Doppelt verlobt hält besser - Lia Haycraft - E-Book

Doppelt verlobt hält besser E-Book

Lia Haycraft

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Beschreibung

Eine Liebe an der Côte d'Azur Isobel Rain liebt ihren Job als Geschäftsführerin der exklusiven Dating-Agentur Diamond Love. Sie liebt auch ihr Leben im französischen Küstenstädtchen Antibes. Doch dann macht ihr ausgerechnet ihr geliebter Onkel einen Strich durch die Rechnung. Und das aus dem Grab heraus: In seinem Testament verfügt er, dass Isobel Diamond Love nur weiterführen darf, wenn Sie innerhalb von sechs Monaten heiratet. Ein Verlobter muss also her. Und dabei hat Isobel zur Zeit nicht mal einen Freund. Vielleicht ist es Schicksal, dass sie kurz darauf Jean-Luc trifft und es zwischen den beiden heftig funkt. Nur dass der smarte Immobilienmakler nichts von Isobels Erbe weiß und auch nicht vorhat in nächster Zeit jemandem das Ja-Wort zu geben. Aber dann kommt sowieso alles ganz anders…

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Seitenzahl: 303

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Die AutorinLia Haycraft, geboren 1980, lebt im Bergischen Land. Nachdem sie mehrere Jahre in England gewohnt hat, besucht sie ihre Heimat so oft wie möglich und siedelt gerne zumindest Teile ihrer Geschichten dort an, so spielen ihre Reihe Die Nacht der Elemente und die Bücher Feuerküsse und Flammenseele, die sie als Eileen Raven Scott veröffentlicht hat, in London und weiteren schönen Landschaften Englands. Sie schreibt Liebesromane mit und ohne Fantasy und liest selbst sehr gern und viel. Sie liebt die Natur, Hunde und Chamäleons. Sie ist Mitglied bei DELIA – Vereinigung deutscher Liebesromanautorinnen und –autoren.

Das Buch

Eine Liebe an der Côte d'Azur

Isobel Rain liebt ihren Job als Geschäftsführerin der exklusiven Dating-Agentur Diamond Love. Sie liebt auch ihr Leben im französischen Küstenstädtchen Antibes. Doch dann macht ihr ausgerechnet ihr geliebter Onkel einen Strich durch die Rechnung. Und das aus dem Grab heraus: In seinem Testament verfügt er, dass Isobel Diamond Love nur weiterführen darf, wenn Sie innerhalb von sechs Monaten heiratet. Ein Verlobter muss also her. Und dabei hat Isobel zur Zeit nicht mal einen Freund. Vielleicht ist es Schicksal, dass sie kurz darauf Jean-Luc trifft und es zwischen den beiden heftig funkt. Nur dass der smarte Immobilienmakler nichts von Isobels Erbe weiß und auch nicht vorhat in nächster Zeit jemandem das Ja-Wort zu geben. Aber dann kommt sowieso alles ganz anders…

Lia Haycraft

Doppelt verlobt hält besser

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Januar 2018 (1)  © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 978-3-95818-256-1  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Kapitel 1

Isobel

Über den leuchtend blauen Himmel zog ein Muster aus fliegenden Schwalben, und nicht zum ersten Mal verwandelten sich die fliegenden Pünktchen in Isobels Kopf in einen einzigen Satz. Die Dating-Agentur Diamond Love darf nur von einer verheirateten Frau geleitet werden. Darüber konnte Isobel denken, wie sie wollte. Es stand trotzdem in Onkel Bernards Testament. Er war einfach der Meinung, dass es einen schlechten Eindruck machte, wenn eine alleinstehende Frau anderen Leuten dazu verhalf, den Partner fürs Leben zu finden. Das gehörte sich nicht für so eine altehrwürdige Agentur.

Dass die Welt sich mittlerweile weitergedreht hatte, schien Onkel Bernard nicht bemerkt zu haben. Dumm daran war, dass Isobel gerade das nicht war: verheiratet. Und jetzt hatte sie noch exakt ein halbes Jahr Zeit, den Einen zu finden, den sie heiraten konnte. Sonst würde auch alles Festkrallen an diesem Stuhl nichts nützen. Vermutlich würden genau an dem Tag, der auf ihrem Kalender rot eingekringelt war, der Notar und dieser widerliche Anwalt in ihr Büro stürmen und sie von ihrem Bürostuhl zerren.

Natürlich wollte sie nicht die ganze Zeit daran denken, und es brachte schließlich auch nichts. Aber aufgeben wollte Isobel noch nicht. Den Mann fürs Leben finden, inklusive Hochzeit. Das klappte doch nie und nimmer in einem halben Jahr!

Da half auch der Artikel über Clara Johns Trennung von ihrem langjährigen Ehemann gerade so gar nicht. Isobel legte die Zeitschrift vor sich auf den Schreibtisch. Obwohl Isobel nur einen einzigen Film mit der zierlichen Brünetten gesehen hatte, machte sie diese Nachricht traurig. Aber vielleicht stimmte es ja gar nicht. Bei den beiden hatte sie wirklich gedacht, dass sie zueinander passten. Ein Foto dieses Glamourpaars hätte gut im Lexikon neben dem Eintrag »Wahre Liebe« abgebildet werden können. Das hatte jeder gedacht. Andererseits war Clara John eine Schauspielerin, und zudem noch eine gute.

Um sich noch einmal vor Augen zu führen, dass es so etwas wie den Richtigen gab, warf Isobel einen Blick auf die riesige Magnetwand zu ihrer Linken. Dort hingen dicht an dicht Hochzeitsfotos, Urlaubsfotos und Postkarten von glücklichen Liebespaaren. Menschen, die sie zusammengebracht hatte. Oder besser gesagt, ihr Onkel, dem die Agentur gehört hatte.

Es grenzte schon an Ironie, dass ausgerechnet Isobel noch nicht die Liebe ihres Lebens gefunden hatte. Trotz allem wollte sie die Hoffnung nicht aufgeben, dass sie den Einen erkennen würde.

Das Telefon klingelte und Isobel zuckte zusammen.

»Ja?«, fragte sie.

»Ich habe Ihre Tante für Sie«, sagte Monique und stellte sofort durch, bevor Isobel etwas dagegen sagen konnte.

»Tante Vivienne, wie schön«, sagte Isobel. Zu mehr kam sie nicht, weil ihre Tante sofort zu sprechen begann.

»Es ist gleich Mittagspause, Schätzchen, bist du mit einem Mann verabredet? Du solltest dich einmal mit einem der Anwälte aus der Kanzlei gegenüber treffen. Ein Anwalt wäre eine geeignete Partie für dich. Hohes Ansehen, gutes Einkommen und du hast noch genug Zeit, um arbeiten zu gehen, weil er selbst den ganzen Tag weg sein wird. Natürlich solltest du nicht den ersten Schritt machen, das gehört sich nicht, aber wozu hat man als Frau andere Möglichkeiten? Ich sage nur: die Waffen der Frauen. Zieh dich hübsch an und zeige dich. Ich kann das einfach nicht verstehen, wieso du es nicht einmal versuchst.«

»Ich gehe nicht einfach mit irgendwem essen, Tante Vivienne«, warf Isobel dazwischen, aber sie war sich nicht sicher, ob ihre Tante es gehört hatte.

»Du hast viel zu lange gewartet. Wie willst du so schnell den Mann fürs Leben zu finden? Aber unrecht hatte Bernard natürlich nicht, Gott hab ihn selig. Er hat es sich so gewünscht, das weiß ich. Und schriftlich haben wir es schließlich auch …«

Tante Vivienne sprach so, als würde sie über das Wetter reden, über steigende Temperaturen am Wochenende. Aber natürlich musste sie Onkel Bernard erwähnen. Und sein Testament, als ob Isobel nicht ohnehin ständig daran denken musste. Jeden Morgen, wenn sie sich für die Arbeit schminkte, jedes Mal, wenn sie durch ihre Bürotür trat, jedes Mal, wenn sie ihre Sekretärin Monique grüßte. Isobel schielte zu ihrem Wandkalender, wo das Datum rot markiert war. Tante Viviennes Werk, bei einem ihrer letzten Treffen in Isobels Büro. Wie immer ging es um ihr Streitthema Nummer eins: Isobels Liebesleben. Oder eben um ihr nicht existierendes Liebesleben und den fehlenden Ehemann. Als ob das Glück der Welt mit einer Ehe zusammenhing. Aber durch das Testament hatte der Bund fürs Leben tatsächlich für Isobel rasant an Bedeutung gewonnen.

»Du hast den Job jetzt seit zweieinhalb Jahren, Kindchen. Wie viele Männer sind da mittlerweile in deinem Computer? Ich hoffe, du guckst regelmäßig durch, ob auch etwas für dich dabei ist! Du weißt, was passiert, wenn du nicht rechtzeitig verheiratet bist. Oder liebst du deinen Job nicht? Jemand, der den Job nicht liebt, kann einfach keine Dating-Agentur leiten.«

»Natürlich liebe ich meinen Job, Tante Vivienne. Aber ein halbes Jahr ist nun wirklich keine angemessene Zeit, um den Mann fürs Leben zu finden. Das musst du doch zugeben.«

»Du hattest drei Jahre Zeit, vergiss das nicht. Oh, wieso müssen wir schon wieder darüber reden?« Tante Vivienne seufzte theatralisch. »Also, zurück zu deiner Datenbank. Da gibt es doch hunderte von gut situierten Männern, die bestimmt größtenteils gut aussehen, und du kannst doch einfach nach einem suchen, der die gleichen Interessen hat wie du. Oder schau nach, was sie verdienen und wer genügend Sport macht. Dann gehst du das geringste Risiko ein. Er wird eine Augenweide sein und dich verwöhnen können …«

Isobel hätte sie gerne unterbrochen, ihr erzählt, warum das alles nicht funktionieren würde, und ihr zu bedenken gegeben, dass es sehr merkwürdig aussehen würde, wenn sie einen ihrer Kunden anrufen würde, um ihn zu einem Date mit ihr, der Geschäftsführerin der Dating-Agentur höchstpersönlich, einzuladen. Aber es war sinnlos. Tante Vivienne redete und redete, und Isobel fand es schwierig zuzuhören.

»Ich sage dir, wenn Diamond Love noch in französischer Hand wäre …« Dieses Mal brach Tante Vivienne ab. Sie schnappte kurz nach Luft. »Es tut mir Leid, Liebes. Das Thema regt mich einfach immer so auf. Nimm es nicht persönlich, du kannst schließlich nichts dafür, dass du nicht hier geboren wurdest. Aber gerade deshalb solltest du dich darum kümmern, dass du einen guten Eindruck bei unseren Kunden machst.«

Lustlos blätterte Isobel in ihrem Adressbuch, dann klappte sie es zu.

»Tante Vivienne? Ich muss aufhören, ich habe gleich eine Kundin hier und muss mich noch kurz vorbereiten. Wir könnten essen gehen, heute Mittag?«

»Gut, ich hole dich ab«, sagte Tante Vivienne. »Und, Isobel?«

»Ja?«

»Gib dir nur mal ein bisschen Mühe. So schwer kann das ja nicht sein. Was ihr jungen Leute heutzutage für hohe Ansprüche habt, also zu meiner Zeit … Gut. Dann bis später. Küsschen, Küsschen!«

»Bis später, Tante Vivienne.«

Isobel legte auf und lehnte sich erschöpft zurück. Natürlich liebte sie ihren Job und ihr Leben hier. Sie stand auf und stellte sich ans Fenster. Antibes, ihre Heimat seit vier Jahren, war ein malerisches Städtchen mit kleinen Gassen voller Geschäfte, Cafés und Restaurants. Und irgendwo da unten war ihr Lieblingsladen: die englische Buchhandlung. Ein Stück Zuhause zwischen den hübschen Häusern und Straßen mit den französischen Namen. Isobel ging einmal in der Woche dorthin und kaufte jedes Mal mindestens ein Buch, auch wenn sie gar nicht mit dem Lesen hinterherkam. Sie liebte jede Art von Geschichten, kaufte mal einen Krimi, mal einen aktuellen Roman und manchmal auch Liebesromane. Aber diese stellte sie einfach nur in ihr Buchregal. Sie mochte die Titel, die Schriftarten und die Namen der Hauptfiguren. Lesen wollte sie die Bücher nicht. Liebesgeschichten machten Isobel traurig. Besonders, wenn sie gut ausgingen. Anders als ihre eigene.

Es klopfte leise an die Tür. »Mademoiselle Rain?«, fragte Monique und trat zögernd ein. »Pardon. Post für Sie.«

Isobel lächelte, stand auf und nahm Monique drei Briefumschläge ab. Noch bevor sie sich bedanken konnte, huschte ihre Sekretärin wieder aus dem Zimmer. Isobel holte sich eine Flasche Wasser aus dem kleinen Kühlschrank in der Ecke und setzte sich erneut an ihren Schreibtisch. Der erste Brief war ganz sicher eine Rechnung, die legte sie erst mal zur Seite. Der zweite und der dritte enthielten bestimmt wieder Fotos, die dokumentierten, dass sie den richtigen Riecher gehabt hatte. Zwei Menschen gefunden, die zusammenpassten. Sie zog den Brieföffner durch den oberen Rand des Umschlags und überflog die Zeilen. An diese Frau konnte sie sich sogar noch erinnern, sie hatte sich mit dem von Isobel vermittelten Mann zum ersten Mal unten im Restaurant getroffen. Schon auf den ersten Blick hatte Isobel gesehen, dass es passte. Und sie hatte recht behalten. Isobel lächelte, als sie das Foto betrachtete, welches die beiden vor einem hübschen Natursteinhaus zeigte. Arm in Arm lächelten sie in die Kamera.

Isobel pinnte das Foto neben die anderen und drehte sich um, als das Telefon erneut klingelte.

***

Jean-Luc

Während die Espressomaschine überlaut gurgelte, betrachtete Jean-Luc die edle schneeweiße Karte, die er an seinem Wandkalender befestigt hatte. Bis zu Benoîts Hochzeit waren es noch knapp vierzehn Tage. Wie konnte er nur heiraten?, dachte Jean-Luc. Dass die meisten Ehen nicht hielten, wusste schließlich jeder. Nicht umsonst gab es so viele Häuser, die er wieder verkaufen konnte. Die große Liebe gab es nur in Filmen und Geschichten, weil es ein unerreichbarer Traum war. Genau wie es dort eben auch Magier, Drachen und Lebkuchenhäuser gab.

Trotzdem konnte Jean-Luc es nicht lassen, die Karte zu betrachten. Ihre geprägten Blütenranken hatten etwas Märchenhaftes, die Namen von Marie-Claire und Benoît beinahe ineinander verschnörkelt darauf zu lesen, etwas Romantisches. Vielleicht würden die beiden es schaffen. Realistisch war es jedoch nicht, denn statistisch gesehen hielt nur jede dritte Ehe, das hatte Jean-Luc neulich erst gelesen.

Der letzte duftende Tropfen Kaffee fiel durch den Milchschaum in Jean-Lucs Glas, und er setzte sich damit auf die Terrasse. Für ihn war es gut, wenn Ehen nicht hielten. Sonst hätte er bei weitem nicht so viel zu tun in seinem Job, und genau das ermöglichte ihm seinen Lebensstil. Er hatte schließlich nicht schon immer in so einem großen, repräsentativen Haus mit Blick aufs Meer gewohnt. Seitdem er die von seinem Vater gegen die Wand gefahrene Immobilienfirma komplett neu aufgebaut hatte, hatte sie einen hervorragenden Ruf. Sogar die Reichen und Berühmten kamen zuerst zu ihm. Jean-Luc stellte sein Glas auf den Teaktisch und ließ seinen Blick einen Moment über den blauen Horizont schweifen. Von hier aus konnte man das Meer nicht hören, aber wenn der Wind günstig stand, brachte er sogar bis hier oben einen Duft von Salzwasser und Seetang.

Jean-Luc zückte sein Smartphone und rief den Kalender auf. Heute würde er persönlich zwei Hausbesichtigungen übernehmen, beide in Antibes. Er liebte einfach dieses Flair am Hafen, beobachtete gerne die Yachten, zwischen denen seine eigene stand, und schlenderte durch die schmalen Gassen. In Antibes wimmelte es nur so vor Kunst, Museen, Galerien und kleinen Boutiquen.

Ein leises Pfeifen riss Jean-Luc aus seinen Gedanken. Er warf einen Blick auf sein Handydisplay. Francine, seiner Assistentin, war zu Ohren gekommen, dass die Schauspielerin Clara John und ihr Mann sich getrennt hatten. Die beiden besaßen hier in der Nähe ein Sommerhaus, die Villa Rouge. Vielleicht würden sie es verkaufen? Ein paarmal war er schon dort vorbeigefahren und hatte einen sehnsüchtigen Blick auf die Mauer geworfen, über die Bougainvillea und Wein rankte. Und diese Schauspieler nutzten es lediglich als Sommerhaus, als Feriendomizil für ein paar Wochen im Jahr. Dabei war die Villa Rouge größer als Jean-Lucs Haus, und genau genommen war das schon viel zu groß für einen alleine.

Es kam Jean-Luc manchmal wie Verschwendung vor, dass er alleine hier wohnte, aber trotzdem hatte er nie einer Frau erlaubt, bei ihm einzuziehen. Nach dem Einzug kam doch irgendwann eine Hochzeit, und das wollte er sich und ihr ersparen. An die Streitereien zwischen seinen Eltern vor der Scheidung konnte er sich nur zu gut erinnern. Wie oft hatte er damals nur schlafen können, wenn er sich Kopfhörer aufgesetzt hatte, um Musik zu hören?

Ein erneutes Piepsen der Erinnerungsfunktion ertönte. Es war höchste Zeit, aufzubrechen. Vor der nächsten Besichtigung musste er noch einige Dinge im Büro regeln. In Windeseile suchte Jean-Luc die Unterlagen für die Rue Parisienne 23 heraus, die er am Nachmittag einem jungen Ehepaar zeigen sollte, steckte sein Smartphone ein und verriegelte die Balkontür.

Jean-Luc parkte seinen Wagen am Hafen, schnappte sich seine Unterlagen und tauchte in die Gassen der hübschen Stadt ein. Er warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass er doch noch früh dran war. Der Duft von frischem Brot lockte ihn in eine kleine Bäckerei, und er kaufte sich für den Abend ein baguette d‘epi und ein Glas Oliven.

Es blieb sogar noch Zeit, kurz in die englische Buchhandlung zu gehen. Jean-Luc atmete tief durch, als er das Geschäft betrat. Es roch nach Büchern, nach Gemütlichkeit und nach einem betörenden, blumigen Parfum. Jean-Luc warf einen Blick zu der einzigen Kundin, die gerade an der Kasse stand und sich mit Andrew, dem Besitzer der Buchhandlung, unterhielt. Andrew bemerkte Jean-Luc und winkte ihm zu, die Kundin drehte sich ebenfalls kurz um.

Jean-Luc verschlug es den Atem. Die Augen der Fremden waren unglaublich. Beinahe so grün wie die ersten Blätter im Frühling, ihr Gesicht eingerahmt von roten Locken, die ihr bis auf die Schultern fielen. Sie trug ein weißes Kleid mit hellgrünem Blumenmuster und hatte eine wirklich tolle Figur. Um ihre Nasenspitze verteilte sich ein Meer aus Sommersprossen. Sie sah aus wie der Frühling persönlich. Und ihr Lächeln berührte irgendetwas tief in seinem Inneren. Vielleicht sollte er sie einladen. Einfach so.

Kapitel 2

Isobel

Isobel stand da und sah den fremden Mann an, der soeben ins Geschäft gekommen war. Er hatte tiefblaue Augen, ein kantiges Gesicht und dichtes, schokoladenbraunes Haar, das modisch geschnitten war. Er trug keinen Bart, aber ganz leicht zeichnete sich ein feiner Schatten von Stoppeln auf seinen Wangen und seinem Kinn ab. Das Faszinierendste an ihm war aber mit Sicherheit sein Lächeln. Isobels Herz stolperte, als er sie nicht aus den Augen ließ und ein paar Schritte auf sie zukam. Der Blick des Fremden glitt nicht wie bei anderen Männern über ihren Körper, sondern ruhte auf ihrem Gesicht. Sein Lächeln schien von ganz alleine noch strahlender und herzlicher zu werden.

In diesem Moment fühlte sich Isobel wie verzaubert, ihre Beine wollten tanzen, ihr Herz wollte singen und sie wollte nichts lieber, als die Stimme dieses Fremden hören. Dann klingelte ein Telefon. Der Mann zuckte zusammen und sah sich suchend um, als hätte er vergessen, wo er war. Mit einer geübten Bewegung holte er sein Handy aus der Tasche, warf einen Blick aufs Display und verließ fluchtartig das Geschäft.

»Was war denn das?«, fragte Andrew. Als sich Isobel zu ihm umdrehte, grinste er breit.

»Vielleicht kommt er später noch mal wieder«, murmelte Isobel.

»Ganz sicher. Er wird dich suchen.«

Isobel nickte erst, dann schüttelte sie irritiert den Kopf. Warum sollte dieser fremde Mann sie suchen?

Wenig später saß Isobel Tante Vivienne gegenüber, die sie zum späten Lunch in das Restaurant Jacques entführt hatte. Ihr Parfum ließ Isobels Augen tränen.

»Du siehst anders aus«, sagte Tante Vivienne plötzlich und begutachtete sie noch eine Weile. Isobel versuchte verzweifelt, das glückliche Lächeln zu verbergen, welches sie seit der merkwürdigen Begegnung mit diesem Fremden in der Buchhandlung begleitete. Isobel konnte das Bild einfach nicht loswerden. Vielleicht kam er öfter in den Laden.

»Hast du eine neue Gesichtscreme?«, fragte Tante Vivienne, nachdem sie ihre Begutachtung beendet hatte.

»Nein.« Isobel lachte. »Es ist einfach ein schöner Tag, und ich habe wieder zwei Postkarten von verliebten Paaren erhalten, die wir zusammengebracht haben.«

Tante Vivienne winkte ab. »Diese Post gibt es doch ständig, normalerweise beflügelt dich das nicht so. Ach, was soll’s. Du glaubst nicht, was Antoinette heute Vormittag erlebt hat …«

Zum Glück kam in diesem Moment ein Kellner und brachte die Vorspeisen. Tante Vivienne lächelte ihn an und wünschte Isobel einen guten Appetit, dann begann sie zu essen und eine wohltuende Stille senkte sich über den Tisch mit der weißen Tischdecke. Isobels Gedanken wanderten wieder in den Buchladen. Zu schade, dass sie seine Stimme nicht richtig gehört hatte. Um das Gespräch anzunehmen, war er sofort aus dem Laden geeilt. Er hatte mit Sicherheit eine wunderbare Stimme. Es war das erste Mal, dass sie ihn in diesem Geschäft gesehen hatte, dabei ging sie regelmäßig dorthin. Am Ende war es doch Schicksal, wer wusste das schon?

Als Isobel die letzte Kirschtomate auf ihre Gabel spießte, schnipste Tante Vivienne mit den Fingern. »Du hast jemanden kennengelernt!«, rief sie triumphierend.

Isobel verschluckte sich beinahe. »Was?«, fragte sie erschrocken.

»Du strahlst so. Das liegt an einem Mann! Sag mir, dass ich recht habe!«

Es hatte keinen Sinn, es zu verheimlichen. Tante Vivienne würde das Thema nicht ruhen lassen, und vielleicht würde sie dann endlich aufhören, ständig irgendwelche Vorschläge zu machen, mit wem Isobel sich treffen sollte. Aber von kennenlernen konnte natürlich keine Rede sein. »Ich habe einen Mann gesehen, der mir sehr gut gefiel«, korrigierte Isobel.

»Oh, wie wunderbar! Wie heißt er denn? Was macht er beruflich? Wie alt ist er? Welches Sternzeichen …«

Isobel legte das Besteck auf ihren Teller und lehnte sich zurück, um einen Schluck Wein zu trinken. Als ihrer Tante endlich keine Fragen mehr einfielen, lächelte sie höflich. »Ich habe nicht mit ihm gesprochen.«

Insgeheim war Isobel sogar ein wenig froh darüber, weil sie ihren Gefühlen in jenem Moment dort in ihrem Lieblingsbuchladen überhaupt nicht mehr getraut hatte. Ihr merkwürdiges Verhalten war sogar Andrew aufgefallen. Aber Isobel hatte so getan, als wäre nichts gewesen, und hatte sich von Andrew ein Buch empfehlen lassen, in dem es um möglichst wenig Liebe ging, stattdessen um ein mysteriöses Familiengeheimnis an der stürmischen Küste Irlands.

»Warum nicht, um Himmels willen? Natürlich sollte er den ersten Schritt tun, aber dazu wirst du ihn doch bringen können. Du wirst doch auch nicht jünger, meine Liebe! In deinem Alter waren Bernard und ich schon längst verheiratet. Ich war schon mit Marie schwanger, meine Güte, ist das lange her.« Tante Vivienne fächelte sich ein wenig Luft zu und nahm einen Schluck Wasser.

»Er musste weg, bevor ich die Gelegenheit hatte.« Isobel senkte die Stimme. »Aber du glaubst nicht, wer vorhin in der Agentur angerufen hat: Clara John.«

»Was? Oh, das ist ja aufregend! Ich hatte schon gelesen, dass sie sich von ihrem Mann getrennt hat. Aber ist das nicht ein wenig früh, schon nach einem neuen Partner zu suchen?«

»Du weißt doch, wie das ist. Die beiden sind schon seit einem Jahr getrennt. Aber erst jetzt kommen sie dazu, ihre Ferienhäuser zu verkaufen. Das ist der Grund, warum es überhaupt an die Presse gelangt ist. Dieses Mal möchte sie kein Risiko eingehen und jemanden kennenlernen, der zu ihr passt. Wir wurden ihr empfohlen.«

Isobel gratulierte sich zu diesem gekonnten Themenwechsel. Dass Tante Vivienne Klatsch und Tratsch nicht widerstehen konnte, kam ihr immer wieder zugute. Für den Rest des Mittagessens war die geheimnisvolle Begegnung vergessen. Zumindest Tante Vivienne hatte sie vergessen, Isobel nicht. Später würde sie alles mit ihrer besten Freundin Sophie besprechen. Die wusste meist Rat und war weniger neugierig als ihre Tante.

Kapitel 3

Jean-Luc

Sogar jetzt, als Jean-Luc vor der Rue Parisienne stand und auf die jungen Blätter des Oleanders sah, musste er noch einmal an die Augen der geheimnisvollen Fremden denken. Leider hatte sich die Gelegenheit für ein Gespräch nicht ergeben wegen des Anrufs von Clara Johns Agentin. Zu schade, vielleicht sollte er später noch einmal zu der Buchhandlung gehen, um zu sehen, ob sie öfter dort hinkam?

Jean-Luc korrigierte den Sitz seiner Krawatte und strich sein Jackett glatt. Er überprüfte sein Äußeres im Seitenspiegel von Francines kleinem Fiat 500 und sah sich um. Das zweite Auto in der Auffahrt der Rue Parisienne 23 war ein silberner Mercedes. Jean-Luc kannte das Haus nur vom Exposé, die Abnahme hatte damals ein Kollege gemacht.

Er schirmte seine Augen mit einer Hand ab und sah an der natursteinernen Fassade empor. Beinahe erinnerte ihn das Haus an eins der urgemütlichen Urlaubscottages in Cornwall. Dort war er früher einige Male mit Jeanette hingefahren, bevor sie auf die aberwitzige Idee gekommen war, ihm einen Heiratsantrag zu machen. Sie waren noch nicht einmal fünfundzwanzig gewesen, aber selbst da hatte Jean-Luc schon bemerkt, dass es beinahe so viele Scheidungen in dem Bekanntenkreis seiner Eltern gab, wie Hochzeitseinladungen ins Haus trudelten. Letztere stapelten sich im Laufe des Jahres auf dem kleinen Beistelltischchen im Arbeitszimmer, schließlich waren sowohl seine Mutter als auch deren dritter Ehemann nicht gerade unbekannt in Paris. Natürlich hätte er Jeanette heiraten können, aber wozu? Er hatte keine Lust, sein ganzes Geld für eine Scheidung auszugeben. Jeanette hatte ihm vorgeworfen, unromantisch zu sein, und nach seinem deutlichen Nein hatte sie sich von ihm getrennt. Was wohl bewies, dass die Ehe ebenso wenig gehalten hätte. Bei dem kleinsten Problem alles hinschmeißen, das war wohl heutzutage die Art, mit so etwas umzugehen. Mittlerweile war Jeanette schon zwei Jahre verheiratet. Ein paar Jahre als Ehefrau hatte sie sicher noch vor sich. Schließlich dauerte die durchschnittliche Ehe neuneinhalb Jahre, laut Jean-Lucs Mutter.

Ein leises Lachen erklang aus dem Garten, und Jean-Luc ging zielstrebig darauf zu. Francine war wirklich die beste Assistentin, die man haben konnte. Sie verstand es, jeden mit ihrem Charme einzulullen, wusste immer wieder neue Geschichten über die Gegend zu erzählen, und über die Häuser, die sie vermittelten. Nie hatte Jean-Luc gefragt, ob die Geschichten der Wahrheit entsprachen, aber vielleicht war das ohnehin egal. Erst als Jean-Luc den kleinen schmiedeeisernen Tisch beinahe erreicht hatte, bemerkte Francine ihn und nickte ihm zu.

»Entschuldigen Sie bitte die Verspätung.« Jean-Luc lächelte sein Gewinnerlächeln und stutzte kurz. Er hatte vermutet, dass sich ein Ehepaar für das Haus interessieren würde. Doch neben Francine standen zwei Frauen. Und eine davon war … die schöne Unbekannte aus dem Buchladen!

Francine stellte ihm zuerst die elegant gekleidete Frau mit angesagtem Kurzhaarschnitt als Madame Toulouse vor. Jean-Luc musste sich zusammenreißen, sie auch wirklich anzusehen und seine Hand nicht allzu schnell wieder wegzuziehen, denn ihre Begleitung interessierte ihn natürlich viel mehr.

»Und dies ist Mademoiselle Rain«, sagte Francine. Endlich konnte sich Jean-Luc ihr widmen, der Frau, die vor wenigen Stunden seinen Kopf verdreht hatte.

»Guten Tag. Isobel Rain«, sagte sie, und ein feines Lächeln umspielte ihre vollen Lippen. Dieser Akzent! Jean-Luc war hingerissen, ihr Händedruck war fest und trotzdem spürte er, wie zart ihre Hände waren. Was machte sie wohl beruflich? Mademoiselle Rain.

Jean-Luc lächelte. »Enchanté. Jean-Luc Chevalier, wir hatten bereits kurz das Vergnügen. Ziehen Sie gemeinsam ein?«

Isobel lachte ein perlendes, herzliches Lachen. »O nein, ich begleite Sophie nur, da ihr Mann leider verhindert ist. Ihr Name, pardon. Hat Ihre Familie etwas mit Pferdezucht zu tun?«

»O nein!« Jean-Luc hob abwehrend die Hände. »Soweit ich weiß, war meine Familie immer schon in der Immobilienbranche tätig. Und Häuser mit angebauten Stallungen haben wir nur sehr selten im Programm. Selbst dann bekäme ich die zukünftigen Bewohner der Ställe vermutlich nicht zu sehen.« Er lächelte. »Mögen Sie Pferde?«

Isobel nickte und machte einen verwirrten Eindruck. Er redete zu viel. »Am liebsten freilaufende«, sagte sie dann und fand ihr Lächeln wieder.

»Ah, Sie müssen unbedingt in die Camargue. Darf ich fragen, woher Sie stammen? Sie haben so einen entzückenden Akzent. England?«

Isobel nickte. »London«, sagte sie zeitgleich mit ihm.

»Ich war ein paarmal dort«, erklärte er. »Eine schöne Stadt in einem hübschen Land, auch wenn man im Allgemeinen ja nicht behaupten kann, dass Franzosen und Engländer die besten Freunde sind, aber ich halte nichts von Vorurteilen.«

Erst als Francine sich räusperte, fiel Jean-Luc auf, dass er Isobels Hand noch immer festhielt, obwohl er eigentlich etwas anderes zu tun hatte. Nämlich ein Haus zeigen. Jean-Luc seufzte innerlich über sein leicht entflammbares Herz, ließ Isobels Hand los, konnte sich aber nicht davon abhalten, ihr zuzuzwinkern. Das ging ja gut los. Mon Dieu, er war doch sonst nicht so anfällig für den Charme schöner Frauen. Nicht so, dass er nicht mehr klar denken konnte.

Er war froh um Francines Begleitung und bat Madame Toulouse und Isobel endlich ins Haus. Jean-Luc fielen bei weitem nicht so viele Verkaufsargumente ein wie sonst, aber das schien egal zu sein, wenn er die leuchtenden Augen von Madame Toulouse betrachtete. Sie erzählte bereits von ihren Plänen für einen Rosengarten und beschrieb ihre neuen Gardinen. Jean-Luc erkannte mit einem Blick, dass sie sich bereits in das Haus verliebt hatte. Ein Wunder war es nicht, selbst Jean-Luc bezauberten Francines Erzählungen jedes Mal. Man begann in den Räumen die früheren Bewohner zu sehen, wie sie miteinander scherzten, ein neues Bild aufhängten oder ein duftendes Abendessen in der Küche zubereiteten.

Wie beinahe alle Häuser, die sie verkauften, war auch die Rue Parisienne 23 von ihrem Immobilienbüro mit Möbeln eingerichtet worden. Die Verkaufsquote von eingerichteten Häusern war einfach viel höher als die von leeren Häusern. Da lohnten sich die Kosten für den Umzugswagen allemal, der die Möbel von einem Haus zum anderen brachte.

Isobel stand ein paar Schritte entfernt und bewunderte ebenfalls den Ausblick aus den Fenstern. Vom Schlafzimmer aus sah man sogar einen schmalen Streifen dunkelblaues Meer und darüber den blauen Himmel. Aus den anderen Fenstern konnte man über die Dächer der Stadt sehen oder direkt in den Garten, mitten auf eine üppig blühende Bougainvillea. Jean-Luc war beinahe traurig, dass Isobel so versunken schien. Ihre Blicke trafen sich mehrere Male, aber die meiste Zeit bewunderte sie einfach nur das Haus und half ihrer Freundin bei den Entscheidungen. Ob der große Esstisch möglicherweise in das Esszimmer passen könnte, wenn gleichzeitig noch die Anrichte darin stünde?

Jean-Luc biss sich auf die Zunge, bevor er Isobel ansprach. Es gehörte sich nicht, auf einem Geschäftstermin eine private Verabredung zu treffen, aber Jean-Luc wollte diese Frau unbedingt noch einmal wiedersehen, sich in Ruhe mit ihr unterhalten. Er würde einfach wieder in die Buchhandlung gehen müssen. So lange, bis Isobel dort wieder auftauchte. Sie war doch Engländerin, vielleicht kam sie wirklich öfter vorbei. Er hoffte nur, dass sie keine Touristin war und nächste Woche wieder abfahren würde. Danach hatte er dummerweise nicht gefragt, aber jetzt ging es nicht mehr. Madame Toulouse stellte viele wohlüberlegte Fragen, und Jean-Luc musste hin und wieder in seinen Unterlagen nachsehen, um sie zu beantworten.

»Vielen Dank«, sagte Madame Toulouse, als sie wieder im Garten standen. »Es hat mir wirklich gut gefallen. Ich werde meinem Mann alles haarklein berichten, und dann melden wir uns bei Ihnen.«

»Sehr gerne, melden Sie sich jederzeit. Aber zögern Sie nicht zu lange, wir haben noch weitere Interessenten.« Jean-Luc und Francine verabschiedeten sich von Madame Toulouse und Isobel mit einem Handschlag.

»Ein wirklich schönes Haus«, sagte Isobel und sah Jean-Luc einen Moment tief in die Augen, dann schaute sie weg.

Jean-Luc und Francine brachten die beiden noch vors Haus. Leider sagte auch Isobel nichts dazu, ob sie sich noch einmal wiedersehen würden. Sie warf ihm einen letzten Blick zu und stieg dann auf der Beifahrerseite in den silbernen Mercedes. Die beiden waren um die nächste Kurve verschwunden, bevor Jean-Luc blinzeln konnte.

»Und?«, fragte Francine.

Jean-Luc zuckte zusammen. »Nett«, sagte er.

»Was? Ich meine, was denkst du? Nimmt sie das Haus? Ich würde meine neuen Schuhe darauf verwetten.«

»Ach so. Ja, doch, ich glaube auch.« Jean-Lucs Wangen wurden immer heißer unter Francines prüfendem Blick, aber sie sagte nichts weiter.

Abends schlug Jean-Luc wieder den Weg ein, der an Andrews Buchladen vorbeiführte. Er ging kurz hinein, um einen Reiseführer über Cornwall zu erstehen, den er angeblich für seine Kollegin besorgen sollte, und sah sich verstohlen um. Isobel war nicht im Laden. Natürlich nicht. Warum sollte sie auch mehrmals am Tag hierher kommen? Sie hatten sich bereits zweimal heute getroffen, das war mehr, als man erwarten konnte.

»Sie ist öfter hier. Meistens mittags.« Andrew zwinkerte ihm zu und steckte den Reiseführer in eine kleine Papiertüte.

Normalerweise hätte Jean-Luc sich verteidigt und gesagt, dass Isobel ihn nicht interessiere, aber es wäre eine zu große Lüge gewesen. Und was war schon dabei? Er wollte sie lediglich wiedersehen und mit ihr ausgehen. Er musste sie ja nicht gleich heiraten.

Kapitel 4

Isobel

Erst am dritten Tag hatte Isobel Glück. Sie sagte sich mehrmals, dass es nur daran lag, dass sie dringend noch ein Buch brauchte und sich das Buch ansehen wollte, das ihr Sophie neulich empfohlen hatte. Doch eigentlich wusste sie ganz genau, was sie hoffte, in dem Buchladen zu finden oder genauer gesagt, wen: Jean-Luc. Nur, um noch einmal seine Stimme zu hören. Das war alles. Vielleicht würden sie auf einen Drink ausgehen. Isobel war nicht einsam, jedenfalls eigentlich nicht. Aber seitdem sie ihn gesehen hatte, galoppierten ihre Gedanken viel zu oft zu romantischen Sonnenuntergängen am Strand, zu gemeinsam erlebten Kinofilmen, zu Plauderstunden im Café. Ja, manchmal fehlte Isobel all das doch. Natürlich konnte sie auch mit Sophie ins Kino gehen, aber seitdem ihre Freundin nach einem Haus suchte und ständig nach neuen Möbeln Ausschau hielt, hatte sie kaum noch Zeit.

Und wenn Isobel ganz ehrlich war, war da noch etwas anderes. Sie sehnte sich schon ein wenig danach, ihre weibliche Seite mehr auszuleben, wollte nicht ständig nur von Fremden wegen ihres gegenüber den Französinnen exotischen Aussehens angeflirtet werden, sondern um ihretwillen. Ja, vermutlich war es genau das. Sie wollte nur ein bisschen Bestätigung, ein bisschen Zweisamkeit, um manche Dinge gemütlich gemeinsam zu genießen. Ein Bad im Meer, einen Spaziergang durch einen Pinienwald, einen abendlichen Stadtbummel. Das Testament von Onkel Bernard schob Isobel wie so oft in Gedanken beiseite. Es reichte schon, dass Tante Vivienne sie ständig daran erinnerte.

»Bonsoir, Mademoiselle Rain.« Die Stimme jagte Isobel einen Schauer Glück über den Rücken, und bevor sie sich umdrehte, wusste sie, dass es Jean-Luc war. Sie klappte das Buch zu, in dem sie gerade gelesen hatte, und sah auf. Er trat neben sie, hatte ebenfalls ein Buch in den Händen.

»Sie sind exzentrisch«, sagte sie mit einem Lächeln. »Das mag ich bei Menschen.«

Als er sie verständnislos ansah, deutete sie auf das Buch. »Sie lesen gerne auf dem Kopf. Damit die grauen Zellen nicht verrosten, n’est-ce pas?«

Nun musste er auch lachen. »Erwischt. Sie sollten es auch einmal probieren!«

Isobel lachte und drehte ihr Buch ebenfalls falsch herum. »Das ist gar nicht so leicht, ich sehe schon den Charme daran.« Sie stellte das Buch zurück ins Regal und ergriff seine Hand.

»Enchanté. Es ist schön, Sie wiederzusehen, Miss Rain.«

»Isobel reicht, Monsieur Chevalier.«

»Jean-Luc reicht auch.« Er zwinkerte ihr ganz leicht zu, so dass Isobel sich nicht sicher war, ob sie sich nicht verguckt hatte. »Machen Sie Urlaub hier?«

»Nein, ich wohne hier in Antibes, schon seit drei Jahren. Es ist wunderschön, und man kann nicht abstreiten, dass das Wetter besser ist als in London.« Isobel wunderte sich, dass sie vernünftige Sätze zustande brachte. Jean-Luc verwirrte sie irgendwie, und das kannte sie von sich überhaupt nicht. Wenn er sich bewegte, roch sie sein Aftershave, und sogar das gefiel ihr. Als sie beide bemerkten, dass der andere nichts mehr sagte, und sie sich einfach nur ansahen, mussten sie lachen.

Kapitel 5

Isobel

Sie unterhielten sich über Bücher und das Wetter, die hübschen Häuser in der Stadt, bis sich Andrew räusperte.

»Oh, ist es schon so spät?«, fragte Isobel erschrocken.

»Oui. Die Zeit ist viel zu schnell vergangen«, sagte Jean-Luc mit einem charmanten Lächeln, bei dem seine Augen ein bisschen schelmisch glitzerten. »Wir dürfen Andrew nicht länger von seinem wohlverdienten Feierabend abhalten.«

Isobel nickte, aber sie war ein wenig traurig, dass sich ihre Wege nun trennen würden. An der Tür verbeugte sich Jean-Luc leicht und ließ ihr den Vortritt. Fast meinte Isobel, seinen warmen Blick auf ihrem Rücken zu spüren. Sie lächelte, aber sie drehte sich nicht um. »Gute Nacht, Andrew, entschuldige, dass wir dich so lange aufgehalten haben.«

»Bonne nuit«, sagte auch Jean-Luc und hielt ihr die Tür auf.

Draußen standen sie einen Moment nebeneinander, als ob sie den Abschied nicht wahrhaben wollten.

»Würden Sie mich noch auf ein Glas Wein begleiten? Ins Le Café Jardin?«, fragte Jean-Luc in die Stille hinein und lächelte ein so umwerfendes Lächeln, dass Isobel kaum darüber nachdachte und sofort ja sagte.

Was war schon dabei? Sie musste sich wirklich langsam von dem Traum lösen, dass es den Einen irgendwo da draußen für sie gab. Vielleicht würde sie ihn gar nicht rechtzeitig erkennen oder er war längst mit einer anderen verheiratet. Jean-Luc gefiel ihr, er war charmant und es machte Spaß, sich mit ihm zu unterhalten. Auch jetzt, wo sie nebeneinanderher schlenderten, fanden sie leicht wieder in ein Gespräch, die Befangenheit des Moments war vergessen. Jean-Luc erzählte ein paar amüsante Anekdoten von seinen Hausbesichtigungen.

»Verkaufen Sie auch Häuser von den Reichen und Schönen?«, fragte Isobel interessiert. Sie las selten die Klatschzeitschriften, die ihre Tante so liebte, aber Isobel hatte eine Schwäche für Filme.

»Oh, bien sûr!«, sagte Jean-Luc und erzählte von seiner ersten Begegnung mit einer berühmten Schauspielerin, die eine Sommervilla kaufen wollte. »Vermutlich schon ihre zweite oder dritte, sie erwähnte so etwas. Kennen Sie diesen Liebesfilm? Er spielt in London und ist, glaube ich, nach einem Stadtteil benannt. Sie spielt eine berühmte Schauspielerin, und er besitzt einen Buchladen, so einen wie unser Andrew.«

»Notting Hill!«, rief Isobel aus. »Sie haben eine Villa an Julia Roberts verkauft? Wie aufregend! Wie ist sie denn so?«

»Wirklich sehr charmant, ihr Lächeln ist beinahe so ansteckend wie das von Ihnen.« Er lächelte für einen Moment etwas unsicher, aber Isobel strahlte ihn einfach an.

Heute Abend würde sie die Zeit mit diesem interessanten Mann genießen, der selbst mit seinen Blicken ständig Komplimente machte. Normalerweise fiel es ihr schwer, Komplimente zu glauben, aber bei Jean-Luc war es anders. Er wirkte so aufrichtig, dass es einfach keine Masche sein konnte.

»Voilà«, sagte er. »Wir sind da. Kennen Sie dieses Restaurant?«

»Nein, bisher nicht.« Isobel sah sich um. In dem Restaurant war es ein wenig düster, aber Jean-Luc führte sie durch die Reihen von kleinen Tischen. Seine Hand lag warm auf ihrem Rücken, und Isobel konnte gar nicht mehr aufhören zu lächeln. Du alte Romantikerin!, schalt sie sich, aber sie fühlte sich einfach wunderbar.