Unterhaltung oder Information) des Gesamtproduktes sowie einzelne Produktbestandteile (z. B. der Anzeigenteil einer gedruckten Zeitung oder der Bereich der Rubrikanzeigen) im Rahmen der Medienkonvergenz mit unterschiedlichen anderen Medienformen und damit auch Mediengattungen im Wettbewerb stehen. Für die Medienunternehmen ist es daher eine zunehmende Herausforderung festzustellen, welche Entwicklungsperspektiven für das eigene Unternehmen und das eigene Produktprogramm im Rahmen der digitalen Transformation fortbestehen.
Ein weit verbreitetes Verfahren, mit dem die Wettbewerbsbeziehung unterschiedlicher Akteure in Märkten und Teilmärkten untersucht werden kann, sind die Five Forces von Michael E. Porter (2013; Abb. 3). Dieses Verfahren bietet zwei Stärken. Zum einen lässt sich mit der Frage nach der Marktmacht der vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufen untersuchen, ob eine Abhängigkeit des Unternehmens gegenüber Lieferanten oder Kunden besteht, die insbesondere aus strategischer Sicht, das heißt bei der langfristigen Entwicklung des Unternehmens, problematisch sein kann. Zum anderen ist – insbesondere für unser Thema – von Interesse, dass statt einer reinen Fokussierung auf Wettbewerber, die bereits in der Branche etabliert sind, ein weiter gefasster Blickwinkel in diesem Verfahren verankert ist.
Damit rücken auch mögliche Substitutionsprodukte ins Sichtfeld, die im Medienbereich deshalb von besonderem Interesse sind, weil sie stets darauf abzielen, den Bereich der Teilmärkte mit unterschiedlichen Teilzielgruppen und dem jeweils zu stiftende Einzelnutzen eines Produktes in den Vordergrund zu rücken. Bei vielen Medienprodukten, die als Kuppelprodukt im Markt positioniert sind, fällt es selbst den etablierten Akteuren nicht leicht, den jeweiligen Nutzen für die Teilzielgruppen zu extrahieren und damit die Angreifbarkeit der eigenen Gesamtprodukte durch unterschiedliche Substitutionsprodukte im Blick zu behalten. Genau dies ist geschehen, als die Zeitungsverlage erkennen mussten, dass wesentliche Rubrikanzeigen regionaler und überregionaler Zeitungen (z. B. Stellen- und Immobilienanzeigen) im Printsektor zurückgingen und damit im Zuge der digitalen Transformation die Erlösseite immer schwieriger abbildbar wurde (Breyer-Mayländer 2004). Denn die Umsätze der digitalen Produktvarianten waren von Anfang an eher schmal ausgestaltet (Breyer-Mayländer 1999).
Ein weiteres, neues Phänomen ist das Aufkommen von potenziellen neuen Wettbewerbern. Dabei zeigt die Erfahrung der vergangenen Jahre, um nicht zu sagen Jahrzehnte, dass die Wettbewerber, die sich tatsächlich als Game-Changer etabliert haben, meist nicht aus dem Kernbereich der bisherigen Branche und damit nicht aus dem Bereich der bisherigen Wettbewerber stammen. Stattdessen handelt es sich in der Regel um Unternehmen und Akteure, die bisher bereits eine Beziehung zu den Märkten haben, aber nicht in diesem Markt selbst vertreten sind. Typisch sind hier ehemalige Lieferanten und Kunden, die durch eine Vorwärts- oder Rückwärtsintegration neu neu in den Markt eintreten. Ganz allgemein hängt der Stand des Wettbewerbs nach Porter von fünf grundlegenden Wettbewerbskräften ab, die im Folgenden untersucht werden:
•Rivalität unter den bestehenden Wettbewerbern,
•potenzielle neue Wettbewerber,
•Druck durch Substitutionsprodukte,
•Marktmacht bzw. Einfluss der Abnehmer,
•Verhandlungsstärke von Lieferanten.
Wettbewerbssituationen werden meist anhand der Zahl und Strategie der bereits existierenden Wettbewerber beschrieben. Dabei geht es um Unternehmen, die auf derselben Stufe der Wertschöpfungskette der Medienbranche stehen und ähnliche stehen und ähnliche Produkte herstellen bzw. vertreiben. Belletristische Buchverlage untersuchen in diesem Zusammenhang ihre Wettbewerbssituation im Wettbewerb mit anderen Verlagen aus dem Bereich der Belletristik. Dies ist jedoch ein verkürzter Blickwinkel, wenn es um die gesamte Wettbewerbssituation eines Medienunternehmens geht.
Auf der horizontalen Ebene der Darstellung der Five-Forces wird analysiert, wie groß die Verhandlungsstärke der jeweiligen Kunden oder Lieferanten gegenüber der Medienunternehmung ist. Bei Medien, die sich an Endverbraucher richten, also im Business-to-Consumer-Markt (B2C) positioniert sind, ist es beispielsweise im Regelfall so, dass die Verbraucher*innen durchaus auch andere Produkte und Hersteller zur Auswahl haben und damit die Verhandlungsstärke der Medienunternehmen als Anbieter, u. a. im Hinblick auf den Preis, begrenzt ist.
Abb. 3: Analyse der Wettbewerbskräfte nach den Five Forces am Beispiel eines regionalen Medienhauses (abgeleitet aus: Porter 2013)
Für die Transformation von Märkten und in Szenarien mit radikalen Marktveränderungen rücken Substitutionsprodukte und neue Wettbewerber ins Blickfeld. Dabei können die Substitutionsprodukte aus komplett anderen Bereichen stammen. Wenn es um die Frage geht, was man anstelle von Unterhaltungsmedien noch nutzen kann, um unterhalten zu werden, kommen beispielsweise auch Freizeitparks oder ähnliche Freizeitangebote in Frage. Für Medienunternehmen ist es daher wichtig, bei der Wettbewerbsanalyse die Funktionalität des eigenen Produkts aus der Perspektive ihrer Kunden zu betrachten. Die neuen Wettbewerber kommen in der Regel aus dem Umfeld der existierenden Marktteilnehmer, ohne jedoch deren Rolle innerhalb der Wertschöpfungskette einzunehmen. Erinnert sei an den Einstieg von Apple in das Musikgeschäft; vor dem Aufbau von iTunes war Apple lediglich als Hardwarelieferant an diesem Markt interessiert.
Damit man die Wettbewerbsanalysen in ihrer Bedeutung versteht, muss zunächst das Wesen von Wettbewerb selbst geklärt werden. Wettbewerb ist ein Verhältnis parametrischer Interdependenz und Rivalität zwischen den Marktteilnehmern (Baßeler, Heinrich & Utecht 2006, S. 190), wobei die Rivalität durch folgende strukturelle Faktoren (Porter 1992, S. 42 ff.) stimuliert wird:
•Die Zahl und Gleichartigkeit der Wettbewerber, die sich in der Kategorie ›Wettbewerb innerhalb der Branche‹ manifestieren.
•Die Dynamik des Branchenwachstums, die sich insbesondere bei langsamem Branchenwachstum negativ bemerkbar macht, da dann ein kleinerer Kuchen unter den Wettbewerbern zu verteilen ist.
•Die Höhe der Fixkosten, die vor allem bei einem ungünstigen Verhältnis von Fixkosten zur Wertschöpfung weiteren Druck auf die Marktteilnehmer ausübt.
•Die Höhe der strategischen Einsätze (z. B. hohe Investitionskosten, die als strategischer Einsatz den Markteintritt erschwerten).
•Die Höhe der Austrittsbarrieren als Kosten des Marktaustritts (dies sind oftmals ›sunk costs‹, d. h. Kosten, die man nach einem Marktaustritt nicht mehr zurückerhält).
•Die potenzielle Konkurrenz, die – je nach Höhe der Marktzutrittsschranken – durch Preisdifferenzierung oder strategische Marktzutrittsschranken (z. B. Kampfpreise) den künftigen Wettbewerb prägen.
•Den Druck durch Substitutionsprodukte, die für eine Begrenzung der Gewinnerzielungsmöglichkeiten einer Branche sorgen.
•Die Verhandlungsstärke der Abnehmer, bei der vor allem die Abhängigkeit von einigen wenigen Großkunden ein strategischer Nachteil sein kann.
•Die Verhandlungsstärke der Lieferanten, die vor allem dann ein Problem ist, wenn man von wenigen Zulieferern abhängig ist. Im Bereich der journalistischen Medienproduktion sind dies oftmals Nachrichtenagenturen.
Unter digitaler Transformation versteht man mehr als die reine Digitalisierung. Denn wenn es nur darum ginge, die Umstellung auf digitale Technologien und damit die Abkehr von analoger Technologie zu beschreiben, dann wäre in einigen Teilbereichen der Medienbranche die Digitalisierung bereits vor Jahrzehnten abgeschlossen gewesen, als analoge durch digitale Bauteile ersetzt wurden. Es geht vielmehr um die technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen, die durch den gezielten Einsatz von digitaler Technologie in einzelnen Lebens- und Wirtschaftsbereichen absehbar sind.
Anwendungsfälle aus anderen Segmenten des Gesellschafts- und Wirtschaftslebens können diese tiefgreifenden Veränderungen illustrieren (Krapf 2022). Wenn beispielsweise durch das Internet of Things (IoT) unterschiedliche technische Systeme und Maschinen miteinander interagieren, ist nicht nur eine Nachbestellung bei leeren Lagerplätzen im Rahmen eines E-Procurement möglich, sondern auch im Bereich des produzierenden Gewerbes ist eine grundsätzliche Veränderung der Arbeits- und Produktionsweise mit neuen Rationalisierungspotenzialen und neuen technischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Fragestellungen absehbar.
Der Umstand, dass wir uns in diesem Buch auf einen Teilausschnitt des gesamten Medienmarktes fokussieren, mag gerade angesichts der neuen Wettbewerbsbeziehungen, die durch die Medienkonvergenz entstehen, problematisch wirken. Denn es werden mit der Konzentration auf die oben genannten Bereiche der digitalen Medien und Medienformen, die aus der Tradition des klassischen Pressebereichs stammen, einige Wettbewerbsbeziehungen zu anderen Akteuren, die allein im Bereich der Mediennutzungszeit oder im Bereich der Substitutionseffekte im Werbemarkt auftreten, nicht vollständig abgebildet. Dennoch haben wir uns entschlossen, diese Fokussierung vorzunehmen, um ein praxisnahes Buch zu ermöglichen, das dem Umstand Rechnung trägt, dass gerade die kleineren und mittelständischen Unternehmen aus einer Branchentradition entstammen und damit auch ihre Ressourcenpotenziale und strategischen Entwicklungsperspektiven durch diese Branchen-DNA geprägt sind.
Die Medienökonomie liefert die theoretischen Grundlagen über Akteure und Märkte in der Branche und hat aus der Perspektive der Einzelunternehmen auch unter den Schlagworten Medienwirtschaft und Medienbetriebswirtschaft Eingang in die Literatur gefunden hat. Die in diesem Kapitel thematisierten ›Prinzipien‹ aus dem Segment der Digital- und Medienökonomie bilden gewissermaßen die Rahmenbedingungen für alle operativen, taktischen und strategischen Entscheidungen von Medienunternehmen im Rahmen der digitalen Transformation. Zugleich sind sie auch die Basis für neue Geschäftsmodelle und die Weiterentwicklung von Produkten, Angeboten, Unternehmen und Kooperationen, auf deren konkrete Ausgestaltungsmöglichkeiten dann in Folgekapiteln eingegangen wird.
Medien können auf drei unterschiedlichen Ebenen als duale Güter aufgefasst werden (Zydorek 2017, S. 169). Die erste Ebene der Dualität kann in der Verbindung von Mediencontent mit Medienträgern gesehen werden. Die abstrakte Trennung zwischen Medieninhalten und dem jeweiligen Trägermedium, das materiell (z. B. Papier) oder auch immateriell sein kann, spielt vor allem bei der Transformation von Produktformen und Märkten eine Rolle. Es gilt den Kern und Nutzen des Contents in der Betrachtung von der jeweiligen medialen Erscheinungsform zu lösen, um neue Produktformen und Zielgruppen antizipieren zu können. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, welche Produktformen für einzelne Zielgruppen wirklich sinnvoll und attraktiv erscheinen.
Die zweite Ebene der Dualität resultiert aus dem Spannungsfeld der Medien zwischen Kulturgut und Wirtschaftsgut. Medien dienen einerseits gesellschaftlichen Zwecken, so sind aktuelle Nachrichtenmedien elementarer Bestandteil einer Infrastruktur für eine ausgewogene politische Willensbildung, zugleich dienen sie jedoch auch der Deckung individueller Bedürfnisse und haben im Idealfall einen so großen Nutzen, dass eine Bepreisung möglich ist und sie dadurch als Wirtschaftsgut eine Funktion im Markt besitzen. Die im Jahr 2023 aktuelle Diskussion über die Förderwürdigkeit einzelner Medien – das im September 2022 fertiggestellte und Ende März 2023 vom Bundeswirtschaftsministerium erstellte Gutachten zur Zustellförderung (WIK-Consult 2023) – zeigt die Aktualität und Praxisrelevanz dieser Themen.
Die dritte und dominierende Form der Dualität ergibt sich bei vielen (Massen-)Medien durch das Wechselspiel von Rezipienten- und Werbemarkt. Die Attraktivität eines Produktes im Leser-/Nutzermarkt ergibt sich durch den Nutzen, den die Produkte für einzelne Zielgruppen in ihrer jeweiligen Lebenssituation stiften. Häufig sind es Teilbereiche von Information oder Unterhaltung. Der Nutzen von Medienprodukten im Werbemarkt entsteht durch die Kontaktchance mit planbaren, im Idealfall klar abgrenzbaren Zielgruppen. Die gegenseitige Abhängigkeit wird in unterschiedlichen Modellen beschrieben und in diesem Abschnitt näher charakterisiert. Die Wechselbeziehung zwischen Werbe- und Nutzermarkt wird häufig mit dem Modell der Anzeigen-Auflagen-Spirale beschrieben (Abb. 4).
Abb. 4: Anzeigen-Auflagen-Spirale bei Presseprodukten in abgrenzbaren Märkten (abgeleitet aus: Breyer-Mayländer 2014, S. 11; Wirtz 2006, S. 163; Pürer & Raabe 1996, S. 216)
Dem Modell der Anzeigen-Auflagen-Spirale liegt die Annahme zugrunde, dass in einem abgrenzbaren Markt, bei dem das eine Medium mit einem anderen in direktem Wettbewerb steht (z. B. im Markt lokaler oder regionaler Zeitungen als Nachrichtenmedien), folgender Zusammenhang besteht: Das Medium mit der größten Reichweite innerhalb der Kernzielgruppe kann die größeren Werbeeinnahmen verzeichnen, da es für die Werbekundschaft attraktiver ist, beim Marktführer Anzeigen zu buchen. Diese höheren Werbeerlöse können wiederum für mehr Investitionen in das Produkt und die redaktionelle Qualität genutzt werden und sorgen dafür, dass gegenüber den zweit- und drittplatzierten Wettbewerbern ein weiterer Wettbewerbsvorsprung entsteht. Der Marktführer ist somit in einer Aufwärtsbewegung, weshalb das Modell insgesamt als Spirale beschrieben wird, da aus dieser Aufwärtsspirale heraus nicht nur größere Investitionen in das Produkt erfolgen können, sondern auch ein größerer Erfolg im Werbemarkt möglich ist. Dies erklärt den Effekt, warum die führenden Medien sehr leicht in eine dominante Marktposition gelangen und die Zahl der Wettbewerber insgesamt begrenzt bleibt. Das Modell gilt in dieser Klarheit jedoch nur für sehr klar abgrenzbare Märkte, bei denen eine direkte Substitutionsbeziehung zwischen den einzelnen Akteuren besteht.
Im Sinne der Five Forces wäre dieses Modell aus der Rivalität unter bestehenden Wettbewerbern erklärbar. Im Zuge der Medienkonvergenz gibt es jedoch kaum noch Märkte, in denen wir eine abgrenzbare Situation vorfinden, sodass das Modell in der ursprünglichen Form keine Anwendung finden kann. Selbst lokale Zeitungsverlage sehen sich beim Medienbudget der privaten Haushalte mit den Ausgaben für Podcasts oder Streamingdienste als Wettbewerbsumgebung konfrontiert, auch wenn der ursprüngliche Produktnutzen (Information über lokales Geschehen) durch diese Medien nur in Teilen erfüllt wird. Sobald der Wettbewerb sowohl im Nutzer- als auch Werbemarkt vielschichtiger wird und die Zielgruppen über höchst unterschiedliche Kommunikationswege von Seiten der Werbetreibenden erreicht werden können, reicht das einfache Modell nicht mehr zur Beschreibung der Wettbewerbsmechanismen aus, da es keinen einfachen Substitutionsmechanismus gibt.
Im Zusammenhang mit dem Verbund von Nutzer- und Werbemarkt spielt die generelle Perspektive der Verbundenheit von Gütern eine besondere Rolle. Die enge Verbindung zwischen dem Rezipienten und dem Werbekunden entsteht bei den meisten Medienprodukten dadurch, dass sie als Kuppelprodukt angelegt sind. Eine digitale Newsplattform wird sowohl für die Bedürfnisse der Nutzerschaft als auch der Werbekundschaft konzipiert, und die Erstellung und der Betrieb der Plattform betrifft beide Zielgruppen und Marktkategorien gleichermaßen. Es findet eine gezielte Kopplung des Produktangebots statt. Die Inhalte werden bewusst miteinander verknüpft, da sie nur als Gesamtkonzept im Markt platziert werden können. Was hier sehr theoretisch klingt, hat in der Praxis deutliche Konsequenzen. Die im deutschen Rechtsrahmen klar festgeschriebene Trennung zwischen Werbung und redaktionellem Teil erfordert einerseits eine Abgrenzung der jeweiligen Sichtweise auf die Zielgruppen durch die entsprechenden Fachabteilungen (Redaktion oder Werbevermarktung), zugleich muss gerade bei der Entwicklung von neuen Produkten und der Analyse der Substitutionsgefahr und Angreifbarkeit von etablierten Produkten darauf geachtet werden, dass man beide Perspektiven auch gemeinsam betrachtet.
Das Thema Verbundenheit von Medienprodukten spielt jedoch auch in der direkten Marktbeziehung als Verbundenheit der Nachfrage eine Rolle. Dabei geht es einerseits um die substitutive Verbundenheit, wenn aus Sicht der Kunden (Nutzerschaft) unterschiedliche Medienprodukte oder Mediengattungen ganz oder teilweise durch andere Produkte oder mit den Gattungen ersetzt werden können. Wer beispielsweise seine Nachrichten ausschließlich über den Google Newsstream konsumiert, bei dem die Nachrichten durch Google kuratiert werden, fällt als Konsument von Zeitschriften und Zeitungen mit ihrem eigenständigen digitalen oder gedruckten journalistischen Angebot aus. Andererseits kann eine andere Form der Verbundenheit im Nachfragebereich durch komplementäre Produkte entstehen. Komplementäre Produkte ergänzen sich und stehen nicht im Wettbewerb zueinander (Abb. 5).
Abb. 5: Typen und Grade der Verbundenheit (Zydorek 2017, S. 177)
Meritorische Güter sind Güter, deren gesteigerter Konsum grundsätzlich als gesellschaftlich erwünscht gilt. Bei Medienprodukten ist dies bei vielen informierenden journalistischen Inhalten oder auch bei bildenden Medieninhalten zweifellos der Fall. Entsprechend schlägt sich die Eigenschaft als meritorisches Gut auch in einer Sonderbehandlung durch die Politik nieder. Im Bereich der von uns primär analysierten Produkte und Märkte geht es dabei beispielsweise um den verringerten Mehrwertsteuersatz, der in Deutschland für Presseprodukte und Bücher gilt, sowie um die Preisbindung, seit 2002 im Buchpreisbindungsgesetz gesetzlich verankert.
Güter, die stärker konsumiert werden als dies gesellschaftlich erwünscht ist, werden als ameritorisch bezeichnet. Auch diese gibt es im Medienbereich. Für sie gelten u. a. besondere Restriktionen im Verkauf an junge Zielgruppen, wie wir sie für den Bereich pornografischer, rassistischer oder gewaltverherrlichender Medien kennen. Für die folgende Betrachtung der Kernmärkte gehen wir jedoch von einer meritorischen Situation der einzelnen Produkte aus.
Bei der Betrachtung der Rahmenbedingungen für die digitale Transformation im Medienbereich muss man dem Umstand Rechnung tragen, dass Medienprodukte als Güter einige Besonderheiten haben, die für die Entwicklungsfähigkeit gerade kleinerer und mittlerer Unternehmen nicht unproblematisch sind. Eines der Problemfelder ist die komplexe Qualitätswahrnehmung bei Medien, insbesondere bei Medien im Nachrichtensektor, die in hohem Maße von der Informationsqualität der Produkte leben.
Es gibt grundsätzlich drei unterschiedliche Arten von Gütern, wenn man deren Vermarktbarkeit und Qualitätswahrnehmung analysiert. Die einfachste Form der Vermarktung ist bei den Inspektionsgütern möglich. Dabei handelt es sich um Produkte, deren Qualität die einzelnen potenziellen Nutzer*innen vor der Benutzung des Produktes analysieren und sicherstellen können. Im Medienbereich wäre dies beispielsweise ein Plakat, das im digitalen oder stationären Handel zum Einsatz kommt.
Die nächste Güterkategorie sind die Erfahrungsgüter. Bei diesen Produkten führt die Konsumphase des Produktes dazu, dass man am Ende beurteilen kann, ob es den eigenen Qualitätsanforderungen entspricht oder nicht. Hier stellt der Qualitätsbegriff nicht einen Begriff einer absoluten Güte dar, sondern setzt ihn in Bezug zu den Erwartungen der jeweiligen Kundenzielgruppe. Ein Erfahrungsgut wäre beispielsweise ein Buch oder die Ausgabe einer Zeitschrift. Die Konsumentinnen und Konsumenten lesen die Zeitschrift oder das Buch und können danach beurteilen, ob das Produkt ihren Qualitätserwartungen entspricht.
Für die Vermarktung am schwierigsten sind die Vertrauensgüter. Dabei handelt es sich um Produkte, die man konsumiert und selbst am Ende des Konsums kann man als Kunde nicht beurteilen, ob die Qualität des Produktes zufriedenstellend ist. Im Mediensektor wäre dies beispielsweise der Bericht über Kriegshandlungen im Ausland, die man nicht selbst überprüfen kann. Als TV-Zuschauer oder Zeitungsleser bin ich darauf angewiesen, dem jeweiligen Medium und der Recherchequalität der dort arbeitenden Journalistinnen und Journalisten in der Redaktion zu vertrauen, um zu meinem persönlichen Urteil zu gelangen, ob ich gut informiert wurde.
Schließlich ist die Qualitätsunkenntnis bei massenmedialer Information, wie beschrieben, sehr hoch. Vor dem Kauf und vor dem Konsum kann die Qualität von Medienprodukten nicht beurteilt werden. Und eine Rückgabe von Informationen, deren Qualität sich als schlecht herausstellt, ist nicht möglich.
