Dr. Norden Bestseller 93 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 93 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Fee Norden empfindet tiefes Mitleid. Die neunzehnjährige Natalie hat ihre Mutter verloren und steht nun ganz allein auf der Welt. Spontan beschließt Fee zu helfen, und der Zufall will es, daß sie eine Anzeige liest, mit der Rosemarie Hossfeld eine Reisebegleiterin sucht. Da Natalie mehrere Sprachen spricht, wäre sie dafür geeignet und Fee bringt die beiden zusammen. Es klappt auf Anhieb. Rosemarie weiß selbst nicht, was sie an dem jungen Mädchen so sehr mag. »Wie steht es, Dieter?« fragte Dr. Daniel Norden seinen Kollegen Dr. Behnisch. »Nicht gut, was Frau Moser anbetrifft, Daniel. Sie will dich unbedingt sprechen, aber sie ist sehr schwach. Sie hat heute morgen schon ganz wirr geredet. Es geht zu Ende. Wir können nichts mehr machen. Sie hat noch klare Momente, aber …« Er brauchte nicht mehr zu sagen, denn Dr. Norden wußte Bescheid.

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Dr. Norden Bestseller – 93 –

Niemand ist frei von Schuld

Patricia Vandenberg

Fee Norden empfindet tiefes Mitleid. Die neunzehnjährige Natalie hat ihre Mutter verloren und steht nun ganz allein auf der Welt. Spontan beschließt Fee zu helfen, und der Zufall will es, daß sie eine Anzeige liest, mit der Rosemarie Hossfeld eine Reisebegleiterin sucht. Da Natalie mehrere Sprachen spricht, wäre sie dafür geeignet und Fee bringt die beiden zusammen. Es klappt auf Anhieb. Rosemarie weiß selbst nicht, was sie an dem jungen Mädchen so sehr mag. Da es in der Ehe der Hossfelds kriselt, geht die Reise bald los und die Nordens haben Gelegenheit, einem Geheimnis auf die Spur zu kommen, das nicht nur Natalie sondern auch Armin Hossfeld betrifft…

*

»Wie steht es, Dieter?« fragte Dr. Daniel Norden seinen Kollegen Dr. Behnisch.

»Nicht gut, was Frau Moser anbetrifft, Daniel. Sie will dich unbedingt sprechen, aber sie ist sehr schwach. Sie hat heute morgen schon ganz wirr geredet. Es geht zu Ende. Wir können nichts mehr machen. Sie hat noch klare Momente, aber …«

Er brauchte nicht mehr zu sagen, denn Dr. Norden wußte Bescheid. Margot Moser war schon seit Jahren schwer herzkrank. Schon manchmal war ihr Zustand kritisch gewesen. aber es schien, als mobilisiere sie ihre letzten Kräfte, bis ihre Tochter Natalie eine abgeschlossene Schulbildung hatte.

Reinhard Moser war vor fünf Jahren gestorben und hatte seiner Frau und seiner Tochter nicht mehr hinterlassen, als eine nicht gerade üppige Rente, obgleich er immer sehr gut verdient hatte. Aber er hatte auch kostspielige Ambitionen gehabt, und Dr. Norden war es bekannt, daß seine Ehe seit Jahren nur noch auf dem Papier bestanden hatte.

Allein durch seine Schuld? Margot Moser war eine bildschöne Frau gewesen, als sie zum ersten Mal in Dr. Nordens Praxis erschien. Da war es um ihren Mann gegangen, der am Vortag einen schweren Autounfall gehabt hatte. Superschnelle Wagen waren auch ein Hobby von Reinhard Moser gewesen.

Margot Moser war der Verzweiflung nahe, denn sie hatte festgestellt, daß ihr Mann während der letzten drei Monate die Beiträge zur privaten Krankenversicherung schuldig geblieben war.

Dr. Norden erinnerte sich noch genau daran, weil Natalie, die damals vierzehn gewesen war, ihm dann ihr Sparbuch gebracht und gesagt haffe, daß es für den Papa verwendet werden solle. Aber Reinhard Moser hatte den Unfall nur zwei Tage überlebt. Eine kleine Lebensversicherung reichte aus, um die Beerdigungskosten zu decken. Von der Firma bekam Margot Moser auch ein paar tausend Mark als Beihilfe.

Sie zog mit Natalie in eine kleinere Wohnung und veränderte sich dann völlig. Sie lebte nur noch für ihre Tochter, wurde für sich selbst völlig anspruchslos und alterte zusehends. Immer mehr machte ihr das Herz zu schaffen. Die Halbtagsstellung, die sie angenommen hatte, mußte sie aufgeben. Immer wieder erlitt sie Schwächeanfälle.

Dr. Norden dachte an Natalie, als er sich an das Krankenbett setzte. Für ihre Mutter war der Leidensweg bald zu Ende, aber das Mädchen stand dann völlig allein da.

Aus trüben Augen blickte ihn Margot Moser an. »Einer muß es wissen«, flüsterte sie. »Zu Ihnen habe ich Vertrauen. Es geht doch um Natalie. Er muß jetzt etwas für sie tun. Er weiß doch, daß sie sein Kind ist. Er hat so viel Geld.«

Redete sie wieder wirr? Doch da kam plötzlich noch mal Leben in ihre trüben Augen, und ihre Stimme wurde klarer. Dr. Norden hörte die erschütternde Beichte einer Sterbenden.

*

Schmal, blaß, mit leeren Augen stand drei Tage später Natalie Moser am Grabe ihrer Mutter. Nur ein paar Nachbarn hatten ihr das letzte Geleit gegeben. Wer hatte sie schon näher gekannt! Zurückgezogen hatte sie gelebt, war die letzten Monate nicht mehr auf die Straße gegangen, und gesprochen hatte sie eigentlich nie mit jemanden, seit sie die Wohnung in der Mühlenstraße bezogen hatten.

Schnell ging Natalie dann von dem Grab weg, unfähig, mit diesen Menschen zu sprechen, die auch ihr fremd waren. Mit gesenktem Blick eilte sie vorwärts, nicht rechts noch links schauend und schon gar nicht geradeaus, und dann war da plötzlich ein Widerstand, einer dunklen Mauer gleich. Aber zwei feste Hände hielten sie fest.

»Hoppla«, sagte eine Männerstimme.

Natalie blickte kurz auf und sah in ein gebräuntes Männergesicht. »Tut mir leid«, stammelte sie.

Er sah in traurige Augen, in ein bleiches feines Gesicht, er spürte unter seinen Fingern, die ihre Arme noch umschlossen, das Zittern.

Es war ein kalter Herbsttag, und der Mantel war zu dünn. »Kann ich etwas für Sie tun?« fragte er leise.

»Nein, danke, Sie sind sehr freundlich«, erwiderte Natalie mechanisch. »Es geht schon.«

Und dann eilte sie weiter. Harald Herzog blickte ihr nach. Armes Ding, dachte er, sicher hat sie auch einen lieben Menschen verloren.

Er wußte um den Schmerz, einen geliebten Menschen zu verlieren. Vor einem halben Jahr hatte er ihn kennengelernt, als er am Grabe seiner Verlobten Geli gestanden hatte. Mitten aus dem blühenden Leben heraus war sie ihm entrissen worden. Ein betrunkener Motorradfahrer hatte sie auf dem Fußweg erfaßt, als er nicht mehr bremsen konnte.

Die Augen dieses Mädchens hatten ihn an Gelis Augen erinnert, nur daß Geli niemals traurig geschaut hatte. Immer war sie fröhlich gewesen, voller Leben, und jetzt war da nur noch ein Grab, auf das er jeden zweiten Tag die Rosen legte, die er ihr nicht mehr geben konnte. Jetzt hatte er schon vierzehn Tage das Grab nicht mehr besuchen können, da er geschäftlich in Südamerika gewesen war, und nun, da er an dem Grab stand, sah er nicht mehr Gelis fröhliches Gesicht vor sich, das er doch in der Erirmerung behalten wollte, sondern dieses traurige, blasse Antlitz des fremden Mädchens.

*

Harald Herzog war pünktlich wieder an seinem Arbeitsplatz, und doch wurde er von seinem Chef, dem Generaldirektor Hossfeld, schon ungeduldig erwartet.

»Sie müssen morgen nach Spanien fliegen, Herzog«, sagte Armin Hossfeld mit seiner markigen Stimme. »In Barcelona ist etwas schiefgelaufen. Ich kann im Augenblick nicht weg, habe wichtige Termine.«

Harald empfand es als Auszeichnung, daß sein Chef ihn mit wichtigen Aufgaben betraute. Armin Hossfeld war ihm ein Vorbild. Dieser Mann war zweiundvierzig Jahre und schon ganz oben. Für Geli hatte Harald auch schnell die Stufen zum Erfolg emporklimmen wollen, von unerhörtem Ehrgeiz beseelt, ihr ein schönes, sorgenfreies Leben zu bereiten. Dabei hatte es Geli im Leben sicher leichter gehabt als jenes Mädchen auf dem Friedhof, das noch in dieser Kälte mit einem dünnen Mäntelchen herumlaufen mußte. Und schon wieder dachte er an die Fremde.

»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?« fragte sein Chef ungeduldig.

»Selbstverständlich, Herr Generaldirektor.«

»Ich muß jetzt gleich weg. Frau Bleicher hat den Flug schon gebucht. Sie kommen heute abend zu mir, damit wir noch alles durchsprechen können.«

»Zu Ihnen, privat?« fragte Harald irritiert.

»Natürlich. Ich hasse es, dauernd in Lokalen herumzusitzen. Ich erwarte Sie pünktlich um sieben Uhr.«

Dann war er schon draußen. Harald war konsterniert. Zum Chef privat, das hätte er als Auszeichnung betrachten können. Aber er wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Verheiratet war Armin Hossfeld, aber seine Frau war nie in Erscheinung getreten. Er wußte nicht, ob er sie sehen würde, ob er Blumen mitnehmen sollte. Er war ein wohlerzogener junger Mann aus gutem Hause, aber in diesem Fall wußte er sich wirklich keinen Rat.

Na ja, dachte er dann, ein paar Blumen kann ich ja auf jeden Fall mitnehmen. Fragen konnte er dem höchsten Chef schlecht stellen, außerdem war Hossfeld schon wieder außer Haus, wie Harald dann von seiner Sekretärin, Frau Bleicher, erfuhr. Sie war mittleren Alters und recht unscheinbar, aber sehr nett.

»Der Chef jagt Sie ganz schön umeinand«, bemerkte sie, »aber Ihnen wird Abwechslung nur guttun.«

Sie hatte ein mitfühlendes Herz, sie wußte, was Harald durchgemacht hatte. Und daß der Chef ihn mit so wichtigen Aufgaben betraute, wollte schon was heißen. Aber irgendwie waren die beiden sich ja ähnlich, das hatte Frau Bleicher schon festgestellt. Allerdings war Harald Herzog doch nicht so knallhart wie Armin Hossfeld. Doch das mußte man wohl sein, wenn man schon mit zweiundvierzig Jahren der Generaldirektor einer Weltfirma war.

Harald wagte, Frau Bleicher eine Frage zu stellen.

»Kennen Sie eigentlich Frau Hossfeld?« fragte er.

Jetzt war auch sie irritiert. »Nein, ich habe sie noch nie gesehen. Aber sie soll irrsinnig reich sein, das habe ich mal gehört. Vor fünfzehn Jahren soll es die Hochzeit des Jahres gewesen sein. Da waren Sie ja noch ein Bub, und ich habe nicht gedacht, daß ich mal Sekretärin bei Hossfeld werden würde. Vielleicht sind sie sogar schon länger verheiratet. Kinder haben sie jedenfalls keine.«

Frau Bleicher war ungewöhnlich mitteilsam für ihre Verhältnisse. Aber mehr wußte Harald dadurch auch nicht. Als er dann aber am Abend pünktlich auf die Minute vor dem Haus stand, gingen ihm die Augen über. Villa wäre sogar untertrieben gewesen. Es war ein schloßartiges Gebäude.

Er wagte gar nicht, auf die Klingel zu drücken, die sich in einem Löwenkopf aus Messing befand.

Da kam eine schlanke Frau im blauen Hosenanzug über den gepflegten Rasen geschlendert, auf den das Licht aus mehreren schmiedeeisernen Laternen fiel.

Sie musterte Harald mit einem durchdringenden Blick.

»Sie wünschen?« fragte sie mit einer warmen Altstimme.

»Mein Name ist Herzog. Herr Generaldirektor Hossfeld hat mich zu sieben Uhr bestellt.«

Sie lachte spöttisch auf, und er wußte nicht, was er davon halten sollte, als sie sagte: »Der Herr Generaldirektor ist noch nicht zu Hause. Er hat wohl vergessen, mir Bescheid zu sagen, wie immer. Aber bitte, treten Sie näher, Herr Herzog. Ich bin Rosemarie Hossfeld, die Frau Generaldirektor.« Und diesmal hatte ihre Stimme nicht nur einen spöttischen, sondern einen sehr sarkastischen Unterton.

Harald schnappte ein paarmal nach Luft. »Ich bitte vielmals um Verzeihung, gnädige Frau«, stotterte er. »Für jeden Fall habe ich ein paar Blumen mitgebracht, obgleich ich nicht wußte…« Er geriet nun ganz und gar ins Schleudern.

Aber nun lächelte sie. Ihr klares, sehr herbes Gesicht entspannte sich. »Das ist reizend, Herr Herzog. Vielen Dank. Und so hübsche Blumen! Bitte, nehmen Sie doch Platz. Ich werde mich schnell umkleiden. Mein Mann wird erwarten…«

Sie hielt inne, denn nun kam er schon. Armin Hossfeld in Lebensgröße, blendend aussehend, wie immer perfekt gekleidet.

»Sie sind sehr pünktlich, Herr Herzog«, waren seine ersten Worte.

»Sie sagten pünktlich sieben Uhr«, erwiderte Harald steif und vielleicht eine Spur aggressiv.

»Sehr gut. Guten Abend, Romy«, begrüßte er dann seine Frau. »Entschuldige, aber ich hatte so viel um die Ohren, daß ich vergessen habe, dir Herzog anzukündigen. Aber unsere Speisekammer wird schon etwas hergeben.«

»Aber gewiß doch«, erwiderte sie lässig, und Harald fing einen Blick von ihr auf, den er nicht zu deuten wußte. Ein bißchen spöttisch, vielleicht auch eine Spur verlegen, oder lag darin sogar Resignation?

»Was darf ich zu trinken servieren?« fragte sie dann.

»Ist denn Elli nicht da?« fragte Hossfeld.

»Sie hat Ausgang. Sie hat mittwochs immer Ausgang. Aber mir wird keine Perle aus der Krone brechen, wenn ich für Essen und Getränke sorge. Ich nehme an, daß wir gemeinsam essen.«

»Selbstverständlich«, erwiderte der Hausherr.

Rosemarie Hossfeld entschwand.

»Man darf meine Frau nicht ernst nehmen. Sie ist sehr spottlustig«, sagte Armin Hossfeld.

Harald war nicht geneigt, diese Worte für bare Münze zu nehmen, jedenfalls nicht, was seine Ansicht betraf. Er war ganz anderer Meinung. Er fand, daß man diese Frau durchaus ernst zu nehmen hatte und daß sie wohl in mancher Beziehung ihrem Mann überlegen war. Sie war attraktiv, nicht schön, das gewiß nicht, und dennoch ungeheuer beeindruckend. Er war fasziniert.

»Kommen wir also zur Sache. Es wird ja wohl eine Zeit dauern, bis der Tisch gedeckt ist. Ich habe den Kopf voll. Nirgendwo will es klappen. Was Barcelona betrifft, setze ich auf Sie, Herr Herzog.«

Und er begann zu erklären, worum es sich handelte. Harald nahm alles in sich auf. Da gab es keine Unklarheiten. Was das Geschäftliche anging, zeigte Hossfeld keine Schwäche. Er war ein eigenartiger Mann und imponierte Harald. Man mußte tatsächlich etwas leisten, um mit zweiundvierzig Jahren ein solches Unternehmen im Griff zu haben. Aber dann kam es ihm in den Sinn, daß Hossfeld erst achtunddreißig gewesen war, als er diesen Posten übernommen hatte.

Und plötzlich zeigte er doch eine Schwäche. »Sie wissen ja sicher, daß mein Schwiegervater Hauptaktionär bei uns ist. Er schaut mir verdammt auf die Finger«, platzte er heraus. Hinterher tat es ihm wohl schon leid. »Das war nur eine Randbemerkung.«

»Ich wußte es nicht«, sagte Harald.

»Dann wissen Sie es jetzt. Sie leisten gute Arbeit, Herr Herzog. Ich bin mit Ihnen zufrieden. Sie werden vom nächsten Ersten an fünfhundert Mark mehr bekommen.«

Harald war vollig verblüfft, aber er hatte auch keinen Grund, sein Licht unter den Scheffel zu stellen.

»Ich bedanke mich«, sagte er.

Dann ertönte wieder Rosemaries warme Stimme. »Wenn ich stören darf, der Tisch wäre gedeckt«, sagte sie.

Sie trug jetzt ein weichfallendes Wollkleid in sanften Farben, die ihr schmeichelten.

»Es tut mir leid, daß ich nur kalte Küche bieten kann, aber eine gute Köchin war ich nie.«

»Da muß ich aber doch widersprechen«, sagte Armin Hossfeld.

»Wie charmant«, sagte sie, »danke für das Kompliment.«

Wieder klang da ein spöttischer Unterton mit. Zwischen dem Ehepaar schien eine gespannte Stimmung zu herrschen, aber dann zeigte sich Rosemarie Hossfeld tatsächlich als eine charmante Gastgeberin.

Das Haus war traumhaft schön eingerichtet, aber Harald wagte nicht, seine Blicke umherschweifen zu lassen; denn er fühlte sich ständig von Armin Hossfeld beobachtet.

Er verabschiedete sich zu angemessener Zeit, bedankte sich mit einem Handkuß bei Frau Hossfeld, und nahm dann die Ermahnung seines Chefs mit sich, ihn ständig auf dem laufenden zu halten.

Er hätte zu gern gewußt, was dann zwischen dem Ehepaar gesprochen wurde. Es wäre jedenfalls sehr interessant für ihn gewesen.

»Das ist also Harald Herzog«, sagte Rosemarie.

»Das Protegé von deinem Vater. Aber es ist nichts an ihm auszusetzen.«

»Wie freundlich, daß du das anerkennst«, sagte sie anzüglich.

»Was soll eigentlich dieser ironische Ton, Rosemarie. Was soll Herzog von uns denken?«

Ihre Augenbrauen ruckten empor. »Vielleicht, daß wir uns nicht viel zu sagen haben, was ja auch der Wahrheit entspricht«, erwiderte sie kühl.

Er wurde blaß. »Es war nicht immer so«, stieß er hervor.

Sie lachte bitter auf. »Da hast du allerdings recht. Dann wären wir nämlich nicht verheiratet. Allerdings frage ich mich oft, ob du vor sechzehn Jahren nicht mehr an den Namen Campmann gedacht hast.«

Sein Gesicht verdüsterte sich noch mehr. »Du solltest wissen, daß dem nicht so war«, erwiderte er heiser. »Du hast dich verändert, und du weißt auch warum. Du kommst nicht darüber hinweg, daß du keine Kinder mehr bekommen kannst, obgleich mir das völlig gleichgültig ist.«

Er hatte sie an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen. Sie wandte sich ab. »Ich werde ein Kind adoptieren«, sagte sie, »ob mit oder ohne deine Einwilligung.«

»Das wird wohl kaum möglich sein«, sagte er unwillig.

»Doch, wenn ich mich scheiden lasse. Und ich kann der Zustimmung meines Vaters sicher sein.«

Ein nervöses Zucken lief über sein Gesicht. »Romy, ich bitte dich, verrenn dich nicht in solche Ideen. Überlege doch einmal, was eine Adoption mit sich bringen kann. Ein fremdes Kind, von dem man nicht weiß, wie es sich entwickelt.«

»Das haben wir doch oft genug durchgekaut«, begehrte sie auf. »Ich sitze hier in einem goldenen Käfig, habe einen Mann, der dauernd unterwegs ist, von dem ich nicht weiß, was er sonst noch treibt…«

»Nun ist es aber genug«, brauste er auf. »Ich bin ständig bemüht, den Anforderungen, die dein Vater an mich stellt, gerecht zu werden, während er sich auf seinen Lorbeeren ausruht.«

»Was er sich wohl verdient hat. Nun gut, ich setze dir noch eine Frist, es dir wegen einer Adoption zu überlegen. Ich werde für einige Wochen verreisen.«

»Allein?« fragte er bestürzt.

»Ich bin erwachsen«, spottete sie. »Oder denkst du, ich habe mir einen Liebhaber angeschafft? Wann denn? Ich werde mir eine Reisebegleiterin mitnehmen, das zu deiner Beruhigung. Ich räume ein, daß sich unsere Ehe in einer Krise befindet, und auch, daß ich daran wohl auch mitschuldig bin. Ich führe ein nutzloses Leben. Ich will auf diese Weise nicht alt und grau werden. Du brauchst mir nicht vorzuhalten, daß ich Geselligkeiten meide. Sie öden mich an. Die Männer reden von Geschäften, die Damen von Mode.«

»Oder von ihren Kindern, und das magst du nicht hören.«

»Ganz recht.«

»Wohin gedenkst du zu reisen?« fragte er nach einer Pause.

»Das weiß ich noch nicht. Es ist für dich auch absolut uninteressant. Du denkst doch nicht an mich. Du hältst es nicht mal für nötig, mich zu benachrichtigen, wenn du Besuch erwartest. Es war mir sehr peinlich, als Herr Herzog erschien. Ich hätte auch schon im Bett liegen können.«

»Er ist ein Angestellter. Er hätte vor der Tür warten können«, brummte er.

»Was warst du, als wir geheiratet haben?«

Da hatte sie ihn an seiner empfindlichsten Stelle getroffen. »Das mußte ja kommen«, sagte er.

*

Harald Herzog fuhr in die Stadt zurück. Es war sehr neblig, und er mußte höllisch aufpassen.

Ein Unfall versperrte ihm den direkten Weg zu seinem Elternhaus. Er mußte durch Seitenstraßen fahren und konnte nicht ahnen, daß in einem dieser großen Miethäuser jenes Mädchen vor einem Schreibtisch saß, das er mittags auf dem Friedhof getroffen hatte.

Natalie Moser rechnete. Irgend etwas mußte sie tun. Sie konnte nicht schlafen Sie hatte es versucht, war dann aber wieder aufgestanden.

Sie betrachtete immer wieder die Fotografie ihrer Mutter, die schon zehn Jahre alt war und sie in ihrer ganzen, längst vergangenen Schönheit zeigte. Wie sehr hatte sie ihre schöne Mama geliebt, wie schrecklich war es für sie gewesen, sie leiden zu sehen. Und wie sehr hatte sie sich gewünscht, für sie sorgen zu können, wenn sie erst eine Stellung hatte. Sie hatte gelernt, was es nur zu lernen gab, neben der Schule noch Sprachkurse besucht. Maschineschreiben gelernt und einen Computerlehrgang absolviert.