Dort oben sehe ich euch wachsen - Liesa Rechenburg - E-Book

Dort oben sehe ich euch wachsen E-Book

Liesa Rechenburg

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Beschreibung

PFLÜCKEN SIE SICH IHR WOHLBEFINDEN IN DER NATUR Die SONNE scheint auf das Gesicht, der DUFT DES WALDES steigt in die Nase, ein KLEINER BACH plätschert ins Tal. Kaum irgendwo ist die RUHE, der AUSGLEICH, das ANKOMMEN so greifbar wie hier: IN DEN BERGEN. Wer sich in SATTE BLUMENWIESEN legt, kann außer dem knallblauen Himmel und der frischen Luft noch etwas ganz anderes entdecken - UNZÄHLIGE HEILKRÄUTER, die AUGRUND DER HÖHE vor PURER PFLANZENKRAFT nur so strotzen. GRÜNE SUPERHELDEN: WILKDRÄUTER AUS DEN BERGEN Seien Sie gefasst: Tauchen Sie einmal in die WUNDERWELT DER KRÄUTER ein, kommen Sie davon nicht mehr so schnell los. Das SUCHEN UND SAMMELN, das ZUBEREITEN UND STAUNEN lässt uns einen Gang zurückschalten, langsamer werden. Die BERGE SIND EIN SEHNSUCHTSORT und die Pflanzen, die dort oben wachsen und den Naturgewalten trotzen, UNGEAHNT HEILKRÄFTIG UND STARK. WILDKRÄUTER enthalten schließlich WESENTLICH MEHR SEKUNDÄRE PFLANZENSTOFFE als ihre gebändigten Kollegen. Liesa Rechenburg hat, begleitet von dem über achtzigjährigen Kräuterguru Kamillus Kratzer, das JAHRHUNDERTEALTE WILLEN rund um die WIRKUNG DIESER WILDEN PFLANZEN VERSAMMELT und es durch NEUE BESTIMMUNGSANLEITUNGEN UND REZEPTE wieder (er)lebbar gemacht - DAS MOTTO: UNS SELBST HELFEN ZU LERNEN, OHNE DER NATUR ZU SCHADEN. SICH SELBST UND DER NATUR ETWAS GUTES TUN In 30 AUSSERGEWÖHNLICHEN KRÄUTERSORTENPORTRÄTS wird deutlich, dass uns Bergweiden alle Zutaten schenken, um GESUND ZU WERDEN, ZU BLEIBEN UND UNS IN UNSERER HAUT WOHLZUFÜHLEN. Aber nicht nur Kräuter wie die ARNIKA, SCHAFGARBE ODER BRENNNESSEL füllen unser MEDIZINSCHRÄNKCHEN, auch stolze BÄUME, WIE LÄRCHEN und FICHTEN, und BUNTE JOHANNIS-, VOGEL- ODER HOLUNDERBEEREN lassen sich zu TINKTUREN und TEES, SALBEN und CREMES verarbeiten. NACHHALTIGES KRÄUTERPFLÜCKEN ist dabei Grundvoraussetzung - und dass wir die SELBSTGEMACHTEN PRODUKTE IN WIEDERVERWENDBARE DÖSCHEN UND GLÄSER FÜLLEN, LÄSST DIE NATUR AUFATMEN. - 30 LIEBEVOLLE KRÄUTER- UND 12 BAUM- UND WILDBEERENPORTRÄTS von der WIRKUNG bis hin zu SPIRITUELLEM, REZEPTEN und VERWECHSLERN, die man besser auslässt - Mit BESTIMMUNGS-BOOKLET ZUM MITNEHMEN: Also ruhig drauflos sammeln - und die pure Kraft der Natur erleben - SEKUNDÄRE PFLANZENSTOFFE nutzen lernen - WILDKRÄUTER enthalten WESENTLICH MEHR INHALTSSTOFFE als gewöhnliche Küchen- und Gartenkräuter - DURCHATMEN UND ZUR RUHE KOMMEN: beim SAMMELN VON WILDRKRÄUTERN macht das Gedankenkarussell Pause - DIE BERGE FÜHLEN: Im nächsten URLAUB die KRÄUTER FÜR HEILENDE SALBEN und CREMES pflücken

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1. Auflage

© 2019 by Löwenzahn in der Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 InnsbruckE-Mail: [email protected]: www.loewenzahn.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7066-2891-4

Konzept: Löwenzahn Verlag/Katharina Schaller, Anita WinklerLektorat: Löwenzahn Verlag/Christina VaccaroProjektleitung: Löwenzahn Verlag/Ana Rodrigues

Buchgestaltung sowie grafische Umsetzung: Marion Schreiber, www.marionschreiber.deUmschlaggestaltung: Tina Radulovic, Atelier für Design & KommunikationFotografien alle von Liesa Rechenburg bis auf:Paul Stajan: Bild S. 9, 12 f., 14 f., 15, 19, 21, 23 Kreis, 24 f., 29 Kreis, 46, 86 Kreis oben, 97, 103, 131 Kreis, 136 Kreis unten, 192 f., 194 f., 222 f., 224, 225 Kreis unten, 230Markus Tollhopf: Bild S. 7, 17 Kreis, 22 f., 26 f., 198 Kreis

Wichtiger Hinweis: Die Inhalte in diesem Buch wurden nach dem aktuellen Wissensstand der Autorin sorgfältig verfasst. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr, Verlag und Autorin haften nicht für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen Anregungen resultieren. Die Anregungen ersetzen keine ärztliche Untersuchung oder Betreuung.

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.loewenzahn.at.

Pflanzenstoffe können uns helfen, unseren Körper fit und widerstandsfähig zu halten. Darüber hinaus bringt uns die Natur völlig neue Geschmackserlebnisse. Ich lade alle ein, mit mir die grünen Wunder zu erkunden, und wünsche viel Spaß und Mut, alles selbst auszuprobieren.

Inhaltsverzeichnis

Mein Weg ins Virgental

Kamillus Kratzer – Lebensenergie Natur

Paradies Prägraten

Kräuter – Kick für Gesundheit und Wohlergehen

Schützen, ernten, verarbeiten

Das grüne Paradies

Pflanzen und Sträucher

Arnika

Artemisia

Beifuß

Wermut

Beinwell

Brennnessel

Engelwurz, Wald-Engelwurz

Frauenmantel

Gänsefingerkraut

Gelber Enzian

Holunder, Schwarzer

Isländisch Moos

Johanniskraut

Kamille

Königskerze

Kümmel

Löwenzahn

Mädesüß

Malve, Käsepappel

Meisterwurz

Quendel, Thymian

Schafgarbe

Wegerich

Wildrose

Bäume

Fichte

Lärche

Kiefer, Latsche, Bergkiefer

Wacholder

Wildbeeren

Berberitzen

Heidelbeeren

Preiselbeeren

Johannisbeeren, Schwarze

Vogelbeeren

Walderdbeeren

Alles, was guttut und heilt

Pflanze pur als Heilmittel

Tee – Trinken, Inhalieren und mehr

Honigauszüge und Sirupe

Tinkturen, Lebenselixiere

Heilöle, Salben und Cremes

Literatur

Fußnote

Dankeschön

Sorgfalt und Sicherheit

Mein Weg ins Virgental

Im Virgental oberhalb von Prägraten, in Richtung Lasörlinggruppe. Hier bestimmt die Natur, in welchem Takt gespielt wird.

Es ist kaum zu glauben, dass ich das Kleinod Osttirol und das Virgental erst 2013 kennenlernte. Neugierig wie ich war, wollte ich in diesem Jahr das neu eröffnete Hotel HEIMAT – Das Natur-Resort im hintersten Winkel von Prägraten besuchen. Ein Hotel in der ehemaligen Sommerresidenz der Wiener Sängerknaben! Und so fuhr ich an einem Julitag von Matrei aus immer tiefer in die Stille und zunehmend weg vom Trubel meiner sonstigen Tage. Damals wusste ich noch nicht, dass dieser Tag mein Leben verändern würde. Ich hatte im letzten Ort des Tales einen Platz für meine Wildkräuterschule gefunden. Ulrich Drewitz schaffte im Hotel HEIMAT und rundherum die notwendigen Voraussetzungen, so dass wir im Frühjahr 2015 meine Pläne konkretisieren konnten. Ich war überwältigt von der positiven Aufnahme durch die Menschen in Prägraten und über den Rückenwind, der mir die Entscheidung einfach machte, meine Zelte zukünftig im Sommer hier aufzuschlagen. Jedes Frühjahr, wenn die Kräutersaison losgeht, freue ich mich, die Menschen wiederzusehen und sie in die Arme nehmen zu können. Sehr schnell kamen die Kräuterambitionierten von Prägraten auf eine Idee. Meine Kräuterfreundin Hilda war die Erste, die den Mut hatte, das Anliegen an mich heranzutragen: Die Menschen im Ort wünschen sich, dass das Wissen von Kamillus aufgeschrieben und für spätere Generationen festgehalten wird. Ob ich das wohl übernehmen möchte? Ich habe nicht lange überlegt und, nachdem ich Kamillus persönlich kennenlernen durfte, mit Freude „Ja“ gesagt.

Altes Wissen aufnehmen …

Anregung und Inspiration für dieses Kräuterbuch kamen von Kamillus Kratzer aus Prägraten-Bobojach. Es war und ist sein unbändiger Wille, sein Wissen und seine Erfahrungen an junge Menschen weiterzugeben. Mit Fleiß und viel Energie sammelt er Jahr für Jahr Kräuter, trocknet, rebelt oder schneidet sie, um schließlich eine Mischung für seinen Kräutertee, den „Tee für deine Gesundheit“, wie es auf jeder Packung in seiner Handschrift zu lesen ist, herzustellen. Seit Jahren schenkt er diesen Tee Familien und Frauen in Prägraten. Kamillus hat immer wieder erfahren, dass wenn der Stoffwechsel funktioniert, die Niere genügend durchspült wird, die Leber ausreichend Kraft hat um alle Schadstoffe abzubauen und Blut zu bilden, der Körper dann auch die Stärke besitzt, sich gegen die Aufregungen des Alltags zu wehren. Das kann auch der beste Grippeschutz sein.

… und mit Neuem verbinden

Für Menschen wie Kamillus ist es eine Selbstverständlichkeit, die Kräfte der Natur für die Gesundheit von Mensch und Tier zu nutzen. Ärzte waren immer weit entfernt und die Mittel nicht vorhanden, sie zu bezahlen. Von Großeltern, Tanten oder Kräuterweisen war bekannt, was zu tun ist, wenn das Fieber kam oder der Fuß umgeknickt war. Man sammelte im Sommer die heilsamen Kräuter und trocknete sie. Manche Kräuter musste man sofort verarbeiten, bei anderen genügte es, sie im Winter anzurichten. Immer schon hatte man Rotöl von Johanniskraut, Tinkturen von Arnikablüten oder Beinwellwurzel-Öl hergestellt. Meisterwurz-Wurzel- oder Latschenkiefernblüten-Tinktur – um nur zwei Bespiele zu nennen – waren in den Haushalten stets parat. Heute sind wir in manchen Erkenntnissen dem Erfahrungsschatz der Naturheiler nähergekommen. Wissenschaftliche Studien bestätigen hier und da, was unsere Großeltern von ihren Eltern übernommen haben. Auch das möchte ich in diesem Buch mit dem alten Wissen von Kamillus verbinden, um so manche Zweifler zu überzeugen, welche Heilkräfte in der Natur liegen.

Auf der Basis der Kräuter, die Kamillus Jahr für Jahr sammelt und verwendet, habe ich eine Auswahl von Pflanzen, Bäumen und Wildbeeren zusammengestellt, die in Prägraten und fast alle auch darüber hinaus bis ins Flachland wachsen. Ich beschreibe diese Kräuter und erkläre, wo man sie findet, wie man sie bestimmen kann und welche ihrer Wirkstoffe wir uns wie zunutze machen können. Die abschließenden Rezepte führen dann mit den Anregungen von Kamillus zur Herstellung von Tees, Tinkturen, Cremes und Salben.

Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre dieses Buches eine gesunde Portion Neugierde und Spaß, eine große Ehrfurcht vor der Natur, jede Menge Lern- und Erfolgserlebnisse mit den grünen Wundern und ganz viel Mut, etwas selbst auszuprobieren.

Mit dem Korb auf die Wiese zu gehen und zu schauen, was die Natur bereit hält, ist für mich Meditation und Genuss zugleich.

Ihre Liesa

Kräuterpädagogin in der Wildkräuterschule im Hotel HEIMAT

– Das Natur-Resort in Prägraten am Großvenediger

KAMILLUS‘ LEBENSLAUF IN KÜRZE

Geboren am 2. April 1938 auf dem Obersteiner Hof in Bobojach, in Prägraten am Großvenediger

Als drittes Kind von insgesamt drei Buben und zwei Mädchen

Vater Ludwig ist Bauer auf dem Erbhof, Mutter Maria stammt auch aus Prägraten

Von 1944 bis 1952 Schule in Prägraten

Bis 1957 Leben und Arbeiten auf dem elterlichen Hof

Bis 1958 Bundesheer

Bis 1988 Leiter eines landwirtschaftlichen Betriebs in einem Kloster und Vertriebsleiter einer Molkerei in Vorarlberg

Seit 1998 Pensionist auf dem Obersteiner Hof

Kamillus Kratzer –

Lebensenergie Natur

Die Heimat von Kamillus, das Virgental, zieht seine Besucher immer mehr in seinen Bann, bis man am Talschluss in Prägraten angekommen ist.

Ich fahre von Matrei aus das Virgental hinauf. Die hohen Maurer-Berge mit dem strahlend weißen Krimmler- und Simony-Kees am Ende kommen immer näher und doch bewahren sie Distanz. Die Wiesen leuchten in frischem Grün, der satte Morgentau lässt sie in voller Pracht erstrahlen. Rechts und links der Talstraße ziehen sich Nadelwälder und Wiesen die Berge hinauf bis zur Waldgrenze, die zwischen 1800 und 2000 m Seehöhe liegt. Ab und zu lugt eine Berghütte um die Ecke, die die Wanderer zu einer erfrischenden Rast einlädt. Virgen und die kleinen Orte ringsherum machen einen sehr einladenden Eindruck. Doch ich will weiter. Ich suche den Obersteiner Hof in Bobojach, das Zuhause von Kamillus. Unverhofft kommt nach einer Kurve ein Tunnel. Danach habe ich das Gefühl, am Talende zu sein – eine andere Welt tut sich auf. Mein Blick geht noch vor Bobojach, einem der vier Orte der Gemeinde Prägraten, nach rechts. Ganz oben am Hang taucht ein Hof mit einer Kapelle auf.

Die Natur ist hier der Dirigent

„Kann man dort oben wohnen?“, frage ich mich, „oder fällt man da nur runter?“ In Bobojach geht es die erste Straße rechts den Berg hinauf. Sie ist sehr schmal. Wie mag das im Winter gehen? Links und rechts sehe ich fette Wiesen. In Serpentinen geht es weiter. Ein paar Kühe begrüßen mich nach einer Schranke. An einer kleinen Aussichtsplattform steht eine Bank, eine Kuh genießt diese Traumaussicht und verdaut ihr Frühstück. Ich fahre weiter hinauf durch einen Fichten-Lärchenwald. Die Wiesen werden zunehmend steiler. Plötzlich stehe ich vor einer Kapelle, dahinter ein Bauernhof mit einigen Wirtschaft sgebäuden. Ein Hütehund begrüßt mich freundlich. Langsam kommt Kamillus mit seinem Lärchenstock auf mich zu. Er strahlt eine tiefe Freude aus, mich zu sehen. Ob er auch erleichtert darüber ist, dass ich es geschafft habe?

Ruhe und Zufriedenheit

Kamillus heißt mich mit einem festen Händedruck und einem freudigen Lächeln willkommen. Ich fühle mich sofort geborgen auf diesem Hof, der in seiner schlichten Einrichtung mit viel Holz und alten bunten Kacheln einen sehr einladenden Eindruck macht. Das große Wappen „Erbhof“ im Eingangsbereich macht mich ehrfürchtig vor dem traditionellen Gebäude mit seiner bewegten Vergangenheit. Neben dem Wappen sind alte Zeitungsausschnitte und viele Fotos zu sehen, die an die Erbfolge und die Ereignisse rund um den Hof erinnern.

Kamillus in seiner Kräuterstube, in der er Sommer wie Winter seine wunderbaren Heilmittel aufbewahrt.

Generationen unter einem Dach

In der großen Wohnküche erwartet uns Maria, Kamillus‘ Schwester, die uns zu einem Kaffee und einer Scheibe Brot mit frischer Butter einlädt. Ich erinnere mich nicht, wann mir eine Scheibe Brot so gut geschmeckt hat. Später lerne ich auch die junge Bäuerin Katharina kennen, die alle paar Wochen mehr als 30 von diesen wunderbaren Broten backt. Sepp, ein Bruder von Kamillus, ist im Winter 2018 verstorben. Er hat all die Jahre diesen Hof mit viel Leidenschaft und Engagement geführt und weiterentwickelt. So konnte er 2017 mit Stolz den sehr gut erhaltenen Erbhof an das junge Paar Katharina und Phillip abgeben. Phillip ist Bauer aus Leidenschaft. Er stammt wie Katharina aus einer Traditions-Familie mit heute noch gut gehenden landwirtschaftlichen Betrieben. Beide haben Landwirtschaft in den Bergen von der Pike auf gelernt bzw. schon mit der Muttermilch eingesogen.

DER OBERSTEINER HOF HEUTEE

Zum Hof gehören außer den Wiesen rund um den Hof noch Waldparzellen, Wiesen und Almen im Maurertal, im Wallhorner Timmeltal und die Wunalm. Sie ist mit 2300 bis 2700 m Seehöhe die höchste Alm in Prägraten. Bis dahin weidet das Vieh im Sommer. Heute gibt es noch ca. 30 Stück Vieh dort oben. Steilhänge werden einmal im Jahr gemäht.

Der Obersteiner Hof zieht die Blicke auf sich: Am steilen Hang in Bobojach sieht man zuerst die Kapelle, strahlend weiß, dann Wohnhaus und Hofgebäude.

Heimat für Mensch und Tier

Der ältere Bruder Sepp hatte diesen Erbhof von seinem Vater übernommen, wie es die Tradition vorschreibt. Da der Vater früh gestorben ist, wurde Sepp mit 18 für volljährig erklärt, um den Erbhof übernehmen zu können. Damals war der Hof bereits über 200 Jahre in Familienhand und für den jungen Erben eine große Herausforderung. Die jüngeren Geschwister suchten sich, der Tradition folgend, andere Berufe und eine neue Heimat. Erst im Pensionsalter sind Maria und Kamillus auf den Obersteiner Hof zurückgekehrt.

Leben mit der Natur

Als Bub lernte Kamillus von der Mutter auf der Alm, Kräuter zu ernten, die sie für die Küche brauchte. Man unterschied Kraut und Unkraut. Unkraut war alles, was die Kühe nicht mochten, Kraut das, was von ihnen gefressen wurde. Und irgendwie schien es logisch, dass alles Kraut auch für die Menschen gut war.

KAMILLUS – WIE KOMMT ER INS HOHE ALTER?

Morgens frühstückt Kamillus Brot mit Honig und Kaffee. Regelmäßig kaut er untertags bis in den Abend getrocknete Meisterwurzwurzel. Früher hatte jeder Mann und jede Frau immer Meisterwurzwurzelstücke bei sich, das sollte die „Pest“ abhalten. Auch wenn es die Pest nicht mehr gab, übertrug man diese Kraft auf die Grippe oder manch andere Krankheit.

Man erntete und verbrauchte das, was da war. Ein Onkel hat Kamillus motiviert, Kräuter in Säckchen zu sammeln und sie im Zimmer aufzuhängen. Damit verbreiteten sie ihren Duft und ihre Aura während des Trocknens. Er war der Meinung, dass man den Menschen Kräutertees geben sollte. Eine Tante sammelte in einer gedrechselten Holzschüssel Minze, um diese täglich als Tee zu trinken. Zum Inhalieren wurden schwarze Holunderbeeren und junge Wacholderspitzen gesammelt – das löste und befreite die Bronchien.

Kamillus‘ Großmutter setzte sehr auf die Heilkraft der Kräuter und gab dieses Wissen an ihn weiter. „Von ihr habe ich meine Kräutergene“, sagt Kamillus selbst. Seine Mutter und ein Onkel unterwiesen den Bub eher praktisch. Sie lehrten ihn zu erkennen, was Menschen oder Tiere brauchten. Um 1900 war die Großmutter die erste geprüfte Hebamme in Prägraten. Sie versorgte das Dorf mit Heilpflanzen. Und damit schließt sich der Kreis zu Kamillus. Er sieht seine Hauptaufgabe bis heute darin, in der Natur Kräuter zu sammeln und sie den Familien in Prägraten als Heilmittel in Form von Tee und anderen Zubereitungen zur Verfügung zu stellen. Sein Ziel ist es darüber hinaus, jungen Familien mit Kindern die Natur nicht nur als Freizeitspaß und Vergnügen zu vermitteln, sondern auch die Kräfte der Natur für Wohlergehen und Gesundheit zu nutzen.

Mehr als eine Leidenschaft

So ist es zu erklären, dass Kamillus sich in den Jahren seiner Berufstätigkeit in Vorarlberg seine Neugierde für Kräuter erhalten hat. Das Kloster bot ihm eine ideale Umgebung dazu. Als Leiter des landwirtschaftlichen Betriebes hatte er jahraus, jahrein mit der Natur zu tun. Der klösterliche Obst- und Gartenbaubetrieb sowie die Vieh- und Almwirtschaft boten ihm für seine Kräuterliebe ein wunderbares Umfeld. Seine ersten Anhänger und Freunde fand er unter den 400 Internatsschülern des Klosters. Sie hörten ihm geduldig zu und fanden das Th ema Kräuter sehr spannend. Seine jungen Freunde halfen ihm dabei, Kräuter zu ernten und zu verarbeiten. Sie gaben ihr neues Wissen an die Eltern weiter. Neugierig nahmen auch die Eltern Kontakt mit Kamillus auf, um sich einen Rat zu holen. Kamillus freute sich über diese Möglichkeit, sein Wissen weiterzugeben, und baute es mehr und mehr aus.

Das lässt sein Herz höher schlagen: das Timmeltal, reich bestückte Wiesen und Berghänge, sein prall gefüllter Rucksack und die wunderbare Bergluft.

Den Kontakt zum Kloster pflegte er auch, als er 1988 für 10 Jahre in die Molkereiwirtschaft nach Feldkirch wechselte. Zu seinen engen Beratern in Sachen Natur zählten neben den Klosterbewohnern auch ein Ingenieur und ein Architekt. Sie alle teilten Kamillus‘ Leidenschaft: die Kräuter.

Ein Ruheloser findet Kraft in den Kräutern

Kamillus ging mit 60 Jahren als Pensionist wieder auf den elterlichen Hof nach Bobojach zurück. Auf dem Obersteiner Hof hatte Kamillus fortan die notwendige Zeit, Muße und Umgebung, seiner Kräuterleidenschaft nachzugehen. So hat er seine Aufgabe darin gefunden, Jahr für Jahr „Tee für deine Gesundheit“ herzustellen. Er stellt auf diese Weise Kontakt zu Familien und jungen Menschen in Prägraten her. Für ihn ist das der ideale Weg, seine Erfahrungen weiterzugeben. Seine Botschaft ist eindeutig: „Schöpft Kraft aus der Natur und macht euch zunutze, was für euch gut ist“. So zeigt er bis heute den Menschen am Fuß des Großvenedigers, welche Kräuter bei welchen Beschwerden helfen. Gleichzeitig regt er sie an, regelmäßig kleine Rationen Bitterund Gerbstoffe in Form von Tee zu sich zu nehmen, um gesund zu bleiben und fit über den Winter zu kommen.

Kamillus sammelt den ganzen Sommer über Kräuter, hängt sie zum Trocknen in der Kräuterkammer auf und zerreibt sie zu einem wunderbar wohlriechenden Tee. Diesen füllt er in Papiertüten und übergibt sie den Menschen mit dem Wunsch, den Winter über gesund zu bleiben. Außer den Teekräutern stellt er Ansätze mit Blüten und Wurzeln von Latschenkiefern, Wacholder, Isländisch Moos, Enzian, Arnika, Engelwurz und Meisterwurz her. Diese mischt er mit Honig und Saft von Schwarzen Johannisund Holunderbeeren zu einem Mittel gegen Erkältung oder für den Aufb au eines abwehrbereiten Immunsystems. Gegen jegliches Magengrimmen hält er seinen Meisterwurzwurzelansatz bereit. Für spezielle Anliegen hat er Kräuter wie Frauenmantel, Käsepappel oder Echte Goldrute parat. Für Kamillus ist es selbstverständlich, dass er seine Tees und alles andere kostenlos abgibt. Dies ist seine Art, vor allem Bedürft ige und Familien mit Kindern zu unterstützen. Die Menschen haben durch Kamillus erfahren, wie man in Achtsamkeit mit der Natur und mit sich selbst Gesundheit bewahren kann. Von ihm haben sie die Schätze von Prägraten lieben gelernt, in dem festen Glauben und Wissen, sich selbst ohne Nebenwirkungen etwas Wunderbares zu tun. Und so wird mit jedem Frühjahr die Kraft der Kräuter von Neuem wachsen und mit Sehnsucht erwartet. Kamillus sei Dank!

Prägraten am Großvenediger in sommerlicher Abendstimmung vom Obersteiner Hof aus gesehen.

Paradies Prägraten

Wer möchte nicht gerne mal ins Paradies fahren, um zu schauen, wie es dort aussieht oder wie es sich dort lebt? Was ist dort anders? Lohnt es sich, ins Paradies zu gehen? Lande ich am Ende der Welt oder gar in einem Traumland?

Wer sich schon einmal auf den Weg nach Prägraten gemacht hat, erlebt, was Bürgermeister Anton Steiner in schlichte Worte fasst: „Prägraten am Großvenediger bietet den Menschen das, was sie glauben, verloren zu haben: die Ruhe und den Weg zu sich selbst. Bei uns können sie aktiv sein und runterkommen, genießen und auftanken. Stille, Natur, Wasser, Wiesen, Wald, Berge, Täler – und das alles ohne die Dinge, die wir nicht brauchen, um glücklich und zufrieden zu sein“.

Ergreifende Ruhe

Die Menschen strahlen mit ihrer Ruhe und Freundlichkeit aus, was es bedeutet, hier zu leben. Die Statistik sagt, dass sie länger leben als anderswo. Wo sonst hat man eine wunderbare Luft, angefüllt mit Wasser, das aus dreitausend Metern Höhe herunter poltert, ohne von Menschenhand gebremst zu werden? Wiesen und Wälder sorgen für eine reiche Sauerstoffsättigung, die durch unzählige kleinste Tropfen aus den vielen Wasserfällen noch gesteigert wird. Sich in dieser Luft zu bewegen, zu wandern, Berge zu besteigen, spazieren zu gehen, bedeutet seelisch und körperlich aufzutanken und sich fit zu machen für den Alltag. Dazu die Ruhe! Legt man sich auf eine der Wiesen und schließt die Augen, hört man nur das Rauschen der Gletscherbäche, Dorfer, Maurer und Isel. Ab und an unterhalten sich Schafe, Ziegen oder Kühe auf den Weiden. Im Sommer sind fast alle Tiere auf Almwiesen von 2400 bis 2700 m Seehöhe. Die Höhe gibt Kraft, nicht nur den Menschen, auch den Tieren.

Winterfreuden

Im Winter hört man die Gletscherbäche nicht mehr. Es scheint, als würden auch sie Winterschlaf halten. Dafür sind Winterfreunde umso aktiver. Prägraten bietet in der weißen Jahreszeit viele Möglichkeiten, sich in der Ruhe der Natur zu erholen und auszutoben. Loipen gehen bis nach Ströden hinauf, der Isel entlang und wieder ins Tal. In Prägraten können Interessierte sich im Biathlonschießen üben oder im Eislaufen. Für Eltern und Kinder gibt es eine Abfahrt mit Lift und eine Skischule für die Kleinen. Die Alpinskifans fahren mit dem Skibus nach Matrei, wo das Goldried-Skigebiet übergeht in das von Kals mit Großglocknerblick. Wer die weiße Winterwelt mehr in der Ruhe erleben will, freundet sich mit Schneeschuhen oder Tourenski an. Hier haben die Hütten oberhalb von 2000 m im März bzw. April geöffnet, um die Tourengeher zu beherbergen.

DATEN & FAKTEN

Zur Gemeinde Prägraten am Großvenediger zählen die Orte Bobojach, Wallhorn, St. Andrä, Bichl und Hinterbichl am Ende des Virgentals in Osttirol.

–   1312 m bis 3657 m Seehöhe

–   18035 ha Gesamtfläche, davon

–   5274 ha Almen, Bergmähder und -weiden

–   1220 ha Wald, davon 80 % Schutzwald

–   383 ha bewirtschaftete Nutzfläche

–   1173 Einwohner

–   765 Rinder und Kühe, 43 Pferde, 621 Schafe, 56 Ziegen

Weitere Informationen unter www.praegraten.info/Unser_Dorf/Kultur/Chronik

Ein Pflanzenparadies

Unter diesen Bedingungen erfreut sich die Pflanzenwelt einer Vielfalt, die nicht zu überbieten ist. Die unterschiedlichen Lebensräume haben eine große Artenvielfalt zur Folge. Die bekanntesten Alpenpflanzen sind hier selbstverständlich zuhause. Edelweiß- und Kohlröschenwiesen sind nur Beispiele dafür, dass wir hier einer unglaublichen Blumenpracht begegnen. Sie sind nur zwei von vielen Orchideen, die neben dem Frauenschuh in Prägraten jedes Jahr Gäste und Einheimische begeistern. Eine der schönsten und vielfältigsten Blumenwiesen, die ich je in den Alpen gesehen habe, erleben wir auf dem Weg von Bichl zur Sajathütte. Damit nicht genug, gehen wir von der Sajathütte weiter zur Eisseehütte und finden auf einem traumhaften Höhenweg oberhalb des Isel- und Timmeltals weitere seltene Pflanzen. Trauen wir uns noch weiter, von der Eisseehütte zum Wallhorntörl, so erleben wir die kleinsten Wunder der Natur. Wir entdecken winzige Exemplare von Augentrost und Gletscherpetersbart, Alpen-Leinkraut und Edelraute. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus, denn diese Perfektion von Blüten in dieser Höhe, bei Wind und Regen, Sonne und Nebel, ist schlicht faszinierend. Solche gigantischen Aussichten und Naturerlebnisse erhalten wir auf beiden Seiten des Iseltals, zum Beispiel auf dem Lasörling- und dem Venediger Höhenweg.

Der Gelbe Frauenschuh – eine von vielen pflanzlichen Kostbarkeiten rund um Prägraten.

Die „Weltalte Majestät“, der Großvenediger, vom Dorfertal aus gesehen auf dem Weg zur Johannishütte.

Attraktionen

Diese verträumte Gegend muss sich nicht verstecken, wenn es um Sensationen und Rekorde geht. Schließlich verläuft hier der höchste Pilgerpfad der Alpen. Der Ideengeber Rüdiger kommt aus dem Ruhrgebiet in Deutschland. Menschen und Natur in Prägraten haben ihn als Bergführer so fasziniert, dass er mit vielen fleißigen Helfern die schweren Serpentinsteine zu den einzelnen Kreuzwegstationen, sogar bis auf die Gipfel, hinaufgetragen hat. Die Umbalfälle sind weltbekannt, schließlich erlauben sie den zahlreichen Besuchern aus dem In- und Ausland ein Zusammentreffen mit Millionen kleinsten Wassertropfen in einer aufregenden Bergwelt.

Selten ist der im Dorfertal abgebaute Serpentin. Er ist ein besonders gut zu bearbeitender, türkisfarben schimmernder Stein, „Tauerngrün“ genannt.

Und schlussendlich ist Prägraten der Ort am Großvenediger, der „Weltalten Majestät“, rundum vergletschert. Er zeigt in der Venedigergruppe mit mehr als 60 3.000er-Gipfeln an, wer das Sagen hat. Er ist der vierthöchste Berg Österreichs.

Vieles mehr können Sie auf der Website www.paradiespraegraten.at erfahren oder noch besser, Sie besuchen Prägraten selbst einmal, es lohnt sich auf jeden Fall.

Die weltbekannten Umbalfälle bringen die wilde Isel durch zerklüftete Felsen und Täler bis hinunter nach Prägraten.

Kräuter

– Kick für Gesundheit und Wohlergehen

Bevor ich mich auf den Weg mache, Wildkräuter zu ernten, tauchen Fragen auf. Warum suche ich welche Pflanzen oder einzelne Teile, warum will ich mir diese Mühe machen? Welche Wirkstoffe haben welche Pflanzen? Wie können sie mir helfen? Oder können sie mir vielleicht schaden? Ist es nicht einfacher, in die Apotheke zu gehen? Einen Kräutertee mischen zu können, heißt zunächst, sich sachkundig zu machen. Wo kann ich was ernten, wie kann ich die Kräuter eindeutig bestimmen, wie sie ernten, ohne die Pflanzenwelt zu zerstören? Daheim angekommen gilt es, das Mitgebrachte sorgfältig zu verlesen, gründlich zu waschen und dann erst die Pflanzen vorzubereiten bzw. sie zu verarbeiten.

Auf die inneren Werte kommt es an

Wildkräuter, das ist Genuss und Geschmacksrevolution einerseits, andererseits zählen die vielen wertvollen Inhaltsstoffe. Sie sind es, die schon die Gelehrten vor Jahrtausenden oder Jahrhunderten dazu gebracht haben, Artemisia zu empfehlen, wenn es um den Magen und die Verdauung schlecht bestellt war. Namen wie Plinius, Aristoteles, Hippokrates, Hildegard von Bingen, Paracelsus, Hahnemann, die Kräuterpfarrer und -kundigen Sebastian Kneipp, Johann Künzle, Maria Treben oder Herrmann-Josef Weidinger sind nur wenige Persönlichkeiten, die dazu beigetragen haben, dass die Volksmedizin Erfolge auf so breiter Basis erleben konnte und mehr denn je kann. Die Phytotherapie bemüht sich heute um die wissenschaftliche Basis und Anerkennung des alten Wissens ebenso wie neuer Erkenntnisse.

Wir unterscheiden bei den Inhaltsstoffen die primären und die sekundären. Zu den primären zählen Kohlenhydrate, Fett, Eiweiß, Vitamine, Mineralstoffe. Die sekundären, die erst später entdeckt wurden, kommen nur in Pflanzen vor. Pflanzen bilden sie zu ihrem eigenen Schutz, zur Fortpflanzung, als Fraßschutz, als Lockmittel usw. Der Mensch kann sich diese auch für ihn wertvollen Stoffe zunutze machen. Pflanzliche Inhaltsstoffe können unsere Zellen schützen, unser Immunsystem stärken oder Pilze und Bakterien abwehren. Wild- und Heilpflanzen haben im Vergleich zu Zuchtpflanzen die höchsten Gehalte an sekundären Pflanzenstoffen.

Löwenzahn, wichtige und gleichzeitig vielfältige Bitterstoff-Pflanze: Blätter, Knospen, Blüten und Wurzeln können gleichermaßen Heil wie Genuss sein.

Es geht uns gut, wenn wir inmitten einer blühenden Wiese nach alten Heilern und leckeren Zutaten suchen.

BITTERSTOFFE – HEILSBRINGER, SCHLANKMACHER, SCHLAUMACHER?

Bitterstoffe zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen. Man weiß mittlerweile, dass Bitterstoffe viel mehr können, als wir ihnen jemals zugetraut haben. Zählten sie doch lange Jahre zu den Stoffen, die man aus unserem Gemüse und Obst herausgezüchtet hat. Heute sieht man Bitterstoffe als notwendig und sinnvoll an:

–   zur Verbesserung des Immunsystems

–   zur Verbesserung des Hautbildes

–   bei Problemen mit Appetit und Verdauung

–   zur Verbesserung der Leberfunktionen

–   zur verbesserten Aufnahme von Eisen und Mikroelementen

–   zur Stärkung der Herzfunktionen und -leistung

–   zur Verbesserung des Stoffwechsels

u. v. m.

Maßstab sind die „Bitterwerte“. Beispiel Gelber Enzian: Die Droge „Enzianwurzel“ hat einen Bitterwert von 10.000, d.h. 1 Gramm der Droge in 10.000 Milliliter Wasser gegeben wird gerade noch bitter schmecken.

Bitterwert-Beispiele: Amarogentin (ein Bitterstoff aus Enzian; das Bitterste, das wir heute kennen) 58.000.000, Wermut 10.000, Schafgarbe 3.000, Löwenzahn 100 bis 500 (alles Näherungswerte)

Die sekundären Pflanzenstoffe zählen zur Hauptgruppe von Wirkstoffen in unseren Heilpflanzen. Hier eine Auswahl (jeweils in alphabetischer Reihenfolge):

Wichtige Pflanzenwirkstoffe – Auswahl

 

NAME

WIRKUNG – BEISPIELE

VORKOMMEN – BEISPIELE

KOHLENHYDRATE

SCHLEIMSTOFFE

in Verbindung mit Wasser speichern sie dieses und werden zu einer gallertartigen Masse; sie legen sich besänftigend auf erkältete Organe oder auf den Darm

wasserlöslich

Beinwell, Eibisch, Isländisch Moos, Kamille, Königskerze, Löwenzahnwurzel, Malve, Wegerich

PEKTINE

sie quellen und binden Wasser; sie zählen zu den pflanzlichen Dickungsmitteln mit denen in Osttirol Gelees und Konfitüren hergestellt werden

wasserlöslich

Engelwurz, Gelber Enzian, Meisterwurz, Früchte wie Berberitze, Hagebutten, Heidel-, Schwarze Johannis- und Vogelbeeren

SEKUNDÄRE PFLANZENSTOFFE

ÄTHERISCHE ÖLE Z. B. MONOTERPENE

flüchtige Stoffe (im Gegensatz zu den bekannten fettenden Ölen), die in allen Pflanzenteilen vorkommen können, am häufigsten in den Blüten und da wiederum in den Blüten der Lippenblütler, eine Pflanzenfamilie zu der z. B. Taubnesseln oder Quendel gehören

wirksam über Nase, Mund und Haut

Vielzahl an Wirkungen, wie antibakteriell, antiviral, entzündungshemmend, beruhigend, anregend

fettlöslich

Beifuß, Dost, Engelwurz, Johanniskraut, Kamille, Kümmel, Nadelbäume, Pfefferminze, Quendel, Schafgarbe, Thymian, Wacholder, Wermut, Wildrose

 

ALKALOIDE

sehr große und formenreiche Gruppe mit sehr unterschiedlichen Wirkungen, u. a. auch von leicht bis stark toxisch; Beispiele: einige Pflanzenteile enthalten Alkaloide, andere nicht (z.B. Kartoffeln: grüne Teile haben Solanin – ein Alkaloid, das ab 0,05 % Anteil als gesundheitsschädlich gilt; andere werden als Rausch- oder Suchtmittel eingeordnet, z.B. Coffein, Nicotin, Chinin; Pyrrolizidinalkaloide (PA) können leberschädigend und kanzerogen wirken; Coniin im Schierling gilt als äußerst giftig)

wasserlöslich

kommen in sehr vielen Pflanzen vor, deshalb entsprechende Pflanzen höchstens äußerlich anwenden bzw. meiden

Eibe, Eisenhut, Schierling, Hahnenfuß, Herbstzeitlose – alle leicht bis stark toxisch

PA-haltig: Beinwell, Huflattich werden deshalb nur äußerlich und kurzfristig eingesetzt

Solanin: Kartoffeln (grüne Stellen entfernen)

 

ARBUTIN

antibakteriell bei Nieren- und Harnwegsinfektionen

zeitlich begrenzte Aufnahme da es sonst evtl. zu Leberschädigungen kommen kann

wasserlöslich

Echte Bärentraube, Heidelbeere, Preiselbeere

 

BITTERSTOFFE

sehr unterschiedlich zuzuordnen und vielseitig in der Wirkung: u. a. verdauungsfördernd, anregend für Leber und Galle, hautschützend, immunmodulierend, anregend für Herz und Kreislauf

wasserlöslich

erkennbar am bitteren Geschmack: Beifuß, Enzianwurzel, Isländisch Moos, Löwenzahn, Meisterwurz, Schafgarbe, Spitzwegerich, Wegwarte, Wermut

 

CAROTINOIDE

zählen zu den Farbstoffen

u. a. antioxidativ, entzündungshemmend, immunmodulierend

verringertes Risiko für Herz-Kreislauf- und altersbedingte Augenkrankheiten, evtl. auch Krebs, metabolisches Syndrom, Gefäßveränderungen

fettlöslich

vorwiegend in allen gelben bis orangefarbigen und roten Pflanzenteilen, vor allem in Blüten und Früchten

 

CUMARINE

Risikoverringerung für Herz-Kreislauf- und bestimmte Krebs-Erkrankungen

u. a. entzündungshemmend, gefäßentkrampfend, zirkulationsfördernd, blutverdünnend, beruhigend

innerlich und äußerlich anwendbar; innerlich: Vorsicht mit der Dosis

Furanocumarine wirken phototoxisch

wasserlöslich

erkennbar am Duft von Waldmeister, Heublumen, Kamille, Steinklee

kommen in vielen Pflanzen in Spuren vor und verursachen eine erhöhte Lichtempfindlichkeit: Engelwurz, Wiesen-Bärenklau

 

FLAVONOIDE (ZUR GRUPPE DER POLYPHENOLE)

U. A. FLAVONE, FLAVANOLE, FLAVONOLE, ISOFLAVONE, ANTHOCYANE

insgesamt zur Gesunderhaltung und zum Schutz vor Krebs

u. a. antioxidativ, antithrombotisch, blutdrucksenkend, entzündungshemmend, immunmodulierend, antibiotisch, neurologische Wirkungen (kognitive Fähigkeiten)

wasserlöslich und hitzestabil

erkennbar an Farben: hellgelb bis orange, rot, blau und violett

alles, was in diesen Farben blüht und Früchte trägt

Mädesüß, Ringelblume, Holunderblüten und -beeren, Johanniskraut, Kamille

Rote und Schwarze Johannisbeeren, Holunder, Heidelbeeren

SEKUNDÄRE PFLANZENSTOFFE

GERBSTOFFE

schützen Zellen und Gewebe, diese Wirkung wird beim Gerben von Tierhaut genutzt

u. a. schmerz- und juckreizlindernd, wundheilend, entzündungshemmend, austrocknend, antibakteriell, antiviral, antimykotisch

bei Durchfall stopfend, mildern Schleimhautentzündungen

„Gegengift“ zu Alkaloiden

erkennbar an der adstringierenden (zusammenziehenden) Wirkung

Blutwurz, Frauenmantel, Gänsefingerkraut, Heidelbeere, Kamille, Schafgarbe

 

GLYCOSIDE

Gruppe mit sehr unterschiedlichen Wirkungen

bestehen aus 2 Bausteinen, 1 Zuckeranteil + 1 Nicht-Zuckeranteil – letzterer bestimmt die Wirkung, z. B.

Senfölglycoside – scharfer Geschmack in Kapuzinerkresse

Herzglycoside z. B. in Fingerhut oder Maiglöckchen sind giftig

Cumaringlycoside – erkennbar am Geruch, vgl. Cumarine

wasserlöslich

 

 

GLUCOSINULATE SENFÖLGLYCOSIDE

enthalten in allem, was den typischen Kohlgeruch und -geschmack hat; bei den Kräutern sind es Senfarten und Kapuzinerkresse

in der Wirkung sind sie antioxidativ, immunmodulierend, verringern Risiko für bestimmte Krebskrankheiten

wasserlöslich

Kohlarten, Kressen, Senfarten

 

TERPENOIDE, MONOTERPENE, SESQUITERPENE, TRITERPENE, PHYTOSTERINE

sehr unterschiedliche, große Gruppe

Duft- und Aromastoffe, Bitterstoffe oder Hauptbestandteil vieler ätherischer Öle (dann fettlöslich), etc.

 

 

PHENOLISCHE VERBINDUNGEN

PHENOLE, PHENOLSÄUREN, LIGNINE, CUMARINE, ETC.

verringertes Risiko für bestimmte Krebserkrankungen, Zell- und Gefäßschutz

antioxidativ, antiseptisch, fiebersenkend, schmerzlindernd, entzündungshemmend z. B. Salicylsäure, Kaffeesäure

wasserlöslich

große Gruppe

 

Salicylsäure enthalten z. B. Weidenrinde, Mädesüß, Pfefferminze, Thymian, Acker-Stiefmütterchen

 

SAPONINE/ SEIFENSTOFFE

antibiotisch, antifungizid, antikanzerogen, entzündungshemmend

Bitterstoffe in wässriger Lösung mit einer schaumbildenden Wirkung

emulgieren Fette und ätherische Öle, innerliche (nur kurzfristig) und äußerliche Anwendungen bewirken Aufnahme und Bindung anderer Stoffe (Fremd-, Schadstoffe)

sekretlösend bei Erkältungen, Atemwegserkrankungen, durchspülend bei Harnwegsinfektionen, stoffwechselanregend bei rheumatischen Erkrankungen

Gänseblümchen, Goldrute, Königskerze, Quendel, Rosskastanie, Schlüsselblume, Seifenkraut, Acker-Stiefmütterchen

ANDERE

CHLOROPHYLL

hilfreich beim Blutaufbau

Farbpigment für alles Grüne, Basis für die Photosynthese für alles Leben (je mehr Chlorophyll, desto mehr Leben, Energie etc.)

große Ähnlichkeit mit menschlichen Blutzellen

positive Wirkungen von Chlorophyll gibt es unendlich viele, je mehr wir davon zu uns nehmen, desto besser

in allem Grünen

Gemüse und Salate, grüne Sprossen

sehr hohe Anteile in Wildkräutern, wie z. B. Brennnesseln

WEITERE INFORMATIONEN ZU DEN WIRKSTOFFEN:

–   dge.de bzw. oege.at, sge-ssn.ch – das sind die Gesellschaften für Ernährung in Deutschland, Österreich und der Schweiz;

–   Ursel Bühring, Praxis-Lehrbuch Pflanzenheilkunde, 4. überarbeitete Auflage, Stuttgart 2014, 118ff

–   Bettina Lube-Dietrich, Arzneipflanzen – Arzneidrogen, 2. überarbeitete Auflage, Eschborn 2017, Seite 132ff

Vielstoffgemisch – keine isolierten Inhaltsstoffe

Die Natur präsentiert uns Pflanzen als Ganzes. Sie bietet ein Gemisch aus Blättern, Blüten, Samen, Früchten und Wurzeln. Während in der klassischen Medizin gezielt einzelne Inhaltsstoffe isoliert ausgewählt werden, spielt in der Volksheilkunde immer das Stoffgemisch einer Pflanze die Hauptrolle. Da ist der Mensch gefordert, der sich selbst beobachten und in sich hineinhorchen muss, ob und wie die Wirkung einsetzt. Gleichzeitig bedeutet der Einsatz der Pflanzenkraft bei richtiger Dosierung und Anwendung keine Nebenwirkungen zu haben.

DIE DOSIS MACHT DAS GIFT

Das wissen wir nicht erst seit Paracelsus. Vorsicht ist nicht nur geboten bei leicht giftigen oder giftigen Wirkstoffen wie Alkaloiden, Blausäure-Glycosiden oder Herzglycosiden. Alle Pflanzen sind Drogen. Im Umgang mit ihnen ist deshalb stets Sorgfalt geboten.

Wer auf den Gedanken kommt, diese wertvollen Inhaltsstoffe als Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, dem geben Experten den Rat: „Die isolierte Zufuhr einzelner sekundärer Pflanzenstoffe in Form von Nahrungsergänzungsmitteln kann nicht empfohlen werden.“

(Weitere Informationen unter www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/fachinformationen/sekundaere-pflanzenstoffe-und-ihrewirkung/)

RAT VON KAMILLUS