Down and Dirty (Deutsch) - Rhys Ford - E-Book

Down and Dirty (Deutsch) E-Book

Rhys Ford

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Beschreibung

Seit seiner ersten Begegnung mit Ichiro Tokugawa weiß der ehemalige LAPD-Detective Bobby Dawson, dass der Mann ihn in Schwierigkeiten bringen wird. Und nicht nur, weil der viel jüngere japanische Tätowierer sexy und kompliziert ist und Bobby unter die Haut geht. Nein, er bedeutet Schwierigkeiten, weil er Cole McGinnis' jüngerer Bruder ist und damit in jeder Hinsicht tabu. Das weiß Bobby, noch bevor Cole ihm androht, ihn umzubringen, wenn er Ichi auch nur ansieht. Doch obwohl sein Instinkt ihm sagt, dass Ichi Ärger bedeutet, kann er nicht aufhören, ihn anzusehen … oder sich nach ihm zu sehnen. Ichi ist nie jemand gewesen, der sich an Regeln gehalten hat. In seiner Jugend in Japan war er als Erbe seines Vaters an jede erdenkliche Regel gebunden, bis er genug hatte und allem den Rücken zukehrte, um sein eigenes Leben zu führen. Los Angeles sollte lediglich ein kurzer Boxenstop werden, bevor er weiterzog, doch nachdem er Kontakt zu seinen amerikanischen Halbbrüdern aufgenommen hat, erschien ihm die Stadt zumindest für eine Zeit lang als gutes Zuhause – wäre da nicht Bobby Dawson. Bobby ist zweifellos nur jemand für etwas Flüchtiges, eine Philosophie, der Ichi von ganzem Herzen zustimmt. Die Beziehung zu seinen Brüdern ist die einzige, die Ichi gesucht hatte, doch etwas an dem rauen und gutaussehenden Mann sorgt nun dafür, dass Ichi sich mehr wünscht. Wesentlich mehr.

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Seitenzahl: 346

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Zusammenfassung

Widmung

Danksagung

1

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Über Rhys Ford

Von Rhys Ford

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Copyright

Down and Dirty

 

Von Rhys Ford

Ein Cole-McGinnis-Krimi

 

Seit seiner ersten Begegnung mit Ichiro Tokugawa weiß der ehemalige LAPD-Detective Bobby Dawson, dass der Mann ihn in Schwierigkeiten bringen wird. Und nicht nur, weil der viel jüngere japanische Tätowierer sexy und kompliziert ist und Bobby unter die Haut geht. Nein, er bedeutet Schwierigkeiten, weil er Cole McGinnis’ jüngerer Bruder ist und damit in jeder Hinsicht tabu. Das weiß Bobby, noch bevor Cole ihm androht, ihn umzubringen, wenn er Ichi auch nur ansieht. Doch obwohl sein Instinkt ihm sagt, dass Ichi Ärger bedeutet, kann er nicht aufhören, ihn anzusehen … oder sich nach ihm zu sehnen.

Ichi ist nie jemand gewesen, der sich an Regeln gehalten hat. In seiner Jugend in Japan war er als Erbe seines Vaters an jede erdenkliche Regel gebunden, bis er genug hatte und allem den Rücken zukehrte, um sein eigenes Leben zu führen. Los Angeles sollte lediglich ein kurzer Boxenstop werden, bevor er weiterzog, doch nachdem er Kontakt zu seinen amerikanischen Halbbrüdern aufgenommen hat, erschien ihm die Stadt zumindest für eine Zeit lang als gutes Zuhause – wäre da nicht Bobby Dawson.

Bobby ist zweifellos nur jemand für etwas Flüchtiges, eine Philosophie, der Ichi von ganzem Herzen zustimmt. Die Beziehung zu seinen Brüdern ist die einzige, die Ichi gesucht hatte, doch etwas an dem rauen und gutaussehenden Mann sorgt nun dafür, dass Ichi sich mehr wünscht.

Wesentlich mehr.

Für alle, welche die Dirty-Reihe gelesen haben und dachten: „Mann, ich möchte, dass Bobby bekommt, was er verdient.“

Dieses Buch, liebe Leser, ist für euch.

Danksagung

 

 

FALLS IHR was von mir gelesen habt, wisst ihr, dass ich immer erwähnen werde Die Fünf (Jenn, Tamm, Penn und Lea), Ree, Ren und Lisa. Weil Grrrr.

Ein großes Dankeschön und liebste Zuneigung für Grace, Brian und den Rest meines Lektorenteams bei Dreamspinner. Die Armen. Es tut mir so leid. Ganz viel Dank gilt auch allen anderen bei Dreamspinner, vor allem Elizabeth, die meine Kohlen zu Diamanten polieren.

Mehr Dank an meine Guinea Pigs, meine First Betas (einschließlich San Diego Crewe), die mein Zähneknirschen ertragen, und meine zweiten Betas, die mit meiner Fahrigkeit zurechtkommen. Mann, ihr Leute haltet wirklich eine Menge aus.

Zum Schluss Umarmungen und danke an die Tätowierer drüben im Flying Panther Tattoos. Ihr fügt mir zwar große Schmerzen zu, aber verdammt, ihr hinterlasst ein paar tolle Bilder. Danke für eure Kunst und Professionalität. Das beste Studio aller Zeiten.

1

 

 

BOBBY WUSSTE nicht, warum er sich hatte beschwatzen lassen, sich durch den Flughafenverkehr und dann hinauf nach Hollywood zu kämpfen, aber Cole hatte ihn um einen Gefallen gebeten, und wenn der beste Freund für eine Fahrt zu Air Cargo Spritgeld und einen Starbucks-Gutschein herausrückte, hätte er ein Idiot sein müssen, um nein zu sagen.

Er hätte gern nein gesagt. Bei Gott, wirklich! Denn die schwere Ledermassageliege nach Hollywood zu transportieren, bedeutete auch, sich in unmittelbare Nähe von Coles jüngerem Bruder Ichiro Tokugawa zu begeben, der heiß war und definitiv für ihn tabu.

Es gab Regeln.

Grenzen, die ein Mann bezüglich seiner Freunde nicht überschritt.

Ein Mann trank nicht das letzte Bier. Er übergab sich niemals, ohne danach sauber zu machen, und ein guter Freund belohnte seine Freunde mit Bier und Pizza, wenn sie einen Samstag opferten, um ihm beim Umzug zu helfen. Ein Mann betrank sich mit seinem Freund bei Beerdigungen und verfasste peinliche Reden über ihn, wenn er die Liebe seines Lebens heiratete. Ein Mann ließ sich nicht mit einem Expartner ein - wobei man die als Ex definierte, die wirklich mal Freund oder Freundin waren und nicht bloß Affären. Dasselbe galt für Geschwister und möglicherweise Cousins und Cousinen.

Vor allem, wenn es um gute Freunde ging.

Umso mehr, wenn es der beste Freund war, den Bobby in seinem ganzen Leben gehabt hatte.

Doch all das war bedeutungslos, denn tief im Innern - und so tief war es gar nicht vergraben - war sich Bobby überaus deutlich des Problems bewusst:

Er wollte es unbedingt mit Cole McGinnis’ jüngerem Bruder treiben.

Zur Mittagszeit musste man auf dem Hollywood Boulevard Frogger und Meide-den-Fußgänger spielen. Selbstvergessene Touristen schienen nicht zu begreifen, dass der schwarze Streifen in der Mitte mit Autos übersät war, und die diversen Freaks in Superheldenkostümen oder ihrer eigenen Version von Verrücktheit, die auf der Straße rumliefen, schienen nur allzu gern den Tod durch amerikanischen Stahl zu riskieren, während Ströme von Bussen Opfer mit prallen Brieftaschen ausspuckten. Jeder Zentimeter am Rand des Hauptabschnitts der Straße war angefüllt mit Menschen, Lärm und Farbenpracht.

Altmodischer Glamour und verblasster Glanz kämpften tapfer gegen das Vordringen des strahlend hellen, neonreichen Leuchtens der Gebäude an, die den Schatullen eines neueren Hollywoods entsprangen. Nur wenig war aus der Zeit übrig geblieben, als eine Frau einen Mann fragte, ob er pfeifen könne, und diese verbliebenen Fetzen wurden zügig von Denkmälern aus Glas und Stahl für den Kapitalismus verschluckt.

„Mein Gott, Dawson“, murmelte Bobby vor sich hin. „Wann zum Teufel bist du so alt geworden?“

Er fühlte sich nicht alt.

Er konnte immer noch Cole im Ring umhauen und in sechs Minuten einen Meilenmarker erreichen. Verdammt, letzte Nacht hatte er mit den drei hübschen, jungen Männern mitgehalten, die im Down and Dirty auf der Suche nach etwas Spaß gewesen waren. Er hatte ihnen verdammt viel Spaß bereitet und war sogar so weit gegangen, mehr als nur seinen Pinsel in den Blondesten des Trios zu tauchen. Aber nach den ersten fünfzehn Minuten, in denen er den Mann dazu gebracht hatte, ihn um mehr anzubetteln, waren seine Gedanken abgeschweift. Anstatt sich auf den Blonden zu konzentrieren, den er mit seinem Schwanz aufgespießt hatte, ertappte er sich dabei, wie er an Ichiro dachte, einen scharfzüngigen Japaner, der für ihn verbotener war als ein radioaktiver Vibrator.

„Wie der verfluchte Apfel im Garten Eden.“ Er bremste lange genug, um eine Schar sonnenvisiertragender Touristen die Straße überqueren zu lassen, während er aus dem Fenster auf ein Meer aus wogenden Hawaiihemden und mit Zinkpaste bestrichener Haut blickte. „Du weißt, dass du abbeißen möchtest, Dawson. Einen verdammt großen Bissen, und wenn du es tust, wird deine Welt den Bach runtergehen. Kein Typ ist so viel Ärger wert.“

Allerdings gab sich Ichiro die größte Mühe, ihm das Gegenteil zu beweisen.

Als Bobby vor dem neuen Geschäft anhielt, schwang sich der besagte Mann gerade von einer Harley Fat Boy Lo. Enge Lederchaps rahmten Ichiros Hintern ein und zogen sich an seinen kraftvollen Beinen hinab, wobei sich das Leder kaum von seiner schwarzen Jeans abhob. Nachdem er den Helm abgenommen hatte, schüttelte Ichi seine wie mit der Rasierklinge gekürzte Mähne aus und fuhr mit den Fingern durch leuchtend rot-gestreifte Strähnen, um mögliche Knoten zu entfernen, wobei die Lederjacke durch die Bewegung seiner Schultern Falten warf. Eine verspiegelte Sonnenbrille schützte Ichis zimtbraune Augen vor Blicken, aber nichts konnte den sinnlichen Mund des Mannes verbergen. Seine volle Unterlippe verhieß bei jedem Schmollmund und bei jedem Knabbern seiner weißen Zähne Sünde und Verruchtheit.

„Fuck, reiß dich zusammen.“ Bobby nutzte die Deckung durch seinen Pick-up aus und zupfte an seinem Schritt, um den Jeansstoff über der dort anwachsenden Schwellung zu lockern. „Er ist nur ein weiterer heißer Typ. Wie die tausend anderen, die du schon gesehen hast.“

Dann beugte sich Ichiro über den Sitz der Harley, um abzuschließen, und Bobbys Mund knisterte durch den plötzlichen Flüssigkeitsmangel auf seiner Zunge.

„Verflucht, reiz mich nicht.“

Bobby stieg aus dem Pick-up und nickte Ichiro, der in seiner Tasche nach etwas wühlte, zur Begrüßung zu. Die gut eingetragenen Chaps schienen ihre Beute nicht loslassen zu wollen, doch schließlich gab das Leder nach und Ichi zog einen Ring mit klimpernden Metallschlüsseln heraus.

„Hey, danke, dass du die Liege abgeholt hast, Bobby.“ Mit seinem rauen Raunen klang Ichiro heiserer als sein älterer Bruder und er dehnte jedes Wort sorgfältig, bevor er es aussprach, so als wollte er dessen Geschmack prüfen, bevor er es freigab. Sein Englisch war fehlerfrei mit einem Hauch Weichheit um die Konsonanten, doch seine Stimme war ausgesprochen männlich, wie rauer Samt, dem Bobby gern zuhörte.

Er liebte es, wie der Mann seinen Namen sagte.

Noch besser wäre es gewesen, wenn Ichiro ihn voller Lust geschrien hätte.

„Kein Problem.“ Das war dreist gelogen.

Vom Air-Cargo-Mitarbeiter hatte Bobby einen Anschiss wegen der schweren Liege kassiert, und obwohl man ihm versprochen hatte, dass jemand aus dem Lager helfen würde, das Ding in den Pick-up zu wuchten, schien dann aber niemand willens oder in der Lage zu sein einzuspringen. Letztendlich hatte sich ein vorbeikommender Sicherheitsbediensteter erbarmt, und nachdem Bobby das verdammte Ding ausgepackt hatte, war es ihnen gemeinsam gelungen, Ichiros Liege auf die Ladefläche zu hieven.

Wie einen passiv-aggressiven Mittelfinger, gerichtet an den hinter dem fragwürdigen Schutz des Abholschalters grinsenden Mann, hatte Bobby das Verpackungsmaterial bei Air Cargo verstreut hinterlassen und war ohne einen Hauch von Reue davongefahren, während der Wächter herausgeschossen kam, um ihm nachzubrüllen.

„Wirklich, danke. Ich habe nicht damit gerechnet, dass die ein komplettes Musterteil schicken würden, und mit meinem Motorrad konnte ich es schlecht abholen.“ Ichi hantierte etwas ungeschickt mit den Schlüsseln, während er sich einem Geschäft mit bemalten Schaufenstern näherte. „Durch die Doppeltür hier kriegen wir es wahrscheinlich rein. Der Hintereingang hat aus irgendeinem verdammten Grund einen schmalen Flur. Die Bauarbeiter gehen da morgen dran.“

Viel machten die Geschäftsräume nicht her, und die wenigen Überbleibsel aus ihrem vorherigen Leben deuteten darauf hin, dass sie zuletzt als Friseursalon genutzt worden waren. Eingezwängt zwischen einem Ausstellungsraum für Oldtimer und einem Kostümladen wirkte es wie ein trauriger, müder Ort mit abblätterndem Putz, der mit neonfarbenen Symbolen bemalt war, die anzeigten, wo noch gearbeitet werden musste. Kreuz und quer über dem Schaufenster war altes Isolierband angebracht und die Sonne ließ die silbernen Klebestreifen, die einige breite Risse im Glas sicherten, matt erscheinen. Zwischen den anderen Läden stach das Geschäft unangenehm ins Auge. Selbst der geschmacklose Dessousladen, der kleine Fetzen aus Spitze für fünfzig Mäuse pro Stück verkaufte, sah besser aus als Ichiros neues Geschäft.

„Läuft alles planmäßig?“ Bobby betrachtete das Äußere des Ladenlokals und fragte sich, ob es nicht einfacher gewesen wäre, das Ding abzureißen und neu aufzubauen. „Du willst wann eröffnen? Schon in ein paar Monaten?“

„Nein, frühestens in einem halben Jahr. Vielleicht später.“ Ichiro gelang es, einen Schlüssel ins Schloss zu schieben und quietschend aufzuschließen. „Ich muss nichts überstürzen und arbeite gastweise in einigen Läden in der Umgebung. Bei all dem Tätowieren, der Suche nach Künstlern, die hier arbeiten wollen, und dem Kampf um Genehmigungen kann ich froh sein, wenn der Laden vor Jahresende eröffnet ist.“

„Also versuchst du es?“ Bobby klappte das Heckteil der Ladefläche herunter. „Hierzubleiben, meine ich.“

„Ja.“ Ichiro schob die Doppeltür auf. „Familie … Die Jungs sind … Ich möchte sie besser kennenlernen.“

„Mit Cole scheint es ziemlich gut zu klappen.“ Wenn das Gespräch noch etwas gehaltloser würde, wäre es bald wie damals in der Highschool, als Bobby den Quarterback angequatscht hatte, nur um den Geruch seines Schweißes einzuatmen. Noch weitere fünf Minuten und er würde Ichi fragen, ob es ihm warm genug sei. „Aber Mike kann manchmal ein Miststück sein.“

„Mit Cole kommt man gut aus. Bei Mike ist es schwerer. Er kommandiert andere gern herum.“ Ichis Grinsen blitzte sarkastisch und strahlend weiß vor dem schwarzen Schleier des Ladens auf. „Er betrachtet mich als kleinen Bruder und versucht, mich wie Cole zu behandeln. Nur dass ich es nicht mag, wenn man mir etwas vorschreibt.“

„Cole auch nicht, nur hat Mike das noch nicht kapiert.“ Bobby lachte leise. „Man sollte denken, dass er es nach all den Jahren verstanden hätte.“

„Mike ist … hartnäckig.“ Ichiro lachte über Bobbys Grinsen. „Maddy liebe ich. Und Jae - ah, er ist wie ein bester Freund, den ich nach zu langer Zeit wiedergefunden habe. Ich glaube, es gefällt ihm auch, jemanden zu haben, der sich bei Coles Sturheit auf seine Seite schlägt. Niemand kann so krass eigensinnig sein wie meine älteren Brüder. Man könnte glauben, dass sie die Ochsen sind und nicht ich.“

„Da hast du recht“, antwortete Bobby. „Okay, schnapp du dir das Ende und dann ziehen wir sie raus. Wiegt nicht die Welt, aber das Ding ist verdammt unhandlich.“

„Lass mich nur erst das Leder loswerden“, murmelte Ichiro und beugte sich vor, um die Schnürung am Bund der Chaps zu lösen. „Sonst schwitze ich wie ein Schwein.“

Er hätte nicht zusehen sollen, wie Ichi das schwarze Leder von seinem Hintern schob. Bobby wusste, dass er sich etwas anderes zum Anstarren hätte suchen sollen als Ichiros wackelnde Hüften und dann seinen gebeugten Rücken, als würde er es sich besorgen lassen, während er sich hinabbeugte, um sich die Chaps von den Beinen zu ziehen.

Er blickte kurz auf den Gehweg, lange genug, um die Sterne für Perry Como und Eartha Kitt zu entdecken. Er wurde sogar auf einen Stern für Burton Holmes aufmerksam und fragte sich ganz kurz, wer zum Teufel Holmes gewesen war, bevor sein Blick wieder an Ichiros hochgewachsenem, muskulösem Körper hinaufwanderte und sich auf seinen knackigen Hintern fixierte, der sich unter seiner weichen Jeans anspannte.

Bedauerlicherweise konzentrierten sich seine Augen darauf und nicht auf den feuerroten Ford Focus, der aus der Querstraße auf der anderen Seite des Boulevard angerast kam.

Das erste Anzeichen für Ärger hätte das herannahende Dröhnen von typischer Abifeiermusik sein sollen, das durch die Straßen hallte. Neben der Musik war Französisch auszumachen, ein brummender Bariton im Wettstreit mit einem satten Bass, ein Humpta von Worten und zeremoniellem Geklimper. Erst als er das leuchtend rote Auto über die Kreuzung rasen sah und der dumpfe Klang aus dem Lautsprecher etwas deutlicher war, wurde Bobby bewusst, dass er die kanadische Nationalhymne hörte.

In Südkalifornien. Wo kein einziger Mountie in Sicht war.

Unsicher, welche Richtung der außer Kontrolle geratene Focus einschlagen würde, schaffte Bobby es irgendwie über den Gehweg, wo sich das Auto durch panisch ausweichende Fußgänger schlängelte, und warf sich mit aller Wucht gegen Ichiro, gerade noch rechtzeitig, dass sie beide gegen den Pick-up knallten, als das Auto an ihnen vorbeiraste. Der Tätowierer wand sich unter ihm, Muskeln und Knochen rieben sich an Bobbys Brust und Beinen. Ein Ellbogen traf Bobbys Kinn, doch sie waren zu sehr ineinander verfangen und konnten für den Moment nur auf das Beste hoffen.

Metall kreischte, als der kleine Ford durch die Lücke zwischen zwei Bäumen preschte und der Aufprall die Seitenspiegel abriss. Kurz dachte Bobby, das Fahrzeug würde zwischen den beiden gewaltigen Baumstämmen stecken bleiben, aber entweder besaß Gott in Bezug auf selbstmörderische kleine Pünktchen auf Rädern einen Sinn für Humor oder der Fahrer fuhr zu schnell, um sich von einem einfachen irdischen Stück Holz von seinem Ziel abbringen zu lassen. Der Focus überstand seine Kamikaze-Fahrt mit langen Schrammen an den Seiten, wo die rote Farbe bis auf das blanke Metall abgeschürft worden war, und legte vielleicht sogar noch an Tempo zu, als der Fahrer ein letztes Mal das Gaspedal durchtrat, um durch das Schaufenster eines Ausstellungsraums zu pflügen.

Glas flog in alle Richtungen und einen kurzen Moment lang wurde die dröhnende Musik vom entsetzlichen Knirschen des zerschmetternden Stahls übertönt, als Metall knallte wie Popcorn auf einer heißen Platte. Einer der Bäume erlag seinem Schaden und stürzte um, krachte wütend und Erde und Rindenstücke speiend auf den Gehweg. Blätter rieselten auf den Asphalt und ein Ast begrub Ichiros Motorrad beinahe unter sich.

Im Innern des Ausstellungsraums öffnete sich knarrend die Fahrertür des Focus und eine kleine, schlanke Frau krabbelte mit triumphierend erhobenen Armen heraus, als sie den Schaden begutachtete, den sie drei klassischen Muscle-Cars zugefügt hatte. Nach einem tiefen Atemzug stimmte sie in einen Refrain der Nationalhymne ein, die weiterhin pausenlos aus den Lautsprechern dröhnte, während sie mit in die Höhe gerissenen Fäusten um die Verwüstung herumtanzte.

„Alles okay?“ Bobby überprüfte Ichiros Beine und Rippen, wobei er sich bemühte, durch die Berührung des Mannes an seinem Schritt und Bauch nicht steif zu werden.

„Was zum Teufel, was … stimmt denn nicht mit der?“ Ichi hustete und rieb sich die Brust.

„Ich habe keine Ahnung. Wahrscheinlich sauer, weil sie eine Scheißkarre fährt, die anfängt zu klappern, sobald sie Alte-Leute-Geschwindigkeit erreicht“, antwortete Bobby leise. Er wollte noch mehr sagen – oder dem jüngeren Mann zumindest auf die Beine helfen –, doch sein Handy klingelte laut. „Verdammt, das ist eine Nachricht von deinem Bruder. Dieser widerliche Ton ist unverwechselbar.“

Er fühlte sich, als habe Cole ihn dabei erwischt, wie er auf offener Straße ganz dreist Ichiro begrapschte, als er sich aufrichtete und auf sein Handy schaute. Was er las, zog ihm den Magen zusammen und das Blut gefror ihm in den Adern. Auch Ichiros Handy erklang, und als Bobby von der Nachricht aufblickte, sah er, wie Ichiro taumelnd versuchte aufzustehen.

„Was … warum?“ Ichis Pupillen hatten sich geweitet, dunkel und hungrig durch den Schock. „Ich … Oh, Gott, Jae. Wer würde … auf ihn schießen …?“

Bobby konnte die Worte auf seinem Display ebenso wenig verstehen. Nicht diese Worte. Nicht das Echo einer Vergangenheit, die sich aufbäumte, um Cole McGinnis erneut zu treffen. Das Blut eines weiteren Geliebten war auf ihn vergossen worden und möglicherweise würde Bobbys bester Freund noch vor Tagesende ein weiteres Stück seines Herzens in kalter, harter Erde begraben müssen. „Ja, ich weiß, Sonnenschein.“ Bobby knallte die Rückwand der Ladefläche wieder zu und half Ichiro vom Gehweg hoch. „Komm her. Steig in den Pick-up und wir fahren zum Krankenhaus. Cole wird uns jetzt brauchen – und wie.“

 

 

SEINE ZUNGE schmeckte säuerlich von Jaes Blut.

Die Welt war aus dem Gleichgewicht geraten – so viel Schmerz, Angst und ein tiefer, markerschütternder Kummer, dass Ichiro seine Seele gegeben hätte, um es nie wieder fühlen zu müssen.

Und inmitten des Geschreis und unablässigen Geredes der verängstigten Menschen waren irgendwie getrocknete Flocken von Jaes Blut in seinen Mund gelangt.

Jemand in dem kalten, tauben Vakuum eines amerikanischen Krankenhauses – er war nicht sicher, wer – hatte ihm Coles Jacke gegeben, damit er darauf aufpasste. Wo oder wie derjenige sie an sich genommen hatte, wusste er nicht, doch Ichi umklammerte sie, als wäre es ein makaber-unförmiger Teddybär, bestehend aus Albträumen und Trost zugleich. Alles andere hatten sie mitgenommen, zumindest hatte das Mike gesagt, und aus irgendeinem Grund hatte jemand einen kleinen Tropfen von Jaes Blut auf dem Leder übersehen. Ichi wusste nicht, was mit Jaes Kleidung geschehen war. Er vermutete, ein Polizist hatte sie als Beweismittel gesichert. Mit Schmauchspuren und von hassgetriebenem Metall durchlöchert würde Jaes Shirt intensiv untersucht werden, um zu finden, was auch immer die Polizei suchte – irgendwo im Labyrinth der mahlenden Bürokratie von Los Angeles.

Irgendjemand brummelte, dass die Spurensicherung Zeitverschwendung sei. Obwohl Ichi nicht ausmachen konnte, welche Stimme das so schrille Geschnatter um ihn herum durchschnitt, sandte es einen Stich durch seinen Rücken und er versteifte sich - bereit, zurückzuschießen, doch dann war der Moment vorbei, bevor es ihm gelang, seine Gedankengänge zu ordnen.

Alles war einfach so – verdammt kalt.

Mit Blut hatte er jeden Tag zu tun. Es war eine Konstante in seinem Leben. Er kannte seinen Geruch, vor allem, wenn überlagert von Chemikalien und Adstringenzien. Das Gefühl, wenn er mit seinen Fingerspitzen darüber glitt, trotz der schwarzen Latexhandschuhe, war ihm vertraut. Gemischt mit der leicht groben Farbe durchdrang es sein Leben beinahe so tief wie die Kunst, die er unter die Haut seiner Kunden stach.

Also weshalb war der Geruch von Jaes Blut so entsetzlich?

Warum bekam er ihn nicht aus der Nase?

Und warum war es so bitter auf seiner Zunge?

Ein Teil seines Verstands war besorgt, krank zu werden – eine fortwährende, tiefsitzende Furcht, die im Schatten seines Lebens und seiner Arbeit lauerte. Sie taumelte umher, ein verletzter Schmetterling, der seinen rissigen Körper auf dem heißen Asphalt von Ichiros Schmerz und Angst versengte. Er wusste, dass Jae gesund war. Herrje, sie hatten sich sogar über die riskanten Sachen unterhalten, die sie in Zeiten ihres Selbsthasses getan hatten. Hass verführte einen Mann zu Dummheiten, und wenn ein Mann hasste, wer er war, fiel es ihm leicht, seinen größten Feind zu töten – sich selbst.

Doch sie hatten diesen heftigen Sturm gesund und munter überstanden – nur um dann vom Echo einer toten Freundschaft heimgesucht zu werden, das zurückkehrte und versuchte, Jaes Leben auszulöschen.

„Hier. Trink das. Du bist weiß wie ein verdammtes Gespenst.“ Ein Becher mit heißem Inhalt wurde ihm unter die Nase geschoben und Ichiro blinzelte, als das Aufflammen seiner tief verwurzelten Ängste plötzlich von dem großen, älteren Mann mit der schroffen Stimme beseitigt wurde, den Cole wie einen Bruder liebte. Was sich in dem Pappbecher befand, roch so bitter wie der Geschmack von Jaes Blut auf Ichis Zunge, doch er nahm ihn entgegen, vom Kummer betäubt.

Selbst als die heiße Flüssigkeit sich einen Weg über seine Zunge und durch seine Kehle brannte, konnte Ichiro nicht genau sagen, ob es sich um eine Teesorte handelte oder um die Rückstände eines braunen Buntstifts, den man zu lange in einem Becher Bittergurkensuppe gelassen hatte. Doch als er schluckte, fühlte er das Koffein in seinen Kreislauf eindringen, wo es die Albträume, die durch seine Gedanken streiften, in Aufruhr brachte. Verschreckt durch die plötzliche Aufmerksamkeit flohen sie und ließen ihn allein mit Bobby und den typischen Geräuschen eines Krankenhauswartezimmers.

„Was ist das?“, keuchte Ichi durch die säuerliche Brühe hindurch. Es wurde nicht besser. Eher schien sich der ölige Rückstand der Flüssigkeit auszubreiten, überzog seine Zähne und die Innenseite seiner Wangen. „Es schmeckt furchtbar.“

„Es soll Cappuccino sein.“ Bobby grinste ihm leicht zu, doch es war halbherzig, belastet durch die Sorge um Jae. „Zumindest hat das der Automat behauptet – Cappuccino, Espresso oder so etwas in der Art.“

„Ich glaube, das hast du falsch gelesen.“ Er verzog das Gesicht und stellte den Becher mit zitternder Hand auf den Tisch neben der Stuhlreihe, die er als sein neues Zuhause beansprucht hatte. „Das schmeckt nämlich mehr nach Kapuzinerpisse.“

„Trink es trotzdem. Du brauchst den Zucker“, beharrte Bobby.

So saßen sie dort, kalte Steine im heißen Fluss von blauen Uniformen und Krankenhauspersonal. Irgendwann in den letzten Stunden hatten sie auch Mike an die Bullen verloren. Am amerikanischen Rechtssystem war irgendetwas verdreht, denn dem Rettungswagen, der Jae ins Krankenhaus bringen sollte, war eine Horde Polizisten gefolgt, die sich auf das Paar gestürzt und Cole zu Boden geworfen und verhaftet hatten, als er Jae hatte begleiten wollen.

Cole war erst nach Ichiro eingetroffen, das blutleere Gesicht gezeichnet durch eine markerschütternde Angst, von der Ichiro hoffte, dass er sie selbst niemals würde erleben müssen. Langsam blinzelnd erinnerte sich Ichiro plötzlich, dass er die Lederjacke von Cole bekommen hatte, der sie ihm im Vorbeieilen in die Hände gedrückt hatte, bevor er in den Tiefen der Chirurgie verschwand.

Keiner der Polizisten, die neben den Schwingtüren standen, hatte Cole aufgehalten. Niemand hatte ihm gesagt, er dürfe in diesen Bereich nicht hinein, und nach der sich rötenden Schwellung unter Coles rechtem Auge zu urteilen, hatte er mindestens einen der Kämpfe, um an Jaes Seite zu gelangen, gewonnen. Coles entschlossener Gesichtsausdruck war praktisch eine Herausforderung an jeden, eine zweite Runde zu starten, denn er schien bereit und willens, die ganze Stadt auszulöschen, wenn ihn nur jemand schief ansah.

Doch niemand wagte es auch nur, seinem verzweifelten, suchenden Blick zu begegnen, und alle Augen wandten sich von seinem angespannten Körper ab, als Cole vorbeieilte.

Es war schwer, seinen Bruder so zerrissen zu sehen. Ichi umklammerte die Jacke fester und wünschte, er hätte mehr getan – hätte mehr tun können –, um den Schmerz von Coles Gesicht zu wischen. Die von Cole ausgehende Sorge und Angst, als er an Jaes Seite eilte, grub tiefe Furchen aus Schmerz in Ichiros Herz. Die Angst um Jae war schlimm genug – sich auch noch um Cole zu sorgen, war, als drückten riesige Felsen auf seine bereits belastete Brust.

„Ich wünschte, jemand würde uns etwas sagen“, murmelte Ichiro. Sein Englisch litt. Der reine, akzentfreie Klang, für den er so hart gearbeitet hatte, war verschwunden und hinterließ ein zähes Stolpern über so manches Wort. Doch das war jetzt alles unwichtig, vor allem, weil sie nichts über Jaes Zustand wussten. „Warum sollten sie Cole verhaften? Ich verstehe es nicht.“

„Weil Bullen alles untersuchen müssen, was sie vorfinden. Cole war voller Blut und hatte eine Waffe.“ Es war eine Tatsache, die Ichi nicht hören wollte, nicht aus Bobbys Mund, und er zwang sich, seine Fäuste zu öffnen, weil er ihm sonst ins Gesicht geschlagen hätte. Mit einem Blick auf Ichiro fuhr Bobby fort: „Es gefällt mir genauso wenig wie dir, aber sie mussten ihn mitnehmen. So ist der Ablauf, und die erste Person, die man bei Schusswaffengewalt überprüft, ist der Partner. Er wurde nicht verhaftet, nur für ein Verhör mitgenommen und vermutlich eine Untersuchung auf Schmauchspuren. Sie müssen ihn als Täter ausschließen, Sonnenschein.“

„Es ist verdammt dämlich“, knurrte Ichi zurück. „Ein Blinder könnte sehen, dass Cole Jae niemals etwas antun würde. Als würde er auf irgendjemanden schießen.“

„Wir haben schon Glück, dass einer der Jungs von der Streife eine Zeugin gefunden hat. Von diesem komischen Katzen-Cafe gegenüber aus hat jemand die Schießerei beobachtet. Sie ist reingegangen und hat 911 gerufen. Die Arschlöcher haben sie in der Warteschleife hängengelassen.“ Bobby beugte sich vor, wiegte sich ein wenig auf dem Stuhl. „Hat eine Weile gedauert, bevor sie das Handtuch geworfen hat und wieder nach draußen gegangen ist, aber zu dem Zeitpunkt hatte man Cole schon zum Revier geschleift.“

„Ich kann nicht glauben, dass sie ihm das zugetraut haben. Cole! Du kennst Cole. Jeder, der Cole begegnet ist, weiß es besser. Selbst ein Fremder.“ Der Gedanke, dass sein willensstarker, älterer Bruder jemanden erschießen könnte, war irrsinnig, und dass Cole Jae ermorden könnte, war mehr als das … es war schlicht unmöglich. „Er hätte hier sein sollen - müssen! Es hat zu lange gedauert, bis er freigekommen ist, und jetzt … Verdammt, stell dir vor, es wäre zu spät gewesen. Stell dir vor …“

„Sie mussten ihn ausschließen, Ichi, aber ja, das hätte besser laufen können. Das Arschloch, das ihn schikaniert hat, darf wahrscheinlich ein paar Wochen am Schreibtisch verbringen. Dafür wird O’Byrne sorgen.“

Bobby nahm mehr Platz ein, als Ichi angenehm war, und die Körperwärme des Mannes entzog seiner Haut die Kälte. Ichi atmete ihn ein, sog mit jedem Luftholen Bobbys Kraft in sich auf. Der ältere Mann sorgte dafür, dass er sich sicher fühlte oder zumindest nicht einsam. In seinem Innern befand sich eine Kälte, die nicht nachzulassen schien, egal, wie viel heißen Kaffee und Tee Ichiro auch in sich hineingoss.

„He, du siehst aus, als würdest du gleich umkippen, Sonnenschein. Wie wäre es, wenn wir ein paar Schritte gehen oder so?“, brummte Bobby, während sich seine dunklen Augenbrauen über der vom Kampf gebrochenen Nase zusammenzogen. „Du könntest wahrscheinlich etwas frische Luft gebrauchen. Wenn du deine Trümpfe richtig ausspielst, kaufe ich dir eventuell sogar noch einen Becher miesen Kaffees.“

In Bobbys Worten schwang ein dezentes Flirten mit. Gewohnheit oder … etwas anderes, das wusste Ichi nicht, doch Coles bester Freund brummte stets mit einer rauen Sinnlichkeit.

Der Mann war auf schroffe Naturburschenart gut aussehend, mit scharf geschnittenen Gesichtszügen und einem leichten Stoppelbart am Kiefer. Seine Haarfarbe erinnerte Ichiro an einen Nerz, mit leichten Silbersprenkeln in seinem kurzen Schnitt. Er hätte es gern etwas länger gesehen, lang genug, um seine Finger darin zu vergraben, während er Bobbys festen, fluchenden Mund an seinen Schwanz führte. Der ehemalige Polizist hatte etwas Piratenhaftiges an sich, ein böser Junge, der dazu geboren war, eine Dienstmarke und Waffe zu tragen, während ihn lediglich ein schmaler, aber ethisch-gefestigter Teil seiner Persönlichkeit auf dem Pfad der Tugend hielt.

Bobby Dawson war ein Schuft und ein Schurke, ein wenig rebellisch mit einem gefährlichen Grinsen, und Ichiro fühlte sich von dem Mann, den Cole als seinen besten Freund bezeichnete, angezogen wie eine Motte von der einzig verbliebenen Lichtquelle des Universums.

Doch Dawson war nicht derjenige, worauf Ichi sich im Moment konzentrieren wollte, und er verfluchte seinen Schwanz dafür, sich überhaupt in diese Richtung zu verirren.

„Luft?“ Ichi schnaubte. „Gott, ich glaube, ich brauche eher etwas zu trinken als Luft. Verdammt …“

Ein Aufruhr brach in der Nähe der Türen aus, als ein blutbespritzter Chirurg aus dem Meer blauer Uniformen auftauchte. Sehr viele Menschen drängten sich in den Raum und Ichiro erhaschte einen Blick auf die traumatisierte Scarlet, die von ihrem koreanischen Geliebten gestützt wurde, während der Arzt darauf wartete, dass sich alle um ihn versammelten. Maddy näherte sich dem Gewühl aus einem angrenzenden Gang, gefolgt von Mike, der ein Handy an seine Brust presste, um den Lärm von dem Telefongespräch fernzuhalten, das er gerade führte.

Obwohl der Arzt erschöpft aussah, vermutlich so müde, wie sie alle sich fühlten, reichte sein sanftes Lächeln aus, um ein Erdbeben der Erleichterung durch die Menge zu schicken. Er sprach, doch Ichiro konnte nicht genau ausmachen, was der Mann sagte, abgesehen davon, dass Jae durchkommen würde und Cole in einem Einzelzimmer bei ihm bleiben durfte, sobald alles arrangiert war.

Ein Summen breitete sich aus, zu viele Stimmen, die murmelten wie Stare vor einem Sturm, und Ichiro setzte sich hin, ließ sich schwer auf den Stuhl zurückfallen, auf dem er eben noch gesessen hatte. Während sich um ihn herum ein Meer aus Beinen in Bewegung setzte, konzentrierte er sich nur aufs Atmen und dann darauf, die Säure zu unterdrücken, die mit schleifpapierhaften Klauen seine Kehle hinaufkroch.

„Gott, ich muss mich … übergeben“, keuchte er und griff blind nach dem Mann neben sich.

„Ich bin hier, Sonnenschein“, murmelte Bobby und wandte sich ihm zu, um den größten Teil des Lichts zu blockieren. Die warme Dunkelheit fühlte sich gut an, angenehm, und Ichi beugte sich ihr entgegen, presste seine Schulter an Bobbys, um am kraftvollen Körper des Mannes Halt zu finden. „Alles wird wieder gut. Es geht ihm gut. Du hast den Arzt gehört.“

„Ich weiß“, gestand er. „Jetzt … Gott, ich weiß nicht, ob ich schlafen, essen oder es mit jemandem treiben will.“

„He, beim Treiben wäre ich dabei“, neckte der Mann. „Aber die anderen beiden Dinge wären auch okay.“

Überrascht blickte er auf und ertrank in Bobbys gleißender Aufmerksamkeit. Es wäre so verdammt leicht gewesen, an seinem Mund zu saugen. Besser noch, es hätte sich gut angefühlt, der Rausch der Lust und die schmerzhafte Erlösung nach Stunden der besorgten Anspannung.

Merkwürdig, wie die Furcht, alles zu verlieren, dafür sorgen konnte, dass man sich plötzlich lebendig fühlte, dachte Ichi, während er in Bobbys verwegenes Gesicht hinaufstarrte. Als die Anspannung nachließ, sehnte er sich nach Erleichterung, ein Urtrieb, einen Teil von sich selbst auf einen anderen Menschen zu übertragen – vorzugsweise jemanden, der es ihm schnell und heftig besorgen konnte und mit ihm mithielt.

Bobby Dawson sah wie ein solcher Mann aus und einen Augenblick lang – einen kurzen, wahnsinnigen, hitzigen Augenblick lang – zog Ichiro ernsthaft in Erwägung, irgendwo eine Besenkammer zu finden und sich Bobbys Schwanz und Fingern zu öffnen.

Einen. Kurzen. Wahnsinnigen. Moment.

Nur, damit er sich sicher fühlen konnte … und vielleicht auch einen Augenblick lang geliebt.

„Du bist der beste Freund meines Bruders. Und bei dem, was Cole mir über dich erzählt, auch niemand, neben dem ich am nächsten Morgen aufwachen würde“, murmelte Ichiro und rieb sich das müde Gesicht. Er spähte zwischen seinen Fingern hindurch und stieß ein kurzes Lachen aus. „Dich zu ficken wäre ein riesiger Fehler, Bobby.“

Bobbys Lachen war beinahe so bitter wie der Kaffee, den er Ichiro gebracht hatte. „Tja, wenn ich für eine Sache Talent habe, Sonnenschein, dann sind es verfickt riesige Fehler.“

2

 

 

IN DEN frühen Stunden eines nebligen Morgens wie diesem in Los Angeles war JoJos Fitnessstudio leer, bis auf den zurückgebliebenen Geruch von Leder, Schweiß und Schmerz. Bobby war daran gewöhnt, dieses feuchte Gemisch einzuatmen, und während er seine rechte Hand tapte, sog er den starken Moschusgeruch des Fitnessstudios in sich auf und fragte sich, was mit ihm nicht stimmte, da dieser Männergestank seinen Schwanz härter als einen frisch geschmiedeten Stahlstab machte.

In den sechs Monaten, seit Jae von Sheila angeschossen worden war, hatte Ichiro Tokugawa Bobby auf Schritt und Tritt verfolgt. Coles bester Freund zu sein, war niemals leicht. Es handelte sich um eine gefährliche und manchmal grenzenlos dämliche Aufgabe. Mit einem gelegentlichen Schuss und vielleicht auch dem einen oder anderen Messerangriff konnte er leben, doch womit Bobby definitiv nicht klarkam, war der leicht sarkastische und launenhafte Künstler, der nun an Coles Schatten geheftet zu sein schien.

Die Sehnsucht machte ihn krank, und noch schlimmer: der verdammte Kerl schien sich des Effekts nicht bewusst zu sein, den er hatte, wenn er Bobbys Körper streifte. Die Innenseite von Bobbys Wange war zerbissen, weil er ständig auf das weiche Fleisch biss, um seine Reaktion auf Ichiros beiläufige Berührungen zu unterdrücken.

Es war so weit gekommen, dass er Ichiro verbal vor den Kopf stoßen musste, nur um den Mann von sich fernzuhalten, und anschließend Cole versprechen, sich um Ichis Freundschaft zu bemühen. Er hatte gedacht, als heimlich-schwuler Bulle zu leben, sei eine scheiß Situation, aber nichts brachte einen so durcheinander, wie den heißen und absolut unantastbaren jüngeren Bruder eines besten Freundes zu begehren.

„Du bist ein krankes Schwein, Dawson, wenn dich Schweiß und Männer anmachen. Okay, vielleicht nicht krank, aber komisch im Kopf.“ Er umwickelte sein Handgelenk und versetzte dann dem schweren, langen Sandsack, der an einer Kette von einem Deckenbalken baumelte, einen kurzen Schlag. „Und Scheiße, Ichi ist genauso alt wie dein Sohn. Bei allem, was so jung ist, heißt es nur: ficken und das war’s … nichts, was sich Cole für seinen kleinen Bruder wünscht.“

Ein vertrautes Prickeln begann am unteren Teil seiner Wirbelsäule. Er hätte es benennen können, wenn er gewollt hätte: Scham. Abscheu. Und manchmal sogar … Angst. Er schlug erneut gegen den Sack, kräftig genug, um ihn nach hinten zu stoßen, doch sein enormes Gewicht sorgte dafür, dass er stabil und bereit für Bobbys Fäuste blieb.

Der Boxsack enthielt Gesichter, oder zumindest einige schattenhafte Überbleibsel von Menschen aus seiner Vergangenheit. Wichtiger noch, das Studio schien ihm zuzuflüstern, während er gegen den großen Boxsack schlug und ächzte, wenn sich die Erschütterung seiner Faust, die auf den festen Untergrund traf, hinauf zu seiner Schulter und über seinen Rücken bewegte. Bobby machte weiter, plante seine Faustschläge gegen den Boxsack, als befände er sich in einem Straßenkampf. Minuten später klebte sein Muskelshirt schweißdurchtränkt an seiner Haut, doch das Summen in seinem Kopf blieb, ein leises, zweifelndes Flüstern, welches er nicht verbannen konnte.

Auch wenn er nicht hörte, wie die Eingangstür sich öffnete, war das gleichmäßige Stampfen von JoJos steifem Bein laut genug, um den Rhythmus seiner Schläge zu durchbrechen. Entweder würde der alte Mann sich nähern, um dahinterzukommen, warum Bobby vor dem ersten Hahnenschrei aufgestanden war, oder eben nicht. Einem kleinen Teil von ihm war es egal.

Zumindest redete er sich das ein.

JoJo donnerte heran, ein murrender Strich in der Landschaft aus Knochen und faltiger schwarzer Haut. Die Jahre hingen schwer an seinem Gesicht und seinen Schultern, und sein Rücken schwankte von einer Seite zur anderen, als er auf Bobbys Bereich im Studio zustapfte. Nachdem er in jungen Jahren schlimm zusammengeschlagen worden war, hatte er schwache, zittrige Beine und ihm fehlte das rechte Auge, und doch war es JoJo besser ergangen als dem weißen Ringrichter, den man mit JoJos Schwanz im Mund erwischt hatte: Er war zu Tode geprügelt und von Krabben angeknabbert unter dem Santa Monica Pier gefunden worden, eine von Seetang umhüllte, aufgedunsene Leiche.

Es war etwas, über das JoJo niemals sprach, und Bobby hatte auch nie das Gefühl, danach fragen zu müssen. Das brauchte er nicht. Der Mann schrie seinen Schmerz und seine Qual mit jedem stoischen Schleifen seines Fußes über den Boden heraus.

„Also, was machste hier so früh, Junge?“ JoJo zog sich einen hohen Holzhocker heran und stellte ihn wenige Meter von Bobbys Trainingsbereich entfernt ab. Dann ließ er sich darauf nieder, streckte die Beine aus und stöhnte. „Verdammt, das Altwerden wird jeden Tag anstrengender. Wann verstehst du das endlich? Oder denkst du immer noch, du kannst dir das Alter aus dem Körper prügeln?“

Bobby fing den Boxsack ab und stoppte die Schwingung, indem er die Arme um ihn legte. Sich anzulehnen fühlte sich verdammt gut an und seine Beine flehten um etwas Erholung vom wiederholten Passgang, Ducken und Ausfallschritt. Er lehnte seine Schulter an den Sack und ließ sein Gewicht daran ruhen, was seine Knie etwas entlastete.

„Ich habe nicht vor, das Alter aus mir herauszuprügeln“, lachte Bobby. „Ich muss nur fit genug bleiben, um mit den jüngeren Kerlen mitzuhalten. Beim Aufreißen ist es ähnlich wie im Wald: Ich muss nicht schneller als der Bär laufen können, nur schneller als der andere Typ.“

„Hmm“, brummte JoJo und rieb sich mit der Handfläche über die Fingerknöchel, um die Gelenke zu wärmen. Er trug den Geruch von säuerlichem Kaffee und Gelenkcreme mit sich und Bobby traten Tränen in die Augen, als sich das kräftige Menthol in der Luft ausbreitete. JoJo bemerkte Bobbys abschätzigen Blick und zuckte mit den Schultern. „Werde selbst alt. Die Gelenke tun heute schweineweh. Werd nicht schneller laufen können als ein verdammter toter Hund, erst recht nicht als ein junger Bursche. Kannst sie alle haben.“

„Ja, ich werde mein Bestes geben.“ Er zwinkerte ihm scherzhaft zu. „Ernsthaft, wenn du dich nicht gut genug fühlst …“

„Sag mir nicht, dass ich mich jetzt schon wegschleppen und in meinen Sarg klettern soll.“ JoJo drohte ihm mit der Faust. „Dass ich meinen Schwanz nicht in jeden Typen stecke, der mich lässt, bedeutet nicht, dass ich dir nicht ein paar Zähne ausschlagen könnte. Ich bin alt – nicht krank.“

Nachdem er den Boxsack losgelassen hatte, ballte Bobby wieder die Fäuste und schlug leicht gegen das Leder. Seine Beine wurden allmählich steif. Er hatte zu lange ohne Cool-down gestanden und seine Muskeln baten zitternd um Erlösung. Während er seine Gliedmaßen streckte, bemerkte er JoJos prüfenden Blick.

„Was ist?“ Mit einem schnellen Schritt zur Seite senkte er die Schulter für einen weiteren leichten Faustschlag gegen den Sack.

„Weißt du, du wirst langsam zu alt für den Mist.“

„Wovon zum Teufel redest du jetzt schon wieder, JoJo?“ Obwohl er sein Cool-down brauchte, brachte ihn JoJos Bemerkung aus dem Konzept. „Verdammt viel ältere Typen als ich stehen am Sandsack und im Ring. Scheiße, selbst du steigst da noch rein, wenn du dich in der Lage dazu fühlst.“

„Ich rede nicht vom Ring, Junge. Ich rede davon, jeden Arsch zu vögeln, den du siehst. Es wird Zeit, dass du vernünftig wirst. Erwachsen.“

„Die Sache mit dem Erwachsensein habe ich versucht, schon vergessen?“ Bobby stoppte seine Schläge und begann, seine Beine zu dehnen. „Ich habe geheiratet, ein Kind gezeugt, nebenbei Kerle gefickt und mein Leben ruiniert. Verdammt, wie viele von uns haben das getan? Wenigstens haben Marsha und ich es beendet, damit sie jemanden finden konnte, der sie glücklich macht. Und ich finde, mir gehts jetzt ziemlich gut.“

„Weiß es dein Kind? Dass du deinen Schwanz in die Ärsche anderer Männer steckst?“ JoJos verbale Treffer waren so heftig wie seine Fausthiebe. „Oder behältst du das immer noch für dich?“

„Mein Kind muss es nicht wissen. Jamie ist … So wie jetzt funktioniert es gut.“ Er zuckte mit den Schultern. „Mein Leben ist, wie es ist. Ich beschwere mich nicht.“

„Aber dein Leben ist trotzdem im Arsch, oder?“, merkte JoJo an. „Warum sonst solltest du hier morgens um sechs einen Sandsack zusammenschlagen und dich mit einem halb blinden, schwarzen Mann unterhalten, der keinen mehr hochkriegt?“

„Weil mir das Ding hier zur Hälfte gehört?“, gab Bobby in von Gereiztheit durchzogenem Tonfall zurück. „Und ich einen Schlüssel besitze?“

„Junge, du kommst her, weil du frustriert bist. Du weißt nicht mal, was du willst. Wann hast du das letzte Mal mit jemandem geschlafen, neben dem du gern aufgewacht bist?“

„Ich habe jeden Typen gern, den ich ficke. Solange ich ihn ficke. Manchmal sogar noch ein bisschen danach. Und ich schlafe nicht wirklich mit ihnen. Nicht mein Stil.“

„So ein Leben willst du, Dawson? Wie meins? Jeden schweinekalten Morgen dasitzen und die Wehwehchen zählen, während man sich fragt, warum da beim Aufwachen kein warmer Körper ist, der einem die Schmerzen vom Leib hält?“

„Ich glaube, mich an eine Zeit zu erinnern, wo jeder von uns glücklich war, überhaupt aufzuwachen.“ Bobby wandte sich um und schüttelte dann seine Arme aus, bis er wieder Gefühl in den Fingern hatte. „Ist noch nicht so lange her, dass wir alle in Panik gerieten, weil Sex mit Männern ein Todesurteil war – und nicht nur, weil uns ein Arschloch bei Blowjobs erwischt hat.“

„Junge …“

Obwohl es ein Schlag unter die Gürtellinie war, stieß Bobby zu, auf der Suche nach einer Schwachstelle in JoJos Worten.

„Ich rede nicht von Typen, die zusammengeschlagen oder umgebracht wurden, weil sie schwul waren. Die Scheiße passiert immer noch, das wissen wir beide. Aber es ist noch nicht so lange her, dass man selbst beim kleinsten Krankheitsanzeichen von Menschen gemieden wurde. Die Leute hatten Angst davor, jemanden zu umarmen, wenn er auch nur einen leicht gezierten Gang hatte. Diese beschissene Krankheit hat sich durch uns durchgefressen und wenn wir nicht vorher schon als Parias galten, taten wir es danach ganz sicher. Hast du je darüber nachgedacht, was das mit uns gemacht hat?“

„Ja, Menschen sind gestorben. Männer sind gestorben. Diese Zeit vergesse ich nicht. Scheiße, manchmal wache ich immer noch auf und frage mich, ob mein nächster Test etwas zeigen wird, mit dem ich nicht umgehen kann“, gab JoJo zurück. „Glaubst du nicht, dass dein Kind das Recht hat zu wissen, wie sehr dich das belastet?“