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Mit geröteten Wangen blickt Marlene Großschulze auf die Waage im Untersuchungszimmer von Dr. Frank. Sie hat ihr Gewicht gehalten. Die Zeiten, in denen sie übergewichtig war, sind endgültig vorbei.
Eigentlich müsste die junge Frau glücklich sein: Sie ist bildschön, kerngesund und dank einer frühen Erbschaft auch noch sehr reich. Dennoch bemerkt Stefan Frank, dass Marlene große Probleme mit sich herumzutragen scheint. Sie wirkt bei ihren Besuchen in der Praxis immer sehr verschlossen und scheu. Einmal hat sie dem Grünwalder Arzt gestanden, ihre Eltern hätten ihr schon als Kind eingeredet, sie sei hässlich und nichts wert. Diese Schatten der Vergangenheit ist sie offenbar noch nicht losgeworden.
Bei einem Spaziergang trifft Stefan Frank einige Tage später wieder auf Marlene, und er sieht erfreut, dass es seit Kurzem einen Mann im Leben der schüchternen Frau gibt. Hoffentlich wird diese neue Liebe dafür sorgen, dass seine Patientin mehr Selbstbewusstsein und Lebensfreude entwickeln kann!
Zunächst sieht tatsächlich alles danach aus, doch das Schicksal hat anderes im Sinn: Als Marlene die Praxis von Dr. Frank erneut aufsucht und im Wartezimmer Platz nimmt, erfährt sie etwas, was ihre gerade erst erworbene heile Welt schlagartig zusammenbrechen lässt ...
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Seitenzahl: 131
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Wie soll ich damit leben, Dr. Frank?
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock/SpeedKingz
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4254-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Wie soll ich damit leben, Dr. Frank?
Als eine schreckliche Neuigkeit plötzlich alles veränderte
Mit geröteten Wangen blickt Marlene Großschulze auf die Waage im Untersuchungszimmer von Dr. Frank. Sie hat ihr Gewicht gehalten. Die Zeiten, in denen sie übergewichtig war, sind endgültig vorbei.
Eigentlich müsste die junge Frau glücklich sein: Sie ist bildschön, kerngesund und dank einer frühen Erbschaft auch noch sehr reich. Dennoch bemerkt Stefan Frank, dass Marlene große Probleme mit sich herumzutragen scheint. Sie wirkt bei ihren Besuchen in der Praxis immer sehr verschlossen und scheu. Einmal hat sie dem Grünwalder Arzt gestanden, ihre Eltern hätten ihr schon als Kind eingeredet, sie sei hässlich und nichts wert. Diese Schatten der Vergangenheit ist sie offenbar noch nicht losgeworden.
Bei einem Spaziergang trifft Stefan Frank einige Tage später wieder auf Marlene, und er sieht erfreut, dass es seit Kurzem einen Mann im Leben der schüchternen Frau gibt. Hoffentlich wird diese neue Liebe dafür sorgen, dass seine Patientin mehr Selbstbewusstsein und Lebensfreude entwickeln kann!
Zunächst sieht tatsächlich alles danach aus, doch das Schicksal hat anderes im Sinn: Als Marlene die Praxis von Dr. Frank erneut aufsucht und im Wartezimmer Platz nimmt, erfährt sie etwas, was ihre gerade erst erworbene heile Welt schlagartig zusammenbrechen lässt …
„Wissen Sie was, Schwester Martha?“, flüsterte Marie-Luise Flanitzer, die jüngere Sprechstundenhilfe von Dr. Stefan Frank.
Mit den Augen verfolgte sie eine junge Frau, die sich gerade am Tresen der Praxis angemeldet hatte und nun ins Wartezimmer ging.
„Ich würde gern mal mit der Frau Großeschulz shoppen gehen, um ihr etwas Schickes zu kaufen. Jetzt hat sie eine wunderbare Figur und läuft immer noch in so weiten, unmöglichen Sachen herum, als müsse sie sich verstecken.“
„Da hast du recht. Det Fräulein Marlene hat leider sehr wenig Selbstvertrauen“, bestätigte Martha Giesecke mit ihrem typischen Berliner Zungenschlag, den sie auch nach vielen Jahren in Bayern nicht abgelegt hatte. „Aber so, wie ick gehört habe, hatte sie auch keine einfache Kindheit. Sie hat mal dem Chef erzählt, det ihre Eltern ihr immer eingeredet haben, sie wäre hässlich und könne nichts.“
„Was? Wie können Eltern ihrem Kind nur so etwas einreden?“, empörte sich Marie-Luise. „Kein Wunder, dass sie jetzt Probleme hat. Was ist denn mit ihren Eltern? Hat sie noch Kontakt?“
„Det weiß ick nicht, aber ihre Eltern leben schon seit ein paar Jahren nicht mehr in Deutschland.“
„Dann kann man nur hoffen, dass es der hübschen jungen Frau bald gelingt, sich von ihrer Vergangenheit zu emanzipieren“, sagte Marie-Luise seufzend.
„Ick bin da sehr zuversichtlich. Den ersten großen Schritt hat sie schon gemacht; sie hat es geschafft, fünfzehn Kilo abzunehmen.“
„… und sie hat ihr Gewicht jetzt schon über Wochen gehalten. Das zeigt doch, dass sie einen starken Willen hat und diszipliniert ist“, ergänzte Marie-Luise.
Eine Viertelstunde später stieg Marlene Großeschulz im Sprechzimmer von Dr. Frank von der Personenwaage.
„Immer noch zweiundfünfzig Kilo. Sie halten Ihr Gewicht“, sagte der Grünwalder Arzt lobend und trug die Daten in die Patientenakte ein, die er im Computer aufgerufen hatte.
Eine leichte Röte huschte über Marlenes Gesicht; sie lächelte verschämt. Es war ihr sehr peinlich, aber sie konnte nichts dagegen tun, dass jedes noch so kleine Lob ihre Wangen glühen ließ. Marlene senkte den Kopf, sodass ihr langes braunes Haar das schöne Gesicht fast ganz verdeckte.
„Ich bin so glücklich, dass ich die Kilos los bin. Ich will nie wieder dick werden“, sagte sie leise.
„Frau Großeschulz! Jetzt lassen Sie mal die Kirche im Dorf. Sie tun ja gerade so, als ob Sie über hundert Kilo gewogen hätten“, sagte Dr. Frank lachend.
„Na ja, viel hat nicht gefehlt. Ich war schon bei fast siebzig.“
„Ich wollte auch nicht sagen, dass es falsch war, abzunehmen“, betonte Dr. Frank. „Aber die Figur ist nicht alles; schlank sein löst nicht automatisch alle Probleme. Manche Menschen sind glücklich trotz Übergewichts, und andere sind gertenschlank, aber sehr unglücklich.“
Er sah seine Patientin aufmerksam an. Würde Marlene den Ball aufnehmen und sich ihm öffnen? Dr. Frank wusste, dass die unsichere junge Frau, die jetzt so schüchtern vor ihm saß, noch einen langen Weg vor sich hatte, ehe sie selbstbewusst durchs Leben gehen würde. Er würde sie gern dabei unterstützen, aber Marlene musste den ersten Schritt machen.
„Ich … ich … Glauben Sie, ich bin unglücklich?“, fragte Marlene, sah den Arzt aber nicht an.
„Was glauben Sie denn?“, gab Dr. Frank die Frage zurück. „Sind Sie unglücklich?“
Marlene zuckte mit den Schultern.
„Ich bin halt so, wie ich bin. Ich habe mich damit abgefunden, dass ich niemals der Mittelpunkt einer Party sein werde. Das geht ja auch gar nicht, denn ich werde zu keiner Party eingeladen.“ Sie lachte leise.
„Sie sind eine sehr schöne, kluge, junge Frau, und – ganz wichtig – Sie haben Humor und können auch über sich selbst lachen“, sagte Stefan Frank. „Gehen Sie aus, genießen Sie das Leben, und stürzen Sie sich ins Getümmel.“
„Das sagt meine Freundin Tanja auch immer, aber ich bin nicht gern unter fremden Menschen. Mich beachtet doch sowieso keiner.“
„Wenn Sie mit einer solchen Einstellung losziehen, dann ist das auch kein Wunder. Seien Sie mutiger, gehen Sie auf die Menschen zu, die Sie interessant finden. Sie werden dann ganz schnell merken, dass Sie Anerkennung bekommen.“
„Ich weiß nicht. Ich bin doch eher die graue, langweilige und uninteressante Maus. Ich denke immer, das Glück ist für die anderen, nicht für mich.“
„Ich weiß, dass man Ihnen diesen Schwachsinn jahrelang eingeredet hat. Aber das stimmt nicht – und das hat auch nie gestimmt! Sie müssen die Vergangenheit abschütteln.“
„Ich weiß, ich versuche es ja, aber es ist nicht einfach“, sagte Marlene seufzend.
„Sie werden das schaffen, da bin ich ganz sicher“, ermunterte sie Dr. Frank. „Sie möchten doch sicher auch eine Familie haben, einen liebevollen Ehemann und einen Sack voll toller Kinder, oder?“
Marlene lächelte versonnen.
„Natürlich hätte ich das gern. Wenn ich manchmal allein vor dem Fernseher sitze, dann stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn Kinder durchs Haus toben würden und mein Mann in der Küche stände und uns ein leckeres Essen zauberte, das wir dann alle zusammen auf der Terrasse verzehren würden. Verrückt, nicht?“
„Das ist nicht verrückt, Marlene. Sie haben ein Recht darauf, glücklich zu sein. Ich wünsche Ihnen, dass all Ihre Träume wahr werden und dass durch ihr schönes Haus eines Tages fröhliche Kinderstimmen klingen.“
Dr. Frank dachte daran, dass Marlene von ihren Großeltern eine große, wunderschön gelegene Villa in Grünwald und ein ansehnliches Barvermögen geerbt hatte. Das hatte damals für einen Skandal gesorgt, denn Marlenes Eltern hatten medienwirksam das Erbe für sich reklamiert und ihrer Tochter Erbschleicherei vorgeworfen.
Der Großvater, der so etwas schon geahnt hatte, hatte aber noch zu Lebzeiten einen Anwalt engagiert, der Marlenes Interessen gegen ihre Eltern vertreten hatte. Ohne die Weitsicht des Großvaters hätte Marlene sofort nachgegeben und auf das Erbe verzichtet, aber so nutzten alle Verleumdungen gegen die Tochter nichts: Marlene war und blieb die Erbin.
Kurz nach dem unschönen Zwist hatten sich Marlenes Eltern nach Thailand abgesetzt.
„Ich habe ein Recht darauf, glücklich zu sein. Das haben Sie schön gesagt, Dr. Frank“, sagte Marlene gedankenverloren. „Ich sollte mir den Satz einrahmen und an die Wand hängen.“
„Tun Sie das. Lesen Sie ihn jeden Tag, bis Sie es endlich glauben.“
„Danke, Dr. Frank. Ich gebe mir Mühe. Das war ja heute die Abschlussuntersuchung. Ich werde Sie und die Gespräche vermissen“, sagte Marlene ein wenig traurig.
„Auch wenn die ärztliche Begleitung der Diät jetzt abgeschlossen ist, können Sie gern noch zu mir kommen, wenn Ihnen etwas auf der Seele brennt. Körperlich sind Sie kerngesund; Ihre Werte sind bestens. Wenn es danach geht, können Sie Bäume ausreißen.“
„Ich fühle mich auch fit. Ich habe nur Angst, dass ich wieder zunehme. Ich bewege mich zwar viel mehr als vor der Diät und esse bewusster als früher, aber die alten Muster schleichen sich bestimmt bald wieder ein. Ich habe mich ein bisschen schlaugemacht. Was halten Sie von Low-Carb?“
„Im Augenblick ist die kohlenhydratarme Ernährung gerade wieder im Trend. Sie scheint bei vielen Menschen ganz wirksam zu sein. Aber Sie wollen doch nicht noch dünner werden, oder?“, fragte Dr. Frank mit gekrauster Stirn.
„Nicht unbedingt. Mein Wunschgewicht habe ich ja erreicht, aber vielleicht doch noch so zwei, drei Kilo“, sagte Marlene vorsichtig.
„Sie haben bei einer Größe von ein Meter und fünfundsechzig einen Body-Maß-Index von neunzehn Komma eins. Alles unter neunzehn gilt schon als Untergewicht. Es ist medizinisch auf gar keinen Fall angeraten, Ihr Gewicht noch weiter zu reduzieren.“
„Aber Low-Carb kann ich doch auch machen, wenn ich nur das Gewicht halten will, oder?“
„Das können Sie. Ich persönlich bin allerdings der Meinung, dass ausreichend Bewegung und vernünftiges, ausgewogenes Essen – also von allem etwas und alles in Maßen – das Gesündeste ist. Und ich denke, dass es auch erlaubt sein muss, ab und zu mal zu sündigen. Je strenger die Regeln, desto eher werden die Leute es leid, sich daran zu halten.“
„Sie meinen also, ich kann durchaus mal ein Eis mit Sahne essen?“, fragte Marlene. Man sah, dass ihr bei dem Gedanken das Wasser im Mund zusammenlief.
„Solange die Betonung auf ‚mal‘ liegt, spricht nichts dagegen“, erwiderte Dr. Frank lächelnd.
***
Tanja Krömer sah genervt auf die Anzeigetafel über dem Bahnsteig. Aus den zehn Minuten Verspätung waren erst zwanzig und jetzt bereits dreißig geworden, und schon wieder machte die blecherne Stimme eine Durchsage.
„Informationen zum Intercity sechshundertelf aus Stuttgart. Geplante Ankunftszeit war sechzehn Uhr zweiundfünfzig. Dieser Zug hat heute circa vierzig Minuten Verspätung. Grund dafür ist eine Weichenstörung. Wir bitten um Ihr Verständnis.“
Tanja zog den Kragen ihrer Daunenjacke noch fester unter dem Kinn zusammen. Ein kalter Januarwind pfiff über den zugigen Bahnsteig und trieb ein paar vereinzelte Schneeflocken vor sich her.
Sie dachte, dass es eine Schnapsidee gewesen sei, ihren Vetter vom Zug abzuholen. Er hätte auch ohne sie nach Grünwald gefunden, und sie könnte jetzt gemütlich mit Marlene vor dem prasselnden Kaminfeuer sitzen, einen heißen Tee trinken und in aller Ruhe in der Wärme des gemütlichen Wohnzimmers auf Daniel warten.
Missmutig stapfte Tanja über den Bahnsteig. Solange sie in Bewegung blieb, war ihr wenigstens nicht ganz so kalt.
Endlich meldete sich die Stimme aus den Lautsprechern mit einer guten Nachricht.
„Der verspätete Intercity aus Stuttgart erhält jetzt Einfahrt auf Gleis acht. Bitte Vorsicht bei der Einfahrt des Zuges.“
Erwartungsvoll schaute Tanja dem Zug entgegen.
Mit quietschenden Rädern kam der Intercity zum Stehen. Tanja reckte den Hals, um ihren Vetter nicht zu verpassen, denn er wusste ja nicht, dass sie ihn abholen würde.
„Hallo, Daniel! Hallo! Daniel!“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und winkte heftig zu einem jungen Mann, der sich die Wollmütze tief ins Gesicht gezogen hatte.
„Tanja, meine Lieblingscousine!“, rief Daniel erfreut, als er sie schwungvoll in den Arm nahm. „Das nenne ich eine Überraschung! Es ist schön, wenn man in eine fremde Stadt kommt und gleich so herzlich empfangen wird.“
„Na ja, so fremd ist dir München ja nicht. Du warst doch schon ein paar Mal hier“, erwiderte Tanja lachend.
„Schon. Aber jetzt ist München mein neues Zuhause. Das ist etwas ganz anderes, als nur zu Besuch zu kommen.“
„Ich jedenfalls freue mich, dass du nach München ziehst.“
„Sag mal, bist du allein hier, oder ist Marlene auch mitgekommen?“, fragte Daniel neugierig und sah sich um.
„Marlene wartet in deinem neuen Zuhause mit einem heißen Tee und einem frisch gebackenen Apfelkuchen“, erwiderte Tanja.
„Dann lass uns mal los. Ich bin ganz gespannt auf Marlene und auf das Haus. Du hast beide in höchsten Tönen gelobt. Jetzt will ich wissen, ob ich deinem Urteil vertrauen kann“, sagte Daniel grinsend.
„Was? Du Ungeheuer von einem Vetter! Du wagst es, an meinem Urteil zu zweifeln?“, fragte Tanja mit einem theatralisch bösen Blick und knuffte ihn in die Seite.
„Oh, ich bitte untertänigst um Verzeihung, Eure Cousinliche Hoheit! Niemals würde mir so etwas einfallen.“
Daniel verbeugte sich vor Tanja, griff nach ihrer Hand und drückte ihr einen laut schmatzenden Kuss auf den wollenen Handschuh.
Tanja lachte. „Na, dann los jetzt. Ich bin nicht mit dem Auto da, denn für heute Nachmittag wurde Blitzeis angesagt. Wir gehen rechts runter, da ist die U-Bahn Station. In deinem Bahnticket ist doch die Fahrt innerhalb Münchens mit drin, oder?“
Daniel nickte und griff nach seinem Rollkoffer.
Vor zwei Monaten hatte Tanja erfahren, dass ihr Vetter, der bisher in Stuttgart gelebt und gearbeitet hatte, einen neue Arbeitsstelle als Ingenieur in München antreten würde. Er hatte sie gebeten, ihm bei der Wohnungssuche behilflich zu sein. Daniel hatte den Wunsch geäußert, gern etwas ländlicher leben zu wollte.
Tanja hatte sofort an ihre Freundin Marlene gedacht, die ganz allein in einer riesigen Villa in Grünwald wohnte. Marlene hatte immer mal wieder davon gesprochen, sich einen Untermieter zu suchen, denn so allein in dem großen Haus fühlte sie sich nicht wohl. Sie hatte die Idee aber nie in die Tat umgesetzt.
Außerdem, so hatte Tanja sich überlegt, würden ihr frisch getrennter Lieblingsvetter und ihre schüchterne Freundin Marlene doch ein wunderschönes Paar abgeben. Vielleicht gelang es ihrem einfühlsamen Vetter, Marlenes Panzer zu knacken. Und vielleicht gelang es der schönen, scheuen Marlene, Daniel seinen Liebeskummer wegen Hanna vergessen zu lassen.
„Warum bist du eigentlich nicht bei Marlene eingezogen, wenn du so gut mit ihr befreundet bist und sie ein so schönes Haus mit viel Platz hat?“, fragte Daniel, als sie in der U-Bahn saßen.
„Daniel, du weißt doch, dass ich nicht dafür geboren bin, im Garten zu sitzen. Ich liebe Schwabing; ich brauche das pulsierende Leben um mich herum. Jedenfalls im Moment noch. Wenn ich mal Kinder habe, dann ziehe ich vielleicht auch aus der Stadt ins Grüne.“
„Was höre ich da? Mein Cousinchen spricht von Kindern! Ist dein Traumprinz endlich aufgetaucht?“
„Noch nicht. Ich bin immer noch dabei, möglichst viele Frösche zu küssen, in der Hoffnung, dass es mal plopp macht und einer zum Prinzen wird“, erwiderte Tanja grinsend.
Daniel antwortete nicht, sondern blickte wehmütig aus dem Fenster, vor dem der dunkle U-Bahn Tunnel vorbeizog.
„Hey, Daniel, du musst an Hanna denken, nicht?“, fragte Tanja mitfühlend. „Tut es noch sehr weh?“
„Ja, wenn ich an sie denke, macht mich das traurig. Hanna war schon eine Traumfrau für mich. Aber ich weiß inzwischen auch, dass ich Fehler gemacht habe. Ich hätte wissen müssen, dass das mit uns nicht klappt.“
„Was hast du denn für Fehler gemacht? Ich dachte, sie sei mit einem anderen Kerl durchgebrannt“, sagte Tanja überrascht.
„Ist sie auch, aber das war nur konsequent. Hanna hat immer gesagt, dass sie Karriere machen will, dass sie einige Jahre im Ausland arbeiten will, dass in ihr Leben keine eigene Familie passt. Ich habe das einfach nicht ernst genommen. Ich habe gehofft, dass sie das nicht wirklich so meint, denn ich wollte nie länger ins Ausland, und ich will unbedingt eine Familie mit vielen Kindern.“
„Und irgendwann ist euch dann klar geworden, dass diese beiden Lebensentwürfe nicht zusammenpassen?“, fragte Tanja.
„Hanna ist es klar geworden; mir wird es erst so langsam klar. Trotzdem trauere ich um die schöne Zeit mit ihr. Sie ist und bleibt eben eine wundervolle Frau.“
„Und ihr Neuer? Geht der mit ihr ins Ausland und hält ihr den Rücken frei für die Karriere?“
„Carlos ist Argentinier und mittlerweile zurück in sein Land gegangen – mit Hanna. Das mit dem Ausland hat also schon mal geklappt. Sein Vater hat dort eine große Im- und Exportfirma. Ich nehme an, dass Hanna da einen guten Job bekommt. So ein Sprungbrett konnte ich ihr nicht bieten“, sagte Daniel traurig.