Dr. Norden Bestseller 92 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 92 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Als Dr. Nordens Sprechstundenhilfe Loni bei Glatteis unglücklich stürzt und mehrere Wochen in der Behnisch-Klinik verbringen muß, ahnt noch niemand, welch turbulente Zeit der Arztfamilie bevorsteht. Als Ersatzkraft für die Praxis vermittelt das Arbeitsamt eine junge Mutter, die umwerfend attraktive Ka­tharina Fürchtegott. Den Nordens ist die selbstbewußte Kitty auf Anhieb sympathisch, doch sie erfahren bald, daß Theo, der Vater ihres kleinen Sohnes, noch verheiratet ist. Theos intrigante Ehefrau Antonia stiftet viel Unruhe mit der Behauptung, Kitty wolle nun die Ehe der Nordens zerstören... »Brrr«, machte Fee Norden, als sie die Zeitung hereinbrachte. »Eisig ist's und die reinste Rutschbahn. Paß nachher bloß auf, Daniel.« »Rutschbahn!« riefen die Buben begeistert und wollten gleich hinaus. »Nichts da!«, sagte Fee energisch, »ich bin auch beinahe auf die Nase gefallen.« »Ich streue gleich«, sagte Lenni. So begann dieser Februarmorgen. Am Vorabend hatte es noch in Strömen gegossen und den letzten Schnee weggetaut, dann hatte es wieder Frost gegeben. »Da wird es wieder Unfälle hageln«

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Dr. Norden Bestseller – 92 –

Es ist noch nicht zu spät

Patricia Vandenberg

Als Dr. Nordens Sprechstundenhilfe Loni bei Glatteis unglücklich stürzt und mehrere Wochen in der Behnisch-Klinik verbringen muß, ahnt noch niemand, welch turbulente Zeit der Arztfamilie bevorsteht. Als Ersatzkraft für die Praxis vermittelt das Arbeitsamt eine junge Mutter, die umwerfend attraktive Ka­tharina Fürchtegott. Den Nordens ist die selbstbewußte Kitty auf Anhieb sympathisch, doch sie erfahren bald, daß Theo, der Vater ihres kleinen Sohnes, noch verheiratet ist. Theos intrigante Ehefrau Antonia stiftet viel Unruhe mit der Behauptung, Kitty wolle nun die Ehe der Nordens zerstören...

*

»Brrr«, machte Fee Norden, als sie die Zeitung hereinbrachte. »Eisig ist’s und die reinste Rutschbahn. Paß nachher bloß auf, Daniel.«

»Rutschbahn!« riefen die Buben begeistert und wollten gleich hinaus.

»Nichts da!«, sagte Fee energisch, »ich bin auch beinahe auf die Nase gefallen.«

»Ich streue gleich«, sagte Lenni.

So begann dieser Februarmorgen. Am Vorabend hatte es noch in Strömen gegossen und den letzten Schnee weggetaut, dann hatte es wieder Frost gegeben.

»Da wird es wieder Unfälle hageln«, meinte Daniel, nicht ahnend, daß ihn ein solcher in große Bedrängnis bringen sollte.

Er fuhr sehr langsam, sehr vorsichtig, und andre taten das auch, obgleich die Streufahrzeuge schon unterwegs waren. Bis zu seiner Praxis gelangte Dr. Norden ohne Zeuge eines Unfalls geworden zu sein, aber gerade dort vor der Tür hatte sich ein Menschenauflauf gebildet.

Fast hätte Dr. Norden doch alle Vorsicht vergessen, aber als er schon beim Aussteigen spürte, wie glatt es unter seinen Füßen war, ging er bedächtig.

Und dann kam das Erschrecken, denn am Boden lag Loni, seine Sprechstundenhilfe, seine unentbehrliche Hilfe in diesen Krankheitsmonaten, die ihm übergenug Arbeit bescherten.

»Loni«, sagte er erschrocken. Bereitwillig wurde ihm Platz gemacht, denn den Dr. Norden kannten die meisten und seine Loni auch.

Sie schlug die Augen auf und sah ihn verzweifelt an. »Es ging so schnell«, stammelte sie, »ich kann nicht aufstehen.«

Die ganze Bescherung sah er bald. Loni hatte sich den Knöchel gebrochen, und anscheinend hatte sie auch noch ziemliche Prellungen erlitten. Er gab ihr zuerst eine schmerzstillende Spritze.

Der Krankenwagen, von Passanten herbeigerufen, kam schon. Es war gut, denn es herrschte eine wirklich klirrende Kälte.

So wurde Loni dann in die Behnisch-Klinik gebracht, und eben dort war man auch tief bestürzt, denn Dr. Behnisch und seine Frau Jenny wußten, wie arg es Loni sein mußte, ihrem verehrten Chef jetzt nicht mehr helfen zu können. Einige Wochen nicht, das stand bald fest. Und da nützte kein Jammern und auch nicht Lonis ungehaltenes Fluchen. Der Schock war jetzt noch stärker als die Schmerzen, aber die würden dann nicht ausbleiben.

Aber Dr. Norden dachte jetzt nicht daran, in welche Kalamitäten er dadurch geriet. Sein Mitgefühl galt der Getreuen, die doch nie krank sein wollte.

Fee erfuhr es bald und natürlich auch die Familie. Lenni, die als Haushälterin schon so lange im Hause Norden lebte, und wie Loni Praxishelferin gewesen war, liefen gleich die Tränen über die Wangen. Sie hatte sich sehr mit Loni angefreundet, und die Lenni und die Loni waren bei den Nordens schon gar nicht mehr wegzudenken.

Danny, Felix und die kleine Anneka standen ganz verschüchtert herum. Keiner zeigte mehr das Bedürfnis, die Rutschbahn auszuprobieren, die vor dem Hause der Nordens allerdings schon durch das Streusalz weitgehend beseitigt worden war.

»Ja, da werde ich in der Praxis einspringen müssen«, sagte Fee. »Daniel schafft das nicht allein. Wer weiß, was heute noch so alles passiert.«

»Passen Sie bloß auf, daß Ihnen nichts passiert«, sagte Lenni.

Fee fuhr so vorsichtig wie ihr Mann. Die Verkehrsstraßen waren jetzt schon frei, und sie vermied es, die Abkürzung zu fahren.

Sie gelangte auch unbeschadet zur Praxis, und dort ging es hoch her. Die Patienten, die noch nichts von Lonis Unfall wußten, hatten sich schon vor der Tür versammelt; bis Daniel aus der Klinik zurückkam, hatten sie mit größter Besorgnis herumgerätselt, bis jemand doch berichten konnte, was geschehen war. Und nun sollte Daniel auch noch die Fragen beantworten, die nicht nur der Neugierde, sondern auch ehrlichem Mitgefühl entsprangen.

Es war freilich alles durcheinandergeraten, denn Loni war eine perfekte Hilfe. Nun sollte Dr. Norden zu allem auch noch die Karteikarten selbst heraussuchen und das Telefon bedienen. Er war wahrhaftig nicht leicht aus der Ruhe zu bringen, aber das war denn doch ein bißchen viel auf einmal, und so atmete er auf, als Fee erschien.

»Ich kann dich doch nicht allein lassen«, sagte sie. Aber dann wurde nicht lange geredet, sondern Fee bemühte sich, schnellstens das zu tun, was Loni sonst so umsichtig tat. So fix konnte Fee jedoch nicht sein.

Sie war Ärztin und als solche auch tätig gewesen, bis die Kinder sie beanspruchten. Sie hatte sich entscheiden müssen. In diesem Notfall war aber auch Daniel froh, sie in der Praxis zu wissen.

»Wir müssen schleunigst eine Vertretung suchen«, sagte Daniel. »Es wird ziemlich lange dauern, bis Loni wieder auf den Beinen ist. Ein Knöchelbruch ist langwieriger als ein Schienbeinbruch.«

»Die arme Loni«, sagte Fee bedauernd. »Und du hast jetzt nicht mal Zeit, dich öfter um sie zu kümmern.«

»Sie ist gut aufgehoben, das wenigstens ist beruhigend. Ruf doch mal das Arbeitsamt an. Vielleicht haben sie jemanden.«

Fee wußte schon, was es für ihn bedeutete, einen fremden Menschen um sich zu haben. Eine Notlösung, die recht unbefriedigend sein konnte. Vielleicht sogar eine schwatzhafte Person, die mehr fragte als leistete. Ein paar Tage konnte sie schon einspringen, aber Lenni mochte man auch nicht alles zumuten. Sie hatte erst eine schwere Erkältung gehabt.

Fee rief beim Arbeitsamt an. Wenn sie Glück hatten, konnte es da schneller gehen als mit einer Annonce, und Fee hatte schon mal Glück, weil sie an eine Sachbearbeiterin geriet, die Patientin von Daniel war und Loni kannte.

»Du lieber Himmel«, sagte die gleich bedauernd, »das ist aber Pech. Ich weiß, wie es bei Ihnen zugeht, Frau Dr. Norden. Aber vielleicht kann ich Ihnen sogar helfen. Einen Augenblick bitte.«

Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis diese nette Frau Nickel gefunden hatte, was sie suchte. »Ja, da habe ich es. Die junge Frau war erst vor ein paar Tagen da. Katharina Fürchtegott heißt sie.«

Hoffentlich ist sie nicht zum Fürchten, dachte Fee, aber Frau Nickel erklärte schon, daß besagte Dame mal Medizin studiert hätte.

»Soll ich sie Ihnen schicken? Etwas anderes habe ich momentan nicht anzubieten.«

»Versuchen können wir es ja mal«, meinte Fee, nicht frei von Skepsis.

»Ich werde sie anrufen. Vielleicht kann sie schon am Nachmittag bei Ihnen vorsprechen. Wenn es nicht klappt, werde ich mich weiter bemühen«, erklärte Frau Nickel.

Fee bedankte sich und wandte sich wieder der Arbeit zu. Zum Essen würden sie an diesem Tag kaum kommen. Sie bereitete Lenni seelisch darauf vor und fragte, ob die Kinder brav wären.

»Die reinsten Engel«, sagte Lenni, aber wenn dem auch nicht so gewesen wäre, hätte Lenni ihre Lieblinge nicht verraten.

Fee bekam wieder mal einen richtigen Begriff, wie es in der Praxis ihres Mannes zuging. Zu zwei Notfällen wurde er gerufen. Im Wartezimmer wurde gehustet und geschnupft. Es war ein Glück, daß Fee wenigstens einfachere Fälle selbst behandeln konnte, aber ein Risiko wollte sie nicht eingehen. Mit vielen neuen Medikamenten war sie nicht vertraut, und aufs Geratewohl wollte sie auch keine Rezepte ausschreiben, obgleich sie dazu immer noch berechtigt gewesen wäre, denn die Approbation war ihr ja nicht entzogen worden.

Daß die schöne Frau Dr. Norden in der Praxis war, wurde von vielen mit Wohlwollen aufgenommen, von anderen, die sie nicht persönlich kannten, mit Mißtrauen.

Sie war recht geschafft, als dann doch eine Verschnaufpause eintrat.

Vom Metzgerladen gegenüber wurde ihnen warmer Leberkäs’ und Semmeln gebracht.

»Von Herrn und Frau Griebel«, sagte die junge Verkäuferin schüchtern. »Sie haben gehört, was Frau Loni passiert ist und denken schon, daß der Herr Doktor ins Schwitzen kommt.«

Fee hörte oft, wie beliebt ihr Mann war, und natürlich freute sie das. Er verstand es halt, mit den Menschen umzugehen, ob arm, ob reich, er kam mit allen zurecht.

Fee rief in der Klinik an und fragte Jenny Behnisch, wie es Loni gehe.

»Sie schläft jetzt«, erklärte Jenny, »aber es schaut ziemlich bös aus. Das will ich euch nicht verheimlichen. Mit zwei bis drei Monaten müssen wir rechnen.«

»Guter Gott«, seufzte Fee, und da läutete es schon an der Tür.

Fee drückte auf den Türöffner. »Es kommt jemand, Jenny, ich rufe wieder an.«

Hereinspaziert kam eine junge Dame, die wahrhaftig nicht zum Fürchten aussah und eher Männeraugen zum entzückten Funkeln bringen konnte.

Sie war ziemlich groß, schlank und hochbeinig und hatte rostbraunes Haar mit einem Goldschimmer. Solche Farbe konnte man nicht künstlich erzeugen, und wie diese graugrünen Augen dazu paßten! Fee raubte es den Atem, als sie lächelte und herrliche, ebenmäßige Zähne zeigte. Und dieses Mädchen sollte Tag für Tag mit Daniel beisammen sein? Da mußte Fee schlucken.

In der Not frißt der Teufel Fliegen, das konnte man bei Gott in diesem Fall nicht sagen.

»Frau Nickel hat mich benachrichtigt«, sagte Katharina Fürchtegott mit angenehmer Stimme. »Ich hätte mir ja nicht träumen lassen, daß ich solches Glück haben würde, aber warum soll ich’s nicht auch mal haben.«

Fee war erstaunt. Sie sollte kein Glück haben? Jeder würde sie doch mit Kußhand nehmen, ob sie etwas konnte oder nicht.

Aber Katharina Fürchtegott schien doch bestimmte Vorstellungen zu haben, die Fee sehr sympathisch berührten. Selbstbewußt gab sie diese zur Kenntnis.

»Meine Versuche, eine annehmbare Stellung zu finden, scheiterten schon nach kurzer Zeit, entweder an den Ehefrauen der jeweiligen Chefs oder an diesen selbst«, erklärte sie. Und dann lächelte sie so zauberhaft, daß auch Fee lächeln mußte. »Wenn ein Mann aber eine so reizvolle Frau hat wie Dr. Norden, dann werde ich solchen Kalamitäten nicht ausgesetzt sein«, fuhr Katharina fort. »Und Sie brauchen nicht zu fürchten, daß ich auch nur den geringsten Versuch machen werde, mich anstatt an den Schreibtisch auf den Schoß Ihres Mannes setzen zu wollen. Großes Ehrenwort.«

Sie war umwerfend. Fee taute auf. »Sie haben Medizin studiert?« fragte sie.

»Fünf Semester, aber dann mußte ich aus triftigen Gründen aufhören. Ich bekam nämlicn ein Kind. Meine Eltern waren sauer. Mittlerweile hat sich das gelegt, aber sie sollen dennoch nicht den Triumph haben, daß ich vor ihnen zu Kreuze krieche. Finanziell sitze ich nämlich in der Klemme. Ich war nämlich so töricht, meine sauerverdienten Spargroschen bei einer Freundin zu investieren, die ein Geschäft aufgemacht hat. Es klappte nicht. Das Geschäft ist futsch, das Geld ist futsch und die Freundin auch. Sie hat sich mit ihrem Freund abgesetzt. Nun wissen Sie Bescheid. Ich kann nur halbtags arbeiten, weil Teddy mich auch braucht. Teddy ist mein Sohn. Er ist drei Jahre und gut geraten.«

Dies alles klang nicht etwa frech. Sie redete nur, wie ihr der Schnabel gewachsen war, kein bißchen arrogant oder auf Wirkung bedacht. Fee erwärmte sich mehr und mehr für dieses entzückende, natürliche Wesen.

Sie schilderte ihr nun, was sich hier ereignet hätte und ihnen eigentlich mit einer Halbtagskraft wenig gedient sei.

»Es gibt derzeit entsetzlich viel zu tun. Wir würden Sie sehr gern nehmen, aber…«

»Ich könnte Teddy schon für einige Zeit bei meinen Eltern unterbringen«, sagte Katharina schnell. »Zehn, vierzehn Tage ginge es schon. Aber sie sollen nicht denken, daß ich ihn loswerden will. Sie nörgeln genug an mir herum, weil sie eben nicht verstehen wollen, daß ihre Tochter, auf die sie so große Hoffnungen setzten, den Vater ihres Kindes nicht heiraten will!«

»Und warum wollen Sie ihn nicht heiraten?« entfuhr es Fee. »Entschuldigen Sie, ich wollte nicht indiskret sein«, fügte sie sogleich hinzu.

»Weil ich ihn liebe«, erwiderte Katharina mit einem rätselhaften Lächeln. Das allerdings war eine Antwort, die Fee verblüffen mußte, und mehr wollte sie da tatsächlich nicht fragen.

Doch dann machte sie Katharina einen Vorschlag, der wiederum diese verwirrte.

»Es gäbe noch eine Lösung«, sagte Fee. »Wir haben auch drei Kinder. Ihr kleiner Sohn könnte bei uns sein, und da würde er sich bestimmt nicht langweilen, wenigstens solange, wie hier Hochbetrieb ist.«

Katharina starrte sie entgeistert an. »Das würden Sie tun?« fragte sie atemlos. Fee sah, daß ihre Augen sich mit Tränen füllten, und sie sah gar nicht mehr forsch und selbstsicher aus, sondern scheu und fassungslos. »So was ist mir noch nicht passiert.«

»Dann eben jetzt«, sagte Fee betont heiter. »Ein Kind mehr macht mir nichts aus, aber unserer guten Lenni kann ich nicht alles überlassen. Würden Sie sich denn in einer Praxis zurechtfinden?«

»Und ob. Mein Vater ist doch auch Arzt, und ich habe ihm zeitweise geholfen. Aber ich kann ihn nicht um Hilfe bitten, nicht in dieser Situation.«

Fee traute sich die Menschenkenntnis zu, eine Entscheidung allein zu treffen, da Daniel jetzt schon wieder Krankenbesuche machte.

»Ja, dann versuchen wir es mal miteinander«, sagte sie. »Wo ist Ihr Sohn denn jetzt?«

»Unten im Wagen«, erwiderte Katharina. »Den Wagen kann ich nicht aufgeben. Teddy kann nämlich nicht weit laufen. Er hat ein Hüftleiden.« Das sagte sie bebend.

Sofort war Fee ganz für Katharina Fürchtegott eingenommen.

»Dann holen Sie ihn erst mal herauf. Wir müssen uns ja anfreunden, wenn er zeitweise unser Gast sein soll«, sagte sie.

Katharina sprang auf. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, flüsterte sie. »Am liebsten würde ich Ihnen um den Hals fallen, aber Sie waren mir gleich sympathisch. Sonst hätte ich Ihnen das alles nicht erzählt.«

Fee ahnte schon jetzt, daß sie noch viel mehr erfahren würde, wenn sie sich erst besser kannten, aber sie bereute ihren Entschluß nicht, als Katharina dann ihren kleinen Sohn brachte. Er war ein entzückendes Kind mit den Augen seiner Mutter, mit der gleichen Haarfarbe. Sein Hüftleiden war ihm nicht sehr deutlich anzumerken.

»Das ist Frau Dr. Norden, Teddy«, sagte Katharina. »Ich darf hier arbeiten.«

»Wie heißt du sonst noch?« fragte der Junge zutraulich.

»Fee.«

Seine Augen leuchteten auf. »Das klingt hübsch, gell, Mami?«

Er sprach klar und deutlich, und wie zärtlich sah Katharina das Kind an. Fee war sicher, daß sie bestimmt nicht das Falsche getan hatte.

»Frau Dr. Norden hat drei Kinder, Teddy«, sagte Katharina. »Du dürftest nachmittags mit ihnen spielen.«

»Und was machst du, Mami?«

»Ich arbeite dann hier.«

Sein Blick wanderte zwischen Fee und seiner Mutter hin und her.

»Aber schlafen darf ich bei dir«, sagte er.

»Natürlich darfst du das, Teddy. Wir müssen Frau Dr. Norden sehr dankbar sein. Du weißt ja, daß Mami arbeiten muß.«

Teddy nickte ernsthaft. »Darf ich aber lieber Fee sagen, Tante Fee vielleicht?« fragte er.

»Natürlich darfst du das, Teddy«, erwiderte Fee liebevoll.

»Ich mag sie, Mami. Eigentlich mag ich ja nur dich und Papi, aber Fee mag ich.«

Er sprach von Papi, das gab Fee zu denken. Der Mann existierte also in seinem Leben. Fee konnte nicht verhindern, daß sie sehr neugierig wurde, wie das Leben dieser Katharina Fürchtegott sich gestaltete.

*

Daniel, von der Aufregung und der vielen Arbeit erschöpft, nahm vorerst ziemlich gleichgültig zur Kenntnis, was Fee entschieden hatte.

Nach einem Augenblick der Sprachlosigkeit, in dem er Katharina nur eindringlich gemustert hatte, war er wieder der Arbeit nachgegangen. Den kleinen Jungen hatte er nur flüchtig zur Kenntnis genommen. Teddy hielt sich auch brav im Hintergrund. Er saß auf dem Teppich und spielte mit einem Auto, während Fee Katharina Gelegenheit gab, sich mit den Aktenschränken vertraut zu machen.

Irgendwann ging auch dieser arbeitsreiche Tag zu Ende, und Katharina hatte versprochen, sich pünktlich zehn Minuten vor acht Uhr in der Praxis einzufinden.

»Und morgen mittag kommst du zu uns, Teddy«, sagte Fee.

»Bestimmt?« fragte er.

»Ganz bestimmt.«

Katharina hatte feuchte Augen, als sie Fee die Hand drückte. »Sie können ruhig Kitty zu mir sagen«, murmelte sie. »Mein Name ist ziemlich lang.«

»Gern, Kitty. Bis morgen also. Brauchen Sie einen Vorschuß?«

»Nein, Gott bewahre. Es geht schon noch.«

Wie schon gesagt, war Daniel im Streß und schon wieder unterwegs zu Patienten.

»Der Doktor ist auch soviel unterwegs wie mein Papi«, erklärte Teddy nachdenklich, »Männer müssen noch mehr arbeiten als Mütter.«

Eine rührende Bemerkung, und eine, die Fee sehr nachdenklich stimmte, denn immerhin war Teddy erst drei Jahre, und doch schien er den Ernst des Lebens zu begreifen.

Sie wußte genau, daß Daniel eine ausreichende Erklärung von ihr erwarten würde, wenn er satt und entspannt war.

So schnell konnte ihn der schlimmste Streß nicht zu Boden werfen. Lenni hatte bestimmt dafür gesorgt, daß am Abend ein reichgedeckter Tich warten würde.

Jetzt aber warteten die Kinder auf sie, denn sie waren es nicht gewöhnt, daß ihre Mami so lange ausblieb. Fee schaltete ab, als sie ihr warmes, gemütliches Haus betrat, als sie ihre drei Trabanten dann in die Arme nehmen konnte. Lenni machte keinen erschöpften oder nervösen Eindruck.

»Die Kleinen waren sagenhaft lieb«, erklärte sie. »Mit Loni habe ich auch schon telefoniert. Sie schimpft.«

»Das wird ihr nicht viel nützen«, sagte Fee.

»Müssen Sie jetzt jeden Tag in die Praxis?« fragte Lenni.

»Nein, wir haben glücklicherweise schon eine Aushilfe gefunden. Aber nachmittags werden wir einen kleinen Jungen zu Gast haben.«

»Wen denn?« fragte Danny eifrig.

»Den Sohn von Frau Fürchtegott, die jetzt Loni vertritt«, erwiderte Fee.

»Warum heißt sie Fürchtegott?« fragte Danny konsterniert.

»Weil ihre Eltern so heißen. Wie wir Norden heißen«, erklärte Fee.

»Fürchtegott«, murmelte Felix.

»Ihr könnt sie Kitty nennen, wie Teddy mich Fee nennen wird«, sagte sie.

»Einen Teddy kriegen wir?« fragte Felix staunend. »Einen richtigen, Mami?«

»Quatsch«, warf Danny ein, »ist doch der Sohn von der Kitty.«

Er hatte es ganz schnell erfaßt. Anneka war schon zu müde und auch noch zu klein, um alles begreifen zu können.

Fee brachte die Kinder zu Bett. Gegessen hatten sie schon. Nach einem Duschbad war Fee auch wieder erfrischt. Sie ahnte schon, daß sie noch lange auf ihren Mann warten mußte. Sie rief auf der Insel der Hoffnung an, um von Lonis Mißgeschick zu berichten.

Anne war gleich ganz aufgeregt. »Und wie geht es dann in der Praxis weiter?« fragte sie.

»Wir haben glücklicherweise schon eine Aushilfe vom Arbeitsamt bekommen«, sagte Fee.

»Hoffentlich was Gescheites«, meinte Anne Cornelius.

»Sehr gescheit ist sie. Hat einige Semester Medizin studiert.«

Dann gab Anne den Hörer an ihren Mann, Fees Vater weiter, der schon unruhig hin und her lief. Er hatte natürlich sofort gemerkt, daß da wieder mal was Unerwartetes passiert war.

Fee erzählte. Der Paps wollte alles ganz genau wissen.

»Fürchtegott, sagtest du? Ich kenne einen Dr. Fürchtegott. Er muß irgendwo im Allgäu sitzen.«

»Zerbrich dir jetzt nicht den Kopf, Paps, Kitty ist in Ordnung das weiß ich. Jetzt mach’ ich Schluß. Ich höre Daniel kommen.«

Er sollte lieb und nett empfangen werden, denn Fee wußte genau, daß er sich inzwischen einiges durch den Kopf hatte gehen lassen.