Dirty Colors - Larissa Stawicki - E-Book

Dirty Colors E-Book

Larissa Stawicki

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Beschreibung

Wer weiß wohin die Reise geht, bevor der erste Schritt gewagt ist? Mit dem Versuch aus dem Alltag auszubrechen und sich hineinzustürzen in eine Welt, die uns unbekannt ist, sind wir nach Amerika gestartet. Wir wagten unsere ersten Schritte auf dem Pacific Crest Trail und wurden in eine Welt gezogen, die jegliche Vorstellung von einem Abenteuer übertroffen hat. Wir entdeckten eine Welt und damit uns selbst. Traten aus der Komfortzone heraus und hinein in das Ungewisse. Schoben Erwartungen beiseite, um dem Abenteuer direkt ins Auge zu blicken. Sind gelaufen, haben die Welt um uns herum entdeckt und uns in ihr verloren. Haben zu uns, zueinander und zu dem Leben gefunden. Durften erfahren, was überleben heißt und wie weit das Leben einen tragen kann, bis wir weiter gehen. Lass dich mitnehmen auf eine Reise in eine verzaubernde Welt, die alles verändert.

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Seitenzahl: 292

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Ich schreibe dieses Buch für

Dich . Mich

Unsere Familie . Unsere Freunde

Inhalt

Prolog

Eine Idee aus heiterem Himmel

Auf ins Abenteuer

Von der Wüste ins Hochgebirge

Gerüchte Nordkaliforniens

Halfway Mile Marker

Oregon Baby

Huckleberry Country

Die letzten zwei Tage

Der Anfang von etwas Neuem

Epilog

PCT Glossar

Prolog

Zu diesem Buch

„Moin.“

„Hallo, was kann ich für Sie tun?“

„Ich würde gerne dieses Buch hier eintauschen?“

Dabei ging es mir nicht um irgendein Buch! Ein blaues, in Lederoptik und mit Pünktchenmuster auf den Seiten. Dafür bin ich extra noch mal zurück in den Laden, um es einzutauschen gegen jenes, welches ich aus Versehen mit Blankoseiten gekauft habe.

Dass dies meine erste Reise sein sollte, bei der ich es schaffe, täglich einen Eintrag hineinzuschreiben, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Ich fing an zu schreiben, und mit jedem weiteren Tag in meinem Büchlein wuchs der Ehrgeiz,diese Kette der sich aneinanderreihenden Erinnerungen nicht zu unterbrechen. Somit entstand mein Tagebuch und mit ihm die Idee, daraus ein Erinnerungsbuch zu schreiben.

Viele schöne und erlebnisreiche Reisen haben Finn und ich zusammen verbringen dürfen. Durften Erinnerungen schaffen, die uns prägen, formen und von denen wir jetzt und in der Zukunft zehren können. Erinnerungen, die weniger in Vergessenheit geraten, weil wir uns haben. Zwei, die sich gegenseitig die vielen schönen Momente aus der Schatztruhe ziehen und einander vorlegen können.

Vielleicht habe ich auch deswegen nie ernsthaft ein Tagebuch führen können, da ich doch wusste, im Notfall habe ich dich, um etwas wiederzufinden.

Doch hier war es irgendwie anders, ich schaffte es, mich jeden Abend aufzuraffen, wenigstens ein paar Sätze aufzuschreiben und einige wenige Male konnte ich dich überzeugen, dies für mich zu übernehmen, wenn ich im Tausch das Essen kochte. Bereits während unserer Reise haben wir uns ab und an aus diesem Tagebuch vorgelesen, statt zu Hause gemeinsam auf der Couch, den allabendlichen Film zu sehen.

Seither danke ich mir für diese abendliche Disziplin. Bin froh, auch mal vergessen zu dürfen.

Und wie leicht es mir doch fiel, diese Zeilen zu schreiben. Ich deine Anwesenheit, nein, Dich in mir gespürt habe. Du dir meinen Körper zu eigen gemacht hast, um so mühelos und spielerisch, wie von Zauberhand dieses Buch zu schreiben. Da du doch immer derjenige von uns warst, der mit den Worten so faszinierend jonglieren konnte.

Und jetzt, heute, nachdem dein Körper wieder zurück in seinen Ursprung gegangen ist, kannst du mir nicht mehr helfen nach den Erinnerungen zu suchen. Aber dafür habe ich jetzt dieses Büchlein, haben wir unsere Geschichte, gebunden in einem Buch.

Du und Ich.

Gedanken, Gefühle, Erfahrungen und äußerliche Einwirkungen, die zu dem Zeitpunkt bestehen, sind ausschlaggebend für den Inhalt meines Tagebuchs. Diese Einträge sind jeweils abends und in völliger Erschöpfung, kurz vor dem Einschlafen entstanden. Sie stellen kurz und knapp die Erlebnisse des Tages da.

Vor einem Jahr fing ich an, diese Einträge mit weiteren Erinnerungen zu ergänzen. Kam ins Schreiben, um irgendwie durch die Nächte zu kommen.

Diese Tagebucheinträge habe ich daher in der Originalversion belassen und sie abgehoben von dem Rest dargestellt.

Viel Spaß in einer verzaubernden Welt, die alles verändert.

We ate like fat kids,

partied like rockstars

and looked like athletes.

We climbed mountains for breakfast

and beat the sun to the horizon.

We changed socks weekly

and our minds courageously.

We trusted our lives to strangers

and called them family.

We believed in magic

and often laughed at the moon.

- Zitat aus “The Hiker Yearbook, ‘19” -

Eine Idee aus heiterem Himmel

Es ist 7:00 Uhr morgens, die Sonne kämpft sich langsam über die Dächer der Stadt und immer mehr Sonnenstrahlen kitzeln meine Augen. Ich spüre die Wärme auf meinem Gesicht,fange an zu blinzeln, gebe schließlich nach und schließe meine Augen. Genüsslich beiße ich in mein Brötchen, spüre den nussigen Geschmack des Käses auf meiner Zunge und versinke in die Ruhe des Morgens bevor mich der Alltag in seinen Bann ziehen wird.

Plötzlich durchbricht eine Stimme diese Wolke, auf der ich schwebe, und holt mich zurück auf meinen Stuhl.

„Ich möchte den PCT wandern.“

Stille.

Dir muss dieser Gedanke schon einige Zeit im Kopf herumschwirren, vielleicht hast du ihn sogar schon ab und an geäußert, doch meine Ohren waren verschlossen. Nicht empfänglich für diese Art von Information. Somit entstand für mich die Idee in diesem Moment.

Die Frage, um welche Wanderung es sich dabei handelt, musste ich gar nicht erst stellen. Das Brötchen noch in der Hand haltend, bekam ich einen kurzen Vortrag deinerseits mit einer knackige Zusammenfassung aller wichtigen Informationen rund um diesen Wanderweg.

Ein Wanderweg von der mexikanischen Grenze bis zur kanadischen Grenze, 4270 Kilometer lang, der zu Fuß durch Kalifornien, Oregon und Washington gegangen wird und wir uns komplett selbst versorgen müssen. Der etwa ein halbes Jahr in Anspruch nimmt und einen Gesamtwert von ca. 149.175 Höhenmeter aufweist, was einem sechzehnfachen Besteigen des Mount Everest gleichkommt. Auf dem man ein Zelt und alles was man für diese Zeit braucht auf seinem Rücken trägt und jede Nacht irgendwo in der Wildnis zwischen Klapperschlangen, Skorpionen, Bären und Pumas schläft. Durch Wüste, Schnee und Flüsse geht und meilenweit von jeglicher Zivilisation entfernt ist.

Ich bin ehrlich. Ich war nicht begeistert. Ich tat es ab als eine fixe Idee von dir und vertröstete dich auf später.

Doch so leicht sollte es mir nicht gemacht werden. Immer wieder kamst du mit dem Pacific Crest Trail (PCT) um die Ecke. Locktest mich und hattest immer wieder neue Ansätze, es mir schmackhaft zu machen. Machtest dir eine deiner großen Stärken, der Überzeugungs- und Argumentationskunst zu Nutze und redetest mich gegen die Wand.

„Ich hab wirklich keine Lust auf Wandern. Mach es doch sonst alleine, oder wollen wir nicht einfach einen Road Trip draus machen?“

„Einen Road Trip machen wir auch noch, aber jetzt möchte ich diesen Weg wandern und zwar mit dir!“

„Lass uns erst einmal unser Studium fertigmachen, und dann gucken wir mal, ok?!“

Damit war für mich das Thema erst einmal vom Tisch. Nicht für dich. Du hast dich informiert, bist weiter in das Thema eingestiegen und wurdest immer faszinierter von diesem Trail.

Zu der Zeit arbeitete ich mit Carsten zusammen, der gerade dabei war, seine Firma aufzubauen. Zusammen mit Franka und mir richtig durchzustarten. Es hat Spaß gemacht. Wir hatten vor zwei Wochen erst den neuen Vertrag unterschrieben. Dann ging es in die Vollen. Ein halbes Jahr hatte ich Zwangspause von meinem Studium. Musste auf mein Masterstudium warten. War jeden Tag bei Carsten im Büro und dann kam die Nachricht.

Sie war schwer zu verstehen. Man konnte herauslesen, dass es ihm schwer fiel, diese Nachricht zu verfassen, die richtigen Worte zu finden. Ein Schock. Er schrieb Franka und mir, dass ein Hirntumor bei ihm gefunden wurde, er das Büro aufgeben muss und nicht weiß, wie es weitergeht.

Ich weinte. Es konnte doch nicht sein, dass ein Mensch, der so herzenslieb ist, mit nur 37 Jahren die Nachricht bekommt, er habe noch ein Jahr zu leben. Ich verstand die Welt nicht mehr.

Du fingst mich auf. Warst für mich da und gabst mir den Halt, den ich brauchte. Ich weinte, sah dir in die Augen und sagte: „Ich möchte mit dir den PCT gehen, wann geht man den los? Lass uns diesen Wanderweg zusammen gehen und zwar jetzt!“

Die nächsten Wochen waren die schwersten, die ich zu der Zeit in meinem Leben hatte. Carstens Operation stand an, und er musste alles für den Fall, dass er sterben sollte, organisieren. Franka und ich blieben für diese Zeit im Büro und unterstützten ihn wo wir konnten.

Er telefonierte viel. Sprach mit Kunden, Firmen und Versicherungen. Immer wieder dieser Satz: „Ich habe einen Hirntumor, werde operiert und möchte, dass meine Familie für den Fall, das ich sterbe, abgesichert ist.“

Ich war verzweifelt, verstand nicht und weinte täglich. Du warst eine so große Unterstützung für mich und hattest ein so großes Verständnis.

Carsten redete viel mit uns über seine Gefühle und von dem Brief, den er für seine Frau geschrieben hat. Er gab ihn einem Freund und hat alles für seinen Tod vorbereitet.

Das alles war zu viel für mich. Wie kann ein Mensch nur so stark sein und all seine Kräfte mobilisieren, um das Beste aus der momentanen Situation zu machen.

Ich durchlebte eine Zeit, die ich so noch nie vorher durchlebt hatte. Es bereicherte mich sehr. Ich bin daran gewachsen. Gewachsen, wie jedes Lebewesen wächst, wenn es sich einer Aufgabe stellt und sie bewältigt. Man wächst und lernt. Macht Erfahrungen, die einen in der Zukunft bestärken.

Es klingelt an der Tür. Der Postbote. Er bringt eine Rolle für Finn Bastian, für dich. Darin eingerollt: eine Karte vom Pacific Crest Trail. Sie wird aufgehängt. Im Wohnzimmer. Wir machen es! Erzählen es jedem, damit wir keinen Rückzieher machen. Du kaufst dir einen neuen Rucksack, bevor wir wissen, was wir überhaupt brauchen. Sagst, du willst sichergehen, dass wir es tun. Einen 45 Liter ‚kleinen’ Rucksack von Fjällräven. Den ‚Abisko Friluft’ in knallorange.

Kurz darauf folgen ein Zelt, Isomatten, Kocher, ein zweiter Kocher (weil einer nicht genug ist), Töpfe, Schuhe, Socken, Wasserflaschen und ein neuer Rucksack für mich.

Wir machten ein paar Probewanderungen,drei Tageswanderungen, um genau zu sein. Wir waren ja vorher noch nie gewandert. Mussten ja mal ausprobieren, wie schwer es tatsächlich ist.

Nach 15 Kilometern konnte ich nicht mehr laufen, da ich einen unglaublichen Schmerz von meiner Achillessehne bis hoch in meinen Hintern spürte. Bei der zweiten Wanderung dachte ich, meine Schultern zersplittern gleich, wenn ich den Rucksack nur versuche wieder aufzusetzen, und bei der dritten Wanderung konnte ich tagelang danach nicht laufen. Unser Fazit: „Könnte hart werden.“

Doch all das reizte uns nun noch mehr, es auszuprobieren. Uns der Aufgabe stellen. In der ganzen „Vorbereitungszeit“, haben wir uns zu hundert Prozent darauf konzentriert, Geld zu verdienen. Haben viele Wochenenden durchgearbeitet, nebenbei versucht das Studium zu meistern und uns nicht ein einziges Video, Bilder oder Berichte zum PCT angeschaut. Wir wollten uns nicht beeinflussen lassen. Unsere eigenen Erfahrungen machen. Schließlich haben wir ja die ersten 700 Meilen zum Eingewöhnen, in denen es erst einmal nur durch flache Wüste geht. Dachten wir.

Und schon war es November. Permit-Day. Um diesen langen Wanderweg in seiner kompletten Länge gehen zu können, benötigten wir ein Permit. Die Pacific Crest Trail Association (PCTA) gibt für jeden Starttag 50 Permits heraus, um die Zahl der Wanderer einzudämmen, damit die Natur auch mal durchatmen kann.

So stehen wir nun da, in der virtuellen Warteschlange und wussten schon, das wird nichts. Über 4 000 Leute vor uns und zwischen uns auch ein paar Tausend. Hier ein Datum für Ende März zu bekommen, schien schlichtweg unmöglich geschweige denn dasselbe Datum für uns beide. Und wir sollten Recht behalten. An dem Tag gab es für uns kein Permit. Doch im Januar gibt die PCTA abermals ein paar Permits heraus. Das hieß für uns: Untermietern wieder absagen und hoffen, dass die Flugpreise im Januar nicht in unermessliche Höhen gestiegen sind. Du sagtest immer, ich gehe, egal ob wir ein Permit bekommen. Doch dieses System hat ja auch seinen Sinn, den man nicht um jeden Preis ausnutzen muss. Und am Ende haben wir im Januar ja auch unser Permit bekommen. Beide für den 29. März 2019. Der Tag stand fest und die Flüge wurden eine Stunde später noch gebucht. Am 26. März sollte es losgehen und am 17. September wieder zurück in die Heimat. Aufgrund meiner Fotografiekünste waren neue Untermieter schnell gefunden und unser sechsmonatiges Visum haben wir nach ein paar anfänglichen Schwierigkeiten auch bekommen.

Ärzte wurden abgeklappert: Zahnarzt, Frauenarzt, Osteopath und Hausärztin. Letztere riet dir noch dazu, noch um die zehn Kilo abzunehmen, bevor es los geht, um deine Gelenke zu schonen. Zu doof nur, dass Weihnachten noch anstand und die geplanten minus zehn zu ungeplanten plus zehn wurden. Der Anzug für die Hochzeit meiner Freundin Katha war nun auch zu eng, und das Fitnessstudio hatte sicherlich auch schon eine Vermisstenanzeige von uns aufgegeben. Doch das war jetzt alles egal, denn wir waren kurz davor, in unser großes Abenteuer zu starten.

22. März 2019, Finn und Larissa sind neun Jahre zusammen. Wir wollten ins Kino gehen, doch wir hatten keine Zeit. War auch nicht so wichtig, denn wir haben ja uns. Habe ich dann verstanden, nachdem ich einen kleinen, wie du es immer liebevoll nanntest, „Zwergenaufstand“ gemacht hatte.

Einen Tag später gab es eine Party. Alle wussten von unserem Vorhaben. Natürlich, wir haben es ja auch jedem auf die Nase gebunden, damit wir es auch sicher machen. Fünfzig, sechzig oder vielleicht auch mehr Freunde waren da. Wir hatten einen unglaublichen Abend. Wie eigentlich immer, wenn wir mit allen Freunden feiern. Diese Ausgelassenheit, Lebensfreude und Gemeinschaft, seit so vielen Jahren - unglaublich!

Mit großer Erwartung auf das was kommt, sind wir in San Diego gelandet. Abgeholt von deiner Tante Elke, Onkel Helge und deinem Cousin Wynton, haben wir schon mal einen kleinen Einblick in das südkalifornische Leben bekommen. Haben es uns noch mal so richtig gut gehen lassen und uns noch ein paar Grämmchen mehr angegessen.

Ich fing an, ein Tagebuch zu schreiben.

Auf ins Abenteuer!

Er fängt an zu singen:

‘Tell me somethin’, girl

Are you happy in this modern world?

Or do you need more?

Is there somethin’ else you’re searchin’ for?

- Songtext aus ‚Shallow‘ von Lady Gaga, Bradley Cooper -

Das Entlangrauschen des Zuges holt mich für einen Moment aus meinen Gedanken. Ich schließe wieder die Augen, lausche dem Song im Radio, halte deine Hand und da beginnt sie zu singen, ihre Stimme, die in diesem Augenblick so tief in mich hineinschreit.

Sie steigt mit ein:

‘I’m off the deep end, watch as I dive in

I’ll never meet the ground…

- Songtext aus ‚Shallow‘ von Lady Gaga, Bradley Cooper -

Auf einmal spüre ich ein Kribbeln in mir, mein Körper wird warm, das Herz fängt schneller an zu pochen und ich verspüre dieses Gefühl der Vorfreude, vermischt mit Aufregung. Was wartet da auf uns? Sind wir verrückt? Halt stopp, ich will wieder zurück! Und dann doch diese Neugier auf die Erfahrungen, die definitiv dort auf uns warten.

Dieser kurze Zeitraum in dem du dich schon fast in dem Abenteuer befindest und nun realisierst, wenn du diese Reise doch nicht antreten möchtest, du es genau jetzt noch abbrechen kannst. Ab morgen befindest du dich genau da, wo du all deine Gewohnheiten, Sicherheiten und deinen Alltag ohne Ausnahme und in voller Konsequenz hinter dir lässt und dich auf eine Reise der Veränderung begibst.

Dann beginnt das Duett:

’In the shallow, shallow

In the shallow, shallow...‘

- Songtext aus ‚Shallow‘ von Lady Gaga, Bradley Cooper -

Wie ein Feuerwerk explodiert die Vorfreude, das Lebensgefühl gepaart mit einem immer stärker werdenden Entdeckerdrang. Die vollste Akzeptanz, neue Wege zu gehen und Abstand zu nehmen von der täglichen Routine.

Ich spüre die Gänsehaut auf meinen Armen, ein breites Lächeln auf meinem Gesicht, die Augen immer noch geschlossen, drücke ich deine Hand und kann es kaum erwarten, nun endlich den ersten Schritt in einen neuen Lebensabschnitt zu gehen - mit dir!

ANREISE DI 26.03.2019 - FR. 29.03.2019

Die Flüge waren ok. Habe relativ viel geschlafen und alle Drei (Elke, Helge + Wynton) haben uns vom Flughafen abgeholt.

In den ersten 3 Tagen haben die uns alles immer bezahlt, wenn wir essen waren. Super lieb!

Leider bin ich dann am Donnerstagabend krank geworden, sodass wir einen Tag später erst los konnten. Am Freitag d. 29.3.19 (eigentlicher Permit Starttag) lag ich den kompletten Tag im Bett und die anderen sind etwas durch die Gegend gefahren und waren wieder lecker essen. Dass ich am Freitag so viel geschlafen habe, tat sehr gut! So konnten wir am nächsten Tag am 30.3.19 starten.

Auch du hast dein Büchlein gehabt. Das du allerdings schon nach zwei Wochen nicht mehr mitgetragen hast. Herausgerissen wurde die einzig beschriebe Seite mit deinen beiden ersten Einträgen. Die Aufgabe für mich war klar. Ich führe das Tagebuch nun weiter - Challenge accepted!

Doch trotzdem dürfen deine Einträge hier nicht fehlen. Sie dokumentieren, wie wir nach neun Jahren Zusammenleben, vielen Reisen und Lebensaufgaben, in einigen Dingen doch immer noch so unterschiedlich sind. Deine Gelassenheit, die mich manchmal verrückt und zugleich super neidisch macht. Meine Genauigkeit, die mir manchmal im Weg steht. Und wie ich mir immer noch so vieles von dir annehme. Umgekehrt du dir meine Konsequenz zum Vorbild nimmst und noch ein paar Stunden vor Abflug deine Hausarbeit zu Ende bringst.

DAY 1

(DEIN EINTRAG)

Mit Elke, Wynton u. Helge aus SD zum Start. Auto sprang nicht an. Gegen Mittag sind wir los. Stecke ~ 8 miles.

DAY 1 30.03.2019 MILE 0 - 8,5

(MEIN EINTRAG)

Um ca. 11:30 waren wir alle Mann am PCT southern Terminus. Es war sehr windig. Die Sonne schien, und kurz darauf sind wir dann auch los.

Dass ich noch erkältet bin, habe ich die ganze Zeit zu spüren bekommen! Schnupfen und Kopfschmerzen waren meine ständigen Begleiter. Leider. Nach Mile ~ 8-9 haben wir einen super schönen Spot gefunden. Um ca. 17:30 war das Zelt aufgebaut, und ich habe mich schon mal hingelegt und eine Aspirin genommen und schnell ging es mir auch schon besser. Während Finn schon mal Essen gekocht hat, kam noch ein Hiker an unserem ‘Camp‘ vorbei...Ben. Er campte nur eine Viertelstunde weiter den Weg entlang.

Früh zu Bett und gleich eingeschlafen.

Ben - Der erste PCT-Hiker, den wir über die nächsten Tage noch näher kennengelernt haben.

Ein Anfang-dreißigjähriger, schmal gewachsener, E-Zigaretten rauchender Australier mit dunklen mittellangen Haaren. Seine Geschichte: Er startete den Pacific Crest Trail schon einmal. Vor einigen Jahren stand er da, am Southern Terminus, dem südlichen Startpunkt des Wanderweges. In der prallen Sonne, da es schon viel zu spät im Jahr war. Der Einzige, da alle anderen ihm schon voraus waren. Es einfach mal probieren, dachte er sich. Doch was diesen Weg ausmacht, sind die Menschen. Die Menschen, die schon einige hundert Meilen vor ihm waren und er entschied sich ab Warner Springs zu ‘flippen‘. Den anderen hinterher zureisen und nicht mehr kontinuierlich zu wandern. Er ist ihnen hinterher gereist, bis er gemerkt hat, selbst wenn er in Kanada ankommt, er diesen Weg nicht wirklich gewandert ist. Er entschied sich abzubrechen und zurückzufliegen. So steht er nun hier, Jahre später, weil ihm der Weg keine Ruhe gelassen hat.

Schon unsere ersten paar Meilen, Begegnungen und Unterhaltungen mit unseren Gleichgesinnten haben uns gezeigt, dass wir uns hier in einer ganz eigenen Welt befinden und dürfen die Sprache der Hiker kennenlernen.

’Hiker Talk’. What the heck are you talking about?

Das Leben auf dem Trail ist eine in sich geschlossene Welt. Das Zusammenleben mit der Natur und den Menschen, die zusammen mit dir denselben Weg gehen, dasselbe Ziel haben.

Am Anfang noch nicht so deutlich, doch nach ein paar hundert Meilen später merkt man, wie „aussortiert“ wird. Viele brechen ab, merken, es ist nicht das, was sie sich vorgestellt haben. Sie haben es probiert und Hut ab dafür! Manche wollen „nur“ einen Teil gehen, manche müssen nach Hause, weil dort etwas Wichtigeres wartet. Jeder, der diesen Weg betritt, hat seine eigene ganz persönliche Geschichte. Manchmal wird sie erzählt, manchmal wird aber auch nur über den letzten ‘Shit in the woods‘ gefachsimpelt. Wir sitzen alle in einem Boot wie man so schön sagt.

Ich habe es immer damit verglichen, dass wir hier draußen alle um unser Überleben kämpfen, uns dem aber selber ausgesetzt haben. Wir planen unsere Abgeschiedenheit, bereiten uns jedes Mal darauf vor, wenn wir die Stadt verlassen. Befüllen unseren Rucksack mit dem Essen, das wir für unsere berechneten Tage bis zum nächsten Ort benötigen. Nicht immer liegt man damit richtig. Beides ist nicht witzig. Hat man zu viel, trägt man Tag für Tag Essen auf dem Rücken, welches man gar nicht essen will, da dein Kopf sagt: „Bitte nicht schon wieder diesen Müsliriegel. Haben wir nicht noch mehr von den leckeren Chips?“

Hast du zu wenig, rennst du! Du läufst so schnell du kannst, schläfst nur so viel wie nötig und deine Pausen werden kürzer, damit du auf schnellstem Weg wieder an Essen kommst.

Und alle wissen, wie du dich fühlst. Denn jeder erlebt dasselbe.

Man versteht sich, egal ob man sich gerade erst ein paar Minuten unterhalten hat, nur aneinander vorbeiläuft und grüßt, oder zusammen ein paar Tage, Wochen oder Monate wandert.

So entwickelt der Trail eine Sprache für alle. Eine Sprache, die einem Nicht-Hiker das Fragezeichen auf die Stirn schreibt.

Angefangen mit der Bezeichnung der unterschiedlichen Arten diesen ‘Long-Distance-Hike‘ zu gehen, wird man als ‘Thruhiker’ mit in die Liste aufgenommen, wenn der PCT innerhalb eines Jahres in seiner kompletten Länge gelaufen oder auf einem Pferd geritten wird. Dabei gibt es ein paar Unterschiede:

Da gibt es den ‘Continuous-Footpath’. Das bedeutet, dass einige Verrückte, so auch Finn und ich, gerne mal auf die andere Straßenseite rennen und wieder zurück, wenn wir zuvor beim ‘Trampen‘ auf der anderen Seite mitgenommen wurden. Bescheuert, doch man denkt sich, man möchte am Ende jeden Meter, Inch, Fuß oder was es sonst noch so für Maßeinheiten gibt, gegangen sein. Ich verstehe jedoch auch, wenn das für einen Außenstehenden unverständlich wirkt.

Dann gibt es den ‘Flip-Flop‘, der einen Sprung zu einer anderen Stelle des PCTs beschreibt, um dann zu einem späteren Zeitpunkt das übersprungene Stück zu gehen. Dies wird oft gemacht, wenn die Wetterbedingungen eine kontinuierliche Wanderung nicht zulassen.

Und dann gibt es das ‘Skippen’, wenn ein ganzer Teil, oftmals ist es die High Sierra Nevada, ausgelassen wird. Allerdings gilt man dann nicht als Thruhiker.

All diese verschiedenen Begriffe existieren, man sollte ihnen aber keine allzu große Bedeutung zumessen, da jeder seinen eigenen Weg geht. Ob nun ein Stück, den ganzen Trail aufgeteilt in mehreren Jahren oder an einem Stück innerhalb eines Jahres. Jeder geht diesen Weg für sich und zwar nur für sich und niemanden sonst. Somit entscheidet jeder alleine, wie er diesen Weg gehen möchte. Ob Northbound ‘NoBo’, was nordwärts von Mexiko nach Kanada bedeutet, oder als Southbounder ‘SoBo’, die nur fünf Prozent der Hiker ausmachen.

„Ich möchte aber Southbound wandern.“

„Was heißt das?“, fragte ich dich, als du mir vor einem Jahr ein wenig mehr über den PCT erzählt hast.

„Das bedeutet, dass man südlich, von Kanada nach Mexiko, wandert. Es ist schwerer, da man ein kleineres Zeitfenster hat und viel weniger Menschen den Trail so herum wandern.“ „Warum? Wir sind noch nie gewandert und wissen gar nicht, ob wir überhaupt nur eine Woche durchhalten.“

Doch du antwortetest nur: „Ich will nicht wie alle anderen sein!“

Ich weiß nicht mehr wie ich dich davon überzeugen konnte, den Weg wie die meisten nördlich zu gehen. Doch mir kam das Zeitfenster, welches man als ‘NoBo’ hat, sowieso schon sehr knapp vor und als „Vorbereitung“ die Wüste Kaliforniens zu nutzen, ganz sinnig.

Man startet also in der Wüste. Sollte damit beginnen bevor der richtige Sommer einbricht und alle Wasserquellen ausgetrocknet sind. Nach 700 Meilen betritt man die High Sierra Nevada, ein Hochgebirge, das die meiste Zeit im Jahr schneebedeckt ist. Im Juni fängt der Schnee dann an zu schmelzen. Man sagt, bei einem ‘Low Snowyear’ kann man die Sierra ab Anfang Juni betreten, bei einem ‘High Snowyear’, nicht vor Anfang Juli.

Die 700 Meilen machen die meisten im Schnitt in ein bis zwei Monaten. Was den 15. April zu dem beliebtesten Startdatum macht.

Sobald man die Sierra verlassen hat, wird Hackengas gegeben, um die Grenze zu Kanada vor Anbruch des Winters und dem dazugehörigen Schnee zu erreichen. Dies sollte vor Ende September geschehen. So kommt man auf fünf bis sechs Monate wandern. Nur in diesem Jahresrhythmus ist der PCT in einem Thruhike zu schaffen.

Wer sich südwärts auf den Weg macht, kann erst viel später im Jahr starten und hat ein umso kleineres Zeitfenster, die Sierra zu erreichen, bevor dort der erste Schnee fällt.

So, haben wir jetzt ein ‘Low’ oder ‘High Snowyear’?

Als nach unserem Start immer noch Schneestürme über die High Sierra zogen, war schnell klar, dass wir definitiv ein richtig schönes Schneejahr haben.

Doch wir wollten uns ja eh erst einmal die Zeit geben, unseren Körper an den ungewohnten Alltag zu gewöhnen. Wir waren nicht im Stress und waren ja zunächst noch in der Wüste.

DAY 2

(DEIN EINTRAG)

Nach wunderbarem Sonnenaufgang, alleine mit dem Berg, wo wir geschlafen haben, haben wir uns aufgemacht in Richtung Hauser Creek. Am Creek kurz verschnauft und Wasser aufgefüllt. Dann den „epic climb“ in Richtung Lake Morena angegangen. Angekommen, haben wir auf die Pizza verzichtet und sind mit einem Sixpack Budwiser auf den Campground. Morgen wird aussortiert! (~ 12 miles)

DAY 2 31.03.2019 MILE ~ 8,5 - 20

(MEIN EINTRAG)

Aufgewacht bei einem wunderschönen Sonnenaufgang, sind wir gegen 8:00 aufgebrochen.

15 min später haben wir Ben getroffen und sind mit ihm ein Stück gegangen. Ist allerdings sehr anstrengend, da man nie weiß, ist man jetzt zu schnell oder zu langsam ... Irgendwann wollte er dann seinen Rucksack neu packen und wir sind zu zweit weitergegangen.

Gegen 13:00 kamen wir dann am Hauser Creek an, um eine Pause zu machen und Wasser aufzufüllen. Das war Mile 15.4. Danach ging es steil bergauf bis nach Lake Morena Mile 20. Gecampt wurde für 5$ pro Person auf dem Camper.

DAY 3 01.04.2019 MILE 20 - 32

Etwas spät losgekommen haben wir uns auf den Weg nach Boulder Oaks gemacht. Dort wurde eine 2 stündige Pause gemacht, danach ging‘s weiter Richtung Fred Cayon. Die ersten 1-2 Stunden sind für mich immer die schlimmsten, danach habe ich mich eingelaufen. Morgen versuchen wir, etwas früher loszukommen (spätestens 8:00), damit es noch nicht so heiß ist.

DAY 4 02.04.2019 MILE 32 - 45 HÖHE ~ 6.000 FT MT. LAGUNA

Sind um ~ 8:30 losgekommen. Haben noch am Feuer mit dem Dude und seinem Hund gesessen & gefrühstückt. Mal wieder fielen mir die ersten 1-2 Stunden ziemlich schwer. Von der Hitze her ging es, da es recht windig war. Gegen, bzw. um genau 15:50 Uhr waren wir in Mt. Laguna am Post Office, um dort einige Sachen zurück zu Helge & Elke zu schicken.

Dann noch schnell im Laden nebenan Essen aufgestockt und weiter ging’s. Gegen 18/18:30 wurde es schon recht spät und wir entschieden, unser Zelt aufzubauen. Zwischen zwei Hügeln in einer Senke, da es ziemlich stürmisch ist. Nun machen wir uns einige Sorgen, da es noch regnen soll und ein paar andere Hiker haben ihr Zelt weiter oben ca. 100 m von uns stehen, doch dort pfeift der Wind noch viel mehr. Vielleicht haben wir Glück, dass der Regen an uns vorbeizieht. Oder Karma, da wir heute Morgen noch dem Hiker mit dem Hund einen von unseren Löffeln geschenkt haben... Wir werden sehen, was kommt.

Man achte auf den kleinen Zusatz in der Überschrift des vierten Tages: „Höhe 6.000 ft“. Spätestens da haben wir gemerkt, Wüste heißt nicht immer flach. Es gibt auch ein Gebirge in dieser Wüste und dieses Gebirge scheinen wir entlang, beziehungsweise auf und ab zu gehen.

Doch genau deswegen haben wir uns im Vorwege nicht informieren wollen. Wir wollten es auf uns zukommen lassen, jeden Tag neu erleben und nicht durch irgendwelche Bilder und Berichte anderer, beeinflussen lassen.

Jeder schreibt seine eigene Geschichte. Der Fotograf Andrew, den wir bei Meile 40 angetroffen haben, hat sich zur Aufgabe gemacht, einige dieser Geschichten in einem Fotobuch zusammenzutragen.

Sein Projekt: Ein Bild, eine Geschichte. Viele Bilder, viele Geschichten. Zusammen ergeben sie ein Buch aus vielen kleinen persönlichen Geschichten über die Wanderer des PCT’s.

Ein schnelles Foto von uns brachte uns unsere erste Trailmagic ein.

Trailmagic, eine wahre Magie, ein Zauber, ein Geschenk des unverhofften Glücks!

Ein unbeschreibliches Gefühl, das einen durchströmt, wenn man um die Ecke biegt, nichts ahnend eine Gruppe Hiker in der Ferne sieht. Jeder mit einer Dose Cola in der Hand. Du weißt sofort, Trailmagic. Du bekommst dieses Gefühl von Glück in deiner Magengegend, spürst wie es kribbelt. Du willst es jedoch noch unterdrücken, um nicht doch enttäuscht zu werden. Merkst nicht, wie deine Schritte schneller werden, dein Blick dieses Wasserloch in der Wüste fixiert. Du dich nicht traust zu blinzeln, in der Sorge, es könnte damit verschwinden. Aber mit jedem Meter den du diesem Glück entgegenkommst, merkst du, es ist wahr. Dein Mund beginnt sich zu einem breiten Grinsen auszubreiten, ein Strahlen über beide Backen, du läufst und lässt deine Tränen kullern. Du kannst dein Glück kaum fassen. Hast dir diesen Moment schon über Tage ausgemalt, wie es ist, einen eiskalten Drink in der Hand zu halten, wenn du in ein paar Tagen wieder die Zivilisation erreichen wirst. Doch jetzt schon? Du kommst an, öffnest den Cooler und siehst diese leckeren zuckerhaltigen Getränke in diesem mit Eiswürfeln gefüllten Wasser. Du greifst rein, der Rucksack noch auf deinem Rücken, öffnest die Dose und nimmst den ersten Schluck. Ein Prickeln entfaltet sich in deinem Mundraum, diese wunderbaren kleinen Luftbläschen, die alle einzeln auf deiner Zunge tanzen und ein Festspiel der Gefühle veranstalten, um deinen restlichen Körper auf dieses kleine aber wunderbare Zusammenspiel aus Zuckerflüssigkeit vorzubereiten. Langsam, aber unter vollstem Genuss rauscht die Cola kalt deinen Hals hinunter und mit ihr die Energie, die dein Körper so sehr brauchte und nun endlich, nach tagelangem Entzug, Nachschub bekommt. Verdammt schmeckt das gut!

Du bist im Himmel, auf Villa Kunterbunt, im Paradies, mit den Papageien in den Lüften, durchströmt von einem Glücksgefühl, das dir keinen Schmerz, keinen Hunger, keine Sorge der Welt nehmen kann. Du bist durchweg glücklich! Diesem Menschen dankbar, der die Kühlbox hierhin gestellt hat. Für diesen Menschen, der dafür sorgt, dass hier immer Getränke drin sind. Dankbar für diese Hilfsbereitschaft.

Und manchmal erreicht die Trailmagic ungeahnte Weiten. Menschen, die sich in ihrer Freizeit an den Trail setzen und kochen, Sandwiches schmieren und frisches Obst auftischen, das man seit Tagen so sehr vermisst hat. Menschen, die uns Wanderer mehr als glücklich machen und wir sie, indem sie ein Teil dieser Gemeinschaft sein dürfen. Ihnen unsere Geschichten erzählen und sie teilhaben lassen an dem, was wir machen. Trailangel, so nennen wir sie. Wahre Engel des Weges!

Auch von Andrew bekamen wir eine eiskalte Cola, die uns definitiv half, die letzten Meilen rechtzeitig zu dem Postoffice zu schaffen.

DAY 5 03.04.2019 MILE 45 - 56

In der Nacht haben wir beide kaum ein Auge zu gemacht. Der Wind nahm gegen 10 PM zu ... das Garmin hat 17 mph angesagt. Der Wind pfiff über unser Zelt hinweg, von einem Hügel zum anderen, ab und an hat unser Zelt dann auch mal eine Böe abgekommen, doch alles blieb heil und es hat auch nicht angefangen zu regnen. Später haben wir erfahren, dass es in Mt. Laguna sehr doll geregnet hat. Das hatte die Wettervorhersage von unserem Garmin auch gesagt für unsere Position, doch zum Glück hat es sich geirrt.

Beim Pause machen haben wir Ben wiedergetroffen und sind mit Ihm dann weitergelaufen. Kurz darauf kam dann eine Passage, an der es sehr steil bergab ging und der Weg recht schmal war. Schon etwas grenzwertig gewesen, für mich ...

Gegen 16:45 haben wir an einem sehr schönen Fleck bei Meile ~56 unser Zelt aufgebaut. Finn schläft schon :-)

DAY 6 04.04.2019 MILE 56 - 68

Nicht allzu früh gestartet sind wir heute kaum anderen Hikern begegnet. Der Weg ging mal auf und mal ab und recht früh (ich schätze so gegen 16/16:30) haben wir einen Platz zum Campen gefunden und unsere erste andere deutsche Hikerin getroffen - Vanessa – aus Osnabrück. Haben noch zusammen gegessen und etwas geschnackt.

Die Ausblicke, die man hier hat, wenn man mal nicht auf den Boden schaut, sind atemberaubend! Zumal wir auch schon auf 6.000 ft (meiner Rechnung nach müssten das ca. 2.000 Meter sein) waren.

DAY 7 05.04.2019 MILE 68 - 77

Guter Hike - Etwas auf und ab und so allmählich machen wir 1 Meile pro 30 min. Jetzt, wo es nicht mehr so heiß ist, fällt das Wandern viel leichter. Jedoch werden jetzt auch die Wasserquellen weniger. Aber ab und an haben „Trail Angels“ Wasserflaschen bereitgestellt. Natürlich ist darauf kein Verlass und man sollte immer genügend Wasser mitnehmen. Heute sind wir die 9 Meilen durchgelaufen und sind mit zwei Frauen nach Julien reingefahren. Dort haben wir Pizza (18 Inch) und jeder einen gratis Applepie (für PCT Hiker) gegessen.

Danach wurden wir von Mark wieder zurück zum Trail (bzw. sogar weiter zum RV-Park) gefahren. Er musste noch nicht einmal hierher, er konnte es nur nicht mit ansehen, dass wir in Julien so im Regen standen. Sehr nette Leute hier! Wäsche gewaschen und frisch geduscht, weht uns hier der Sand um die Ohren ...

Gute Nacht.

DAY 8 06.04.2019 MILE 77 - 87

Die letzte Nacht war zum Kotzen! Der Platz auf dem RV-Park war super windig und sandig! Die halbe Nacht haben wir von innen das Zelt festgehalten und wurden komplett mit Sand bedeckt.

Ziemlich spät haben wir uns an die Straße gestellt und wurden nach ca. 10 min von einem netten Ehepaar wieder zum Trail gefahren. Ich hatte am Anfang einen kleinen Durchhänger bis wir unserer ersten Klapperschlange begegnet sind. Finn lief vor und auf einmal zischte/klapperte es auf dem Weg, ca. 1-1,5 m vor ihm. Mit Sand und Steinen hat er versucht, dass sie sich den Abhang hinunter macht. Was auch geklappt hat.

Kurz darauf begegnete uns ein älteres Ehepaar, das uns sagte, dass weiter den Weg hoch eine Klapperschlange sei. Wir also zusammen den Weg weitergegangen und siehe da

(… 5 min später) unsere 2. Klapperschlange. Diese hatte allerdings keinen Laut von sich gegeben und Finn hatte wieder versucht, sie vom Weg wegzulocken, doch sie blieb im Busch (ca. 20 cm vom Weg). Das Problematische an dem Ganzen ist, dass die meisten Wege am Rande der Hügel sind und man auf einer Seite den „Abgrund“ hat und auf der anderen Seite den Berg und hier auch noch die Schlange.

Irgendwann hatte Finn es geschafft vorbeizukommen und wollte die Schlange dann mit seinem Wanderstock herausheben. Doch ich und das Ehepaar (welches nicht weiter wandern wollte, jedoch sicherstellen wollte, dass wir sicher weiterkommen) fanden das keine so gute Idee. Somit hatte Finn dann seinen Rucksack neben diesen Busch gelegt, sodass ich zügig daran vorbeigehen konnte, ohne dass die Schlange mich sofort beißen könnte.

Ziemlich fertig haben wir dann bald erst einmal eine Pause eingelegt, da es heute auch wieder sehr heiß war. Ca. 2 Stunden später ... Schock ... wieder eine ... Diese hat wieder geklappert und stellte sich sogar noch warnend auf. Finn hat super reagiert! Blieb ruhig und behielt sie im Auge. Auch hier mussten wir sie irgendwie vertreiben, da der ca. 50 cm breite Weg, links nur den steilen Abhang und rechts den Felsen aufwies. Auch hier versuchte er kleine Steine und Sand zu werfen, aber diese war ziemlich angepisst und immer noch in der „Hohl-aus“-Stellung... Irgendwann kroch sie auf uns zu und war unter einem Stein ca. 50cm vom Weg ab. Wir sind schnell vorbei, wobei sie noch einmal warnend klapperte und wir einfach nur froh ... (das Geräusch des Klapperns ist irgendwie elektronisch).

Ca. 2 Stunden später waren wir an einem guten Spot zum Campen und mega kaputt von dem erlebten Tag.

Dieses Gefühl durchfährt deinen gesamten Körper. Wie ein elektrischer Schlag trifft es dich, ganz unvorhergesehen und dein Körper weiß: Gefahr - Bleib stehen!