Dog Experience - Ulv Philipper - E-Book

Dog Experience E-Book

Ulv Philipper

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Beschreibung

Mit »Dog Management« stand er monatelang auf Platz 1 der Wirtschaftsbestsellerliste. Jetzt legt Ulv Philipper nach. Und gleich vorneweg: Dies ist auch wieder kein Ratgeber, wie ihn jeder Hundefreund erwarten würde, mit zahlreichen Tipps, seinen Hund fachgerecht zu gängeln. Im Gegenteil, so der Autor: Wir Säugetiere sind alle bedürfnisgleiche Wesen, wenn wir aufeinander losgelassen werden. Und weil das so ist, benötigen wir eine Grundhaltung, den anderen nicht verändern zu wollen. Denn jedes Säugetier hat ein Grundrecht auf seine eigene Macke, einen Freibrief zur eigenen Entfaltung.  Im Mittelpunkt stehen statt Konformitätszwang und dogmatischer Umgangsformen die Entdeckung und Ausschöpfung der eigenen Selbstentfaltungspotenziale. Diese neu gewonnene Souveränität macht es möglich, aus der Bevormundung unseres Umfelds auszubrechen. Die ideale Voraussetzung für das perfekte Team besteht in der Unabhängigkeit jeder beteiligten Persönlichkeit.  Ulv Philipper zeigt auf grandiose Weise, welche Wahrnehmungsfilter man konkret nutzen kann, um endlich auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren und bietet eine überraschend andere Bedienungsanleitung für soziale Lebewesen – ein Angebot der Selbstidentifikation als Grundlage für ein besseres Miteinander.

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Seitenzahl: 84

Veröffentlichungsjahr: 2023

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DOGEXPERIENCE

Ulv Philipper

DOG

Experience

Der Schlüssel zum perfekten Team

Für Maren

Inhaltsverzeichnis

Astral … oder wie alles begann

Astral … zweiter Akt

Vorwort

Vor Gebrauch schütteln, nach dem Schütteln nicht mehr zu gebrauchen

Kapitel 1

Das Kind muss einen Namen haben

Kapitel 2

Tausche Hirn gegen Welpen

Kapitel 3

Safety first

Kapitel 4

Pflegeanleitung für Vorurteile

Kapitel 5

Drei Säugetiere auf der Couch

Kapitel 6

Der Galapagos-Effekt

Kapitel 7

The Wellerman

Kapitel 8

Der König ist tot … und das ist auch gut so!

Kapitel 9

The »will to please«

Kapitel 10

Wenn’s juckt, nicht kratzen!

Kapitel 11

Die Wiese als Wiege der Demokratie

Kapitel 12

Schäm Dich!

Kapitel 13

Ein hässlicher Vogel

Kapitel 14

Mit Verlaub gesagt

Kapitel 15

Juan oder eine Entscheidung fürs Leben

Kapitel 16

It smells like team spirit

Kapitel 17

Interview mit einer Eintagsfliege

Kapitel 18

Nobody is perfect!

Epilog

Die Quelle der Weisheit (Quellenverzeichnis)

Über den Autor

 

Astral … oder wie alles begann

Es gibt Ereignisse in unserem Leben, die im Bruchteil einer Sekunde alles, an das wir kurz zuvor noch fest geglaubt haben, mit der zerstörerischen Gewalt eines Tsunamis überrollen und uns mit dem Scherbenhaufen einstiger Überzeugungen entwurzelt und hilflos zurücklassen.

Alles, was du auf den folgenden Seiten lesen wirst, hat seinen Ursprung in einer für mich lebensverändernden Erfahrung.

Und obwohl es mir schwerfällt, das Erlebte niederzuschreiben, bin ich überzeugt, dass es notwendig ist, um den Hintergrund meiner Gedanken besser nachvollziehen zu können.

Der Tag, von dem ich berichten möchte, fing natürlich, wie sollte es auch anders sein, völlig harmlos an. Nichts wies im Geringsten darauf hin, wie dramatisch er enden sollte. Inspiriert von dem spätsommerlichen Wetter, brachen meine Frau, unser English Setter Astral und ich zu einem Ausflug zum nahe gelegenen Möhnestausee auf.

Astral war mein Vorzeigehund.

Ein English Setter wie aus dem Bilderbuch. »Dual Purpose«, wie sein stolzer Züchter bei jeder möglichen Gelegenheit betonte. Das bedeutet, sowohl Optik als auch jagdliche Leistungsfähigkeit bildeten wie Yin und Yang ein harmonisches Gesamtes. Astral sah umwerfend aus, und das wusste er auch. Er liebte es, am Ufer des Sees herumzutollen und die Möwen zu verscheuchen. Meine Frau und ich genossen es, ihm zuzuschauen. Ein paar Minuten den Alltag vergessen.

Der krönende Abschluss dieser Auszeit sollte die Überquerung der Staumauer sein.

Schon seit meiner Kindheit übte dieses Bauwerk eine gewisse Faszination auf mich aus. Auf der einen Seite der angestaute, fast greifbar nahe See und auf der anderen Seite die schwindelerregende Tiefe des Überlaufbereiches am Unterlauf der Möhne. Vielleicht ist es das Gegensätzliche, wie bei Olymp und Hades, das die Anziehungskraft dieser monumentalen Architektur ausmacht. Auf das Studium einer Gedenktafel konzentriert, hatte ich Astral nur einen Augenblick aus den Augen verloren. Ich wähnte ihn nur einige Schritte hinter uns.

Plötzlich aber huschte ein Schatten seitlich an mir vorbei, der sich mit hoher Geschwindigkeit auf die Mauer der Überlaufseite zubewegte.

Nach dem ersten Erkennen, dass es sich bei diesem Schatten um Astral handelte, nahm ich das nun Folgende nur noch in Zeitlupe wahr. Ich war wie gelähmt, vollkommen unfähig, einzugreifen. Alles ging so schnell. Das hört sich widersprüchlich an, aber jeder, der schon einmal Vergleichbares erlebt hat, weiß, wovon ich spreche.

Ich konnte nur ohnmächtig mitansehen, wie Astral mit einem enormen Sprung das steinerne Hindernis fast mühelos überwand.

Nie wieder in meinem Leben werde ich diesen Gesichtsausdruck vergessen, bevor er in die Tiefe stürzte. Allein der Gedanke an das Entsetzen in seinem Blick, als ihm bewusst geworden war, dass hinter dem Wall aus Steinen keine weite Wiese, sondern der Abgrund auf ihn wartete, löst bei mir noch Jahrzehnte nach dieser Tragödie die Empfindung absoluten Kontrollverlustes aus.

Obwohl uns nur wenige Meter voneinander trennten, war er für mich in diesem Moment unerreichbar.

Dann war er verschwunden. Totenstille.

Auch wenn sich unzählige Personen auf der Talsperre befanden, habe ich selbst niemanden mehr wahrgenommen. Ich rannte zu der Stelle der Brüstung, an der ich Astral das letzte Mal gesehen hatte, und versuchte, über die Mauer zu schauen. Dabei musste ich mich auf die Zehenspitzen stellen, um überhaupt das weit unter mir liegende Ufer erkennen zu können.

Fieberhaft suchte ich mit meinem Blick nach seinem leblosen Körper.

Denn beim Anblick der Tiefe war mir sofort klar, dass diesen Sturz niemand hätte überleben können. Ich kann es nur schwer mit Worten beschreiben, aber in diesem Moment wollte ich ihn finden und mit nach Hause nehmen. Mit der traurigen Gewissheit, ihn für immer verloren zu haben, lief ich zum Ende der Sperrmauer, um von dort bergab an das dicht bewachsene Ufer weit unten zu gelangen. Die Vegetation versperrte jede Sicht. Egal, in welche Richtung ich schaute, Astral blieb verschwunden.

Auch wenn es vollkommen irrational war, einen kurzen Augenblick lang hatte ich gehofft, er hätte den Fall schadlos überstanden, liefe am Ufer lang und jagte fröhlich, wie noch vor wenigen Stunden, den Möwen nach. Ein vollkommen abwegiger Gedanke, aber so typisch für uns Menschen.

Wir besitzen die Fähigkeit zur Hoffnung, die es uns immer wieder ermöglicht, an das Unmögliche zu glauben.

Doch die Realität riss mich gnadenlos aus dieser Illusion, als ich seinen regungslosen und vollkommen verdrehten Körper durch eine Lücke im Buschwerk entdecken konnte. Die letzten Schritte zu ihm waren die schwierigsten. Und wieder versuchte mir mein Gehirn, Hoffnung vorzugaukeln.

Glaubte ich, ein vorsichtiges Schwanzwedeln gesehen zu haben?

Als ich Astral erreicht hatte, hob er seinen Kopf und versuchte sich aufzurichten, was seine zertrümmerten Vorderläufe jedoch nicht zuließen.

Ich kniete mich neben ihn, und er legte seinen Kopf auf meinen Oberschenkel.

Er schaute mir in die Augen, und sein Blick drückte seine Freude über mein Eintreffen aus. Als ob wir uns vor einer Ewigkeit verloren hätten. Er entspannte sich. Es schien, als wollte er mir signalisieren, dass er noch einen Moment ausruhen wollte, um dann mit mir nach Hause zu gehen.

Der Vorhang schließt sich. Ende erster Akt.

 

Astral … zweiter Akt

Der Vorhang öffnet sich. Ein Telefon klingelt. Ich kann mir bis heute nicht erklären, wie es überhaupt möglich sein konnte, aber allen physikalischen und biologischen Gesetzmäßigkeiten zum Trotz hatte Astral sich entschieden, sein Leben nicht unter diesen Umständen aufzugeben.

Er hatte gekämpft und überlebt.

Ich möchte euch die einzelnen Details seiner zum Teil turbulenten Genesung ersparen. Allein diese böte Material für ein eigenes Buch. Nach vier Wochen Aufenthalt in der Klinik einer tiermedizinischen Hochschule kam endlich der erlösende Anruf, dass wir ihn nach Hause holen konnten. Genauer gesagt hatte Astral beschlossen, dass der Zeitpunkt zur Heimreise gekommen sei und sein Anliegen mit einem Hungerstreik in der Klinik durchgesetzt.

Während wir uns in den Wochen seines Krankenhausaufenthaltes alle möglichen Gedanken gemacht hatten, wie wir für einen Setter mit metallverschraubten und bis zu den Achseln eingegipsten Vorderläufen das Umfeld möglichst angenehm gestalten könnten, stieg er bei unserer Ankunft fast selbstständig aus dem Wagen, ließ sich von dem bereits wartenden Empfangskomitee angemessen begrüßen, um dann zielstrebig in die Küche zu stelzen und das für ihn vorbereitete Menü ohne Zögern zu verzehren.

Im Anschluss suchte er sein lang vermisstes Kissen auf und schlief mit einem Ausdruck der Zufriedenheit ein.

Nur ein plötzliches Rumpeln unterbrach die friedvolle Stimmung. Astral träumte von Möwen.

Wenn ich heute nach der Evolution meiner Arbeit gefragt werde, muss ich sie in zwei Zeitzonen unterteilen: vor und nach Astrals Sprung.

Hätte ich zuvor meine Tätigkeit noch als Hundetraining bezeichnet, wurde in der Zeit danach mehr und mehr sichtbar, dass genau diese Form der Einflussnahme auf soziale Lebewesen der Auslöser desaströser Katastrophen ist. Schon kurz nach dem dramatischen Vorfall begann die für mich unvermeidliche und zum Teil sehr schmerzhafte Aufarbeitung des Geschehenen.

Es wäre einfach gewesen, das Ganze als unglücklichen Unfall abzutun oder, wie üblich, den »Trieb des Tieres« verantwortlich zu machen. Ich kann versichern, dass ich das versucht habe. Aber egal, wie häufig ich diese Ansätze favorisierte, sie fühlten sich immer irgendwie falsch an.

Ich machte für mich so etwas wie eine Liste der für mich vorstellbaren Ursachen und arbeitete einen Punkt nach dem anderen erfolglos ab. Heute weiß ich, dass das eigentliche Problem bei der Suche bereits in dem Begriff »vorstellbar« lag. Denn der wahre Auslöser der Tragödie war bis zu diesem Zeitpunkt weder bekannt noch vorstellbar. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass die Ausbildung eines Hundes nach den bis heute noch üblichen Unterordnungskriterien genau zum Gegenteil führt.

Was aktuell selbstverständlich klingt, war in den Anfängen der Suche noch nicht zu erahnen: Begrenzung erzeugt immer Ausbruch!

Dieser Satz war zwar nicht unbekannt, aber dass er auch vom Menschen auf andere Säugetiere übertragbar wäre, klang für viele rückständige Hardliner nach Anarchie. Dabei wollten die frühen Vergleiche gar nicht an dem Bestehenden rütteln, sondern ausschließlich bei der Ordnung des Vorhandenen helfen. Für mich war es die einzige sinnvolle Herangehensweise, um Klarheit in die in der Vergangenheit pseudowissenschaftlich geprägte Fantasiewelt der Hundeausbildung zu bringen.

Die Aufgabe bestand für mich darin, alle Zeiger auf null zu stellen und mich Schicht für Schicht an den Kern des Übels heranzuarbeiten.

Ich muss gestehen, dass das Ausmaß dessen, was ich durch dieses Vorgehen sichtbar machen konnte, mich überrascht hat. Geht man noch heute davon aus, dass die Kontrolle eines Individuums notwendig sei, um dessen Schutz zu gewährleisten, ergaben die neuen Fakten ein widersprüchliches Ergebnis.

Die besondere Herangehensweise ließ nicht nur erkennen, welche negativen Auswirkungen Kontrolle auf jedes Lebewesen hat, sondern warf auch die Frage nach dem Ursprung unseres Kontrollbedürfnisses auf. Mit dem Vergleich war es nicht nur möglich, sein Gegenüber besser kennenzulernen, sondern man war auch indirekt aufgefordert, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.

Damit stand der Hund zwar weiterhin im Zentrum der Betrachtung, war aber nicht mehr das Objekt der Veränderungsnotwendigkeit, sondern der Schlüssel zur Selbstidentifizierung.

Durch die Verwendung der Analogie zwischen Mensch und Hund entstand die Möglichkeit, sich selbst aus einem neutralen Blickwinkel zu betrachten und festzustellen, dass die meisten grandiosen Eigenschaften, die uns ausmachen, uns häufig gar nicht bekannt sind oder wir sie aus dieser Unkenntnis sogar gegen uns einsetzen.

Manchmal bedarf es eines Schicksalsschlags, um sich aus seiner aufdiktierten Betrachtungsstarre zu befreien. In jedem tragischen Ereignis ruht auch die Chance für etwas Neues. In diesem Sinne: »Let’s talk about dogs.«