Dr. Norden Bestseller 90 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 90 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Die temperamentvolle Baronesse Anemone von Track vertraut Dr. Norden ihre großen Sorgen an: Obwohl sie sich in Thomas, den Sohn von Bäckermeister Höller, verliebt hat, bestehen ihre Eltern auf einer Heirat mit dem vermögenden Michael Adloff. Dessen Vater ist jedoch durch seine dubiosen Geschäftspraktiken und eine stadtbekannte Affäre in Verruf geraten. Auch Michael ist nicht mit den elterlichen Heiratsplänen einverstanden und verbündet sich mit Anemones Schwester gegen seine eigenen Vater. Der alte Adloff glaubt daraufhin an eine Verschwörung und droht haßerfüllt mit Rache. Dr. Dr. Norden wußte nicht, wie er das weinende Mädchen trösten sollte, denn er wußte nicht einmal, warum Anemone von Track so schmerzlich weinte. Er hatte sie schon als Kind gekannt, jetzt war sie neunzehn, doch dieses erschütternde Schluchzen ließ sie wieder zum Kind werden. »Was ist denn nur, Anemone?« fragte er väterlich. »Schütte doch dein Herz aus, Mädelchen. Ich will dir ja gern helfen.« »Sie wollen mich verkuppeln, Dr. Norden«, brachte Anemone schluchzend über die Lippen, »aber ich liebe Thomas, ich bleibe ihm treu. Eher bringe ich mich um, als daß ich Michael heirate.« »Nicht gleich so reden, Anemone«, sagte Dr. Norden.

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Dr. Norden Bestseller – 90 –

Junges Herz in Nöten

Patricia Vandenberg

Die temperamentvolle Baronesse Anemone von Track vertraut Dr. Norden ihre großen Sorgen an: Obwohl sie sich in Thomas, den Sohn von Bäckermeister Höller, verliebt hat, bestehen ihre Eltern auf einer Heirat mit dem vermögenden Michael Adloff. Dessen Vater ist jedoch durch seine dubiosen Geschäftspraktiken und eine stadtbekannte Affäre in Verruf geraten. Auch Michael ist nicht mit den elterlichen Heiratsplänen einverstanden und verbündet sich mit Anemones Schwester gegen seine eigenen Vater. Der alte Adloff glaubt daraufhin an eine Verschwörung und droht haßerfüllt mit Rache.

Dr. Norden und seinen erfahrenen Kollegen ist es zu verdanken, daß Schlimmes verhindert werden kann…

Dr. Norden wußte nicht, wie er das weinende Mädchen trösten sollte, denn er wußte nicht einmal, warum Anemone von Track so schmerzlich weinte.

Er hatte sie schon als Kind gekannt, jetzt war sie neunzehn, doch dieses erschütternde Schluchzen ließ sie wieder zum Kind werden.

»Was ist denn nur, Anemone?« fragte er väterlich. »Schütte doch dein Herz aus, Mädelchen. Ich will dir ja gern helfen.«

»Sie wollen mich verkuppeln, Dr. Norden«, brachte Anemone schluchzend über die Lippen, »aber ich liebe Thomas, ich bleibe ihm treu. Eher bringe ich mich um, als daß ich Michael heirate.«

»Nicht gleich so reden, Anemone«, sagte Dr. Norden. »Beruhige dich, Kleine, dann reden wir ganz vernünftig darüber.«

Ihm schwante schon einiges. Da wurden mal wieder Familieninteressen und in vorderster Linie dieses verflixte Geld über Gefühle gestellt. Natürlich spielte auch das Prestige eine Rolle, denn Dr. Norden wußte sehr genau, wer der Thomas war, den Anemone liebte. Die kleine Baronesse von Track liebte den Sohn des Bäckermeisters Höller.

Unter seinen begütigenden, verständnisvollen Worten beruhigte sich Anemone. Ihr zartes Gesichtchen war ganz verschwollen, und ihre Augen schwammen noch immer in Tränen.

»Putzen Sie sich erst mal das Näschen«, sagte Dr. Norden. »Was soll denn der Thomas sagen, wenn er Sie so sieht?«

»Sie können ruhig weiter du zu mir sagen, Dr. Norden. Sie sind doch der einzige, zu dem ich noch Vertrauen habe. Sonst konnte ich wenigstens noch mit Ines reden, aber wenn nur der Name Adloff fällt, wird sogar sie sauer. Nur meine Eltern sind blind und taub dagegen, daß Adloff mit all seinem Geld nur ein mieser Schuft ist.«

»Doch nicht Michael«, sagte Dr. Norden.

»Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm«, begehrte Anemone auf. Jetzt funkelte Zorn in ihren Augen. »Und wenn Michael auch nicht so schlimm ist wie sein Vater, was hat er denn schon geleistet? Er wagt doch gar nicht, seinem Vater zu widersprechen, dieser Weichling.«

Die kleine Baronesse von Track war bekannt für ihr Temperament und wurde ganz allgemein als Enfant terrible bezeichnet, denn sie machte der Tradition ihrer alten Familie keine Konzessionen. Sie hatte ihre Freundschaften in anderen Kreisen gesucht, und besonders innig war dann die Freundschaft mit Thomas und Ursula Höller geworden, den beiden Kindern des Bäckermeisters Höller.

Eine angesehene Familie war das und sehr wohlhabend, und auch sie konnten auf eine Familientradition zurückblicken. Ihr Handwerk hatte goldenen Boden. Ihnen konnte der Freiherr von Adloff keinen Grundbesitz abhandeln, wie er es bei andern raffiniert getan hatte.

Dr. Norden kannte die Familie, prächtige Menschen, und er wußte auch, daß der Thomas Anemone liebte. Immerhin hatte er nicht ausgeschlossen, daß sich das Mädchen doch dem Willen des Vaters fügen würde.

Wie sollte er nun Anemone helfen, denn sie war ja als Bittende zu ihm gekommen.

»Ich bin mündig, Herr Doktor«, sagte sie leise. »Ich würde mir ja einfach ein Kind zulegen, aber Thomas hat da andere Ansichten.«

Sehr vernünftig, dachte Dr. Norden, denn solches Unterfangen würde die Probleme nur noch schlimmer machen.

»Vielleicht nützte es doch, wenn du vernünftig mit deinen Eltern reden würdest«, sagte er.

»Mit Mama könnte man das ja, aber Papa läßt sich von Adloff völlig einwickeln«, sagte Anemone. »Unsere Finanzlage ist ja auch nicht so rosig, wie es scheinen mag.« Nun sah sie ihn wieder flehend an. »Nächste Woche soll die Verlobung verkündet werden, aber dann werde ich noch rechtzeitig krank. Und da müssen Sie mir helfen, lieber Dr. Norden, bitte, bitte. Ich könnte ja an der Schlafkrankheit leiden.«

»Mal den Teufel nicht an die Wand, Anemone. Das ist eine sehr schlimme Krankheit.«

»Aber vielleicht gibt es eine ansteckende Krankheit, die gerade umgeht, und Sie bräuchten mir nur zu sagen, wo ich mich anstecken kann.«

»Kindskopf«, sagte er mitfühlend.

»Dann falle ich eben vom Pferd«, sagte sie trotzig, und er traute ihr zu, daß sie das fertigbringen würde.

»Wollen Sie sich denn absichtlich Schaden zufügen?« fragte er. »Sie…«

»Nun sagen Sie schon wieder Sie«, schmollte Anemone. »Sie verstehen mich auch nicht.

»Doch, ich verstehe dich, Anemone. Du bist mündig und eine sehr energische kleine Person. Also sag deinem Vater, daß du dich nicht verkuppeln läßt, daß du in diesem Fall dein Elternhaus verlassen würdest. Dann allerdings wird er dir damit drohen, daß du kein Geld bekommst.« Er beobachtete sie jetzt wachsam, wie sie drauf reagieren würde.

»Das ist mir doch piepegal«, erwiderte sie. »Ich kann mir mein Geld verdienen. Aber ich will mich nicht von Thomas trennen.« Sie legte den Kopf in den Nacken. »Nein, ich werde mich nicht von ihm trennen lassen!«

An ihrer Entschlossenheit konnte es keinen Zweifel geben. Dr. Norden sah schon voraus, was auch auf ihn zukommen würde. Die Baronin von Track würde einen Nervenzusammenbruch bekommen, Frau von Adloff würde so viel Beruhigungsmittel schlucken, daß sie wieder reif fürs Sanatorium wurde. Und alles deshalb, weil zwei starrköpfige Väter über die Zukunft ihrer Kinder bestimmen wollten.

*

»Worum es da geht, kann man sich doch ausrechnen«, meinte Fee Norden ironisch, als Daniel mit ihr über Anemone sprach. »Adloff will sich auch nur den Trackschen Besitz unter den Nagel reißen, und diese Heirat wäre der einfachste Weg dazu. Er ist ja so raffiniert, daß Track gar nicht mitkommt.«

»Aber schließlich ist Ines auch noch da, und sie ist die Ältere«, sagte Daniel.

»Das Veilchen, das nur im Verborgenen blüht«, sagte Fee sinnend. »Der Blaustrumpf, der aus sich nichts macht. Immerhin würde sie zu einem so weichen Knaben wie Michael besser passen, aber da er nur ein paar Monate jünger ist als Ines, hat sein Vater diese Verbindung gar nicht in Betracht gezogen. Er will ja auch jemanden im Hause haben, der repräsentieren kann. Er weiß, daß Michael eine energische Frau braucht, und Energie kann man Anemone so wenig absprechen wie Schönheit. Sie wird einmal eine strahlende Schönheit sein. Adloff, das kann man ihm auch nicht absprechen, ist ein Frauenkenner, aber wer würde es wagen, seine Affären an die große Glocke zu hängen.«

»Der Klatsch aber blüht«, sagte Daniel.

»Es wird nicht alles aus der Luft gegriffen sein«, meinte Fee. »Mich interessiert das auch nicht, aber es würde mir leid tun, wenn eine junge Liebe auf der Strecke bleiben würde.«

»Anemone wehrt sich mit Händen und Füßen«, sagte Daniel.

Und so war es. Im Hause Track herrschte Kampfstimmung. Als Anemone heimkam, wurde sie von ihrem erzürnten Vater mit den Worten empfangen: »Hast du wieder mit deinen Proletarierfreunden zusammengehockt?«

Bisher hatte Anemone, ihrer Mutter zuliebe, solche Bemerkungen ignoriert, aber an diesem Tag brauste sie auf.

»Sie sind mir hinten lieber, als die Adloffs vorn«, erwiderte sie zornerfüllt.

»Diese Sprache beweist, in welcher Gesellschaft du dich bewegst«, sagte Baron von Track aufgebracht.

»Du täuschst dich sehr, Papa«, sagte Anemone eisig, »es ist meine Sprache. Ich dulde nicht, daß du die Höllers diffamierst. Sie haben mehr Anstand als mancher von und zu. Ich lasse meine Freunde nicht beleidigen. Es sind wahre Freunde, und dieser Herr von Adloff ist ein Gauner, um es ganz deutlich zu sagen. Aber was bei anderen als Betrug gilt, wird bei ihm mit einem samtenen Mantel überdeckt. Er hat hier ja das Sagen, und du schämst dich nicht, dich von ihm überreden zu lassen.«

»Schweig«, herrschte Karl Friedrich von Track seine Jüngste an. »Du hast ein unmögliches Benehmen.«

»Den Adloffs nicht würdig, also, was soll’s«, sagte Anemone. »Ich werde mich nicht zahm und züchtig diesem widerwärtigen Despoten unterordnen. Frag doch mal Ines, ob sie Michael heiraten würde.«

»Ines steht nicht zur Debatte«, sagte Baron von Track gereizt. »Michael will dich heiraten.«

»Er will nicht, er soll. Er hat für mich absolut nichts übrig, aber das wagt er ja nicht laut zu sagen.«

Zur gleichen Zeit fand auch ein Gespräch zwischen Arnim von Adloff und seinem Sohn Michael statt. Der blasse junge Mann stand mit niedergeschlagenen Augen vor seinem Vater.

»Nächste Woche findet die Verlobungsfeier statt, damit du Bescheid weißt, Michael.«

»Wie du wünschst, Vater«, erwiderte Michael.

»Bei Anemone hapert es zwar noch an den Manieren, aber die werden wir ihr schon beibringen. Sie wird sich der Ehre bewußt werden, eine Adloff zu werden.«

Nun blickte Michael doch auf. »Meinst du, daß sie es als Ehre betrachtet, Vater?« fragte er.

»Wirst du jetzt auch noch aufsässig? In diesem Hause bestimme ich! Wenn du dich widersetzt, kannst du gehen. Dann nimmst du deine Mutter mit und kannst zusehen, wie ihr über die Runden kommt.«

»Und du nimmst Frau von Wreden als Hausdame? Macht es dir eigentlich nichts aus, daß sie eine Bürgerliche von Geburt ist und was die Leute reden?« fragte Michael.

»Dieses blöde Volk, was geht es mich an? Aber du hast anscheinend viel für Klatsch übrig, wie unwürdig für einen Adloff! Oder hast du dich mit Anemone verbündet? Macht ihr gemeinsame Sache?«

Er ahnte nicht, daß er damit den Anstoß für einen Entschluß gab, den Michael bisher nicht in Betracht gezogen hatte.

Er schluckte und sagte dann: »Ich denke an meine Mutter. Sie hat es nicht verdient, dem Gespött ausgesetzt zu werden.«

»Was sind das für Töne«, ereiferte sich Arnim von Adloff. »Deiner Mutter fehlt es leider an Klugheit, um…«, doch er kam nicht weiter, denn diesmal fiel ihm Michael ins Wort.

»An der Klugheit, die Frau von Wreden scheinbar besitzt, wolltest du wohl sagen. Aber meine Mutter ist auch deine Frau, und ich lasse sie mit dieser Person nicht in einem Atemzug nennen.«

Und dann, bevor sein Vater noch etwas erwidern konnte, war er aus dem Zimmer, und die Tür fiel laut ins Schloß.

*

Ines von Track, die mit dem Schäferhund Sandro vom Wald herkam, glaubte ihren Augen nicht zu trauen, als Michael plötzlich vor ihr stand. Ihr ohnehin immer blasses Gesicht wurde fahl. Sie war größer als Anemone, sehr schmal, eigentlich dünn zu nennen, hatte einen jungenhaften Haarschnitt und ein sehr herbes Gesicht.

»Meinst du, daß ich mit Anemone sprechen könnte?« fragte Michael ohne Umschweife.

»Sie ist nicht da«, erwiderte Ines stockend. »Bei uns hat es eine heftige Diskussion um die Verlobung gegeben.«

»Bei uns auch«, sagte er heiser. »Deshalb wollte ich mit Anemone sprechen.«

»Wenn du meinst, sie bekehren zu können, irrst du dich, Michael. Sie läßt sich nicht verkuppeln. Ich fürchte, sie hat die Konsequenzen gezogen und kommt nicht mehr zurück.«

»Ich könnte es verstehen«, sagte er.

Überrascht blickte Ines ihn an. Ihre violetten Augen wirkten fast schwarz. »Du könntest es verstehen?« wiederholte sie staunend.

»Nun, so eine große Ehre, wie mein Vater meint, ist es wohl nicht, an einen Adloff verkuppelt zu werden«, sagte er. »Oder bist du anderer Meinung, Ines?«

»Keineswegs«, erwiderte sie kühl. »Ich ergreife Anemones Partei. Ich würde mich auch nicht verkuppeln lassen, aber in diese Gefahr werde ich kaum geraten«, fügte sie sarkastisch hinzu.

Jetzt wunderte sie sich nur, daß Sandro nichts gegen Michael einzuwenden hatte. Er knurrte nicht, er wedelte sogar ein ganz klein wenig mit der Rute, als Michael seinen Kopf kraulte.

»Wenn du so denkst, könnten wir doch mal miteinander reden«, sagte Michael.

Ines überlegte. Nur kurz streifte ihr Blick den jungen Mann, dann wanderte er über die Wiesen und Wälder zum Himmel, als könne ihr von dort Hilfe kommen.

»Nur, wenn du dich nicht widerspruchslos dem Willen deines Vaters unterordnest«, sagte sie.

»Es ist wegen meiner Mutter«, sagte er leise. »Sie muß es büßen, wenn ich widerspreche. Sie hat nicht mehr viel Kraft, Ines. Das wollte ich Anemone sagen.«

Das schmale Gesicht belebte sich.

»Und du meinst, daß die Probleme für deine Mutter aus der Welt geschafft werden, wenn Anemone deine Frau wird? Du lieber Gott, wie naiv bist du eigentlich, Michael? Hättest du nur halb soviel Mumm in den Knochen wie Anemone, dann würde deinem Vater der Wind aus den Segeln genommen, und unser Vater würde auch wieder mit seiner schwerfälligen Füßen auf dem Boden landen. Deinem Vater geht es um unseren Besitz. Wir gehen sozusagen am Krückstock. Das alles ist ein widerliches Geschäft. Papa kann ich noch einiges Verständnis entgegenbringen, weil er nichts hergeben will von den Ländereien. Er will nicht, daß auf unserem Grund und Boden Steinwüsten entstehen, aber er begreift nicht, daß dein Vater gerade das beabsichtigt, um noch mehr Vermögen zu sammeln. Die Grundstückspreise sind hoch gestiegen, Michael. Natürlich glaubt unser Papa nicht daran, daß Herr von Adloff auch hier Häuser bauen will. Er will ja nur die Grünflächen erhalten wissen. Aber dann bekommt er das Geld von deinem Vater, um schuldenfrei zu werden, und natürlich wird ein Vertrag gemacht, wie bei allen anderen auch, der…«

»Hör auf, Ines, ich weiß, was du sagen willst. Aber was kann ich dagegen tun? Sag es mir.«

»Versuch doch mal, Rückgrat zu zeigen«, erwiderte sie kalt. »Du hast doch gesagt, daß es dir um deine Mutter geht. Dann beweise das doch. Und wenn du Mark in den Knochen hast, wirst du auch Verbündete finden, Michael. Ich biete mich an. Wenn meine Schwester Anemone nicht mit dem Namen Adloff in Verbindung gebracht werden kann, werde ich die Geschäftemacherei deines Vaters publizieren. Wie du ja weißt, bin ich als Journalistin tätig. Nur habe ich mich an ein so heißes Thema noch nicht herangewagt. Aber man wird es interessiert aufnehmen, mit Kußhand, das kann ich dir versichern. Ich will nur nicht, daß mein Vater als Kumpan deines Vaters deklassiert wird.«

»Aber es würde dir nichts ausmachen, wenn Anemone in Verbindung mit dem Namen Höller deklassiert wird«, sagte Michael nachdenklich.

»Sie würde nicht deklassiert. Das sind ehrbare, anständige Menschen. Wir können es ja darauf ankommen lassen, zu wem unsere Mitbürger halten würden, wenn der Stein ins Rollen kommt.«

»Was geht dir durch den Sinn, Ines?« fragte er.

»Wie sehr die unersättliche Gier nach Geld und macht die Menschen verdirbt«, erwiderte sie ohne zu zögern. »Ich bin an sich keine Kämpfernatur. Ich habe immer gehofft, daß sich mal jemand findet, der nicht vor Herrn von Adloff kriecht, aber da meine Schwester anscheinend die einzige ist, die den Mut hat, muß ich ihre Partei ergreifen. Anemone liebt Thomas Höller, und niemand und nichts wird sie von ihm trennen. Ihr Mut hat mir ein Beispiel gegeben. Die Verlobung findet nicht statt, Michael. Anemone hat es vorgezogen, ihren eigenen Weg zu gehen. Ich bin bisher die einzige, die es weiß, nun weißt du es auch. Und nun kommt es darauf an, wie du dieses Wissen nutzt. Einstweilen habe ich nur Mitleid mit dir, vielleicht werde ich dich bald genauso verachten wie deinen Vater, der nicht nur die Bauern betrügt, sondern auch deine Mutter. Du liebst deine Mutter doch. Dann stell dich vor sie, verteidige sie.«

»Willst du deinen Vater verteidigen?« fragte Michael tonlos.

»Solange ich es verantworten kann. Er ist ein Landjunker. Er ist einem Fuchs wie deinem Vater nicht gewachsen. Adel verpflichtet, das ist immer noch sein Losungswort, aber wir sind eine andere Generation.«

Er starrte sie an, als sähe er sie zum ersten Mal.

»Ich dachte bisher immer, du wärest anders als Anemone«, sagte er nachdenklich.

»Wäre dir das lieber?« fragte sie spöttisch.

»Nein«, erwiderte er kurz. »Publiziere es nur, was du im Sinn hast. Beweise nur, daß du so viel Mut hast wie Anemone. Du wirst schon sehen, wie weit du damit kommst.«

Ich werde es sehen, dachte Ines, als er ging. Hart war ihr junges Gesicht. Auch wenn du auf der Strecke bleibst, Michael, dachte sie weiter. Wenigstens Anemone soll glücklich werden, weil sie den Mut hat, sich zu Thomas zu bekennen.

*

In der Bäckerei und Konditorei ließ sich heute selbst Ursula Höller nicht blicken. Die zahlreiche Kundschaft zeigte sich befremdet, und manch einer fragte, ob jemand in der Familie krank sei.

Die freundlichen, langjährigen Verkäuferinnen erwiderten auf solche Fragen nur, daß dringende Familienangelegenheiten angefallen wären.

Drüben, im Wohnhaus, saßen sie beisammen. Tobias Höller, der Vater, Vreni, die Mutter, Thomas und Ursula. Als Anemone wie ein Wirbelwind hereingestürmt war, hatten sie sich schnell zusammengefunden, obgleich Tobias Höller seine Backstube ungern unbeaufsichtigt ließ.

Einen kleinen Koffer hatte Anemone mitgebracht. »Ich gehe mit Tommy«, erklärte sie ohne Umschweife. »Ich gehe nicht nach Hause zurück.«

»Gibt es keine andere Lösung, Kind?« fragte Vreni mütterlich.

»Keine, Mutti Höller. Die bringen es fertig, die Verlobungsanzeigen ohne meine Einwilligung zu verschicken. Ich habe Papa erklärt, daß ich nicht einverstanden bin, aber er ist ja so chloroformiert von Adloff, daß er keinen Verstand mehr hat. Ich bin mündig. Ich kann auch arbeiten. Denkt nur nicht, daß ich Tommy zur Last fallen werde.«

»Das wirst du nie«, sagte Thomas.

»Das wäre noch schöner«, brummte Tobias Höller.

»Es tut mir leid, wenn wir euch auch Ungelegenheiten bereiten«, sagte Anemone leise.

»Ach was, die brauchen ihren Bäcker, Moni«, sagte Tobias Höller. »Und wenn die Leut’ stur sind, setzen wir uns zur Ruhe, und Johannes übernimmt das Geschäft. Wir lassen euch nicht im Stich, Kleine.«

»Wir beißen uns schon selber durch«, sagte Thomas, »wenigstens mit eurem Segen.«

»Den habt ihr«, sagte Tobias. »Ihr könnt meinen Wagen nehmen. Ich habe mir schon einen neuen bestellt. Aber wenn ihr heiratet, wollen wir dabeisein.«

»Ohne euch geht es doch gar nicht«, sagte Anemone zärtlich. »Ihr seid die liebsten Eltern. – Mach nicht so traurige Augen, Mutti Höller. Ich nehme dir deinen Jungen doch nicht weg.«

»Mir wäre es nur lieber, wenn du nicht mit solchem Kummer gehen würdest, Moni«, sagte Vreni Höller leise.