Dr. Norden Bestseller 83 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 83 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Fee Norden schnitt Rosen, die in diesem Sommer so üppig blühten, daß es gar nicht auffiel, wenn eine Vase gefüllt wurde. »Mami, es hat geläutet!« schrie Danny. »Lenni ist im Keller.« Recht selbständig war er schon geworden, aber er wußte auch, daß er die Tür nicht öffnen sollte. Beizeiten machte Fee die Kinder auf jedwede Gefahren aufmerksam, die von Fremden kommen konnten. Sie eilte um das Haus herum, und ein Staunen kam in ihre schönen Augen. Von diesem Besuch kam gewiß keine Gefahr. Vor der Gartentür stand eine schlanke junge Frau, die einen kleinen Jungen an der Hand hielt, der in Dannys Alter sein mochte. »Donata, welche Freude, daß Sie mich mal wieder besuchen«, rief Fee aus. »Und Tino kommt auch mit.« Danny drehte sich zu seinem Bruder Felix um, der immer erst einen gewissen Abstand wahrte. »Tino heißt der Bub«, rief er. Ein Lächeln erhellte Donata Letzows Gesicht. »Ich muß mir erst die Hände waschen«, sagte Fee, »herein mit euch. Das ist eine liebe Überraschung.« »Ich freue mich auch«

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Dr. Norden Bestseller – 83 –

Rettung in letzter Minute

Patricia Vandenberg

Fee Norden schnitt Rosen, die in diesem Sommer so üppig blühten, daß es gar nicht auffiel, wenn eine Vase gefüllt wurde.

»Mami, es hat geläutet!« schrie Danny. »Lenni ist im Keller.«

Recht selbständig war er schon geworden, aber er wußte auch, daß er die Tür nicht öffnen sollte. Beizeiten machte Fee die Kinder auf jedwede Gefahren aufmerksam, die von Fremden kommen konnten.

Sie eilte um das Haus herum, und ein Staunen kam in ihre schönen Augen. Von diesem Besuch kam gewiß keine Gefahr. Vor der Gartentür stand eine schlanke junge Frau, die einen kleinen Jungen an der Hand hielt, der in Dannys Alter sein mochte.

»Donata, welche Freude, daß Sie mich mal wieder besuchen«, rief Fee aus. »Und Tino kommt auch mit.«

Danny drehte sich zu seinem Bruder Felix um, der immer erst einen gewissen Abstand wahrte. »Tino heißt der Bub«, rief er.

Ein Lächeln erhellte Donata Letzows Gesicht. »Ich muß mir erst die Hände waschen«, sagte Fee, »herein mit euch. Das ist eine liebe Überraschung.«

»Ich freue mich auch«, sagte Donata mit weicher, angenehmer Stimme, doch Fee fiel es sofort auf, daß diese nicht mehr so klangvoll war wie früher.

Danny sagte gleich Grüß Gott, aber Tino war genauso zurückhaltend wie der kleinere Felix. Ein zierlicher blasser Junge war er, dem man gewiß nicht ansah, daß er auf dem Lande aufwuchs.

Schnell hatte sich Fee die Hände gewaschen, dann ergriff sie Donatas Hände und stellte mit Erschrecken fest, wie kalt diese waren, obgleich jetzt doch sommerliche Temperaturen herrschten.

»Kaffee oder Tee, Donata?« fragte sie.

»Lieber Tee«, erwiderte die andere stockend.

»Ich sage Lenni Bescheid«, erklärte Danny, »und was mag Tino?«

Der sah seine Mutter an. »Darf ich bitte Kakao haben, Mami?«

»Natürlich bekommst du welchen, und Kuchen haben wir auch.«

»Guten Kuchen, hat Lenni gebacken«, versicherte Danny. Felix wurde auch schon zutraulicher, und dann ließ auch die kleine Anneka ihr Stimmchen vernehmen. »Mami, Mami, Anneka auch da.«

»Unsere Jüngste«, sagte Fee, »ich hole sie.«

Anneka fremdelte leicht, aber diesmal nicht. Mit kugelrunden Augen blickte sie Donata an.

»Wie süß sie ist«, sagte Donata leise, »so schnell vergeht die Zeit.«

Sie hat Kummer, dachte Fee. Sie hoffte sehr, daß die Kinder ihnen Zeit für ein Gespräch unter vier Augen lassen würden.

Dafür sorgte dann Lenni.

Vor fünf Jahren hatte Donata den Gutserben Ulrich Letzow geheiratet. Sie war das gewesen, was man eine gute Partie nannte. Die Letzows hatten es zwar nicht nötig, noch mehr Geld zu heiraten, aber der alte Letzow vertrat den Standpunkt, daß man davon nicht genug haben könnte.

Die »Hochzeit des Jahres« war gefeiert worden. Fee und Daniel Norden hatten sie miterlebt.

Ein Jahr später war der Sohn Tino in der Leitner-Klinik zur Welt gekommen. Das Glück des jungen Paares schien vollkommen. Seither hatte Fee Donata nur zweimal gesehen. Jetzt schien sie ihr durchaus nicht so glücklich zu sein.

»Ich war bei Dr. Leitner«, sagte Donata. »Ich werde wieder ein Kind haben.« Das klang nicht freudig.

Fee war bestürzt, aber sie sagte nichts.

»Hoffentlich wird es ein Mädchen«, fuhr Donata fort. »Ein Kind möchte ich allein erziehen.«

Da lag also der Hase im Pfeffer. Aber nur da? »Sie haben Sorgen, Donata?« fragte Fee.

»Man gewöhnt sich an alles, aber es ist gut, sich einmal aussprechen zu können. Dort habe ich ja niemanden. Seit meine Eltern in Hamburg leben…«, sie unterbrach sich, »nun, es ist gut, daß sie nicht alles mitbekommen. Seit dem Tode meiner Schwiegermutter…«

»Sie ist gestorben?« rief Fee erschrocken aus. »Davon wußten wir nichts.«

»Es wurde darüber nicht gesprochen, denn sie wurde in aller Stille beigesetzt. Sie hatte einen Autounfall, Querschnittlähmung. Eines Tages hat sie zuviel Tabletten geschluckt.« Abgehackt kam es über Donatas blasse Lippen. »Ich gönne ihr den Frieden. Sie hat ihn sich gewünscht. Kranke Menschen sind meinem Schwiegervater ein Greuel, auch die eigene Frau.«

Wie bitter das klang! Fee griff nach Donatas Hand. »Sie verstehen sich nicht mit ihm?« fragte sie leise.

»Wer versteht sich schon mit ihm? Er ist wohl der krasseste Egoist, der mir je begegnet ist, Fee. Er bestimmt, und alle müssen kuschen. Er will Tino erziehen, zu einem ganzen Mann, wie er sagt. Er überfordert das Kind. Doch wehe, wenn ich etwas sage.«

»Und was sagt Ulrich?« fragte Fee.

»Nichts. Er hat sich sehr verändert.« Sie schöpfte tief Atem. »Ich habe eine Trennung in Betracht gezogen, aber nun bekomme ich wieder ein Kind.« Sie legte die Hände vor ihr Gesicht. »Ich wollte es nicht«, stöhnte sie auf. »Aber als ich Ulrich sagte, daß ich mich von ihm trennen will, machte er plötzlich wieder seine Rechte geltend. Oh, es war schrecklich, Fee«, schluchzte sie trocken auf.

Fee war ganz blaß geworden. Erschüttert streichelte sie Donatas Rücken und spürte unter ihren Fingern, wie sie zitterte.

»Sie würden mir ja auch Tino nehmen«, fuhr Donata stockend fort. »Entschuldigen Sie bitte, wenn ich mich so gehen lasse.«

»Weinen Sie sich aus, Donata«, sagte Fee sanft und tröstend.

*

Die Kinder spielten im Garten. Tino hatte sich schnell mit den beiden Buben angefreundet.

»Bei euch ist es schön«, sagte er. »Kriegt ihr nicht geschimpft, wenn ihr euch schmutzig macht?«

Danny und Felix starrten ihn verblüfft an. »Schimpft deine Mami?« fragte Danny.

»Nein, aber der Großvater«, sagte Tino.

»Was ist Großvater?« fragte Felix.

»Was unser Opi ist«, erklärte Danny.

»Aber unser Opi schimpft nie. Der ist immer lieb«, sagte Felix.

»Und unsere Omi auch«, sagte Danny.

»Meine Omi ist beim lieben Gott«, murmelte Tino. »Sie war auch lieb, aber jetzt kann ich sie bloß auf dem Friedhof besuchen. Da schläft sie.«

Entgeistert starrte Danny ihn an. »Hat sie kein Bett?« fragte er.

»Sie ist doch tot«, sagte Tino traurig.

»Unsere Omi nicht«, flüsterte Felix, und dann lief er zu seiner Mami. »Gell, Mami, unsere Omi wird nie tot«, fragte er ängstlich.

»Nein«, erwiderte Fee, um ihn zu beruhigen, denn sie hatte nicht die Absicht, ihre Kinder mit der Erklärung zu ängstigen, daß jeder Mensch einmal sterben würde.

»Dann ist es gut«, sagte Felix. »Seid lieber lustig mit Tino«, meinte Fee.

»Tino vermißt Mama sehr«, erklärte Donata leise, als Felix sich wieder entfernt hatte. »Sie war ein lieber Mensch. Ich wußte nicht, wie schwer ihr Leben war, eine um vieles betrogene Frau.«

Fee hielt den Atem an. »Sind Sie das auch, Donata?« fragte sie bestürzt.

Donata blickte zu Boden. »Ulrich ist seinem Vater viel ähnlicher, als ich annehmen konnte, nur so geizig ist er nicht. Vielleicht sind alles Trotzreaktionen, weil ihm nie Freiheiten gestattet wurden und er auch jetzt noch von seinem Vater gegängelt wird. Aber wie soll es weitergehen, Fee? Ich weiß mir keinen Rat mehr. Ich muß aushalten, Tinos wegen. Ich kann doch mein Kind nicht hergeben.«

Fee überlegte. Was konnte sie da raten? Bahnte sich da etwa eine Katastrophe an?

»Wenn Sie nun mit Tino zu Ihren Eltern fahren würden für eine Zeit, Donata?«

»Das würde man mir gleich als böswilliges Verlassen auslegen. Mein Schwiegervater wartet doch nur darauf, mir etwas ankreiden zu können. Er hat ein Verhältnis mit einer Frau, die mich aus dem Hause haben will. Aber auf Tino will er freilich nicht verzichten. Und was soll es jetzt auch. Ich bin schwanger, Fee.«

Eine Ehe, die so glücklich begann? Nur scheinbar glücklich? Fee war so erschüttert, daß sie momentan nichts zu sagen wußte. Der alte Letzow hatte ein Verhältnis? Er mußte doch schon auf die Siebzig zugehen.

»Ich will nicht indiskret sein, Donata, aber wenn Ihr Schwiegervater diese Frau heiraten will, würde Ihnen doch auch die Möglichkeit offenstehen, einen anderen Wohnsitz zu wählen. Sie müßten sich einmal mit einem Anwalt beraten.«

»Er will sie doch nicht heiraten. Nein, nach außen hin spielt er den trauernden Witwer, den Ehrenmann. Gunda Merks ist dreißig Jahre jünger als er, gerade erst fünfunddreißig, und sie weiß genau, wie sie ihn zu nehmen hat, um aus ihm herauszulocken, was nur irgend geht. Sie versteht sich ja auch blendend mit Ulrich. Sie ist offiziell Sekretärin, ein Vampir in Samt und Seide.«

War da vielleicht Eifersucht im Spiel? Fee sah Donata lange an. Nein, das war keine Eifersucht, das war entsetzliche Verzweiflung. Aber wie konnte man ihr helfen?

»Ich sitze da auf einem verlorenen Posten, Fee«, fuhr Donata fort. »Ich habe keine Freunde, keine Bekannten. Alle haben sich zurückgezogen. Die Hammersteins laden mich manchmal ein, aber es würde schreckliche Szenen geben, wenn ich die Einladung annehmen würde. Constantin ist ja Junggeselle. Da würde man mir gleich ein Verhältnis anhängen. Ulrich haßt ihn. Warum, das weiß ich nicht. Vielleicht, weil er ein richtiger Mann ist.«

Diese Bemerkung gab Fee zu denken. »Würden Sie mir sagen, wieso Ulrich so verändert ist?« fragte sie vorsichtig.

»Er hat kein Interesse mehr an dem Gut. Er hat nur noch Interesse für die Jagd. Er fliegt nach Afrika, nach Kanada und Alaska, und wenn er hier ist, jagt er dem Spielteufel nach. So ist es, Fee.«

Fee betrachtete Donata. Welch strahlende Schönheit war sie als Braut gewesen! Jetzt zeigte ihr Gesicht nur noch Resignation. Unendlich müde sah sie aus.

Tino dagegen war ganz munter. Er kam angesprungen. »Können wir nicht lange hierbleiben, Mami?« fragte er. »Hier gefällt es mir. Warum haben wir nicht auch drei Kinder?«

Donatas Augen füllten sich mit Tränen. Sie schluckte schwer.

»Spielt noch, Tino«, sagte Fee.

»Wir müssen bald heimfahren«, sagte Donata mit letzter Kraft.

»Ich will aber nicht heimfahren«, erklärte der Kleine energisch. »Ich will hierbleiben.«

Da kam Fee eine Idee. »Bleiben Sie hier, Donata. Ich rufe Ulrich an und sage, daß Sie einen Schwächeanfall hatten. Ihr Zustand erklärt dies.«

»Er weiß es ja noch nicht«, flüsterte Donata.

»Dann werde ich es ihm sagen. Ich lasse Sie jetzt nicht fort. Sie müssen sich erst beruhigen.«

»Es wird nichts einbringen, Fee. Manchmal beneide ich Mama. Sie hat ihren Frieden. Aber ich muß ja an Tino denken.«

Das war schlimm. Sehr schlimm. Fee kroch ein Frösteln über den Rücken. Und draußen lachte Tino mit den andern frei und unbeschwert, so wie ein Kind aufwachsen sollte.

Fee griff zum Telefon. »Es hat keinen Sinn, Fee«, sagte Donata, »Ulrich ist wieder mal auf der Jagd.«

»Wo?« fragte Fee.

»In unseren Wäldern. Nun, eigentlich sollte ich sie nicht als unsere Wälder bezeichnen. Es sind die Letzowschen Wälder.«

»Und dennoch werde ich Bescheid sagen, daß Sie hierbleiben«, erklärte Fee energisch. »Ich kann es nicht verantworten, daß Sie sich jetzt ans Steuer setzen.«

*

Bedächtig wählte Fee die Nummer von Gut Letzow. Endlich meldete sich eine Männerstimme, heiser und kaum verständlich.

»Der gnädige Herr ist nicht anwesend«, tönte es an Fees Ohr.

Der gnädige Herr! So etwas ärgerte Fee. Es war der Verwalter.

»Ich möchte den jungen Herrn Letzow sprechen«, sagte sie kühl, klar und deutlich.

»Das geht nicht. Er ist auch nicht da.«

»Dann richten Sie ihm bitte aus, daß sich seine Frau bei Dr. Norden befindet. Sie hatte einen Schwächeanfall.« Sie sagte noch ihre Privatnummer durch und legte dann auf.

»Nun werden wir ja sehen, wie er reagiert«, sagte Fee zu Donata. »Geben Sie sich einen Ruck. Sie dürfen nicht verzagen. Sie brauchen doch nicht ins Mauseloch zu kriechen, Donata. Sie waren doch kein armes kleines Mädchen, das sich Demütigungen gefallen lassen müßte.«

Donata richtete sich auf. »Ich habe mich aufgelehnt, solange Mama lebte, aber jetzt habe ich keine Kraft mehr, Fee. Für eine Scheidung besteht keine Chance, da ich das Kind erwarte. Eine Scheidung gibt es bei den Letzows nicht. Man arrangiert sich. Herrgott, war ich töricht! Ich schwebte im siebenten Himmel, weil Ulrich mich für würdig befand, seine Frau zu werden. Beneidet wurde ich um diesen attraktiven Mann, den viele so begehrenswert fanden. Jung, dumm und eitel war ich, und verliebt. Aber das ist etwas anderes als Liebe Es war niemals Liebe.« Und dann wurde sie von einem erschütternden Schluchzen geschüttelt.

Zu dieser Zeit stand Albert Letzow vor seinem Sohn. Sprechen konnte er nicht mehr mit ihm. Attraktiv war Ulrich auch nicht mehr. Er war tot. Eine Kugel hatte seinem Leben ein Ende bereitet. Ein Jagdunfall, wie man sagte.

Man hatte Albert Letzow geholt, als Ulrich gefunden worden war.

Sein Jagdhund Hasso war verschwunden. Später wurde er heulend vor der Tür des Gutshauses entdeckt.

Albert Letzow stand starr vor seinem toten Sohn. Das einzige, was er sagte, war: »Ich wünsche, daß eine Untersuchung stattfindet.«

Dann fuhr er nach Hause. Der Gutsverwalter Korbinian, seinen Zunamen wußten nur wenige, kam ihm entgegen

»Frau Dr. Norden hat angerufen«, stieß er hervor. »Die gnädige Frau hat einen Schwächeanfall erlitten und bleibt bei Frau Dr. Norden.«

»Einen Schwächeanfall«, sagte Albert Letzow höhnisch. »Mein Sohn ist tot, Korbinian, erschossen.«

Gunda Merks kam aus dem Haus, hochgewachsen, ein wenig üppig, aber gerade so, daß es aufreizend wirkte.

»Bertl, was ist?« fragte sie leise.

Er starrte sie an, als sähe er sie zum ersten Male. Die grüngrauen Augen, die breiten Backenknochen, den vollen leuchtendroten Mund, der jetzt wie eine frische Wunde in dem totenblassen Gesicht brannte.

»Ulrich ist tot«, sagte er heiser, »erschossen.«

Sie schlug die Hände vor das Gesicht. »O Gott«, flüsterte sie, und dann stürzte sie ins Haus.

*

Fee ahnte noch nicht, welche dramatische Wendung dieser Tag in Donatas Leben gebracht hatte.

Daniel war früher als sonst heimgekommen. Das schöne Wetter übte eine positive Wirkung auf die Patienten aus. Er war überrascht, Donata anzutreffen, aber ebenso auch erfreut, bis er dann auch erfuhr, von welchen Sorgen die junge Frau belastet war.

Tino dagegen war die Glückseligkeit selbst, weil er mit den Kindern beisammen sein konnte und von Lenni verwöhnt wurde.

»Meine Freunde«, sagte er immer wieder in so ernstem, andächtigem Ton, daß es rührend war.

Donata hatte sich beruhigt, aber jetzt war sie eher apathisch. Daniel Norden rief seinen Freund Schorsch an, Dr. Hans-Georg Leitner, mit dem er eng zusammenarbeitete. Er erkundigte sich bei ihm, was er zu Donatas Zustand sagen konnte.

Dr. Leitner erklärte ihm, daß eine Fehlgeburt bei dem derzeit labilen Zustand der Patientin durchaus möglich wäre. Ihm hatte Donata allerdings nichts von ihren häuslichen Sorgen erzählt.

Kaum hatte Daniel den Hörer aufgelegt, läutete das Telefon wieder. Er stand noch dabei und nahm den Hörer wieder ans Ohr.

Hart tönte Albert Letzows Stimme durch den Draht.

»Mir wurde ausgerichtet, daß meine Schwiegertochter sich bei Ihnen aufhält. Sagen Sie ihr, daß sie sofort heimkommen möchte. Mein Sohn ist tödlich verunglückt.«

Daniel hielt den Atem an. »Ich kann ihr das doch nicht so einfach sagen«, brachte er mühsam über die Lippen. »Herr Letzow, verstehen Sie das bitte. Es geht ihr nicht gut.«

»Mir geht es auch nicht gut. Ulrich ist tot.« Dann war die Leitung tot.

Donata hatte nur den Namen Letzow deutlich gehört. »War es Ulrich?« fragte sie bebend, als Daniel ins Zimmer zurückkam.

Daniel warf Fee einen Blick zu, doch diesen konnte sie auch nicht gleich deuten.

»Es war Ihr Schwiegervater, Donata«, erwiderte er.

»Kommandiert er mich heim?« stieß sie hervor.

Daniel atmete schneller, und daran merkte Fee, daß ihn etwas sehr bewegte.

Daniel setzte sich zu Donata und ergriff ihre Hand. »Es ist etwas geschehen, Donata.«

Sie sah ihn blicklos an. »Mit Ulrich?« fragte sie.

»Ja, er ist verunglückt.«

Sie rührte sich nicht. Stocksteif saß sie da. »Was hat er gesagt?« fragte sie tonlos.

»Sie möchten kommen. Er ist tot.«

»Er ist tot«, wiederholte sie automatisch. »Ja, dann muß ich wohl fahren.«

Schreckensstarr sah Fee ihren Mann an. »Sie kann nicht fahren, Daniel«, flüsterte sie.

»Ich muß«, stöhnte Donata auf. »Ihr ahnt nicht, was geschehen würde, käme ich nicht sofort.«

»Dann bringe ich Sie heim, Donata. Tino kann bei uns bleiben. Es wäre auch besser für ihn.«

*

»Du kommst doch wieder, Mami«, war alles, was Tino gesagt hatte. »Ich bleibe sehr gern hier.«

»Ja, ich komme bald wieder, mein Kleiner«, flüsterte sie.

Nun saß sie neben Daniel, der ruhig und sicher seinen Wagen steuerte. Eine gute halbe Stunde war es bis zum Gut. Er hoffte nur, daß er nicht dringend zu einem Patienten gerufen wurde. Aber schließlich war Donata auch hilfsbedürftig.

»Jetzt wird es noch schlimmer werden, Daniel«, sagte sie leise, als sie schon kurz vor dem Ziel waren.

»Warum, Donata?«

»Tino ist der Erbe.«

»Sie sind seine Mutter, Donata. Niemand hat mehr Rechte als Sie.«

»Wenn ich gehe, wird man sagen, daß ich Ulrich in den Tod getrieben habe.«

»Das wird niemand wagen.«

»Sie kennen Albert Letzow nicht«, sagte sie bitter.

Da lag das Gutshaus schon vor ihnen, großartig wie ein Schloß.

»Sehen Sie es sich an, Daniel. Es strahlt die Macht der Letzows aus, aber es ist alles Fassade. Ich war sehr beeindruckt, als ich dieses Haus betrat. Jetzt habe ich Angst davor.«

Er konnte diese Worte erst richtig verstehen, als ihnen Albert Letzow ein paar Schritte entgegenkam.

»Wo ist Tino?« war seine erste Frage.

»Er ist bei uns geblieben. Es ist besser so, Herr Letzow«, erwiderte Daniel.

»Was maßen Sie sich an?« fragte der scharf. »Tino gehört hierher.«

»Er ist ein kleines Kind, und ich muß Sie doch um Rücksicht bitten, denn Frau Letzow erwartet wieder ein Kind.«

Albert Letzows Augen verengten sich. »Ich bin erstaunt, Donata«, sagte er.

Donata straffte sich. »Ich habe es nicht so gewollt«, erklärte sie tonlos. »Wie ist es geschehen?«

Daniel konnte ihre Worte richtig deuten. Das Kind hatte sie nicht gewollt. Ein solches Ende für ihre Ehe wohl auch nicht.

»Er ist erschossen worden«, sagte Albert Letzow. »Ich bin überzeugt, daß Fremdverschulden vorliegt, und ich weiß auch schon, wo der Täter zu suchen ist.«

»Du weißt ja immer alles ganz genau!« stieß Donata erregt hervor. »Du würdest niemals wahrhaben wollen, daß dies ein Ausweg für Ulrich gewesen sein könnte.«

Sie erschrak wohl vor ihren eigenen Worten, denn sie schwankte. Daniel Norden stützte sie.

»Ein Ausweg vielleicht aus einer verpfuschten Ehe?« fragte Albert Letzow böse. »Sehr interessant. Sie haben es gehört, Herr Dr. Norden.«

»Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen, Herr Letzow«, erwiderte Daniel unwillig.

»Wir werden darauf zurückkommen, zu gegebener Zeit. Jetzt sind Sie hier überflüssig.«

»Möchtest du die Entscheidung nicht mir überlassen, wie lange Herr Dr. Norden bleibt?« fragte Donata bebend.

»Hier bestimme ich. Mein Sohn – dein Ehemann ist tot, wenn ich das bemerken darf. Meinen Enkel lasse ich morgen holen.«