Dorian Hunter 52 - Horror-Serie - Hivar Kelasker - E-Book

Dorian Hunter 52 - Horror-Serie E-Book

Hivar Kelasker

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Beschreibung

Coco Zamis ist nach der Entbindung wohlbehalten in die Jugendstilvilla zurückgekehrt. Olivaro hat eine erneute und wahrscheinlich endgültige Niederlage erlitten.
Und doch quälen Dorian Hunter Zweifel. Hat Coco die richtige Entscheidung gefällt, indem sie ihr gemeinsames Kind an einen geheimen Ort gebracht hat, den nicht einmal der Dämonenkiller kennt?
Zunächst einmal jedoch muss Dorian seine Aufmerksamkeit nach Frankreich richten. Auf ein Weingut, dessen Besitzer Pierre Lacroix die Aufmerksamkeit von Trevor Sullivans Agentur erregt hat. Ist Lacroix ein Vampir? Jedenfalls ereignen sich rund um das Weingut seltsame Todesfälle, und auch der dunkelrote Inhalt der Flaschen, die Lacroix in alle Welt verschickt, scheint von einer ganz und gar eigentümlichen Beschaffenheit zu sein ...


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Seitenzahl: 133

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah

DIE SKLAVIN DES VAMPIRS

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

mystery-press

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Mark Freier

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9896-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen. Unterstützung in seinem Kampf erhält er zunächst durch den englischen Secret Service, der auf Hunters Wirken hin die Inquisitionsabteilung gründete.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

In der Folge beginnt Dorian die Dämonen auf eigene Faust zu jagen. Als die Erfolge ausbleiben, gerät Trevor Sullivan, der Leiter der Inquisitionsabteilung, unter Druck. Die Abteilung wird aufgelöst. Hunter bleibt nur sein engstes Umfeld: die junge Hexe Coco Zamis, die selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor; weiterhin der Hermaphrodit Phillip, der weder Mann noch Frau ist und dessen hellseherische Fähigkeiten ihn zu einem lebenden Orakel machen – sowie die Ex-Mitarbeiter des Secret Service Marvin Cohen und Donald Chapman. Letzterer wurde bei einer dämonischen Attacke auf Zwergengröße geschrumpft.

Trotz der Rückschläge gelingt es Dorian, Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, zu vernichten. Doch mit Olivaro steht schon ein Nachfolger bereit, der in der Vergangenheit keinerlei Skrupel hatte, sogar mit Dorian zusammenzuarbeiten, wenn es seinen Interessen diente. So hat Olivaro auch Coco Zamis auf seine Seite gezwungen. Das Kind, das sie unter dem Herzen trägt, stammt jedoch von Dorian Hunter!

Dem Dämonenkiller gelingt es, Coco zu befreien. Nach einer Flucht um den halben Erdball kehren beide endlich nach London zurück. Aber die Dämonen bereiten schon die nächste Falle vor, denn nach Olivaros Kapitulation ist jenes Bündnis, das Dorian mit den Oppositionsdämonen geschmiedet hat, beendet. Einem Angriff, der von Dorians Bruder, dem Freak Jerome Hewitt, initiiert wird, fallen Marvin Cohen und Lilian Hunter zum Opfer. Daraufhin erfüllt Dorian Hewitt dessen größten Wunsch und tötet ihn. Coco bringt ihr Kind sicher zur Welt, doch aus Angst vor weiteren Attacken versteckt sie es an einem Ort, den sie nicht einmal dem Dämonenkiller verrät ...

DIE SKLAVIN DES VAMPIRS

von Hivar Kelasker

Eine herrliche Nacht, dachte Pierre, eine herrliche, kalte Novembernacht.

Über den Hügeln standen starr und riesig die Sterne. Die Sichel des zunehmenden Mondes schob sich über die Weinberge. Die wenigen Lichter in den verstreut liegenden Häusern und Weingütern leuchteten gelb und anheimelnd. Der Wind hatte sich gelegt. Als Pierre die Hand ausstreckte, um den schweren, rostigen Riegel zurückzuschieben, wehte ihm warme Luft entgegen; sie roch gut, leicht säuerlich und nach Wein.

Pierre schob den ersten, dann den zweiten Riegel zur Seite. Das Eisen kreischte wie eine verdammte Seele. Jedem anderen wäre es nicht einmal im Vollrausch eingefallen, diesen Ort in der Nacht zu besuchen, aber Pierre fürchtete sich nicht vor den riesigen, bemoosten Quadern, den Ruinen der einstigen Mühle und den riesigen Kellerräumen, die als Spitzbogen-Labyrinth unter dem langgestreckten Hügel seines Weinberges lagen; sie waren älter als zwölfhundert Jahre.

1. Kapitel

Pierre öffnete das Vorhängeschloss und ließ den Schlüsselbund stecken. Wer sollte hier in Poitou-Re schon in einen Weinkeller eindringen? Eine Lampe, mit Fliegendreck überkrustet, flackerte auf. Pierre zog die schwere Tür wieder zu, sicherte sie und drehte an einem zweiten Schalter. An zwanzig verschiedenen Stellen erhellten matte Birnen einen Teil der großen Halle mit ihrem gotischen Kreuzgewölbe. Spinnennetze und die ledernen Mumien von kleinen Fledermäusen hingen vor den Lampen.

Pierre ging zwischen Fässern und Flaschenbatterien, Holztischen und Flaschengestellen in die Tiefen der dämmerigen Halle. Der Geruch wurde stärker. Er vermischte sich mit dem Modergeruch und dem Geruch faulenden Holzes. Unter der kleinen Pumpe hatte sich eine Weinlache gebildet, und auch aus dem Ende des Schlauches war Wein rausgelaufen.

Er kicherte leise, grinste den Tank an. Was in diesem Tank war, ging nur ihn etwas an; und vielleicht noch Ingrid, seine Frau. Auf keinen Fall aber die Winzergenossenschaft oder gar die Steuer. Es war billigster italienischer Rotwein, allerdings Wein aus Trauben, nicht aus irgendwelchen chemischen Absonderlichkeiten.

Er blieb stehen und überlegte, wie viel er von dem Wein mischen sollte. Er war kein großer Winzer. Aber seine Rotweine hatten viele Freunde, hauptsächlich in den Vereinigten Staaten. Es waren gute Weine, ohne berühmte, klingende Namen, aber nicht billig und wohlbekannt in Kreisen, die einen guten Preis zahlen konnten. In einer Woche muss ich nach Clermont-Ferrand, dachte er und fing an, seinen Rotwein mit dem billigen aus Italien zu verschneiden. Er probierte, mischte in verschiedenen Verhältnissen, fügte unbestimmbare Flüssigkeiten hinzu und bekam langsam einen aromatischen Wein. Die Flaschen und die Etiketten waren schon fertig. Morgen oder übermorgen würde er abfüllen können.

Auf einmal wurde er unruhig. Er hob den Kopf, lauschte und ging schließlich, die große Lampe in der Hand, zum Tor zurück, stieß es auf und leuchtete die Umgebung des kleinen Platzes ab; aber er sah nur die zerborstenen Mühlräder zwischen den Brennnesseln, die alten Balken und die schwarzen, dürren Äste der alten Bäume, die sich wie Greisenfinger gen Himmel reckten. In der Ferne, wahrscheinlich bei Clarente, heulte schauerlich ein Hund und schwieg dann plötzlich.

»Ich sehe schon Gespenster«, brummelte er und ging wieder zurück. Aber seine Unruhe nahm zu, je länger er in dem altbekannten Gewölbe war. Schließlich, eine Stunde später, hielt er es nicht mehr aus.

»Hier ist etwas«, knurrte er, schaltete die Lampe wieder ein, ging tiefer in das Kreuzgewölbe hinein, leuchtete unter die Tische, hinter die Tische, stieß eine Eisenstange in den Scherbenhaufen, rüttelte an den Säcken mit den Korken. Nichts. Nur ein paar Mäuse rannten pfeifend davon.

»Verdammt!«

Natürlich kannte er seine Gewölbe. Und es gab auch keinen unbekannten zweiten Eingang. Er ging weiter, leuchtete sorgfältig die Wände ab und versprach sich selbst zum tausendsten Mal, irgendwann vor der nächsten Lese das Gemäuer weiß anstreichen oder kalken zu lassen; es war zu finster und zu schmutzig hier. Er kam an das Ende des ersten Nebengebäudes, das wie der Zinken einer Gabel vom großen Gewölbe abzweigte. Hier war aller Verputz abgefallen, Schwamm wucherte an den Steinfugen, und plötzlich wusste er, was ihn gestört hatte. Er erkannte die Blume und das Aroma eines Weins. Und hier roch es nach einem Jahrhundertwein.

Blödsinn! Es gibt keinen solchen Wein hier bei Pierre Lacroix, sagte er sich und ging weiter. Vor ihm war jetzt die Wand aus roten Ziegeln. Sie war wohl zur Zeit seines Vaters zugemauert worden. Und dann sah er es. Blut? Nein. Rotwein.

Zwischen den Ziegeln sickerte in Brusthöhe eine dunkelrote Flüssigkeit heraus. In einzelnen dünnen Rinnsalen tropfte und lief sie durch die Fugen, sammelte sich unter einer Kante und tropfte in einen Eimer, der seit einem Jahrzehnt oder seit Kriegsende hier stehen mochte. Der Eimer war voll. Ein haarfeiner Strahl lief über den Rand und versickerte im Lehm und Steinboden des Gewölbes.

Pierre leckte seinen Zeigefinger ab, steckte ihn in den Eimer und wurde von dem Geruch überwältigt, als er sich bückte. Als er den ersten Tropfen dieses Gebräus auf der Zunge spürte, wusste der Winzer eines ganz genau: Er hatte noch niemals einen solchen Wein gekostet. Und ganz sicher war, dass er diesen Wein – einen solchen dicken, berauschenden Wunderwein – nicht hergestellt hatte. Er musste von seinem Vater stammen.

Vor einigen Monaten hatte er in der Verbandszeitung gelesen, welche horrenden Preise für Weine aus diesen Jahren – allerdings mit einem besseren Namen als seinem – bei Versteigerungen erzielt worden waren.

Da muss ein Fass undicht geworden sein, sagte er sich. Er rannte zurück in das Hauptgewölbe, kam mit einem sauberen Probierglas zurück, schöpfte es vorsichtig halb voll, hob es gegen die Lampe, roch daran, kostete den Wein und ließ einen kleinen Schluck in seinem Mund herumrollen.

Der Jahrhundertwein musste alt sein, alt und hervorragend. Vergessen war das Weinpanschen. Vergessen war die Summe, die er sich ausgerechnet hatte. Jetzt musste er herausfinden, was hinter dieser Ziegelwand war. Er trank – diesen Moment gönnte er sich noch – das Probierglas langsam aus und atmete gierig und bewundernd das Aroma des Weines ein. Dann lief er, die Lampe in der Hand, hinaus und den gewundenen Weg entlang, zwischen den nackten Reben, den struppigen Büschen, in denen verlassene Vogelnester wie dicke Klumpen saßen, hindurch, bis hinauf in den Hof. Mit einem dumpfen Knall fiel die Tür hinter ihm zu. In seiner Aufregung vergaß er, die Lampe auszuschalten.

»Ingrid!«, schrie er. »Cherie! Komm schnell! Ich habe eine verrückte Sache entdeckt!«

Er hörte ihre Schritte auf der Treppe, die ins Schlafzimmer hinaufführte. Pierre wartete ungeduldig.

Mit einem Brecheisen schlug er einen Ziegel nach dem anderen aus der Wand. Ein Teil fiel leise polternd nach hinten, in den anderen Raum des Gewölbes. Rechts und links neben der hohen, schmalen Öffnung lagen zerbrochene Ziegel und roter Staub, der mit dem verschütteten Wein eine grau-blutige Paste bildete. Aus dem Loch in der Ziegelwand wehte ein eiskalter Hauch, der ihm den Duft dieses verteufelten Weines zutrug.

»Er muss von deinem Vater gemauert worden sein«, sagte Ingrid. »Warum hat er dir nichts von diesem Keller gesagt?«

»Keine Ahnung«, keuchte Pierre und hieb auf einen Stein ein, der sich knirschend lockerte und auf den Haufen krachte. »Vielleicht hat er es vergessen. Er war ja ein bisschen eigenartig zum Schluss.«

Ingrid trug ihren weißen Pullover und den dunkelroten Rock. Sie sah noch immer wie siebenundzwanzig aus. Jetzt, in der Aufregung, glühte ihr Gesicht, von schulterlangem, schwarzem Haar eingerahmt, wie das eines aufgeregten jungen Mädchens. Noch war die Öffnung nicht groß genug, um Pierre hindurchzulassen. Er kam ins Schwitzen, wurde wütender und ungeduldiger und schlug sich die Knöchel der Hand auf. Ingrid bückte sich, hob eine der beiden Lampen hoch und leuchtete die Kanten des Durchbruchs ab.

»Verdammt kalt dahinter«, bemerkte Pierre und sah, dass er sich hindurchzwängen konnte. »Gib mir die andere Lampe!«

Er schlug noch einige Steine ab, dann hob er den zweiten Scheinwerfer hoch und fasste Ingrid an der Schulter.

»Wenn wir diesen Wein verkaufen – Tausende, sag ich dir«, murmelte er. »Es muss ein Fass sein.«

Er leuchtete in den Raum dahinter. Der weiße Lichtkreis huschte über den staubigen Boden, erfasste Böcke, in denen uralte Fässer standen. Undeutlich sah Ingrid, die sich schwer auf Pierre lehnte, über seine Schultern in einen Gang, der in Kopfhöhe ein langgestrecktes Gewölbe umlief. Auch dort standen alte Fässer. Eines davon musste undicht geworden sein.

»Wein! Alles voller Wein!«, stöhnte Pierre auf und drehte sich um. Seine Augen leuchteten. Er fasste nach seiner Frau.

Sie presste sich kurz an ihn, aber dann sagte sie: »Lass das! Sehen wir nach! Da scheint ein wahrer Schatz versteckt worden zu sein.«

Zuerst drängte und schob sich Pierre durch den Spalt, dann streckte er eine Hand aus und packte Ingrids Finger. Er zog die Frau hinter sich her. Als sie die Lampe in die Höhe hielt, sahen sie erst die Ausdehnung des unbekannten Gewölbes.

»Ich verstehe das nicht«, sagte Pierre düster. Er begann zu zittern, nicht nur aus Aufregung, sondern auch aus Furcht.

»Was verstehst du nicht?«

»Dieses Gewölbe. Säulen, darüber ein umlaufender Gang und lauter Weinfässer. Keiner aus unserer Familie wusste etwas davon.«

Sie kicherte und antwortete gut gelaunt: »Das ist noch lange kein Grund zum Zittern, Pierre. Dort steht ein Fünfhundert-Liter-Fass. Wenn das voll ist ...«

Sie gingen zögernd ein paar Schritte weiter. Ihre Schritte waren unhörbar auf der dicken Staubschicht. Sie atmeten schwer. Die Luft war kalt und stickig. Es war ein unheimliches Gewölbe.

Plötzlich schrie Ingrid kreischend auf: »Ein Gerippe, Pierre!«

Sie leuchtete nach rechts. An einem dicken Strick hing ein Skelett zwischen den Vorderseiten zweier ovaler Fässer. Daneben lag ein Haufen Knochen. Der Schädel war nur zwei Meter von ihren Schuhen entfernt, und auf einem Fass sahen sie ein drittes Skelett.

»Es wird immer verrückter«, sagte Pierre leise.

Seine Stimme klang rau. Er hustete, aber es war nicht nur der Staub, der ihn dazu zwang. Die Skelette selbst jagten ihm keine Angst ein, aber ihr Vorhandensein war rätselhaft. Niemand durfte etwas davon erfahren. Eine Untersuchung würde ihn ruinieren, ins Gefängnis bringen. Und erst die Steuerstrafen! Er durfte gar nicht daran denken.

»Ich habe Angst«, flüsterte sie.

Er zog sie an sich. »Du brauchst keine Angst zu haben. Die Skelette tun dir nichts mehr.«

Eine winzige Erschütterung ließ das morsche Seil zu Staub zerfallen. Klappernd fiel das Skelett in sich zusammen. Die langen, weißen Knochen fielen zu Boden. Der Kopf rollte in Schlangenlinien auf Ingrid zu. Sie sprang in die Höhe. Auch Pierre machte einen schnellen Schritt vorwärts und zog sie mit sich. Der Schädel schlug gegen einen Holzbock und zerbrach in zwei Teile. Ingrid schüttelte sich und kreuzte die Arme vor der Brust.

Langsam ging Pierre weiter.

»Und was soll das sein? Ein Sarg?«, fragte er nach einigen Sekunden.

Die schwarzen Wände schienen seine Worte zu verschlucken.

»Ein Sarkophag«, erklärte Ingrid. »Ein alter, kostbarer Sarg.«

Eine längliche Kiste stand auf zwei breiten, schwarzen Steinsockeln. Als Pierre die Vorderkante berührte, merkte er, dass auch der Deckel aus Stein war, eine zwei Quadratmeter große Platte mit Scharnieren und kreuzförmigen Zeichen. Pierre war entschlossen, das Geheimnis zu lüften, trotz seiner Angst und des Grauens, das ihn schüttelte. Er lief zurück zum Loch in der Wand, holte die Brechstange, setzte sie in der Mitte an der Längsseite des Deckels an, fand einen Spalt, stellte die Lampe auf den Sargdeckel und benutzte die Stange als Hebel. Mit einem Geräusch, das das Blut in den Adern gefrieren ließ, bewegte sich die Platte. Als der Deckel halb über die Kanten gerutscht war, stellte Pierre die Lampe auf den Boden.

Ingrid stand fünf Meter vom Kopfende des Sarkophags entfernt. Pierre fasste noch einmal zu. Die Platte kippte langsam und schlug dann krachend auf den Steinboden.

Pierres Augen traten hervor, als er erkannte, was in dem Sarg lag. Zwischen den Füßen eines Mannes stand eine dicke, schwarze Kerze.

»Nein – Ingrid! Das ist ...«, stöhnte Pierre.

Seine Stimme versagte ihm. Die schwarze Kerze brannte. Sie brannte! Und es war kein Mann, der jetzt die Augen öffnete und sich zu bewegen begann. Es war ein haariges Ungeheuer, groß wie ein – wie ein Gorilla, mit einem Reptilschädel und großen, leuchtend roten Augen, zwei langgezogenen, spitzen Ohren und einem Horn auf der Stirn.

Pierres Gedanken wirbelten durcheinander.

Durch die Staubwolke kam Ingrid näher heran. Sie sah nur die Kerze und schlug die Hände vor den Mund.

Pierre würgte hervor: »Ein Ungeheuer. Das muss ein Scherz ...«

Es war kein Scherz. Vor Schreck erstarrt, sahen Pierre und Ingrid, wie sich das riesige, breitschultrige Ungeheuer bewegte. Ein Totenschädel, winzig wie der eines Kindes, baumelte an einer dicken Kette vor der Brust. Das Ungeheuer streckte seine Krallen aus, umklammerte den Rand des Sarkophags und zog sich in die Höhe. Die Kerze erlosch, als es sich aus dem Sarg schwang. Das Ungeheuer stöhnte wohlig auf – wie ein Mensch nach langem Schlaf. Dann lachte es laut und mit rostiger Stimme. Es breitete die Arme aus und ging schwankend auf Ingrid zu. Mit einem gierigen Grunzen stürzte es sich auf sie.

Ingrid warf die Lampe nach dem Ungeheuer, das das schwere Geschoss mit einem Prankenhieb zur Seite schleuderte. Das Licht erlosch augenblicklich. Ingrids Schreie erstickten.