Dorian Hunter 68 - Horror-Serie - Hivar Kelasker - E-Book

Dorian Hunter 68 - Horror-Serie E-Book

Hivar Kelasker

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der nackte Mann, der fünf Jahre, ohne Luft und Nahrung in einer Kältekammer verbracht hatte, blickte die Umstehenden an. »Sie müssen wissen, dass mein Geist und mein Verstand die ganze Zeit über hellwach waren. In gewisser Hinsicht war es grausam und qualvoll. Jedenfalls musste ich die ganze Zeit hindurch denken, denken und immer wieder denken. Ist jemand hier, der Ahnung von der großen weiten Welt hat?«
Iwan nickte dem Wachposten zu, der die Maschinenpistole in Anschlag brachte. Im selben Augenblick wurde dieser durch die Luft gewirbelt und an der Wand zerschmettert.
»Ich warne Sie alle«, sagte der nackte Mann ruhig, der keinen Finger gerührt hatte ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 123

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DER GRAUSAME GÖTZE

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen. Unterstützung in seinem Kampf erhält er zunächst durch den englischen Secret Service, der auf Hunters Wirken hin die Inquisitionsabteilung gründete.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

In der Folge beginnt Dorian die Dämonen auf eigene Faust zu jagen. Als die Erfolge ausbleiben, gerät Trevor Sullivan, der Leiter der Inquisitionsabteilung, unter Druck. Die Abteilung wird aufgelöst, und Sullivan gründet im Keller der Jugendstilvilla die Agentur Mystery Press, die Nachrichten über dämonische Aktivitäten aus aller Welt sammelt. Hunter bleibt nur sein engstes Umfeld: die junge Hexe Coco Zamis, die selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor; weiterhin der Hermaphrodit Phillip, dessen hellseherische Fähigkeiten ihn zu einem lebenden Orakel machen, sowie ein Ex-Mitarbeiter des Secret Service namens Donald Chapman, der bei einer dämonischen Attacke auf Zwergengröße geschrumpft wurde.

Trotz der Rückschläge gelingt es Dorian, Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, zu vernichten. Doch mit Olivaro steht schon ein Nachfolger bereit, der die schwangere Coco Zamis zur Rückkehr in die Schwarze Familie zwingt. Es gelingt Dorian, Coco zu retten. Nach einer Flucht um den halben Erdball bringt sie ihr Kind in London zur Welt, und Olivaro muss den Thron räumen.

Coco versteckt das Neugeborene an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält – und ihre Vorsicht ist berechtigt, da bald eine neue, »alte« Gegnerin auf sich aufmerksam macht, die Dorian aus seinem Leben als Georg Rudolf Speyer kennt: Hekate lockt den Dämonenkiller in ein lebensfeindliches, fantastisches Reich außerhalb der Realität, in dem er ihren Aufstieg zum neuen Oberhaupt der Schwarzen Familie erlebt. Mit knapper Not entkommt Dorian und kehrt nach London zurück. Um Abstand zu gewinnen, reist er gemeinsam mit Coco nach Antibes. Aber statt eines Urlaubs erwartet die beiden dort ein Rendezvous mit dem Sensenmann ...

DER GRAUSAME GÖTZE

von Hivar Kelasker

Die blutig rote Sonne, eine Handbreit über den schwarzen Baumsilhouetten, tauchte die hügelige Schneelandschaft in ein trübes Licht. Der Wind, der von Osten kam, winselte und heulte. Vor der Sonnenscheibe zeichneten sich die Hügel ab, von geheimnisvollen schwarzen Einschnitten getrennt.

Es war grauenhaft kalt; erfrorene Krähen lagen auf dem Schnee, der sich wie ein Leichentuch über die Landschaft im Kaukasus gebreitet hatte. Der Rauch, der aus den Kaminen der Häuser aufstieg, trieb in schrägen Fahnen davon. Der Himmel zeigte ein Grau, das die Menschen zermürbte und missmutig machte. Obwohl es erst später Nachmittag war, hatte man die Straßenbeleuchtung von Dormogorsk eingeschaltet. Der Wind, der in ungleichmäßigen Stößen kam, wehte knisternde Eiskristalle über die Straßen. Die Fensterscheiben waren weiß; überall rankten sich Eisblumen über das Glas.

Auf dem kleinen Flugplatz ertönte das tiefe Brummen eines Motors. Dann hörten die wenigen Menschen, die sich außerhalb der Häuser und der gedeckten Verbindungsgänge aufhielten, ein ratterndes Geräusch. Es wurde lauter und leiser.

1. Kapitel

Ein Schlepper näherte sich auf der Hauptstraße. Auf dem Schnee liefen die Raupenketten fast geräuschlos. Auf dem festgetretenen Eis der Hauptstraße – gesäumt von schwarzen Baumruinen, die ihre Finger in den grauen Schneehimmel reckten – ratterten die Ketten. Der Schlepper mit der großen silbern glänzenden Aluminiumkabine knirschte brummend und ratternd bis zum Saljut-Platz, bog links ab und entfernte sich wieder vom Zentrum der Forschungsstation.

Das Geräusch wurde leiser und erstarb schließlich.

Die gläserne Totenstille senkte sich wieder über Dormogorsk.

Der Motor des Schleppers dröhnte so laut, dass die drei Insassen nicht einmal merkten, dass die alte graue Antonow AN-12 mit den breiten Kufen donnernd wendete, die schmale Startbahn entlangraste und sich in einer riesigen Wolke aus Schnee und Eiskristallen erhob. Die vier Propellerturbinen brüllten auf, als die sechzehntausend Pferdestärken die alte Maschine in die Kurve zwangen und in den trüben kaukasischen Himmel rissen.

Der Schlepper ratterte weiter, verließ die kleine Stadt und hielt erst an, als sich ein hoher Zaun zeigte. Zwei schneebedeckte Wachhäuser, einige mühsam eisfrei gehaltene Scheinwerfer und ein Schlagbaum ragten mitten aus der Einöde hervor.

»Stoj! Ausweise! Berechtigung!«

Der Posten in Fellmütze, bodenlangem Schafsfellmantel, die Maschinenpistole um den Hals, stürzte aus der überheizten Wachkabine. Die Augen über dem feuchten Wollschal, der den unteren Teil des Gesichts verhüllte, blieben wachsam. Die Tür des Schleppers öffnete sich. Eine schmale Hand reichte Ausweise, in Plastik gehüllt, hinunter.

Sonja Nischinskaya, las der Posten. Dann begriff er.

»In Ordnung!«, sagte er. »Sie können passieren. Wie geht es in Moskau?«

»Danke«, sagte sie mit überraschend weicher Stimme. »Es gibt keine Erdbeeren.«

Sonst hatten die Frauen, die hierher, ans Ende der Zivilisation kamen, Stimmen wie die Maschinisten. Der Posten lachte heiser und winkte den Schlepper durch die Schranke, die sich kreischend hob und wieder senkte.

Der Schlepper fuhr ungefähr zwei Kilometer geradeaus. Dann tauchte er vor einem Hügel nach unten und fuhr über eine eisbedeckte Rampe. Die Rampe war mit Asche, Sand und Split bestreut. Die Maschine hielt vor einem eisverkrusteten Doppeltor an, durch das man ein kleines Flugzeug hätte schieben können. Ein Windstoß wehte vom Hügel Schnee hinab. Der Fahrer drückte viermal auf die Hupe, und dann noch einmal. Von einem nahen Baum flogen drei Krähen auf und flatterten träge davon.

Ein Teil des Tores öffnete sich. Der Schlepper fuhr herein. Augenblicklich beschlugen sich sämtliche Scheiben. Heiße Pressluft zischte auf. Die Maschine walzte ratternd durch einen riesigen niedrigen Raum und hielt vor einem anderen Tor, das gelb gestrichen war. Darauf stand:

Eintritt bei Todesstrafe verboten! Nur für autorisierte Personen. Gefahrenstufe eins! Vorsicht! Hochspannung!

Der schwere Dieselmotor wurde abgestellt.

»Blödsinn!«, murmelte Sonja. Sie öffnete die Tür und stieg aus. Ein breitschultriger Mann, ebenfalls bis zur Unkenntlichkeit vermummt, folgte ihr. Krankenhausgeruch drang in ihre Nasen, als sie sich dem verbotenen Inneren Bezirk näherten. Warmluftgebläse erzeugten hier eine Temperatur, die über dem Nullpunkt lag.

»Eine gespenstische Vorstellung!«, sagte Sonja. »Wie lange ist Sarchow schon in der Kältekammer?«

»Etwas mehr als fünf Jahre.« Er hustete.

»Und die anderen?«

»Teils länger, teils weniger lang. Es sind insgesamt siebenunddreißig.«

»So wenige?« Sonja blieb stehen.

»Ja. Erstens ist es teuer, zweitens aufwändig, drittens haben wir damit kaum Erfahrungen, und außerdem glaube ich nicht daran, dass die meisten Menschen einen solchen Aufwand wert sind!«, antwortete Iwan. Seine Stimme war tief und klang angenehm.

»Da mögen Sie recht haben, Genosse Tschelkanin«, stimmte Sonja zu.

»Sie warten auf uns. Gehen wir! He, Posten!«

Die gelbe Tür wurde einen Spalt weit geöffnet. Sonja und Tschelkanin huschten hinein.

Sie befanden sich in einer Temperaturschleuse, die mit warmer, unerträglich feuchter Luft gefüllt war. Ein kleines Fenster in der dahinter liegenden Tür zeigte einen breiten, angenehm hellen Korridor zum innersten Teil der Anlage. Der Posten salutierte kurz und öffnete die Tür. Die Neuankömmlinge nahmen ihre Pelzkappen ab. In diesem Teil der riesigen unterirdischen Anlage war es wieder mäßig kühl.

Sie gingen auf den nächsten Posten zu, der sichtlich aufgeregt und nervös war. Auch die Besucher aus Moskau konnten sich der Faszination nicht entziehen. Aber sie erwarteten kaum eine Sensation. Sie waren skeptisch, selbst jetzt, als sie die Tür durchschritten und wieder in den Bereich der eisigen Kälte kamen.

»Kennen Sie den Weg, Genossin?«, fragte Iwan, unter dessen Pelzmütze eine spiegelnde braun gebrannte Glatze zum Vorschein kam.

»Nein. Ich kenne den Plan und den Zweck, aber ich war nicht hier, als Sarchow und die anderen eingefroren wurden.«

Mit einem dumpfen, satten Geräusch schloss sich die Tür. Eine Gruppe von ungefähr fünfundzwanzig Besuchern wartete hier. Hinter einer hohen Glasscheibe sah man noch eine große Gruppe weiß gekleideter Ärzte. Das Gemurmel der Gespräche verstummte kurz und setzte wieder ein, als die beiden Regierungsvertreter – ebenfalls verdiente Spitzenmediziner – begrüßt wurden.

»Sie haben schon angefangen. Dort drüben!«

Iwan und Sonja hatten die Listen während des Fluges studieren können. Hier unter der Hügeloberfläche von Dormogorsk schliefen verdiente Militärs, einige Schachmeister, zwei Klaviervirtuosen, mathematische Genies und eine Handvoll anderer Menschen, die entweder mehr geleistet hatten als andere, oder auf dem besten Weg dazu waren. Ihr Schicksal war die Krankheit gewesen. Krebs, Tumoren, psychische Leiden, andere, mit den Mitteln der Medizin nicht besiegbare Krankheiten. Man hatte es riskiert, die Menschen einzuschläfern und tiefgekühlt schlafen zu lassen. Was den berühmten Alexander Sarchow betraf, den Philosophen, so war man sicher, ihn behandeln zu können.

»Wir warten schon eine halbe Stunde. Sarchow wird hoffentlich in der Lage sein, sich sechzehnhundert Tage nach dem Einschlafen wieder zurechtzufinden.«

»Wie lange dauert es noch?«

Iwan richtete die Frage an den staatlichen Verwalter dieser Siedlung. Ein Teil von Dormogorsk war Alterssitz für Militärs und Politiker.

»Kann ich leider nicht sagen. Gehen Sie einfach dort hinein – der Chefarzt wird mehr wissen. Wir dürfen nicht hinein. Alles muss steril bleiben, verstehen Sie?«

Es gab für dieses kühne Wagnis keinerlei Erfolgsgarantie. Es mangelte der Wissenschaft an Erfahrungen, und natürlich zweifelten auch die russischen Ärzte daran. Aber sie versuchten es trotzdem. Eine winzige Chance war besser als gar keine. Alle jene siebenunddreißig Schläfer konnten schon längst tot sein, vielleicht auch Sarchow. Aber sie waren nicht erst als Tote eingefroren worden, sondern noch lebend. Alle waren unheilbar krank gewesen. Ihr Tod hätte durch keine Macht und keine Kunst der Welt verhindert werden können.

Sonja erinnerte sich, über Michail Liadow gelesen zu haben. Ein neunzehnjähriger Junge mit einem blonden Engelsgesicht. Er war eine der größten russischen Hoffnungen gewesen, Student der Akademie, Cellovirtuose mit dem künstlerischen Genie eines Pablo Casals.

Auch er, unheilbar an einem Karzinom im Gehirn erkrankt, war mit einer Spritze eingeschläfert, betäubt und eingefroren worden. Und noch immer gab es keine Möglichkeit, ihn zu heilen, ohne das Risiko einzugehen, nicht nur sein einmaliges Talent zu zerstören, sondern ihn – günstigstenfalls! – in einen lallenden Idioten zu verwandeln.

»Kommen Sie, Genossin Sonja!«, murmelte Iwan Tschelkanin und berührte sie am Arm. Er zog sie in eine geräumige gläserne Schleuse zwischen dem Beobachtungsraum und dem Operationssaal.

Hier, noch immer im Bereich der satanischen Kälte, spürte Sonja zum ersten Mal die Bedeutung dessen, was sich hier abspielte. Ein Mann mit dem gewaltigen Verstand eines Philosophen befand sich fünf Jahre und ein paar Wochen lang im Zwischenbereich. Er lebte zwischen Tod und Wirklichkeit. Lebte er? Oder funktionierte sein Hirn auch in der Kälte, die ihn in einen Block von Zellen verwandelt hatte, in der jede molekulare Bewegung zum Stillstand gekommen war?

Der Chefarzt erkannte die Kollegen aus der Stadt und begrüßte sie herzlich, aber unverkennbar nervös.

»Freut mich, dass ihr hier seid, Freunde. Entschuldigt, aber mir zittern nicht nur die Finger. Das ist der erste Versuch dieser Art. Wir haben die Kühlbox dort drüben. Wollt ihr sehen?«

»Ja, natürlich!«, murmelte Iwan wissbegierig. Sonja nickte nur.

»Einverstanden. Kommt mit mir. Ihr müsst steriles Zeug anziehen.«

»Selbstverständlich.«

Der Mann, der mit ihnen zusammen studiert hatte, führte sie in ein System von Räumen, in denen es angenehm warm war. Sie zogen sich um, wuschen sich mehrmals und passierten einige Kammern, in denen sie mit Ozon, ultravioletten Strahlen und antibakteriellen Sprühnebeln behandelt wurden. Dann befanden sie sich in dem Raum, in dem der offene Kühlsarg von Alexander Sarchow, dem fünfundfünfzigjährigen Philosophen, stand. Ein halbes Jahrzehnt, schlafend und nicht tot, fast zweihundert Celsiusgrade kalt, erstarrt wie Granit oder Marmor.

Schaudernd schüttelte sich Sonja. Zuerst hatten sie gewartet, bis sich die Kühlzelle auf Raumtemperatur erwärmt hatte. Noch jetzt, obwohl das Wasser abgesaugt und Warmluft herangeblasen wurde, ging von dem beschichteten Aluminiumbehälter Kälte aus. Der fast schneeweiße nackte Körper lag regungslos auf dem sterilen, feucht glänzenden Kunstleder. Herzgegend und Kopf des fast haarlosen Philosophen waren mit Gummisaugnäpfen und dicken gelben Kabeln an Messgeräte angeschlossen.

Alle Personen in diesem Raum, ungefähr zwei Dutzend, bildeten einen Kreis um den Sarg. Sie trugen weiße Tücher vor Mund und Nase. Aber man hörte nicht einmal einen Atemzug.

Die Aluminiummaske und die Umhüllung aus goldbedampfter Folie, in die der Körper eingeschlagen worden war, hatte man entfernt. Allerdings nur dort, wo man an den Körper herankam, ohne ihn berühren zu müssen. Noch vor einer Stunde wäre er – vierzig Grad kalt – zersplittert wie ein Eisblock. Ultraschallmassagen wirkten jetzt auf die Zellen ein. Die Körpertemperatur betrug jetzt dreißig Grad.

Sonja flüsterte ins Ohr Iwans, der sich zu ihr hinunterbeugte: »Ich glaube noch immer, dass der ganze Aufwand sinnlos ist. Aber als Experiment ...«

»Warten wir ab. Ich glaube nicht, dass er lebt. Aber wir sind hier, um in Moskau berichten zu können.«

»Ich weiß.«

Erfolg oder Misserfolg würden für die Zukunft dieses teuren und riskanten Versuchs entscheidend sein. Iwan verhielt sich skeptisch abwartend, Sonja glaubte schon jetzt nur noch an einen Misserfolg.

»Wir haben Startströme vorbereitet. Der Körper ist mit Medikamenten versorgt. Die Massage hat begonnen, und jetzt können wir nichts anderes mehr tun als warten.«

»Wie lange?«, fragte Sonja. Sie war ungeduldig. Dieser Flug hierher war völlig überflüssig gewesen.

»Niemand weiß es!«, erklärte der Arzt.

Es wurde immer gespenstischer. Sonja blickte von dem marmorbleichen Körper auf. Es war der völlig uninteressante, etwas zu füllige Körper eines Mannes, der niemals ernsthaft Sport getrieben und niemals hart gearbeitet hatte.

Die Augen der versammelten Frauen und Männer, die über den weißen Schutztüchern zu sehen waren, veränderten plötzlich ihren Ausdruck. Sofort blickte Sonja dorthin, wohin das medizinische Personal blickte. Sie zuckte zusammen. Ihr Verstand weigerte sich, zu glauben und zu begreifen, was sie sah.

Alexander Sarchow lebte.

Er öffnete die Augen. Sein Blick schien völlig klar zu sein. Eine eisige Faust griff nach Sonjas Herz. Sarchow erhob sich langsam, stützte sich auf die Ellbogen und fragte halblaut, nachdem er sich dreimal geräuspert hatte: »Wie lange habe ich geschlafen? Man verliert leicht das Zeitgefühl in der Kältestarre.«

Das kann nicht wahr sein! Das ist unmöglich!, dachte Sonja.

Langsam drehte der Mann, der länger als fünf volle Jahre in einem luftdichten Sarg geschlafen hatte, ohne einen Tropfen Wasser, ohne ein Milligramm fester oder flüssiger Nahrung, den schmalen Gelehrtenkopf. Er zwinkerte mit den Augen und blickte plötzlich direkt in das Gesicht Sonjas.

»Mehr als fünf Jahre«, sagte einer der Ärzte undeutlich hinter seiner Gesichtsmaske.