Dragon Princess 2: Inferno aus Staub und Saphiren - Teresa Sporrer - E-Book
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Dragon Princess 2: Inferno aus Staub und Saphiren E-Book

Teresa Sporrer

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Beschreibung

Was, wenn eine Prinzessin gegen ihre Rolle aufbegehrt? Wenn sie sich lieber einem charismatischen Piratenkapitän anschließt, statt sich dem König unterzuordnen? Dann riskiert sie alles, um die zu beschützen, die sie liebt. Denn es gilt die Drachen vor den wahren Ungeheuern ihrer Welt zu retten: den Menschen. Entdecke die märchenhafte Liebesgeschichte von Ruby und Fynn Lass dich vom Königreich Yevel verzaubern, von Edelsteinen blenden und von Drachen in ungeahnte Höhen tragen. //Dies ist der finale Band von Teresa Sporrers Fantasy-Liebesroman »Dragon Princess«. Alle Bände der Reihe bei Impress: -- Dragon Princess 1: Ozean aus Asche und Rubinen  -- Dragon Princess 2: Inferno aus Staub und Saphiren -- Dragon Princess. Sammelband der märchenhaften Fantasy-Serie// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Teresa Sporrer

Dragon Princess 2: Inferno aus Staub und Saphiren

Was, wenn eine Prinzessin gegen ihre Rolle aufbegehrt? Wenn sie sich lieber einem charismatischen Piratenkapitän anschließt, statt sich dem König unterzuordnen? Dann riskiert sie alles, um die zu beschützen, die sie liebt. Denn es gilt die Drachen vor den wahren Ungeheuern ihrer Welt zu retten: den Menschen.

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Vita

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© privat

Teresa Sporrer hegte schon ihr ganzes Leben lang eine große Leidenschaft für Bücher: zunächst als Leserin, später auch als Bloggerin und mittlerweile ist sie selbst eine erfolgreiche Autorin. Ihre Reihe über verwegene Rockstars spielte sich in die Herzen vieler Leser*innen. Neben witzig-romantischen Lovestorys schreibt sie auch Fantasy-Romane über Antihelden wie chaotische Hexen und ruchlose Piraten.

Für alle,

die das Feuer in ihren Herzen nicht verleugnen,

sondern ausleben.

Prolog

Vor langer, langer Zeit lebten die Menschen und die Drachen friedlich nebeneinander her. Die Menschen blieben unter sich. Die Drachen umgaben sich nur mit ihresgleichen.

In einem weit entfernten Land, das später einmal als Yevel, das Land der Juwelen bekannt sein würde, trafen eines Tages ein mächtiger feuerroter Drache und eine schwächliche, aber wunderschöne Menschen-Prinzessin aufeinander. Die Menschenmütter erzählen seither ihren Kindern, dass der Drache die Prinzessin entführte und ein Ritter ihn deshalb töten musste. Ansonsten hätte der böse Drache die arme Prinzessin bei lebendigem Leibe gefressen.

Aber was, wenn ich euch sage, dass man die Prinzessin nicht vor dem Drachen retten muss? Dass manchmal die finsteren Kreaturen eine menschliche Gestalt besitzen und die Monster versuchen die Menschen zu beschützen?

Teil 1Ein Piratenleben für mich

Meinen groben Schätzungen zufolge sind rund fünf Prozent der Gesamtbevölkerung Piraten.

Besonders in den letzten fünf Jahrzehnten scheinen sich viele Menschen dem Seeräuberleben freiwillig anzuschließen: Seien es nun Hexen, die Angst haben, dass man sie auf dem Festland für ihre Magie hängen würde; einfache Bürger, die sich Reichtum, Macht und Ruhm wünschen oder Adelige, die aus ihrem goldenen Käfig ausbrechen und die Welt umsegeln wollen.

Es ist faszinierend, welche Geschichten die Piraten zu erzählen haben. Die meisten sind zwar nicht belesen – wenn sie überhaupt lesen und schreiben können, aber sie haben einzigartige Erfahrungen auf ihren Reisen gesammelt, welche ich im Nachfolgenden gerne wiedergeben möchte.

Aus: Sammlung von Piratenerzählungen, Band 1 von Celica Vanderblod

I.

Fynn

»Ruby ist weg!«, wiederholte Eleanore kreischend.

Ihre sonst so gepflegte Lockenpracht war heute völlig zerzaust. Sogar einer ihrer langen pfirsichfarbenen Handschuhe war verrutscht – und die junge Adelige hatte es nicht einmal bemerkt.

So zerstreut hatte er seine Schiffsärztin und Assassine noch nie erlebt. Eleanore war sonst die Einzige in der Piratenmannschaft, die neben Fynn stets einen kühlen Kopf bewahrte. Sie hatte schon einmal gelassen vor sich hin summend die Zwillinge und Scada mit Stickgarn zusammengeflickt, während das halbe Schiff in Flammen stand und geifernde Nixen an Fynns Füßen knabberten.

Anissa wirkte nicht weniger aufgekratzt. In ihrem blassen Gesicht waren einige verschmierte Rußflecken zu sehen. Sie hatte nicht einmal Zeit gehabt, sich den Dreck von der Haut zu waschen.

»Ruby ist weg«, wiederholte Fynn mechanisch. »Ihr meint damit doch nicht, dass sie … dass sie weggelaufen ist?«

Die beiden nickten.

Der restliche Schlaf, der ihn noch wie ein leichter Mantel umhüllt hatte, fiel augenblicklich von ihm ab.

Er hätte niemals gedacht, dass es Worte gab, die ihn verletzen konnten. Nun sah es ganz danach aus, als wäre er ein absoluter Narr gewesen und hätte sich eine Schwäche erlaubt. Dabei war er doch so gründlich vorgegangen. Er hatte seine Vergangenheit eigenhändig begraben und jeden, der noch davon wissen konnte, umgebracht. Das gleiche Schicksal, das Celica irgendwann auch noch ereilen würde. Er hatte seine Crew sorgsam ausgewählt. Niemand würde ihn je verraten. Es galt Treue bis zum Tod. Bei seinen Geliebten war er ähnlich vorgegangen, aber er blieb ohnehin nicht lange, wenn es zu ernst wurde. Denn er war nur ein Mensch und Menschen ließen sich leider viel zu oft von ihren Gefühlen beherrschen.

Doch dann hatte er einen Narren an Ruby gefressen. Zuerst wegen ihres übermenschlichen Talents und ihrer wilden Schönheit, erst etwas später war ihm klar geworden, dass sie noch etwas an sich hatte, was er als überaus anziehend empfand: ihre Stärke. Schon bevor er wusste, dass sie die totgeglaubte Prinzessin von Yevel war, hatte er das Feuer in ihrem Herzen bewundert.

Eigentlich hätte er sich zurückhalten und nur gelegentlich ein paar Tändeleien mit ihr austauschen wollen. Ähnlich wie bei Scada und all den anderen Männern und Frauen, die er auf seiner nie endenden Weltreise schon kennengelernt hatte. Nach dem Debakel mit Ophelia und Jonathan hatte er sich selber hoch und heilig geschworen, dass er sich noch mehr zurückhalten wollte, was Liebschaften betraf. Doch irgendwann war das mit Ruby aus dem Ruder gelaufen.

Seine Hand glitt an die Stelle an seinem Hals, an der Ruby gestern Nacht ihre spitzen Zähne in sein Fleisch gesenkt hatte. Er wusste, dass man heute nichts mehr davon erfühlen konnte, aber irgendwie hatte er gehofft, dass er ihre Abdrücke noch auf seiner Haut trug – als Beweis für ihre besondere Verbindung. Er war sich dadurch sicher, dass Ruby ihn als ihren ersten Geliebten markiert hatte. Es hätte ihn auch nicht gestört, wenn sie lediglich erklärt hätte, dass sie ihn als ihren Freier akzeptierte – aber er wollte sich nicht beschweren. Wenn Drachen auf diese Beißerei standen, dann machte er mit Freude mit. Es war viel erregender als ein erster Kuss gewesen.

Er hatte gedacht, dass Ruby ihm endlich voll und ganz vertraute. Schließlich hatte sie ihm gestanden, was damals in Yevel mit ihr geschehen war. Wie sie als thronerbende Prinzessin von Yevel zu einer einfachen Straßendiebin geworden war.

Hatte er das alles, was zwischen ihm und Ruby vorgefallen war, falsch verstanden?

Nein, mit Sicherheit nicht.

»Aye, seid ihr euch sicher, dass sie weggerannt ist?«, fragte Fynn seine beiden weiblichen Crew-Mitglieder. »Vielleicht vertritt sie sich nur die Beine oder sucht nach Beute.«

Er konnte es sich durchaus vorstellen, dass sie nur auf Beutezug gegangen war. Sie war unvorsichtig, wenn es um Edelsteine oder Juwelen ging. Das lag wohl an ihrem Drachenblut. Es hatte nicht nur ihr Aussehen verändert – ihr rote Schuppen und schwarze Krallen wachsen lassen –, sondern auch eine unsagbare Gier nach Edelsteinen eingebracht.

Eleanore schüttelte den Kopf. »Ich habe schon vor zwei Stunden nach ihr gesehen und wollte sie fragen, ob sie mit mir einen Frühstückstee und Kuchen einnehmen will, aber ihr Nest war leer.«

»Wir haben auch nach ihr gerufen«, sagte Anissa. »Aber sie antwortet nicht.«

»Das spricht ja immer noch nicht gegen eine kleine Diebestour«, spielte Fynn die Panik der beiden Frauen herunter. Er würde sich nicht gleich die Blöße geben, dass er sich ebenfalls leichte Sorgen um sie machte. Als Captain einer Piratencrew musste er sehr souverän und gelassen auftreten – auch bei der Ansammlung Verrückter, die als seine Mannschaft galt.

Eleanore fügte hinzu: »Ihre Juwelen sind aber weg.«

»Nun.« Fynn hob eine Hand. »Gestern hat sie ihre Juwelen doch auch beim Landgang mitgenommen. Das würde mich wirklich nicht beunruhigen. Ein Drache muss seinen Schatz mit allen Mitteln beschützen.«

Fynn wusste nicht, was er jetzt schon wieder Falsches gesagt hatte, aber die Frauen bestraften ihn mit einem hasserfüllten Blick. Es war nun mal Fakt, dass Ruby ihre Edelsteine über alles liebte. Fynn hatte ihr sogar einige Steine für ihren Hort überlassen. In diesen kurzen Momenten wurden ihre geschlitzten Pupillen immer rund und sie wirkte überglücklich.

Und überhaupt, seit wann scherte sich Anissa darum, was mit Ruby war? Vor ein paar Tagen war sie lediglich ein Studienobjekt für sie gewesen, welches zufälligerweise der menschlichen Sprache mächtig war. Sie hatte die arme Ruby bei der ersten Untersuchung mit ihrer unmenschlichen Art sogar richtig verschreckt.

Eleanores Stimme war kälter als Eis, als sie Fynn erklärte: »Als du dich gedankenlos mit ein paar Huren im Bordell vergnügt hast, wurden Rubys geliebte Steine und ihr magischer Schlüssel gestohlen. Aber die Crew und ich haben ihre Sachen beinahe mühelos zurückbekommen. Danke für nichts.«

Es brauchte ein paar Sekunden, bis diese neuen Informationen in Fynns Bewusstsein sickern konnten. »Wie bitte?« Das hatte Ruby ihm nicht erzählt, bevor sie an seinem Hals rumgekaut hatte. »Und was heißt hier ›magischer Schlüssel‹? Wisst ihr etwa auch über Onyx Bescheid? Wisst ihr–«

Fynn brach ab.

Vielleicht hatte Ruby die Mannschaft gezwungenermaßen über die Bedeutung ihres Schlüssels unterrichtet. Sie hatte sich die letzten Tage mit Eleanore angefreundet und kam auch mit der restlichen Crew klar. Er war sich aber ziemlich sicher, dass sie ihnen weiterhin verheimlichte, dass sie eine Prinzessin war.

Als er sie gestern mit ihrer wahren Identität konfrontiert hatte, hatte sie so verletzlich auf ihn gewirkt. Zwar hatte sie ihn angeknurrt und gedroht ihm irgendein Körperteil abzutrennen – aber er hatte auch diesen unglaublich tiefsitzenden Schmerz in ihren unmenschlich gelben Augen gesehen: eingesperrt und allein dem Tode überlassen.

Er konnte Königskinder nur bemitleiden. Er war nicht eifersüchtig auf ihren Reichtum oder ihre Macht. Nein, er empfand bloß Mitleid. Ein goldener Käfig war immer noch ein Käfig.

»Wir wissen alles«, sagte ausgerechnet Anissa. »Ruby hat einen Drachen – nein, ihre Freundin! – in Yevel zurückgelassen, weil du sie entführen musstest.«

Fynn stöhnte genervt. »Ich habe sie nur ungefragt mitgenommen.«

»Genau so definiert man eine Entführung!«

»Und was hätte ich sonst machen sollen?«, fragte Fynn und warf die Hände in die Luft. »Bitte erleuchtet mich.«

Er hatte das getan, was er für richtig gehalten hatte: die durch Gift außer Gefecht gesetzte Ruby einfach mal mit auf sein Schiff zu nehmen. Er hatte sie ohnehin anwerben wollen.

Anstatt diese einmalige Chance wahrzunehmen, sagte Eleanore in ihrer hochnäsigsten Tonlage: »Genau deshalb ist sie nun weg. Weil du dich immer so … so piratig aufführst! Wie soll eine junge Lady dein Gebaren nur aushalten?«

»Du hast es dir gut gehen lassen, während wir – deine Mannschaft – Ruby helfen mussten«, legte Anissa nach. »Ich hoffe sehr, dass der Alkohol schlecht war und du Syphilis bekommst. Ich wollte ohnehin analysieren, wie sich Geschlechtskrankheiten auf das menschliche Gehirn auswirken.«

Fynn schob beleidigt den Unterkiefer vor. Seine Crew glaubte, dass er sich die letzten Tage mit Huren, Alkohol und Opium vergnügt hatte. Wenn dem nur so gewesen wäre! Stattdessen war er bei den Nachforschungen über Rubys Vergangenheit an eine mächtige Hexe namens Celica geraten. Er hatte sie für eine gewöhnliche Historikerin gehalten. Allerdings nur so lange, bis sie seinen Körper wie eine Stoffpuppe bewegt und ihm einige Stunden seines Lebens geraubt hatte.

Aber seine Crew sollte ruhig weiterhin im Irrglauben sein, dass er sich mit ein paar Männern und Frauen die Nächte um die Ohren geschlagen hatte. Seine Crew schien ein genaues Bild von ihrem Captain zu haben und damit konnte er leben. Ein paar Geheimnisse wollte er für sich behalten.

»Sie ist sie weggerannt, weil du ein alter Hurenbock bist«, beschuldigte Anissa ihren Kapitän schamlos. »Nachdem sie dich gestern besoffen auf der Straße liegen sah, dachte sie sich, dass sie mit dir als Anführer Onyx ohnehin nicht befreien kann.«

Eigentlich wollte Fynn nicht angeben, aber man sagte ja bekanntermaßen, dass Kavaliere genossen und schwiegen. Und Fynn war kein Kavalier. »Gestern Nacht hat Ruby mir gestanden, dass sie meine Geliebte sein will. Ruby ist sicherlich nicht meinetwegen abgehauen.«

In Eleanores und Anissas Gesicht schlich sich langsam der gleiche Gesichtsausdruck. So eine tief verstörte Miene hatte er noch nie im Gesicht einer Frau gesehen. Nun blickte es ihm gleich doppelt entgegen.

»Aye. Ekelt euch der Gedanke so an?«

»Geliebte?« Da Eleanore ihren Fächer nicht bei sich trug, wedelte sie sich mit beiden Händen Luft zu. »Das gehört sich doch nicht für eine Lady. Das geht viel zu schnell. Ihr kennt euch doch noch nicht lange.«

»Na und? Es ist ja nicht so, dass ich sie gleich ehelichen will. Davon halte ich ohnehin nichts.«

Anissa schüttelte nur den Kopf. »Ich kann nicht ganz glauben, dass sie sich auf dich einlassen will – insbesondere, da sie gesehen hat, wie Ophelia auf dich reagiert.«

Fynn deutete mit dem Daumen auf sich. »Aye. Ich bin aber eine gute Partie.«

»Vielleicht wenn es auf der Welt nur noch dieses Piratenschiff gäbe«, höhnte Anissa. »Und dann kämst du immer noch nach Nox – wenn wir nur die männliche Belegschaft zählen.«

»Aber immer noch vor Scada und den Zwillingen«, grinste Fynn.

»Arme Ruby«, jammerte Eleanore. »Eine feine Lady wie sie gerät an Piratengesindel wie Fynn. Die Arme.«

»Sie hat sich das selber ausgesucht«, warf Fynn in den Raum.

Er konnte auch nichts dafür, dass er auf Menschen so anziehend wirkte.

»Das erinnert mich an einen dieser Groschenromane, die wir in Kallisto gesehen haben«, sagte Eleanore.

Anissa runzelte die Stirn. »Die Braut des Piraten? Der war aber ganz gut zu lesen.«

»Du hast das gelesen?« Eleanore wirkte bestürzt. »So einen lästerlichen Groschenroman erwählst du als Lektüre?«

Anissa lief hochrot im Gesicht an. »Äh … Nein. Ich meine …«, stotterte sie, bevor sie gewohnt redegewandt fortfuhr: »Mein Gehirn freut sich nun mal, wenn es mal etwas anderes verarbeiten kann. Lies du mal ein Werk über Antriebsmotoren. Dein Gehirn würde sich verknoten, bis dir das Blut aus den Ohren fließt.«

Eleanore legte zwei Finger an ihren Mund. »Hochbrisant. In deiner Brust schlägt also doch das Herz einer Romantikerin.«

»Wenn du noch ein Wort sagst, dann schlägt in deiner Brust bald gar keins mehr.«

Fynn klatschte in die Hände. »Meine Damen, darf ich euch erinnern, dass wir gerade Wichtigeres zu bereden haben?«

Eleanore kaute auf ihrer Unterlippe. Anissa legte den Zeigefinger auf ihr Kinn.

»Seltsam«, sagte Anissa. »Wenn Ruby nicht wegen Fynn das Schiff verlassen hat, warum dann?«

Fynn ließ sich zurück auf sein Bett sinken. Irgendetwas war nicht in Ordnung. Er hatte vielleicht keine Hexenkräfte wie sein Navigator Scada oder war anders mit Magie verknüpft wie der Schiffskoch Nox, aber er hatte ein sehr feines Gespür.

Ruby vertraute ihm.

Fynn vertraute ihr.

Die Stelle, an der Fynn sich gestern Abend in die Handfläche geritzt hatte, juckte. »Ich habe Ruby gestern Abend einen Piratenschwur gegeben«, erklärte er den Frauen. »Dass ich, beziehungsweise wir dafür sorgen, dass sie ihre Drachin befreien kann. Wie ihr seht, kümmere ich mich gewissenhaft um die Wünsche meiner Geliebten.«

Das schien die Frauen zu überzeugen. Kein Wunder, denn ein Piratenschwur war selbst für Seeräuber heilig. Er gehörte zu den wenigen Regeln, denen sich Piraten zur Einhaltung berufen fühlten. Wer sich nicht an einen solchen Schwur hielt, wurde von den anderen geächtet. Zudem herrschte der Aberglauben, dass die See selbst einen für den Bruch fürchterlich bestrafen würde. Daran glaubte Fynn jedoch nicht. Er hatte das schlimmste Verbrechen unter Piraten begangen und seinen eigenen Kapitän hinterrücks ermordet. Der See schien der Mord aber egal zu sein. Fynn hatte nicht das Gefühl, dass er von einer übernatürlichen Kraft mit Pech bestraft worden war. Ganz im Gegenteil! Nach der Tat hatte er ein Schiff erworben und eine eigene Mannschaft zusammengestellt.

Aber an dieses Versprechen wollte er sich ausnahmsweise halten.

»Macht euch keine Sorgen um Ruby«, sagte er zu den beiden Frauen. Er stand auf und drängte Anissa und Eleanore wortlos dazu, seine Kajüte zu verlassen. »Aber wir sollten uns bereit machen bald wieder in See zu stechen. Unser nächstes Ziel ist Yevel.«

Eleanore quietschte verzückt auf. »Dieses Mal werde ich die Möglichkeit nutzen, um mir ein paar Juwelen zu kaufen. Ruby kann mich dann ausgiebig beraten.«

Fynn hüstelte.

»Ich werde ein paar Juwelen ausfindig machen«, verbesserte die Adelige. »Wer seine Juwelen herrenlos rumliegen lässt, ist deren nicht würdig.«

Der Kapitän nickte stolz über Eleanores Bereitschaft, ein paar Dinge zu stehlen.

Schließlich war sie eine Adelige und eine Piratin. Letzteres wollte sie sich aber immer noch nicht richtig eingestehen. Noch immer trug sie eine abgetrennte Handfessel aus Eisen und behauptete nach wie vor, dass jemand aus Fynns Crew sie entführt hatte. Als würde irgendjemand die Nerven besitzen, Eleanore zu entführen. Wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten, sie zurückzugeben, hätten die Piraten das sicher bereits getan.

Aber das war Vergangenheit. Eleanore war heute ein wichtiger Bestandteil der Crew, genau wie Anissa, Nox, Scada, Kian und Kjell.

Und Ruby.

Und die See möge ihn verfluchen, wenn er die junge Frau nicht finden würde.

***

Während Fynns Mannschaft sich bereit für den Aufbruch machte, kletterte der Piratenkapitän über die Strickleiter ins Krähennest und damit in Rubys Schlafplatz. Er untersuchte ihr zerknittertes Bettlaken und ihr Kopfkissen. Tatsächlich schienen ihre Edelsteine mit ihr verschwunden zu sein.

Er untersuchte Rubys Unterschlupf gründlich auf eingeritzte Zeichen im Holz. Vielleicht hatte sie ihm eine verschlüsselte Botschaft hinterlassen. Es gab Zeichen für fast alles. Zum Beispiel, wenn man das Schiff ungeplant für einen Beutezug verlassen musste und welche Gründe einen antrieben.

Wobei … Sie war eine ehemalige Prinzessin. Sprich, sie war erst ein paar Jahre Straßendiebin. Vermutlich kannte sie sich mit der Materie nicht aus und er vertrödelte hier nur unnötig Zeit.

Er legte den Kopf in den Nacken. »Mein Juwel. Wo bist du nur?«

Es war untypisch für Fynn, aber er zweifelte dann doch für eine kurze Zeit an den gestrigen Ereignissen und welche Auswirkung sie hatten. Vielleicht hatten Rubys Gefühle sie selbst erschreckt und immer, wenn Ruby Unbehagen verspürte, ergriff sie die Flucht.

Sie war immerhin eine Prinzessin gewesen! Sie hätte sich wohl nie erträumt, dass sie sich eines Tages in den Armen eines Piraten wiederfinden würde.

Aber – und das ließ ihn hoffen – früher oder später würde sie wiederauftauchen. Fynn war immer noch die günstigste Chance, zu ihrem Drachen zurückzukehren.

Gerade als Fynn den Mastkorb verlassen wollte, merkte er, dass eine Holzplatte locker war. Seine Entdeckung brachte sein Herz kurz ins Stocken. Dort waren Rubys Juwelen! Er zog den Leinensack aus dem Versteck und öffnete ihn. Tatsächlich befanden sich darin Rubys Juwelen und der Schlüssel.

Fynn schluckte schwer. Seine Kehle war von einem Moment auf den anderen staubtrocken geworden. In ihm reifte eine tief beunruhigende Vermutung. Ruby würde niemals ihre Edelsteine freiwillig zurücklassen.

II.

Amarantha

Prinzessin Amarantha trug ein weißes Kleid, welches sie noch bleicher aussehen ließ, als sie es ohnehin von Geburt an war. Ihre feuerroten Haare, ihre leuchtenden honiggelben Augen und die Heerschar an hellbraunen Sommersprossen auf ihrer Nase, Wangen und Schultern waren die einzigen Farben an ihr.

Ihr zukünftiger Gatte würde sie für ein Gespenst halten!

Dieser Gedanke brachte ihren weißen Wangen zumindest ein wenig Röte.

In ein paar Tagen würde Amarantha verheiratet sein. Sie würde bald eine Ehefrau und damit die rechtmäßige Königin von Yevel sein. Mit zarten 16 Jahren würde ihr Mann den Thron besteigen.

Ihr Herz wütete wie ein wildes Tier in ihrer Brust, als wären ihre Rippen nur ein Käfig.

Es ist nur die Vorfreude, versuchte sie sich einzureden. Schließlich würde sie bald ihrem Prinzen begegnen und mit ihm bis an ihr Lebensende zusammenleben.

Sie schluckte schwer. Bis an ihr Lebensende – außer sie verstarb wie ihre Mutter bei der Geburt der nächsten Prinzessin oder des Thronfolgers.

Auf einmal fühlte sich Amarantha gar nicht mehr gut. Ihre Knie hatten sich scheinbar in Grießbrei verwandelt und sie lief Gefahr, einfach umzufallen.

Das bemerkte auch ihre Zofe Chrysantha. Das fünf Jahre ältere Dienstmädchen, welches gerade Amaranthas eingenähtes Korsett schnürte, zwickte die Prinzessin in die Seite.

Amarantha unterdrückte einen Schmerzensschrei. Sie war es gewohnt, dass Chrysantha grob zu ihr war. Ihr Vater sagte, dass das nur ihren Charakter stärken würde. Allerdings fühlte sich ihr Wesen gleich an, während ihr Körper einige blaue Flecken aufwies. Auch diese ›Charakterstärkung‹ würde sie wieder einige Tage auf ihrer Haut tragen.

»Halt still«, sagte Chrysantha mit kalter Stimme.

Sie zog noch stärker an den Bändern und raubte Amarantha die Luft zum Atmen. Ihr zukünftiger Mann musste sie vor dem Drachen noch vor dieser unglaublichen einengenden Korsett-Schnürung retten. Sonst gab es niemanden zum Heiraten mehr, weil sie bis dahin sicherlich dem Erstickungstod erlegen war.

Nachdem die Zofe ihr unmenschliches Werk an ihr vollendet hatte, begutachtete sie ihre Prinzessin noch mal von allen Seiten. Eigentlich rechnete Amarantha fest damit, dass Chrysantha zufrieden sein würde. Sie trug ein wunderschönes bodenlanges weißes Kleid mit winzigen glitzernden Diamanten. Es sah fast so aus, als hätten die Schneider Amarantha mit frischem Schnee eingekleidet. Von dem einengenden Korsett abgesehen, mochte sie, wie der teure Stoff ihrem Körper schmeichelte.

Amarantha konnte sich hier – in ihrem Zimmer – in drei mannsgroßen Spiegeln von allen Seiten betrachten: Das Gewand betonte ihren schlanken Körper, der sich weder durch breite Hüften noch einen üppigen Vorbau auszeichnete. Der mehrlagige Rock ließ ihr Becken breiter erscheinen. Das Mieder entblößte nicht nur ihre mit Sommersprossen besprenkelten Schultern, sondern zeigte auch Dekolleté.

»Damit dein Zukünftiger auch weiß, dass du wirklich eine Frau bist«, hatte Chrysantha sie sofort gepiesackt. »Es wäre eine Schmach für das gesamte Königreich, wenn der Ritter dich nicht zu seiner Braut macht. Obwohl … Die Krone von Yevel dürfte ohnehin Anreiz genug sein.«

Das wunderschöne Kleid, das der jungen Prinzessin so viel Freude bereitete, ließ Chrysantha einfach kalt. Sie schnalzte nur missbilligend mit der Zunge. »Wie blass du immer bist! Wir brauchen Puder für deine Wangen. Sonst erschrickt sich der Prinz noch an deinem Aussehen!«

Der Prinz. Der Prinz. Der Prinz. Warum ging es eigentlich immer nur darum, was ihm gefallen würde?, erlaubte sie sich einen selbstbezogenen Gedanken. Warum ging es immer nur um ihn? Warum war sie selbst auch so darauf versteift, ihm zu gefallen?

Amarantha wünschte sich einen jungen und hübschen Prinzen. Königin Belladonna – ihre Urururgroßmutter – war mit einem Prinzen verheiratet worden, der über 20 Jahre älter war als sie. Alle anderen Prinzessinnen waren vor ihrer Hochzeit mit ihm gestorben, in Gefangenschaft geraten oder im letzten Moment einem anderen Brautwerber versprochen worden.

König Engelbert war haarig wie ein Bär gewesen. Amarantha hatte Bilder von ihm gesehen. Der Inzest in seiner Familie hatte ihm zudem ein übergroßes Kinn und dicke Lippen verliehen.

Das Schlimmste war, dass er schon so hässlich auf den Portraits aussah. Sie wollte gar nicht wissen, wie grotesk er in Wirklichkeit ausgesehen hatte.

Und Prinzessin Belladonna hatte ihm sieben Kinder geschenkt: Sieben!

Prinzessin Amarantha wurde nun ganz klamm ums Herz. Sie redete sich erneut ein, dass es nur die Vorfreude war und dass dies ganz normal war.

Sie versuchte zu lächeln und tatsächlich sah sie auch wie eine glücklich wartende Braut aus – wenn man ihr nicht direkt in die Augen sah. Dort lagen eindeutig Emotionen, die sich die junge Prinzessin nicht eingestehen wollte.

»Wie viele Brautwerber werden wohl kommen?«, fragte sich Amarantha laut. Vielleicht würde ein Gespräch sie ablenken.

»Bei Prinzessin Calla kamen damals beinahe zwei Dutzend Prinzen«, sagte Chrysantha. »Aber sie war für ihre Schönheit weit über die Landesgrenzen bekannt.«

»Gibt es ein Bild von ihr?«

Amarantha hatte immer noch die Hoffnung, dass auch ein Gemälde ihrer verstorbenen Mutter Rubinia irgendwo im Palst existierte. Sie wollte wissen, wie ihre Mutter ausgesehen hatte.

Einmal – als sie gerade einmal fünf Jahre alt war – hatte sie ihren Vater nach einem Abbild gefragt. Kurz zuvor hatte Chrysantha angemerkt, dass sie so rote Haare wie die verstorbene Königin selbst hatte. Das hatte in Amarantha den Wunsch geweckt, mehr über ihre Mutter zu erfahren.

Ihr Vater hatte sie nur einen Augenblick lang angesehen und ihr dann eine schallende Ohrfeige verpasst. Nie wieder hatte Amarantha ein Wort über ihre Mutter in der Nähe des Königs verloren.

Chrysantha suchte immer noch nach Puder für Amaranthas Wangen. »Nein«, kam es trocken von ihr. »Sie war ja schließlich nur die Königin. Ich kenne nur die Erzählungen.«

»Stimmt«, murmelte Amarantha enttäuscht.

Königinnen hatten in Yevel nur die Aufgabe, für einen neuen König zu sorgen. Entweder durch die Geburt eines Prinzen oder wie Amarantha, die sich in dem Drachenturm begeben musste, damit ein Prinz sie vor einem wilden Monster beschützen und dann zur Frau nehmen konnte.

Irgendwann würde Amaranthas Name auch in Vergessenheit geraten.

Chrysantha hatte die Schminke endlich gefunden und machte sich mit herunterhängenden Mundwinkeln ans Werk. Amarantha versuchte angestrengt durch den aufgewirbelten Puder nicht zu husten und damit Chrysantha wütend zu machen.

Die junge Prinzessin kaute auf ihrer Unterlippe. »Und es wird sicher jemand kommen?«

Als Crysantha das bemerkte, schnipste sie sofort mit den Fingern gegen Amaranthas Lippe. Der plötzliche scharfe Schmerz trieb der Prinzessin Tränen in die Augen.

»Aus diesem Grund werde ich keinen Lippenstift auftragen«, schallte Chrysantha sie. »Wenn du an etwas herumlutschen willst, dann warte gefälligst auf deinen Prinzen.«

Amaranta legte die Stirn in Falten. »Wie meinst du das?«

Die Zofe schüttelten den Kopf. »Wenigstens bist du noch Jungfrau. Ein Problem weniger.«

Amarantha errötete erneut. Doch Chrysantha bemerkte dies nicht, weil sie ihr ordentlich Rouge aufgetragen hatte. Sie konnte spüren, wie die Schminke jetzt schon bröckelte. »Du wirst einen Mann sehr glücklich machen«, sagte die Zofe – auch wenn es in ihrer Stimmlage nur wenig aufmunternd klang.

»Und er wird mich glücklich machen.«

Warum klang das in Amaranthas Ohren wie eine Frage?

Chrysantha sah ihre Prinzessin stumm an. Zum ersten Mal erkannte sie so etwas wie Mitgefühl in ihren blauen Augen.

Die zukünftige Braut bekam eine Gänsehaut. In ihr reifte der starke Wunsch, aus ihrem Zimmer zu laufen. Direkt aus dem Palast zu stürmen, einfach irgendwo hin. Nur nicht in diesen Turm und zu diesem Mann, den sie nicht kannte.

Aber sie war nur eine Prinzessin. Sie durfte nicht über sich selbst bestimmen.

Nur am Rande bemerkte Amarantha, dass ihr weißes Kleid sich rot verfärbte. Überall wo ihre Finger den Stoff berührten, breiteten sich rote Flecken wie Blut aus.

Die große Flügeltür zu Gemach der Prinzessin wurde aufgerissen. Links und rechts positionierten sich zwei Drachentöter: Illias und Andrej. Die besten Krieger des Reiches und damit die Leibwache des Königs.

Gemächlich schritt ein Mann in den Raum. Er war nicht besonders groß oder sah besonders gut aus – und trotzdem wandelte sich die ganze Stimmung im Raum.

Chrysantha verbeugte sich tief und ehrfurchtsvoll. »Mein König.«

Der König – Amaranthas Vater – betrachtete seine Tochter stumm.

Ihr Vater war nicht einmal vierzig Jahre alt, blond und sicherlich gutaussehender als König Engelbert. Allerdings lag in seinem Gesicht eine solche Kälte und Härte, dass Amarantha ganz unwohl wurde.

Die beiden sahen sich kaum ähnlich – bis auf die gelben Augen. Eine Seltenheit, die nur in der königliche Blutlinie von Yevel vorkam.

Während sich Amaranthas Kleid immer weiter verfärbte, veränderte sich auch das Aussehen der Prinzessin. Unter ihrer weißen Haut brachen rote Schuppen hervor. Das gelbe der Iris weitete sich aus, bis sie das Weiß des Augapfels ganz verschlungen hatten. Die Pupille zog sich. Der Prinzessin wuchsen auf einmal schwarze Krallen.

Ein animalisches Knurren drang aus Amarantha Kehle.

Manche hätte gesagt, dass sie nun ein wahrliches Monster wäre.

Wiederrum hätten sich gewisse Menschen an ihrer monströsen Schönheit nicht sattsehen können.

Ihre Unschuld, Naivität und Unsicherheiten waren wie weggewischt. Sie waren Zorn und Wut gewichen.

Dort stand keine Prinzessin mehr, sondern eine Frau, die sogar eine Herrscherin sein konnte, wenn sie es von Herzen begehrte.

Amarantha stürzte sich wie ein hungriges Raubtier auf den König. Er leistete keinerlei Gegenwehr, als sie ihn mit dem Krallen die Haut von dem Gesicht kratzte, bis sie Blut und Knochen sah.

»Warum hast du mich allein gelassen?«, schrie sie. »Warum hast du mir all das angetan?«

Der König grinste – das Gesicht voll mit rotem Blut. »Weil du mir nichts bedeutest, Amarantha. Weil du mir egal bist.«

III.

Ruby

Ruby erwachte schlagartig aus dem Traum. Sie lag bäuchlings auf dem Boden und krümmte sich vor Übelkeit wie ein Fisch auf dem Trockenen. Sie wollte sich nicht übergeben, da sie wusste, dass sie ihr Erbrochenes selber wegwischen musste. Sie war keine Prinzessin mehr, der Bedienstete mit einem eifrigen Kopfnicken den Mageninhalt wegputzten oder mit einem Lächeln den Nachttopf brachten.

Sie sah Chrysanthas weißblonden Haarschopf immer noch überdeutlich vor ihren Augen. Die Zofe war unter anderem dafür angestellt worden, sie anzukleiden, zu schminken und zu frisieren, aber im Krankheitsfall der anderen Bediensteten hatte sie ihrer Herrin auch mal den gusseisernen Nachttopf ans Bett gebracht. Allerdings war ihre Reaktion auf ein solches Begehr, dass sie Ruby mit ihren spitzgefeilten Fingernägeln in den Bauch stach und sagte, dass sie weniger trinken sollte. Eine Prinzessin, die auf die Toilette musste, schien für sie ein Unding zu sein.

Wie gern Ruby Chrysantha wiedersehen wollte!

Sie wollte mit ihren tödlich scharfen Krallen ihrer ehemaligen Zofe auch gern einmal in die Seite zwicken – bis sie blutete.

Ruby fauchte laut, während sie sich mühsam aufrappelte. Sie lehnte sich gegen die Holzwand und schloss die Augen. Ihr Körper fühlte sich seltsam träge an. Sie war es nicht gewohnt, so schwerfällig und kraftlos zu sein. Seit ihrer Verwandlung steckte sie voller Energie. Sie war schließlich die Inkarnation von Feuer.

Wie konnten ihr Erinnerungen allein nur eine solche Pein bereiten? Wie konnten sie sogar ihren Körper attackieren?

Diese Erinnerung war – selbst in einen Traum verpackt – zu viel für sie. Da war ihre Zofe, die sie immer nur gepiesackt und sie dadurch klein gehalten hatte. Die Drachentöter hatten ihr als Prinzessin zwar nie etwas getan, aber nun wollten sie alle die Prinzessin tot sehen. Und dann war da natürlich noch ihr Vater, der sich immer nur dann für seine Tochter interessiert hatte, wenn es um ihren Zukünftigen ging. Ruby war sich ziemlich sicher, dass er seine Krone mehr als sie liebte und dass ihn der Gedanke, dass er bald als Regent abtreten musste, nachts den Schlaf raubte.

Dass er abtreten hätte müssen, korrigierte sich Ruby. Da kein Prinz zu ihrer Brautwerbung erschienen war, regierte er immer noch über Yevel, während Ruby für ihr täglich Brot kämpfen musste.

Aber nicht mehr lange. Schon sehr bald würde Ruby ihre Rache bekommen. In ihr Gesicht schlich sich ein monströses Lächeln, das gar nichts mehr mit dem schüchternen Grienen einer wohlerzogenen Königstochter gemein hatte. Wenn sie das Land erst in Schutt und Asche gelegt hatte, konnte ihr Vater gerne über diese Ödnis regieren. Bevor sie auch ihn töten würde. Er verdiente den Tod für das, was er ihr angetan und was die Drachen unter seiner Herrschaft hatten erleiden müssen. Allen voran ihre Freundin Onyx, der man nicht nur Mutter und Vater genommen hatte, sondern die man alleine für die Brautschauen bereitwillig geopfert hätte.

Ruby zog die Beine an und schlang ihre Arme um sie. Warum hatte sie eigentlich so einen schrecklichen Traum gehabt? Jahrelang waren ihre Träume frei von Chrysantha und ihrem Vater gewesen. Stattdessen hatte ihre gesichtslose Mutter sie heimgesucht. Doch das war ihr egal.

Da sie ihre Mutter nie kennenlernen durfte, empfand sie diese Träume nie als Alptraum. Sie hatten etwas Tröstliches an sich. Als würde Königin Rubinia immer noch über ihre Tochter wachen.

Ruby fletschte die Zähne. Das war alles nur die Schuld des dämlichen Piraten!

Nachdem man Ruby für tot hielt – im Turm verbrannt –, hatten die Bewohner von Yevel ihre Prinzessin schnell vergessen. Niemand trauerte um sie. Man redete nicht über sie.

Das erleichterte es Prinzessin Amarantha, zur Straßendiebin Ruby zu werden. Zur inneren Verwandlung kamen die äußerlichen Veränderungen hinzu.

Niemand würde die brave und stets verängstigte Königstochter mit der katzenäugigen und schuppenbefleckten Ruby mit ihrer abweisenden und gewalttätigen Art in Verbindung bringen.

Zumindest hatte sie das lange geglaubt.

Dann war sie Fynn begegnet. Sie hielt nicht viel von Piraten – oder Menschen im Generellen –, weshalb sie den Entschluss gefasst hatte, ihn für das Wohl ihrer Freundin Onyx zu opfern. Dann war sie blindlings in eine Falle getappt und Fynn hatte sie gerettet – und sie auf sein Piratenschiff entführt. Wie gesagt, er war ein dämlicher Pirat. Trotzdem … Er hatte ihr reichlich zu Essen gegeben und einen sicheren Schlafplatz zugestanden. Sie wollte nicht sagen, dass Fynn ein guter Mensch war. O nein. Er tötete Menschen schon aus niedrigen Beweggründen, war dem Alkohol nicht abgeneigt und ein Hurenbock, den man in Bordellen nur allzu gern sah. Andauernd hatte er Ruby Avancen gemacht und eines Nachts war er unter dem Einfluss von reichlich Rum sogar in ihr Nest gekrochen. Er hatte sie nicht angefasst. Er hatte nur verlautbaren lassen, wie schön er sie fand.

Fynn war gefährlich.

Sie wusste nicht genau wie, aber er hatte Aufzeichnungen über ihr altes Leben gefunden und sich sofort zusammenreimen können, dass sie die Prinzessin von Yevel war. Er hatte sie damit konfrontiert und all den vergessenen Schmerz, den sie versucht hatte unter ihrem Rachedurst zu begraben, hervorbrechen lassen.

Und was hatte sie getan?

Ruby hätte ihn töten sollen. Stattdessen hatte sie ihn gebissen! Sie hatte ihn gebissen und damit als ihren Liebhaber markiert.

Sie stieß einen frustrierten Laut aus, der erschreckend denen von Eleanore ähnelte. Ganz konnte man das Adelige wohl nicht aus Ruby herausholen. Selbst wenn ihre Haut einmal ganz von roten Drachenschnuppen bedeckt sein würde, wäre da immer noch etwas von Chrysanthas ›Erziehung‹ in ihr.

Aber: Es war alles andere als prinzessinenhaft, dass sie den Piraten gebissen hatte. Sie raufte sich die Haare, zog an ihnen, aber der Schmerz zeigte ihr nur, dass der Biss kein Traum gewesen war. Sie berührte ihren Hals. Dort war nichts mehr zu ertasten, aber … Er hatte sie sogar zurückgebissen!

Unter Drachen würden die beiden nun als Liebespaar gelten. Dazu kam die schlechte Angewohnheit der Drachen, dass sie sich nur einmal im Leben mit einem Artgenossen paarten.

Sie waren ein Liebespaar: für immer, bis zum Tod.

Sie musste Fynn wohl nun doch umbringen.

Der Pirat war gefährlich, ja, aber das Gefühl, das sie in seiner Nähe verspürte, war noch viel riskanter. Ein Gefühl, welches sie kaum kannte und deshalb immer noch schwer begreifbar für sie war: Zuneigung. Aber nicht die Zuneigung, die sie spürte, wenn sie an ihre Drachenfreundin Onyx dachte oder mit der Piratin Eleanore Juwelen aussuchte. Es war … anders.

Ruby stand auf und klopfte sich den Staub und kleine Holzspäne von der dunkelbraunen Lederhose. Es brachte sich nichts, wenn sie noch eine einzige Minute länger auf ihrem Hinterteil rumsaß und sich selbst bemitleidete, weil sie nach einem Leben, geprägt von der Entbehrung menschlicher Berührungen, in einem Moment der Schwäche einen Piraten-Dummkopf angeknabbert hatte. Fynn war ein Stammgast in Bordellen. Sie wollte nicht wissen, wie viele Männer und Frauen schon ihre Abdrücke an seinem Hals hinterlassen hatten.

Außerdem war sie kein Drache. Sie musste sich an niemanden binden. Fynn war nichts weiteres als ein armer Tropf, an dem sie aus emotionaler Verwirrung rumgekaut hatte. Wenn sie in ein paar Tagen wieder bei Onyx sein würde, war der Seeräuber bald Schnee von gestern.

Eins wollte sie aber dennoch tun: Fynn klarmachen, dass er auf keinen Fall ihr Geliebter war.

Ruby war so in den Gedanken um ihr altes Leben und ihr Problem, das unerfreulicherweise den Namen Fynn trug, versunken gewesen, dass ihr die ganze Zeit nichts seltsam vorgekommen war. Nun fragte sie sich aber, warum sie sich nicht im Krähennest befand. Fynn hatte ihr den Mastkorb – fernab der anderen Crew-Mitglieder – als Schlafplatz zugestanden. Sie liebte es, unter freiem Sternenhimmel zu schlafen und durch das warme Sonnenlicht geweckt zu werden. Nun war aber nichts davon zu sehen. Nur Schwärze.

Die junge Frau sah sich um. Sie befand sich im Inneren eines Schiffes. Um sie herum war dunkles Holz. Ohne ihre Drachenaugen hätte sie kaum etwas gesehen, aber so erkannte sie einige große Kisten und Fässer … und Gitterstäbe?

Sie reckte die Nase in die Luft – augenblicklich entfuhr ihr ein empörtes Fauchen.

Fynns Schiff duftete nach Teebaumöl, ferner nach Knoblauch und verbranntem Holz. Hier roch es nach Tabak und Kamille. Der fremde Geruch versetzte sie in Alarmbereitschaft.

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen machte sie ein paar vorsichtige Schritte vorwärts. Man hatte sie in einen Turm eingesperrt und nun verwahrte man sie also in einem Schiffsgefängnis? Sie war sofort im Überlebensmodus und besonders darauf bedacht, keinen Laut von sich zu geben. Sie schien allein zu sein, aber sie kannte Menschen, die sich in den Schatten verstecken konnten.

Im handbreiten Abstand ragten Eisenstäbe aus dem Boden bis zur Decke. Ruby kratzte mit ihren schwarzen Krallen über das Metall. Sie war nicht besonders bewandert in Metalllegierungen, aber diese Stäbe waren stärker als die Schwerter, die sie bis jetzt barhändig zerbrochen hatte. Dennoch: Ein winziger Splitter fiel nach paar Minuten zu Boden.

Sie grinste. Es würde zwar einige Zeit in Anspruch nehmen, aber sie konnte diese Stäbe zerstören.

Blieb nur noch ein weiteres Problem: Das leichte Schaukeln verriet ihr, dass das Schiff ihrer Entführer schon in See gestochen war.

Sie verfiel nicht in Panik, weil sie wusste, dass Fynn sie suchen und nicht aufgeben würde, ehe er sie gefunden hatte. Er hatte einen Mann getötet, nur weil er sie Monster genannt hatte. Dennoch: Sie würde nie wieder in ihrem Leben auf einen Mann warten, der sie rettete. Sie hatte immer gedacht, dass sie nicht Herrin über ihr Schicksal war, dass ein Mann über sie bestimmen würde. Nun konnte sie so leben, wie sie wollte.

Sie würde ihr Ding durchziehen und ihren Weg zu Fynn zurück kämpfen, während der Pirat nach ihr suchte.

Fynn hatte versprochen ihr zu helfen. Nein. Der Pirat hatte ihr geschworen sie nach Yevel zurückzubringen.

Fynn war kein Prinz. Er war ein Pirat.

Vielleicht war das Grund genug, ihm zu vertrauen.

Sie begann die Gitterstäbe mit ihren Krallen so zu bearbeiten, dass niemand auf der anderen Seite des Gefägnisses Verdacht schöpfte. Jederzeit konnten ihre Entführer vorbeikommen.

»Einmal die Kehle aufgeschlitzt, zweimal die Kehle aufgeschlitzt, dreimal die Kehle aufgeschlitzt«, zählte sie dabei fröhlich vor sich hin. Dieses Mal würde sie wirklich jemandem die Kehle rausreißen oder einen der Eisenstäbe durch die Augenlöcher treiben. Denn im Prinzip war sie nur ein Monster.

Ruby hatte gedacht, dass sie die Einzige in der Zelle war, bis sie das leise Stöhnen vernahm. Sie blickte zurück. In einer Ecke der Zelle lagen einige Kisten. Dahinter erspähte sie jedoch ein Paar dreckige Stiefel. Langsam schlich sich die junge Frau näher heran. Auf dem Boden lag eine große, schlanke Gestalt, die sich kaum regte. Ruby knurrte und stieß die Person mit der Stiefelspitze an. Die Vermutung, dass es sich um eine Falle handelte, bestätigte sich nicht. Stattdessen blickte sie in ein bekanntes Gesicht. Blondes Haar, welches mit getrocknetem Blut verklebt war. Rubys Augen weiteten sich vor Erstaunen. »Ophelia?«

IV.

Fynn

Fynn kehrte mit Rubys Edelsteinen in seine Kajüte zurück. Der Pirat war es schon so gewohnt, dass sich die Drachenfrau jeden Morgen ein Wortgefecht mit ihm lieferte oder aus Verärgerung etwas nach ihm warf, dass sich der Tagesbeginn ohne sie richtig langweilig anfühlte. Das Treiben auf dem Schiff wirkte weniger lebendig. Eleanore bemerkte ihren vorbeischleichenden Captain nicht einmal, weil sie trübselig über die Reling Richtung Farbmeer blickte. Das Meer wartete heute mit den dunkelsten Farbtönen auf: Olivgrün, Tintenblau und Rostbraun.

Der Seeräuber leerte den Beutelinhalt auf den Tisch aus. Ruby konnte alle Steine benennen. Er konnte zumindest sagen, welche Farben die Steine besaßen. Als letztes purzelte ein Schlüssel aus dem Beutel. Das war also der magische Schlüssel, den Ruby im Palast von Yevel gestohlen hatte. Der Gegenstand für den sie nicht nur leichtfertig ihr, sondern auch Fynns Leben aufs Spiel gesetzt hatte.

Er nahm das Stück Eisen in die Hand. Wenn er nicht genau gewusst hätte, dass es sich dabei um ein mächtiges, magisches Artefakt handelte, hätte er ihn für einen normalen Schlüssel gehalten. Es war absolut nichts besonders an diesem Stück Metall. Der Schlüssel war völlig wertlos, wenn man nicht wusste, in welches Schloss er passte.

Aber Fynn wusste, dass er einen der letzten lebenden Drachen an Yevel fesselte

Nein, das ist falsch, korrigierte er sich in Gedanken. Rubys Freundin. Sie konnte damit eine ihrer Liebsten befreien.

Nein. Ruby würde diese Dinge nie absichtlich zurücklassen.

Er umschloss den Schlüssel in seiner Hand.

Das Töten war Fynn nicht fremd. Er war schließlich schon seit einem Jahrzehnt ein Pirat. Der Schuldige würde dafür büßen – außer Ruby würde ihm zuvorkommen. Sie war eine starke Frau und er war sich sicher, dass sie auch ohne ihn zurechtkommen würde. Aber was wäre er für ein lausiger Liebhaber, wenn er nicht den Versuch unternehmen würde, sie wiederzufinden und seine Hilfe bei ihrer Rache anzubieten? Sie redete immer vom Kehlenrausreißen und Augenausstechen. Er würde da gerne einmal dabei sein.

Mit einem erfreulichen Blutbad im Sinne bestellte er Nox zu sich. Er musste nur seinen Namen rufen und wenige Sekunden später materialisierte sich der Schattenmann in Fynns Kajüte. Als er in Nox’ glasige Augen blickte, hatte er schon eine böse Vorahnung.

»Mach die Tür zu«, wies er ihn trotzdem als erstes an. »Ich will etwas Vertrauliches mit dir besprechen.«

Nox tat wie geheißen – auch wenn er dabei auffällig wankte.

»Aye. Warum ist hier an Bord keiner trinkfest?«, murmelte Fynn vor sich hin.

Eleanore wurde bei Sekt ganz aufgedreht; Anissa übergab sich, begleitet von grauenvollen Geräuschen, wenn sie zu viel Bier trank und die Zwillinge hatten überhaupt noch keine Alkoholresistenz gebildet. Die jüngsten Crew-Mitglieder lallten schon, wenn sie an Bord den halben Tag Rum trinken mussten. Einzig er und Scada hatten eine gewisse Immunität gegen die Intoxikation. Oh, und natürlich Ruby. Als Mensch mit Drachenblut konnte sie selbst purem Gift trotzen.

Was willst du von mir?, deutete Nox seinem Kapitän mit Gesten.

Wie er seinen Schiffskoch kannte, hatte er wieder viel zu viel Selbstgebranntes in sich reingeschüttet. Er wirkte dann noch mehr wie ein lebender Toter.

»Kam dir gestern etwas seltsam vor?«, fragte er seinen besten Späher. »Hat jemand das Schiff beobachtet?«

Nox brauchte deutlich länger, um zu überlegen.

Nein, kam die Antwort. Am Tag war es ruhig.

»Und abends? Nachts? Heute in den frühen Morgenstunden?«, bohrte er nach. »Das weißt du nicht, oder?«

Er senkte beschämt das Haupt. Wenigstens versuchte er nicht seinen Kopf mit faulen Ausreden aus der Schlinge zu ziehen. Ein echter Pirat eben. Immer ehrlich zu seinem Captain.

»Ihr wart gestern also alle kollektiv saufen?«

Fynn wollte nicht erbost klingen. Seine Crew hatte es verdient sich einen schönen Abend zu machen. Aber sie hatten den denkbar schlechtesten Moment dafür ausgewählt.

»Wir haben ein Problem.« Er zeigte Nox einen von Rubys Schätzen. »Ruby ist weg. Ihre Edelsteine sind hier. Du weißt, was das bedeutet?«

Nox schlug die Hände vor dem Mund zusammen.

Der Seeräuber hätte nicht erwartet, dass es Nox so schockierte. Auch er hatte sich an Rubys Anwesenheit am Schiff gewohnt. Ein weiteres gutes Zeichen dafür, dass seine Crew Ruby in ihre Mitte aufgenommen hatte.

Fynn nickte grimmig. »Ruby und ich haben gestern Abend noch bis in die Nacht geredet. Ein paar wichtige Dinge über unsere Liebschaft besprochen. Danach –

Warte. Nox unterbrach seinen Kapitän. Liebschaft?

Fynn lächelte. In erster Linie, weil er für den Begriff Liebschaft immer noch keine bessere Geste als die zweier ›küssender‹ Zeigefinger eingeführt hatte. Das Wort ›Bordell‹ zeigte man, wenn die Finger lasziver miteinander rummachten. Er musste das ganze System einmal überarbeiten.

»Aye«, gab Fynn an. »Sie konnte mir nicht mehr länger widerstehen. Ich bin schließlich eine gute Partie.«

Nox runzelte skeptisch die Stirn. Bist du dir sicher, dass du es nicht falsch verstanden hast?

Nun war Fynn wirklich ein wenig gekränkt. Müsste seine Crew ihn nicht beglückwünschen? Doch er überspielte es – wie immer. Er griff sich theatralisch ans Herz. »Nachdem ich ihr mein Herz schon nach so kürzester Zeit geschenkt habe, vergönnst du es mir nicht, dass sie meine Avancen erwidert? Vergönnst du deinem Kapitän diese eine kleine Freude in seinem trostlosen Seemansleben nicht?«

Nox verschränkte die Arme vor der Brust und stieß einen seltsamen Laut aus. Er fand die Darbietung seines Kapitäns wohl übertrieben.

Gut. Ehrlich gesagt war Fynn ohnehin nicht wirklich zum Spaßen aufgelegt. Am liebsten würde er einige Leute mehrfach kielholen, bis das salzige Wasser ihre Lungen vollkommen zerstörte. Egal ob sie wirklich Schuld an Rubys Entführung hatten oder nicht. Er hatte schlechte Laune.

»Wenn du auch nicht weißt, was in der Nacht vor sich gegangen ist, habe ich wohl keinen Anhaltspunkt, was mit Ruby geschehen ist«, fasste Fynn seinen aktuellen Erkenntnisstand zusammen. »Obwohl ich natürlich ein paar Vermutungen habe …«

Die Crew war erst seit drei Tagen auf der Pirateninsel – eineinhalb davon hatte die Hexe Celica mit ihrer Magie Fynn gestohlen.

Fynn war in der restlichen Zeit unter anderem seiner ehemaligen Geliebten Ophelia über den Weg gelaufen. Die Sache zwischen den beiden waren damals wirklich unglücklich verlaufen. Bevor die Beziehung zu ernst werden konnte, hatte Fynn kalte Füße bekommen und aus einer plötzlichen Lust heraus Ophelias gutaussehenden Bruder Jonathan geküsst. Es war nicht überraschend, dass er damit den Zorn der Geschwister auf sich gezogen hatte. Gestern Abend war er Ophelia und Jonathan begegnet, aber beide hatten nicht rachsüchtig auf ihn gewirkt. Sie hatten Ruby und seine Crew sogar auf der Suche nach ihrem Captain begleitet. Zudem würden die Geschwister lieber Fynn direkt wehtun, statt sich an ihm zu rächen, indem sie seine neueste Geliebte entführten.

Er wollte die beiden nicht ganz ausschließen, aber es war sehr unwahrscheinlich.

Doch Fynn hatte auch die Einladung auf ein Schäferstündchen mit dem mächtigen Piratenlord Xerxes und seiner Ehefrau, der reichen Bordellbesitzerin Euphemia, höflich abgelehnt. Er wollte nicht den gleichen Fehler machen wie bei Ophelia. Sein Herz hing eindeutig schon zu sehr an Ruby, um sich noch mit anderen zu vergnügen. Allerdings lehnte man eigentlich nicht den Wunsch eines Lords ab – außer man hatte einen Todeswunsch. Ob die beiden Ruby aus gekränktem Stolz fortgeschafft hatten? Kriege waren schon aus weitaus weniger vernünftigen Gründen ausgebrochen.

Und dann gab es noch die Hexe Celica. Sie wusste nicht nur über Fynns wahren Namen und Stand Bescheid, sondern auch alles über Ruby. Sie war eindeutig die mysteriöseste Gestalt, der Fynn jemals begegnet war. Er konnte ihre wahren Absichten nicht richtig einschätzen: Wollte sie den Piraten ausliefern? Oder Ruby? Es gab zwei mächtige Königreiche, die für Rubys und Fynns Köpfe alles tun würden. Celicas Unberechenbarkeit machte sie umso gefährlicher.

Und das waren nur die Personen, denen Fynn in der kurzen Zeit auf der Insel begegnet war. Es gab weitaus mehr Menschen, die gegen ihn einen Groll hegten.

Auch Nox schien überlegt zu haben, welche Feinde sich die Mannschaft über die letzten Jahre gemacht hatte.

Das wird schwer. Nox zögerte. Wir müssen es auch den anderen sagen.

Ohne anzuklopfen, betrat Fynns Navigator Scada die Kajüte seines Captains.

»Wo ist denn das Drachenweib?«, fragte Scada und sah sich im Raum um. Sein Blick blieb an seinem Captain hängen. »Nach deiner Aktion hätte ich erwartet, dass sie sich aus deinen Eingeweiden eine Halskette bastelt.«

»Was willst du von Ruby?«, fragte Fynn argwöhnisch.

Scada war das Mitglied seiner Mannschaft gewesen, das sich noch nicht so richtig an Ruby gewöhnt hatte. Das akzeptierte Fynn. Als Mitglied der mörderischen Königsfamilie von Estarossa konnte man nun einmal nicht so leicht Vertrauen aufbauen. Dass Scada zudem noch unfreiwillig den Hexen angehörte, welche man in vielen Ländern nur gut durchgeröstet duldete, machte den perfekten Misanthropen aus ihm.

Da war Fynn einmal eineinhalb Tage weg …

»Aye, ich nehm’ dir dein Spielzeug schon nicht weg. Ich habe etwas gut bei ihr. Sie schuldet mir einen Gefallen und den will ich gleich mal einlösen.«

Nox und Fynn blickten sich lange an.

»Aye, da haben wir ein Problem«, sagte Fynn. Nun, es brachte sich nichts seiner Crew noch länger die Details zu verschweigen. Er hatte gehofft, die Sache schnell und ohne die gesamte Mannschaft erledigen zu können. »Es ist anzunehmen, dass Ruby entführt wurde.«

Scadas Reaktion entfiel ein bisschen anders als die von Nox. »Wer ist so dämlich und entführt dein Drachenweib?«, fragte er mit gerunzelter Stirn.

Die Antwort war leicht: Jemand, der Fynn oder Ruby etwas Böses wollte. Leider war die Liste an möglichen Tätern nicht gerade knapp. Allein auf Fynns Seite gab es zahlreiche Verdächtige. Tatsächlich wäre eine Aufzählung derjenigen, die mit Fynn im Reinen waren, deutlich kürzer. Er hatte in seinem Jahrzehnt als Pirat sehr viele Leute hinterrücks abgestochen und Nasen und Beine wie Streichhölzer gebrochen. Mit einigen hatte er auch geschlafen, zahlreiche beraubt oder abgefackelt.

Er hatte immer gewusst, dass er früher oder später für all das bezahlen musste. Aber Ruby? Ruby hatte noch gar nichts getan.

»Ich bin mir nicht sicher, wer hinter Rubys Entführung steckt«, gab Fynn zu. »Es stehen einige zur Auswahl.«

»Das glaub ich«, sagte Scada. »Ich frage mich noch immer, wer die Typen sind, die Rubys Edelsteine geklaut haben.«

Fynn horchte auf. Daran hatte er noch gar nicht gedacht!

»Ich muss doch zugeben, dass ich die letzten zwei Tage unpässlich war. Also erleuchtet mich einmal: Was genau war mit Rubys Edelsteinen los? Wer hat es geschafft, einen Drachen zu bestehlen?«

Ihr habt euch über eure Liebschaft unterhalten, aber nicht über ihre Edelsteine?, warf Nox ein.

»Aye. So ist das nun mal, wenn das Blut vor Verlangen kocht. Was habe ich verpasst?«

»Rubys Steine wurden geklaut und wir haben sie zurückgeholt«, fasste Scada kurz und knapp zusammen. »Ruby, Eleanore und ich haben die Diebe erwischt. Irgendwelche Piraten. Obwohl …«

»Obwohl?«, bohrte Fynn ungeduldig nach. »Obwohl was?«

»Sei nicht so penetrant«, regte sich der blonde Pirat zugleich auf. »Irgendeinen Namen hatten sie gesagt … Sie schienen dich aber ebenfalls zu kennen.«

»Der Name«, grollte Fynn mit Nachdruck.

Scada fuhr sich wild durch die Haare. »Ich überlege ja schon angestrengt! Siegfried vielleicht? Nein. Aber es war irgendetwas in die Richtung … Si… Sig… Su… Zir…«

Auf einmal dröhnten Fynns Ohren. Während Scada immer noch versuchte sich an den Namen zu erinnern, gefror Fynn allmählich das Blut in den Adern.

Es konnte doch nicht etwa von ihm die Rede sein? Zugegeben: Von all den Piraten und Piratinnen, die Fynn kannte, hatte er den triftigsten Grund zur Rache. Aber er hatte seit Jahren die Füße stillgehalten. Wenn ihm danach gewesen war, hatte er Fynn gedroht. Ab und an hatten sie sogar mal die Säbel gekreuzt, aber die beiden waren gleich stark und geschickt. Es endete stets in einem Unentschieden. War das ein Wunder? Sie hatten Jahre ihres Lebens gemeinsam verbracht.

»Sirius«, murmelte Fynn.

Ein Name, der gleichzeitig Abscheu und Freude in ihm auslöste. Und ein weitaus dunkleres Gefühl, das tief in ihm schlummerte.

Dieses Mal ging Sirius eindeutig zu weit.

»Ja genau!«, rief Scada und deutete mit dem Zeigefinger auf seinen Kapitän. »Sirius! Das ist der Name!« Er verstummte augenblicklich, als er bemerkte, dass Fynn apathisch vor sich hinstarrte. »Hast du mit ihm geschlafen oder ihn verletzt? Die ganze Crew hätte weniger Probleme, wenn du dich in dieser Hinsicht einmal zurückhalten würdest.«

Fynn schwieg. In jeder anderen Situation hätte er Scada für so eine Anschuldigung ordentlich den Kopf gewaschen. Aber er musste für Ruby bei klarem Verstand bleiben. Es brachte nichts, wenn er in Panik oder gar in Rage geriet und vorschnell handelte. Für jeden Fehler, den er nun machte, könnte Ruby hundertfach bezahlen.

Ach Sirius, dachte Fynn mit Wehmut. Warum musste es nur so enden?

Ist Sirius gefährlich?, deutete Fynn Nox’ Gesten.

»Sirius ist unter dem unerfreulichen Beinamen ›Der Kollapsar‹ bekannt«, nuschelte der Pirat. »Diesen Namen hat er nicht umsonst …«

»Was is denn ’n Kollapsar?«, fragte Scada und dabei trat sein westlicher Akzent sehr stark hervor.

»Anissa kennt sich besser damit aus«, sagte Fynn. »Aber Kollapsare sind wohl so etwas wie ehemalige Sterne, die nun andere Sterne verschlingen. Ich bin selber kein Astronom.«

Aber er wusste, dass dieser Beiname perfekt zu Sirius passte. Er löschte am liebsten aufstrebende Piraten aus und verschlang all jene, die drauf und dran waren, Piratenlord oder Piratenlady zu werden. Er ließ nur diejenigen über, die er selber anheuerte.

Sein Kopfgeld lag bei ungefähr 1000 Goldmünzen, aber er war viel gefährlicher, als es diese Summe vermuten ließ.

Nun war er so grausam geworden wie sein Vater es gewesen war, bevor Fynn dem ein Ende gesetzt und ihn getötet hatte.