Doping für die Persönlichkeit - Ralph Treier - E-Book

Doping für die Persönlichkeit E-Book

Ralph Treier

4,9

Beschreibung

Sarah und Marc durchleben eine Partnerschafts- und Berufs-Krise, entwickeln zusammen mit einem Coach eine neue Perspektive und setzten sie konsequent um. In diesem Sachbuch in Romanform erleben Sie den faszinierenden Weg zur Persönlichkeit. *Für Aktive, die Krisen als Chancen sehen *Für Mutige, die ihre Vision umsetzen *Für Gestalter, die sich von anderen unabhängig machen. *Für Partner, die ihre Beziehung immer wieder neu ausrichten. Ein Buch, dessen Inhalt Sie täglich begleitet durch intelligente Unterstützung im Internet. (IQies.com)

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Seitenzahl: 229

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Danke

An meine Frau Heidi für Inspirationen und unermüdliches Redigieren. An Roswitha Wolf und Ute Ludwigs für die mühsame Fehlerkorrektur bei einem Legastheniker. Dank an Sibylle Sulser, Wilfried Ludwigs und Ralf Steinhoff für wichtige Anregungen zur Verbesserung der Inhalte.

Leserfeedback

(Quelle: amazon.de)

Hier ist der Spagat zwischen Sachbuch und Roman sehr gelungen. Der Leser wird gekonnt in die Welt von Sarah geführt. Durch die klare und flüssige Schreibweise entstehen konkrete Vorstellungen im Kopf. Es macht Spaß und Freude die Techniken vom Verfasser zu erkunden und dann zu verstehen, um sie dann selber anwenden zu können. Wer Lust hat seine Persönlichkeit zu dopen, der sollte zu diesem Buch greifen.

Dieses Sachbuch in Romanform ist sehr gut gelungen.

Man bekommt mit den beschriebenen Erfahrungen direkt was in die Hand um es an sich auszuprobieren. Es regt zum Nachdenken an und am Schluss möchte man direkt am Workshop teilnehmen.

Eigentlich muss es jeder zweimal lesen.

Erst als Roman dann als Sachbuch. Ich werde es in jedem Fall nochmal lesen :-)

INHALT

Vorwort zur zweiten Auflage

Danke für das positive Feedback zur ersten Auflage und die Anregungen und Ideen, die Lust machen, gleich weiterzuschreiben. Ich bin der Versuchung nicht erlegen, sondern habe an Formulierungen in diesem Buch gefeilt und die Begleitung per Internet bei der Umsetzung im Alltag weiter ausgebaut (siehe letztes Kapitel: "Täglich eine Minute für dich").

Köln, 01. Febr. 2018

Vorwort (1. Auflage)

Der Mensch kann sich Potentiale und Erfahrungswelten in einem Maß erschließen, wie ich es früher nicht zu träumen wagte. Gerade in Jahren des äußeren Misserfolges erlebte ich ein inneres Abenteuer, das mich glücklicher, selbstbewusster und erfüllter machte. Außerdem bin ich dankbar für meine Erkenntnisse als Manager, Führungs- und Verkaufstrainer.

Meine Erfahrungen habe ich in einem Roman über die fiktive Sportlerin Sarah Kraft umgesetzt. Das Buch nimmt Sie mit auf eine Reise durch eine spannende Entwicklungs-Geschichte.

Viel Spaß beim Lesen

Ralph Treier

Springen wir direkt rein in die Geschichte:

Glück und dann ...

Du schaffst es, du schaffst es, dröhnt es in meinem Hinterkopf. Die Kräfte schwinden. Gleichzeitig ein Gefühl wie im Rausch. „Sarah, Sarah,…“ - Anfeuerungsrufe dringen in mein Bewusstsein. Neben mir sehe ich die Konkurrentin aus England auftauchen. Wie in Trance mobilisiert mein Körper die letzten Kräfte, die Ziellinie fliegt auf mich zu. Ich ringe nach Luft, alle rufen „Sarah, Sarah,...“

Langsam beginnt mein Inneres zu hoffen - habe ich es tatsächlich geschafft? Bin ich Olympiasiegerin? Ganz allmählich wache ich auf aus der unwirklichen Trance und schaue auf die Tafel:

Platz 1: Sarah Kraft.

Ist das wirklich wahr? Ist es wahr geworden, wofür ich so viele Jahre alles gegeben habe? Ist der Augenblick des Glücks da? Ja, ja, ja -

welch purer Rausch des Glücks!

Immer noch wie benommen warte ich auf die Siegerehrung. Mein Name ertönt über den Lautsprecher, ich steige auf das Siegertreppchen, die Zuschauer jubeln … nur Jenny aus England rechts neben mir nicht. Das berührt mich nur ganz kurz. Jetzt nur freuen und feiern, das Ziel ist erreicht, die Ernte ist eingefahren. Eine Mischung aus Stolz und Euphorie packt mich. Später fließt Sekt und alle Anspannung fällt ab. Ich lache, andere lachen mit mir.

Nur einer scheint sich nicht richtig freuen zu können, mein Ehemann Gerd. Ich schiebe auch das beiseite, jetzt ist Freude angesagt.

Am nächsten Morgen erwachte ich mit einem ungewohnten Gefühl: ein Brummschädel und alle Glieder taten weh. Ich hatte einfach keine Lust die Augen aufzumachen, geschweige denn aufzustehen. Irgendwann öffnete ich doch die Augen. Das Bett neben mir war leer, wo war Gerd?

Ich rief - keine Antwort.

Nach zwei Minuten öffnete sich die Hotelzimmertür und Gerd stand da, schon schrecklich wach und mit einem Tablett mit Kaffee und Croissants in der Hand. Ein ganz neues Gefühl für mich. Sonst war ich morgens immer als Erste auf den Beinen und hatte bereits eine Trainingseinheit hinter mir, bevor ich Gerd weckte. In meine Freude über das schöne Frühstück mischte sich ein komisches Gefühl. Gerd war so merkwürdig distanziert. Wieder schob ich das Gefühl beiseite und genoss das Frühstück im Bett.

Danach bereitete ich mich auf die Pressetermine vor. Was werden sie mich fragen? Jetzt nichts Falsches sagen, eine gute Figur machen, um für Sponsoren interessant zu sein. - Was spielt sich denn da jetzt in meinem Kopf ab?

Bisher war mir nur der Sport wichtig und nicht das Geld. Aber irgendwie veränderte sich gerade etwas. Ich war Olympiasiegerin, ich stand im Mittelpunkt. Jetzt galt es, diese Chance zu nutzen. Meine Nervosität stieg.

Ich beruhigte mich und stellte mir vor, es sei ein Wettkampf. Und da hatte ich bewiesen, dass ich im entscheidenden Moment voll da war.

Also wie üblich fünf Minuten sammeln und sich vorstellen, wie Sarah die Situation mit den Reportern souverän meistert.

Die Sportreporter erwarten mich schon im Foyer. Spontaner Applaus und dann die neugierigen Mikrofone vor der Nase.

„Frau Kraft, wie haben Sie es geschafft, die Favoritin im entscheidenden Rennen zu schlagen?“

Ich überlegte kurz und versuchte eine kluge Antwort zu finden: „Ja Jenny ist sehr stark und es war wichtig, mich nicht klein zu machen, mir meinen Sieg immer wieder als Tatsache vorzustellen. Mein Trainer hat mir einmal gesagt, es kommt nicht nur auf das Können und die Kraft an, sondern auch auf die mentale Stärke im entscheidenden Augenblick. In diesem Zusammenhang vielen Dank an meinen Trainer und dafür, dass er an mich geglaubt und mich täglich gequält hat.“ Das leichte Lächeln der Journalisten zeigte mir, dass meine Antwort gut war. Davon beflügelt ergänzte ich „Natürlich wäre dies alles nicht möglich gewesen ohne die großzügige Unterstützung der Sponsoren.“ Ich registrierte unterschwellig, dass der Nachsatz nicht so gut ankam und ich mich auch nicht mehr so sicher und souverän fühlte.

Aber für Reflektion blieb keine Zeit. Die nächste Frage war im Anmarsch: „Was werden Sie nach Ihrem Olympiasieg machen, werden Sie sich ein weiteres sportliches Ziel setzen oder sich aus dem aktiven Sport zurückziehen?“

Diese Frage erzeugte eine Schrecksekunde: Mattscheibe. Danach schossen mir im Millisekunden-Takt Gedanken durch den Kopf: Wieso aus dem aktiven Sport zurückziehen - das ist eine Frechheit! Sollte mit dem Sieg alles aus sein? Über alles hatte ich mir Gedanken gemacht, nur nicht über diese Frage.

Die Pause wurde peinlich lang. Daher besann ich mich auf das, wonach ich mich jetzt sehnte und antwortete: „Jetzt ist erst mal Zeit für Urlaub und für meinen Mann“ - und lächelte dabei Gerd an. Das rettete die Situation, die Journalisten hatten wieder ein leichtes Lächeln im Gesicht. Nur Gerd schien sich nicht besonders über meinen Kommentar zu freuen.

Irgendwie fühlte ich mich plötzlich gar nicht mehr als strahlende Siegerin, die es geschafft hat, sondern wie jemand, der ziellos und unsicher durch die Gegend läuft.

Wie die Pressekonferenz weiter verlief habe ich vergessen. Ich weiß nur, dass ich die Fragen mit der üblichen Routine beantwortete ohne viel preiszugeben.

Woran ich mich jetzt nach einem Jahr noch so genau erinnere als wenn es heute wäre, ist die Heimfahrt mit Gerd. Endlich war der Rummel vorbei, endlich mit Gerd alleine im Auto. Gerd war ungewöhnlich ruhig. Was ist mit ihm los? Kommt er nicht damit zurecht, dass ich jetzt so erfolgreich bin und er nur im Schatten steht? Irgendetwas lag in der Luft. Aber Gerd war nicht der Typ, den man direkt darauf ansprechen durfte. Also versuchte ich ihn erst einmal aufzubauen und sagte ihm, dass ich mich heute Morgen sehr über die Betreuung und den Kaffee am Bett gefreut hatte. Das schien ihn jedoch nicht besonders aufzuheitern, irgendetwas lag ihm auf der Seele.

Ich hielt es nicht mehr aus, ich musste ihn fragen: „Gerd, ich habe den Eindruck, du fühlst dich nicht wohl. Ich weiß, es ist nicht einfach im Schatten zu stehen, aber das bewundere ich ja an dir, dass du nicht im Mittelpunkt stehen musst!“ Gerds Mimik öffnete sich, aber er sah immer noch gequält aus, als ob ihn irgendetwas sehr belasten würde.

„Nein, das ist es nicht Sarah, ich finde es toll, dass du das geschafft hast, aber ich muss dringend etwas mit dir besprechen!“

„Was ist denn, Gerd?“, entgegnete ich.

„Lass uns das zuhause besprechen, das geht nicht beim Autofahren“.

Betroffen setzte ich mich zurück. Was war los? Was hatte er Wichtiges zu besprechen? Wie ich so eine Situation hasste, Andeutungen machen und dann den Partner zwei Stunden zappeln lassen. Ich entschloss mich, nichts zu sagen, war aber innerlich sauer darüber. Gerd war so sensibel und trotzdem kapierte er nicht, dass das für mich unnötige Quälerei bedeutete. Bei aller Härte im Sport stecke ich so etwas privat nicht so leicht weg. Zuhause angekommen schien Gerd alle Zeit der Welt zu haben, auszupacken. Er machte es noch bedächtiger als sonst. Er schien Angst zu haben vor dem Gespräch. Was war los?

Unvermittelt fragt er mich: „Möchtest du ein Glas Wein?“

Spontan stimmte ich zu, obwohl mir der Kopf noch brummte von dem vielen Alkohol auf der Siegesfeier. Vielleicht entkrampfte der Wein ja die Situation.

Wir gingen ins Wohnzimmer. Gerd machte den Kamin an und wir stießen noch einmal auf meinen Sieg an. Er schien immer nervöser zu werden. „Was ist los?“ fragte ich.

Gerd druckste herum und dann brach es aus ihm heraus: „Sarah ich weiß, dein Sport ist dir sehr wichtig, und wenn du ehrlich bist, war er in den letzten Jahren für dich wichtiger als ich.“

Diese Einleitung irritierte mich. Ich merkte intuitiv, dass es falsch sein würde, darauf zu antworten, sondern ließ ihn weiter reden.

„Sarah, ich verstehe das ja, aber verstehe bitte auch, dass das eine Partnerschaft auf Dauer nicht aushält. Ich wollte schon lange mit dir darüber sprechen, aber du warst so auf die Olympiade fixiert und ich wollte dich nicht damit belasten. “ Mit einem Mal war mir alles klar, sein merkwürdiges Verhalten in den letzten Monaten und jetzt dieses Drum-herum-eiern.

Ich platzte heraus vor Wut und Traurigkeit: „Kenne ich sie?“

„Nein“ war seine kurze Antwort mit einer Mischung aus Bedauern und Erleichterung im Gesicht.

Erst jetzt spürte ich den vollen Schock, den diese Botschaft auslöste.

Jetzt, wo mein Ziel erreicht war und ich mich so danach gesehnt hatte, wieder Zeit mit Gerd zu verbringen, dieses Aus.

Wie paralysiert, als ob alle Gefühle schockgefroren wären, fragte ich sachlich und kühl „Und was jetzt?“.

„Ich ziehe aus. Ich lasse dich jetzt besser allein und hole dann in den nächsten Tagen meine Sachen.“

Völlig geschockt von seinem rücksichtslosen Verhalten entgegnete ich unterkühlt: „OK, dann geh.“

Alleingelassen und einsam am Ziel meiner Olympia-Träume, saß ich vor dem Kamin und vor den Trümmern meiner Partnerschaft.

Die Frage des Journalisten schoss mir durch den Kopf: „Frau Kraft, wollen Sie sich vom aktiven Sport zurückziehen?“ In meinem Frust ergänzte ich das theatralisch: ,und einsam sterben‘. Über diesen Blödsinn in meinem Kopf musste ich selbst lächeln, aber es fühlte sich sehr gequält an.

Ich sah die halbleere Flasche und füllte mein Glas. Jahrelang hatte ich keinen Alkohol getrunken, um optimal fit zu sein. Jetzt trank ich den Wein in hastigen Zügen, ohne Genuss zu verspüren. Aber die Gedanken wurden langsamer und stumpfer. Irgendwann schlief ich auf dem Sofa ein.

Natürlich hatte ich am nächsten Morgen einen Kater – ,Seit gestern das einzige männliche Wesen an meiner Seite‘, dachte ich mit Galgenhumor.

Selbst der Galgenhumor sollte mir jedoch bald vergehen, als die Bilder vom gestrigen Abend wieder auftauchten. Ich liebte Gerd, seine fürsorgliche Art und jetzt das abrupte Aus - das tat verdammt weh.

Meine innere Stimme versuchte mir Mut zu machen. Ich hatte schon sehr schwierige Situationen gemeistert. Vor zwei Jahren - ich hatte alles auf eine Karte gesetzt, mich tierisch gequält - und dann ein schwieriger Bänderriss. Das wahrscheinliche Aus. Ich biss die Zähne zusammen, hatte das Ziel vor Augen, Olympiasiegerin im 200m-Lauf zu werden.

Jetzt, am Ziel meiner Träume, war es anders, aber viel schlimmer als seinerzeit mit dem Bänderriss. Ich verstand mich und die Welt nicht mehr. Was zog mich so runter? Es war paradox, ich hatte mein heiß ersehntes Ziel erreicht und saß jammernd in der Ecke und hatte nicht mal Lust, die Scherben meiner Partnerschaft aufzukehren.

Ja, Gerd war der Fels in meiner Brandung, der mich umsorgte, mir ein Zuhause gab – und ja, ich hatte einen doppelten Schlag zu verkraften: mein motivierendes Ziel war weg, es hatte mich nicht wirklich glücklich gemacht, und es schmerzte der Verlust der geliebten Partnerschaft, gerade als ich sie pflegen und genießen wollte. Irgendwie tat ich mir selber leid und hatte auch keine Kraft, mich da rauszuziehen - im Gegenteil.

Mein bisheriges Leben lief wie ein Film vor mir ab und ich war gezwungen, hinzuschauen. In den Jahren der sportlichen Disziplin hatte ich die Bilder verdrängt. Jetzt drängten sie umso stärker ins Bewusstsein. Ich erlebte mich wieder als kleine Sarah. Der Vater übergroß vor mir, mit einem strengen, bestimmenden Gesicht. Er machte mir überdeutlich klar, dass ich zu gehorchen hatte wie seine Mitarbeiter in der Firma. Er forderte Disziplin. Meine Mutter stand meist schweigend daneben. Obwohl sie auch Chefin war und ihren Mann stand, hielt sie sich in solchen Situationen zurück. Mein Vater lebte für seinen Beruf. Er hatte früh Karriere gemacht und wurde, als ich 8 Jahre alt war, verantwortlich für alle Produktionsstätten des Konzerns weltweit. Wenn mein Vater zu Hause war, was sehr selten vorkam, verzog er sich oft gleich wieder in sein Büro, um seine Post zu sichten.

Er verehrte meine Mutter. Er war beeindruckt, wie meine Mutter auf ganz natürliche und lockere Weise ihren Beauty- und Friseursalon im Griff hatte und war fasziniert von ihrer Schönheit. Der dunkle Teint, die schwarzen Haare und ihre beeindruckende Figur, die die Männer in den Bann zog.

Das stand im krassen Widerspruch zu meinem Äußeren. Ich war klein und dick. Meine Mutter versuchte, mich das nicht spüren zu lassen, aber wenn ich dann auch noch weigerte, meine Haare zu kämmen, konnte sie ihren Beauty- und Friseurblick nicht unterdrücken.

Die Situation verschärfte sich, als ich in den Kindergarten kam. Man nannte mich Moby Dick und ließ mich oft links liegen. Auch in der Schule wurde es nicht besser.

Mitten in diese Selbstversunkenheit und mein Selbstmitleid platzte ein Anruf. Sollte ich drangehen? Im Moment hatte ich keine Lust, aber es könnte ja wichtig sein. Vielleicht sollten jetzt nach dem Olympiasieg doch die Weichen neu gestellt werden?

Ute, eine alte Freundin, die ich in den letzten Jahren aus den Augen verloren hatte, war am Apparat. Sie gratulierte mir zum Olympiasieg und sagte, sie hätte einfach das Gefühl, mich anrufen zu müssen.

Schon nach wenigen Worten merkte sie, dass es mir nicht gut ging und lud mich zum Essen ein.

Da ich ihre unkomplizierte Art schätzte und mich in ihrer Gegenwart immer wohl und aufgehoben gefühlt hatte, sagte ich spontan zu.

Der Anruf war für mich wie ein Weckruf. Ich war aufgewacht aus der trübsinnigen Selbstversunkenheit.

Ich rappelte mich auf und zwang mich, das Wichtigste im Haushalt zu machen. Es ging von Minute zu Minute besser und ich begann mich, auf das Treffen mit Ute zu freuen.

Lösung aus der Schockstarre

Am Abend klingelte ich an Utes Wohnungstür.

Ihr offenes und freundliches Lachen schon bei der Begrüßung tat gut.

Ihre Wohnung war sehr geschmackvoll und gemütlich eingerichtet und ein tolles Essen stand auf dem Tisch. Während des Essens kam das erste Mal nach vielen Jahren ein Gefühl von Sich-wohl-fühlen und Genuss auf, nach dem ich mich so sehr gesehnt hatte. Ich erzählte Ute, wie mir nach dem Sieg plötzlich der Boden unter den Füßen wegezogen wurde und ich eigentlich nur noch funktionierte.

„In den letzten Jahren habe ich alles dem Olympiasieg untergeordnet und jetzt überkommt mich eine Ziel- und Sinnlosigkeit. Das erwartete Glück durch den Sieg hat sich nicht eingestellt, im Gegenteil.“

Während ich das aussprach merkte ich, dass das so auch nicht stimmte und ergänzte: „Gleichzeitig bin ich stolz auf den Sieg und er gibt mir auch viel. Ach, ich weiß auch nicht recht, wie ich das ausdrücken kann.“

Ute sah mich verständnisvoll an: „Das kenne ich. Mein Ziel war es, Marketingleiterin zu werden und dafür habe ich alles getan. Am Ende habe ich den Posten nicht bekommen! Du bist Olympiasiegerin geworden, während ich erst mal die Niete gezogen hatte. Also einen Punkt für dich, Olympiasiegerin! Darauf sollten wir noch mal anstoßen“.

Mein Frust löste sich langsam und wich einer Art Galgenhumor. Und etwas Stolz kam glücklicherweise auch zurück. Irgendwie begann das Leben an diesem Abend wieder etwas Spaß zu machen.

„Aber du wirkst glücklicher als ich, Ute.“

„Den Eindruck habe ich auch“, antwortete sie mit einem liebevollen Augenzwinkern.

„Wie hast du das geschafft?“ fragte ich neugierig.

„Mir hat ein Coach geholfen. Er hat mir wichtige Impulse gegeben, zufriedener zu sein.“

„Und jetzt ist er dein Guru?“ entgegnete ich mit einem liebevoll provozierenden Lächeln.

„Nein, er ist inzwischen ein guter Freund mit all seinen Macken. Was er gut kann, ist Zuhören und Erkenntnisse auf den Punkt bringen.“

„Klingt spannend. Kannst du ihn mir mal vorstellen?“

„Gerne, ich glaube seine Art könnte dir jetzt gut tun.“

Der Abend verlief weiter sehr harmonisch, wir plauderten über alte Zeiten und nachdem ich dann doch ein wenig zu viel getrunken hatte, blieb ich über Nacht bei ihr. Ein Luxus, den ich mir als ehrgeizige Sportlerin in den letzten Jahren nicht geleistet hatte. Ich begann, mein neues Leben etwas zu lieben und es fühlte sich an, als ob ein neues spannendes Abenteuer auf mich warten würde.

Am Morgen rief Ute bei ihrem Bekannten an und ich machte einen Termin aus, für den nächsten Tag.

Ich war sehr gespannt, was mich erwarten würde. Als Sportlerin hatte ich eine sehr professionelle Betreuung von einem Mentalcoach erhalten. Daher war ich neugierig, ob Utes Bekannter mir noch Neues bieten konnte.

Wieder Zuhause fühlte ich mich schon optimistischer. Gleichzeitig merkte ich, dass es Zeit war, mein bisheriges Leben unter die Lupe zu nehmen, bevor Neues entstehen konnte. Mein Vergangenheitsfilm lief weiter.

Ich sah mich als pubertierende Sarah. Ich begann plötzlich zu wachsen und wurde schlanker. Leider wuchs der Busen nicht im gleichen Maße mit.

Innerhalb von 6 Monaten wandelte sich mein Horrorfach Sport in mein Lieblingsfach. Der Grund war „John“, ein Traummann mit einem begnadeten Körper, muskulös aber nicht bullig. Ich sah immer noch das Bild vor mir, als er als neuer Referendar die Sporthalle betrat.

Meine Freundin drehte sich zu mir um und wir waren uns wortlos einig: Der ist geil. Zu Beginn der Sportstunden liefen wir uns immer erst einmal warm und drehten einige Runden durch die Halle. Es begann mir Spaß zu machen und der Spaß wurde noch größer, als John mir ein Kompliment machte über meinen eleganten Laufstil. Bei einer Klassenfahrt bekam ich zufällig mit, dass John vor dem Frühstück durch den Wald joggte. Ich witterte meine Chance und fragte, ob ich mit joggen dürfte. Er sagte spontan ja und ich war ziemlich gefordert, einigermaßen mit ihm mitzuhalten. Als er es merkte, passte er sein Tempo rücksichtsvoll an meine Möglichkeiten an. Auch gab er mir Tipps, wie ich mich noch eleganter und kraftsparender bewegen konnte. Wir stellten fest, dass er ganz in der Nähe meines Elternhauses wohnte. Ab diesem Zeitpunkt hatten wir ein gemeinsames Ritual, jeden Morgen vor der Schule gemeinsames Joggen. Ich war mächtig stolz und freute mich jeden Tag auf diesen sportlichen Einstieg. In den nächsten 9 Monaten schmolzen meine letzten überflüssigen Pfunde dahin. Ich war nicht nur weiterhin begeistert von John, sondern genoss gleichzeitig die Bewegung. Um noch besser zu werden, trainierte ich auch noch nachmittags. Nach weiteren 6 Monaten machte mir John klar, dass er mir nichts mehr beibringen könne und es Zeit wäre, in einen Sportverein zu gehen und unter Anleitung systematisch zu trainieren. Er habe bereits vorgefühlt und einen guten Coach für mich gefunden.

So nahm meine sportliche Karriere ihren Lauf. Während meine Schulfreundinnen sich in Discos und auf Partys amüsierten, drehte ich meine Runden auf dem Sportplatz.

Die Erinnerung an die Runden auf dem Sportplatz machen mich noch heute stolz und gleichzeitig mischt sich der Stolz heute mit Wehmut: Mir fehlte ein Teil meiner Pubertät.

Bevor ich mich in diese Gedanken vertiefen konnte, klingelte der Handy-Wecker. Das erste Treffen mit dem Coach stand an.

Der neue Lebensabschnitt beginnt

Eine Stunde später stand ich vor seiner Tür, klingelte und wurde mit einem freundlichen Lächeln empfangen.

„Ich bin Sven. Ute hat mir schon von Ihnen erzählt und vom Fernsehen kenne ich Sie natürlich auch - Ist es für Sie OK, wenn wir uns duzen, da unsere Gespräche vermutlich persönlicher werden?“

Ich stutzte kurz, stimmte dann aber spontan zu.

Sven hatte mich inzwischen in sein Beratungszimmer geführt. Mein neugieriger Blick schweifte umher und registrierte den geschmackvoll eingerichteten Raum mit Blick in den Garten.

„Du hast es aber schön hier“ war mein spontaner und nicht sehr origineller Einstieg in das Gespräch.

„Ja, das genieße ich jeden Tag“, war seine Antwort, die ehrlich klang. Er schien jedoch keine Lust zu haben, erst einmal über die Einrichtung oder den Garten zu plaudern und fragte direkt: „Sarah, was hat dich gereizt, zu mir zu kommen?“

„Ute hat mich neugierig gemacht. Sie schien so glücklich zu sein und voll im Leben zu stehen. Sie meinte, du hättest ihr dabei geholfen, als es ihr schlecht ging. Es geht mir auch nicht besonders gut, obwohl ich gerade Olympiasiegerin geworden bin.“

„Ja, ein kluger Mann, dessen Namen ich leider vergessen habe, hat einmal gesagt: Es gibt zwei Arten sich unglücklich zu machen: entweder, indem man seine Ziele erreicht oder, indem man sie nicht erreicht.“

„Das ist ja sehr motivierend“, antwortete ich mit einem etwas aufgesetzten Lächeln.

„Das stimmt, deswegen machst du im Moment auch keinen motivierten und glücklichen Eindruck. Ich kann dich jedoch beruhigen, du bist näher am Glücklich-Sein als jemand, der seinen Zielen noch hinterher hechelt.“

„Das ist aber beruhigend“ antwortete ich. Die lockere Art von Sven gefiel mir und ich merkte, dass unser Gespräch langsam spannend wurde.

„Und wieso hat mich der Gewinn der Goldmedaille dem Glück näher gebracht, wenn ich mich jetzt schlecht fühle? “ war mein klug gemeinter Einwurf.

Sven schien diese Frage zu gefallen. Er wirkte plötzlich noch wacher und man merkte ihm an, dass er nach einer guten Formulierung für seine Antwort suchte.

„Du fühlst dich nicht schlecht, weil du die Goldmedaille gewonnen hast, sondern weil du glaubtest, dass dich das automatisch glücklich macht.“

„Na klar" war meine direkte spontane Antwort. Sven schaute mich ruhig und gelassen an, ohne etwas zu sagen. Es entstand eine etwas unangenehme Stille. Was sollte ich sonst zu diesem Thema sagen?

Gleichzeitig spürte ich, dass er Recht hatte. Ich fühlte mich nun mal im Moment nicht besonders glücklich, nicht nur wegen der Ehekrise sondern auch, weil mein derzeitiges Leben als Olympiasiegerin seine Schattenseiten hatte: all die Neider und die Zwänge als Werbe-Ikone. In meine Selbstversunkenheit drang erneut die Stimme von Sven: „Thema verfehlt, hätte ein Lebenslehrer unter einen Teil deiner Olympiageschichte geschrieben. Deine Sportkarriere hat dir viele tolle Erfahrungen gebracht, die dir möglicherweise noch gar nicht bewusst sind. Wenn du jetzt noch eine Goldmedaille im Glücklichsein bekommen möchtest, kann ich dir gerne helfen.“

Mir schossen drei Gedanken durch den Kopf: Will er mich auf den Arm nehmen wegen meiner Goldmedaille, die ich mir hart erarbeitet habe? Das ist nicht fair. Oder ist Sven vielleicht doch ein kleiner Guru, der alles besser weiß, oder gar ein Positiv-Denker, wie ich es bei meinen Mental-Coaches so oft erlebt hatte?

Sven schien mein Unbehagen zu spüren und ergänzte: „Du hast mir einiges voraus, wenn es um Disziplin und Körperbeherrschung geht. Außerdem haben gerade Hochleistungssportler Glücksmomente in ihrem Sport, auf die ich bei dir sehr neugierig bin. Außerdem bist du an die menschlichen Grenzen der körperlichen und mentalen Möglichkeiten gegangen. Bei mir sind die Glücksmuskeln möglicherweise trainierter. Wo wir, glaube ich, beide Profis sind, ist das Thema Mental- und Erfolgstraining. Allerdings bist du mir in der erfolgreichen Anwendung klar überlegen.“

Ich fühlte mich besser und die Augenhöhe war wieder hergestellt.

„OK Sven, wie wäre es mit der ersten Lektion zum Thema Glück - ich bin eine gelehrige Schülerin“.

„Gerne“, antwortete Sven mit einem Schmunzeln.

„Beginnen wir mit deiner Erfahrung als Olympiasiegerin. Fühltest du dich glücklich, als du die Medaille bekamst? “ „Ja, das war ein tolles, euphorisches Glücksgefühl“, antwortete ich.

„Und war die Silbermedaillen-Gewinnerin auch glücklich?“

„Nein, das kann ich nicht behaupten. Roswitha, die die Bronzemedaille bekommen hat, sah viel glücklicher aus“.

„Glück scheint also nicht von der Höhe des Sieges abzuhängen. Der Gewinner in der Bezirksliga kann glücklicher sein als der Silbermedaillen-Gewinner bei der Olympiade. Die Größe des Erfolges ist also kein Maßstab für Glück. Was ist dann der entscheidende Punkt, der uns glücklich fühlen lässt?“

Es beginnt spannend zu werden, dachte ich: „Und was ist deine Antwort darauf, Sven?“

„Ich könnte dir meine Antwort geben, aber es ist sicher für uns beide spannender, wenn du versuchst, die Frage aus deiner Erfahrung heraus zu beantworten. Dann kann ich auch von dir lernen. Zwei Fragen können dabei für dich hilfreich sein:

Was hat das Glück bei deinem Sieg und anderen Erfolgen ausgelöst? Wodurch wurde es möglicherweise getrübt?

Warum fühlte sich die Bronzemedaillengewinnerin glücklicher als die Silbermedaillengewinnerin?"

„Einverstanden, ich werde dem Glück auf die Spur kommen.“

Sven schaut auf die Uhr. "Sarah wir haben noch 5 Minuten Zeit, hast du noch ein Thema?"

"Nein, ich bin erst einmal abgefüllt."

„Gut Sarah, rufe mich an, wenn du das verdaut hast und meine Hilfe brauchst.“

Das Geheimnis des Glücks - eine Forschungsreise

Das Gespräch mit Sven hatte mich aufgewühlt.

Wann war ich in den letzten Jahren wirklich glücklich?