Digitales Schreiben. Blogs & Co. im Unterricht - Philippe Wampfler - E-Book

Digitales Schreiben. Blogs & Co. im Unterricht E-Book

Philippe Wampfler

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Beschreibung

Das Internet bietet zahlreiche Angebote und Anlässe für das Schreiben. Wie können Online-Schreibmedien pädagogisch und didaktisch sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden? Philippe Wampfler stellt das Spektrum der Typen vor: Blogs, Etherpads, Chats, Wikis usw., erläutert die jeweilige Funktionsweise sowie das didaktische Potential und bietet Anregungen für Unterrichtssequenzen. Erörtert wird auch, welche rechtlichen und technischen Voraussetzungen zu beachten sind. Eine unentbehrliche Hilfestellung für die Einbindung digitaler Medien in den Unterricht. E-Book mit Seitenreferenz der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 124

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Philippe Wampfler

Digitales Schreiben

Blogs & Co. im Unterricht

Reclam

2020 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2020

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961742-8

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014032-1

www.reclam.de

Inhalt

EinleitungGrundlagenDigitales SchreibenEbenen des digitalen SchreibensFunktionen digitaler SchreibprozesseExperimentelle MedienkompetenzSchreibdidaktische Aspekte des digitalen SchreibensSchreiben als ProzessInteraktionsorientiertes SchreibenMaterialgestütztes SchreibenKollaboratives SchreibenProduktionsorientierter LiteraturunterrichtEinwände, Risiken – und ein AusblickDigitale Schreibprojekte konzipierenAgile DeutschdidaktikDie 4K-Kompetenzen im SchreibunterrichtProjektlernenPeer-FeedbackDigitale Schreibprojekte bewertenPraktische Voraussetzungen digitaler SchreibprojekteRechtliche RahmenbedingungenTechnische und wirtschaftliche VoraussetzungenTypologie digitaler SchreibumgebungenBlogsKollaborative SchreibumgebungenSchreiben in sozialen NetzwerkenKommentareMessenger und ChatsWikis und WikipediaFazit: Ein Blick in die Zukunft des Schreibens

[7]Einleitung

In einem längeren Essay hat die Schweizer Autorin Meral Kureyshi erklärt, wie sie schreibt. Darin findet man ein Zitat, das auf den ersten Blick nichts mit digitalen Formen des Schreibens zu tun hat, aber viel darüber sagt, wie Schreibprozesse im 21. Jahrhundert ablaufen:

Es ist schön, eine Geschichte zu erzählen, plötzlich wird sie wahr. Allein dadurch, dass sie jemand liest, und eine weitere Person vielleicht, und darüber spricht, sie weiterdenkt und etwas mitnimmt, sich erkennt darin – oder auch nur ein Gefühl wiederfindet, etwas, was sie berührt.1

Kureyshi beschreibt einen Schreibprozess, der nicht spezifisch digital ist.2 Ihre Perspektive auf das eigene Schreiben lässt sich aber auf digitale Schreibverfahren übertragen: Was etwas Geschriebenes bedeuten mag, erfahren Menschen erst, wenn andere es lesen.3 Einfacher als im Internet war es nie, Texte zu veröffentlichen und Reaktionen wahrnehmen zu können. Auf [8]digitalen Plattformen wird über die Praktiken der Likes, über Kommentare und andere Reaktionen sichtbar, wer einen Text wahrgenommen und wer darauf reagiert hat. Diese Mess- und Sichtbarkeit der Rezeption beeinflusst Schreibsettings. Möglicherweise führt also digitales Schreiben zu etwas, was Kureyshi als Umschlag in die Wahrheit wertet. Zumindest findet es in anderen – genauso realen – Kontexten statt, als wenn nur ein Blatt Papier beschrieben würde, das dann lediglich eine Lehrerin oder ein Lehrer liest und beurteilt.

Das vorliegende Buch basiert auf einem kulturpragmatischen Ansatz. Dirk von Gehlen versteht darunter die Haltung, Praktiken zuerst zu verstehen und erst dann zu bewerten.4 Die Empfehlung an alle Neugierigen, aber auch an Kritiker und Skeptiker der Digitalisierung des Lernens lautet: erst ausprobieren, dann beurteilen. Das Prinzip der experimentellen Medienkompetenz setzt Medienpraxis vor Reflexion und Wissenserwerb über das Funktionieren von Medien. Wer Schreiberfahrungen macht, kann darüber nachdenken, was sie für einen selbst bedeuten – wie das Kureyshi tut. Und wer erfährt, wie digitale Schreibprozesse funktionieren und Resonanz erzeugen, kann sich gezielt über ihre Funktions- und Wirkungsweise informieren.

Dieses Buch soll Mut machen, mit digitalen Hilfsmitteln zu schreiben und darüber nachzudenken, was dabei passiert. Es richtet sich insbesondere an Lehrkräfte und zeigt Wege, mit Schülerinnen und Schülern im Netz zu schreiben und sie dabei [9]zu begleiten, wie sie experimentelle Medienkompetenz aufbauen.

Zunächst werden Grundlagen des digitalen Schreibens vorgestellt. Es folgt eine Übersicht über schreibdidaktische Aspekte digitaler Schreibverfahren. Davon ausgehend werden didaktische, technische und rechtliche Bedingungen formuliert, unter denen im Unterricht digitales Schreiben funktioniert. Innerhalb dieser Voraussetzungen sind Typologien digitaler Schreibumgebungen angesiedelt: Schreibverfahren in Blogs, in Messenger-Programmen, in Wikis und anderen Settings werden hier vor- und mit didaktischen Hinweisen so dargestellt, dass eine einfache Umsetzung im Unterricht möglich ist.

Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der Nutzung von Online-Tools und -Datenbanken finden sich einige Anmerkungen im Band. Grundsätzlich gilt aber: Wer das jeweilige Programm im Rahmen des Unterrichts einsetzt, muss selbst prüfen, ob es rechtlich zulässig ist. Es ist immer empfehlenswert, die Datenschutzerklärungen der Anbieter sorgfältig zu lesen. Stets müssen Urheberrechtsfragen und Persönlichkeitsrechte beachtet werden.

Den Transfer vom Buch in ihren Unterricht müssen Lehrerinnen und Lehrer leisten. Fertig geplante Stundenkonzepte können nicht präsentiert werden. Nur wer die spezifischen Klassen, Lehrpläne und die technischen Möglichkeiten einer Schule kennt, kann Unterricht wirksam planen. Dieses Buch soll dazu inspirieren.5

[11]Grundlagen

Digitales Schreiben

»Fast alles, was wir heute schreiben, ist digital, und fast alles, was wir heute lesen, entstand in einer digitalen Arbeitsumgebung«, schreiben Christa Dürscheid und Karina Frick in der Einleitung zu Schreiben digital.6 Im vorliegenden Kontext bezieht sich »digitales Schreiben« entsprechend auf schulische Schreibanlässe unter Einbezug digitaler Endgeräte, digitaler Software und digitaler Plattformen im Netz.7

Ein Einwand muss aber angesprochen werden: die Kritik an der Verwendung des Adjektivs »digital«.8 Sie impliziert einen Gegensatz zwischen »analogem« und »digitalem« Schreiben, den es so nicht gibt. »Digital« bezieht sich etymologisch auf unsere Finger und bezeichnet so eine Perspektive auf die Realität, in der klar Abgegrenztes kombiniert wird, als würde ein Kind mit den Fingern zählen.9 Die einfachsten [12]Computerbauteile können entweder Strom leiten oder keinen Strom leiten. So können sie die Zahlen 0 und 1 abbilden – sie funktionieren digital. Analog hingegen ist eine graduelle Abstufung, wie wir sie etwa bei der Lautstärke unserer Stimme finden.

Schreiben ist eine Kulturtechnik, die weder rein digital noch rein analog funktioniert, sondern beide Funktionsweisen verschränkt: Das lateinische Alphabet etwa ist ein digitales System, es wird aber analog geschrieben: Es gibt zwischen Buchstaben keine Übergänge, beim Schreiben wählen wir jeden Buchstaben eindeutig aus – das ist ein digitales Verfahren. Wenn wir die Buchstaben aber schreiben, dann drücken wir unterschiedlich stark auf die Tasten unserer Tastaturen und führen unsere Schreibinstrumente immer wieder leicht anders. Die Schrift entsteht deshalb in einem analogen Prozess. Auch die psychologischen Prozesse, die mit der Kulturtechnik Schreiben verbunden sind, sind meist analoge. Schreiben erfolgt als Mischung von analogem und digitalem Verfahren.

In genauerer Begrifflichkeit muss man also von Schreibprozessen unter den Bedingungen von elektronischen Endgeräten, Textverarbeitungssoftware und Netzkommunikation sprechen. Dadurch können zwei falsche Vorstellungen vermieden werden: Erstens wird »digital« oft mit »virtuell« in Verbindung gebracht. Es gibt aber keinen kategorischen Gegensatz zwischen einer virtuell-digitalen Sphäre und einer realen analogen. Menschen verbinden in ihrem Denken und ihrer Wahrnehmung immer virtuelle Konzepte mit physisch präsenten Gegenständen: Benennt ein Kind einen Stuhl als »Stuhl«, so ordnet es einen realen Gegenstand in eine virtuelle Kategorie ein. Die als »digitaler Dualismus« bekannte Trennung von Analogem und Digitalem ist verbreitet, aber nicht zutreffend, weil sie ausblendet, wie viele Verbindungen es zwischen den Bereichen gibt. Zweitens ist digitales Schreiben nicht eine Sonderform eines eigentlichen Schreibens, von [13]dem es durch den Zusatz eines Adjektivs abgegrenzt werden muss. Es bezeichnet lediglich eine Kombination von Schreibwerkzeugen und Schreibumgebungen, die auch in der Schule an Bedeutung gewinnt.

Der Titel dieses Bandes ist also keine präzise Formulierung, sondern eine pragmatische Verkürzung. Für das Festhalten am Ausdruck gibt es zwei Gründe: Es ist sinnvoll und gebräuchlich, »digital« als Synonym für »unter den Bedingungen einer Kultur der Digitalität« zu verwenden, zumindest in Formulierungen wie »digitales Schreiben« oder »digitale Bildung«. Das ist auch Ausdruck der Hoffnung, problematische Gegenüberstellungen würden bald an Bedeutung verlieren. Zudem ist digitales Schreiben als Prozessbeschreibung mittlerweile in der Sprachwissenschaft wie auch in der Fachdidaktik10 als Begriff etabliert.

Ebenen des digitalen Schreibens

Digitales Schreiben umfasst eine große Spannbreite. Es kann beispielsweise auf Social-Media-Plattformen stattfinden und dient dort der Interaktion von digitalen Profilen. Das ist eine prototypische Art des digitalen Schreibens. Daneben kann aber eine grundlegendere und noch stärker verbreitete Art des digitalen Schreibens betrachtet werden, nämlich das Schreiben mit digitaler Software, also Textverarbeitungsprogrammen. Dieses Buch ist beispielsweise in Scrivener entstanden, einem Programm für Autorinnen und Autoren. Das Manuskript war zunächst weder auf Social-Media-Plattformen publiziert noch war es im Netz öffentlich einsehbar.

[14]Es wäre nun naheliegend anzunehmen, dass digitales Schreiben primär von veränderten Werkzeugen bestimmt ist: Eine Schreibmaschine wurde durch ein Computerprogramm ersetzt. Doch die Transformation ist einschneidender. Um das zu verstehen, hilft Felix Stalders Konzept der »Kultur der Digitalität«.11 Er identifiziert drei wesentliche Merkmale der »Digitalität«: Referentialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität.

Hinsichtlich des Textes dieses Buchs bedeutet Referentialität, dass er sich auf Vorarbeiten bezieht. Er verweist auf Texte im Netz (im E-Book sind sie verlinkt), er enthält digital kopierte Zitate und Bilder (die im E-Book als Dateien eingebettet sind).

Gemeinschaftlichkeit bedeutet, dass mehrere Personen in Online-Editoren das digitale Manuskript redigiert und korrigiert, Passagen darin gestrichen oder kommentiert haben. Auch wenn der Text unter einem Namen erscheint, ist er insgesamt betrachtet das Werk einer Gruppe von Personen.

Gleichzeitig wurden im Schreibprozess Algorithmen oder Programmskripte herangezogen, etwa wenn es darum ging, Wörter zu suchen oder zu ersetzen, orthografische Fehler sichtbar zu machen und zu korrigieren, Wörter und Zeichen zu zählen, Texte miteinander zu verlinken, Anmerkungen einzufügen und so weiter.

Auf einer noch elementareren Ebene waren digitale Endgeräte die Schreibwerkzeuge: Tastaturen und Touchscreens. Das ist nicht belanglos: Einen Text von Hand zu schreiben unterscheidet sich in der kognitiven Aktivität vom Tippen auf einer Tastatur oder einem Touchscreen. Wo liegt der Unterschied? Entscheidend ist die Geschwindigkeit. Kinder, die auf einer [15]Tastatur schneller schreiben können, schreiben auch genauere, strukturiertere und längere Texte als Kinder, die langsamer schreiben.12 Die Qualität eines Textes korreliert mit der Geschwindigkeit, bei der im Schreibprozess Gedanken in Wörter übersetzt werden. Hier bieten digitale Schreibverfahren einen Vorteil, weil sie höhere Geschwindigkeiten zulassen – ein Aspekt, warum Kinder möglichst früh möglichst schnell tippen lernen sollten.

Geht es aber darum, sich Notizen zu machen – etwa bei einem Gespräch, in einer Vorlesung oder als Reaktion auf einen Text – dann gelingt das laut empirischen Studien von Hand besser. Das langsamere Verfahren führt hier zu einer Verdichtung, die eine tiefere und präzisere Verarbeitung erlaubt. Wer bei solchen Schreibanlässen tippt, gibt schnell der Versuchung nach, so viel wie möglich wörtlich mitzuschreiben. Dabei entsteht aber nur ein oberflächliches Verständnis des Inhalts. Clive Thompson hat dazu eine Art Merksatz formuliert: »Tipp so schnell du kannst – und bring immer einen Bleistift mit.«13

Wir können also drei Ebenen von digitalem Schreiben unterscheiden:

Schreiben im Netz, auf digitalen Plattformen oder Webseiten, beispielsweise als Blog

Schreiben mit Schreibsoftware unter den Bedingungen einer Kultur der Digitalität

Schreiben mit digitalen Endgeräten

[16]Die Reihenfolge spiegelt die Bedeutung der Schreibarten für diesen Band: Besondere und ganz neue Potenziale bieten Schreibprozesse, wenn sie auf interaktiven Netzplattformen stattfinden – Software und Schreibgeräte für sich führen zu einer weniger starken Veränderung. Der Schwerpunkt dieses Bandes liegt daher bei der Frage: Welche didaktischen Möglichkeiten eröffnen Texte, die im Netz erscheinen?

Funktionen digitaler Schreibprozesse

Wer schreibt, verfolgt damit Zwecke. Im Folgenden werden die Funktionen von Schreibprozessen im Allgemeinen vorgestellt. Daraus lassen sich Einsichten über Schreibprozesse in einer Kultur der Digitalität ableiten.

Jakob Ossner14 unterscheidet drei Schreibfunktionen, die sich auch auf digitale Schreibprozesse übertragen lassen:

1. Die psychische Funktion: Die Person, die schreibt, ist auch Adressat des Geschriebenen. Deshalb werden häufig eigene Emotionen und Gedanken beschrieben. Der Schreibprozess schafft eine Distanz: Implizit Gefühltes oder Gedachtes wird bewusst und sichtbar. Die psychische Funktion spielt auch auf einer Metaebene, immer dann, wenn der Schreibprozess thematisch wird (wenn Schreibende etwa mit einer Schreibblockade ringen). Digitales Beispiel: Auf der Notiz-App des Smartphones auf dem Weg zur Schule festhalten, worauf man sich an diesem Tag freut oder wovor man Angst hat.

[17]2. Die soziale Funktion: Mit dem Geschriebenen richtet sich ein Autor oder eine Autorin an eine andere Person (oder mehrere Personen). Der Text übernimmt so eine im klassischen Sinn kommunikative Funktion. Dabei können unterschiedliche Absichten wie auch Wirkungen unterschieden werden. Digitales Beispiel: Eine Schülerorganisation informiert mit ihrem Instagram-Kanal Schülerinnen und Schüler über geplante Aktivitäten.

3. Die kognitive Funktion: Das Schreiben dient dem Erkenntnisgewinn oder der Entlastung des Gedächtnisses. Klassische Formen reichen von Notizen über Brainstorming bis hin zu wissenschaftlichen Arbeiten. Letztere haben meist stärker eine kognitive Funktion als eine soziale. Digitales Beispiel: Auf einem Blog ein Thema längerfristig gezielt bearbeiten, indem Erkenntnisse dazu notiert, Verweise auf wichtige Texte zum Thema vorgenommen und Verknüpfungen zwischen diesen Texten und wichtigen Profilen hergestellt werden.

Diese Funktionen können – anders als die im Kapitel zuvor beschriebenen Ebenen – in diesem Buch nicht getrennt werden, weil viele Schreibaufgaben alle drei Funktionen des Schreibens verbinden. Durch sie entstehen Angebote, die erst in der konkreten Umsetzung einer Funktion zugeordnet werden können. Ein Blog als Schreibmodus oder Textsorte gibt nicht vor, ob er benutzt wird, um ein privates Tagebuch zu führen (psychische Funktion), um Eltern über den Verlauf einer Studienreise zu informieren (soziale Funktion) oder um ein Lektüretagebuch zu führen (kognitive Funktion).

Die Schreibfunktionen werden durch die Verwendung digitaler Schreibgeräte, von Schreibsoftware und die Publikation im Netz modifiziert. Diese Veränderung darf aber nicht monokausal oder generell unterkomplex gedacht werden: Das Vorurteil, Netzkommunikation mache Menschen narzisstisch, ist ein gutes Beispiel für eine eindimensionale Vorstellung der [18]Wirkungen eines Mediums. Menschen unterscheiden sich in Bezug auf Narzissmus, schon bevor sie im Netz kommunizieren. Narzissmus kann Teil eines Motivs sein, digitale Plattformen zu benutzen. Die Nutzung wirkt aber wiederum in unterschiedlichen Weisen auf Menschen zurück. Social Media sind für stark narzisstisch veranlagte Personen etwa kein lohnendes Umfeld, sie erhalten relativ wenig Bestätigung – wohl weil ihr Narzissmus deutlich erkennbar ist.15 Netzkommunikation kann also den Narzissmus bei Menschen mit mittlerer Tendenz verstärken, nicht jedoch bei starkem Narzissmus. Dieses Beispiel zeigt die Komplexität dieser Wirkungen.

Auf Schreibprozesse des digitalen Schreibens übertragen heißt das, dass die psychische, die soziale und die kognitive Funktion des Schreibens auch modifiziert werden. Wie im Beispiel Thompsons in Bezug auf das Tippen (s. S. 15) können auch hier Erkenntnisse nur situationsspezifisch und differenziert formuliert werden. Das wird im Kapitel »Schreibdidaktische Aspekte für digitales Schreiben« genauer dargestellt.

Experimentelle Medienkompetenz

Kontrollierende Medienkompetenz geht davon aus, dass zuerst Medienwissen aufgebaut werden muss. Dieses Wissen ist die Grundlage für eine spätere Anwendung. Über das Wissen wird die Anwendung kontrolliert. Dieses Buch empfiehlt experimentelle Medienkompetenz. Sie kann wie folgt definiert werden: Mit Medien in realen Kontexten handeln, dabei interaktiv Erfahrungen sammeln und diese so reflektieren, dass Können entsteht.

[19]Ein Einstieg ist schnell gefunden: Welche Frage beschäftigt Sie im Moment, so dass Sie an einer Antwort interessiert sind, die Sie nicht durch Nachschlagen in wenigen Minuten ermitteln können? Schreiben Sie Ihre Frage auf und veröffentlichen Sie sie an einem geeigneten Ort im Netz. Dies könnte zum Beispiel das Intranet Ihrer Schule, eine Chat-Gruppe, ein Twitter-Profil, eine Facebook-Gruppe oder ein Instagram-Account sein. Achten Sie darauf, dass Ihre Frage prägnant formuliert ist und zugleich klar wird, welche Art von Antwort für Sie hilfreich ist und welche nicht.

Abb. 1: Tweets von Userin @heikeflemming, 9. Juli 2019. – Mit Genehmigung der Autorin

Abb. 1 zeigt ein Beispiel für eine solche Frage: Eine Mutter und Lehrerin hat im Juli 2019 auf Twitter danach gefragt, [20]welche Erwartungen andere Eltern an eine gute Schule haben und welchen Aufwand sie betreiben würden, damit ihre Kinder eine gute Schule besuchen könnten. Die Publikation der Frage im Netz erlaubt der Twitter-Userin @heikeflemming zu verfolgen, wie intensiv sie gelesen wird und wer darauf antwortet. Der Text ist Teil des Netzes geworden.