Dream Guardians - Verlangen - Sylvia Day - E-Book

Dream Guardians - Verlangen E-Book

Sylvia Day

0,0
8,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der atemberaubende Auftakt zur großen neuen Mystery-Serie der Bestsellerautorin

Aidan ist ein Traummann im wahrsten Sinne des Wortes: Als Dream Guardian ist es seine Aufgabe, zu verhindern, dass das Tor zwischen der Traumwelt und der Realität geöffnet wird, und seine Schützlinge vor Albträumen zu bewahren, indem er sie in ihren Träumen als Liebhaber besucht. Als er bei der schönen Lyssa auftaucht, erlebt er mit ihr eine sexuelle Leidenschaft wie nie zuvor. Zum ersten Mal in seinem Leben verliebt Aidan sich und muss gleichzeitig fürchten, dass Lyssa diejenige ist, die das Tor zwischen den Welten öffnen wird.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 414

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Sylvia Day

DREAM

GUARDIANS

Verlangen

Roman

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Titel der amerikanischen Originalausgabe

PLEASURES OF THE NIGHT – DREAM GUARDIANS 1

Deutsche Übersetzung von Ursula Gnade

Deutsche Erstausgabe 02/2014

Redaktion: Catherine Beck

Copyright © 2007 by Sylvia Day

Copyright © 2014 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München,

unter Verwendung von shutterstock/Ben Hayes

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN: 978-3-641-11779-5

www.twitter.com/HeyneFantasySF

@HeyneFantasySF

www.heyne-fantastisch.de

Dieses Buch ist voll Dankbarkeit meinen Agentinnen Pamela Harty und Deirdre Knight gewidmet. Und je höher ich meine Ziele stecke, desto weiter bringen sie mich.

Prolog

Die Frau unter Aidan Cross war nur Momente von einem überwältigenden Orgasmus entfernt. Ihre kehligen Schreie erfüllten die Luft und drängten ihr Publikum, näher zu rücken.

Da er schon seit Jahrhunderten Frauen auf diese Weise beschützte, kannte er die Anzeichen und passte seine Stöße entsprechend an. Seine schmalen Hüften hoben und senkten sich unermüdlich, und er ließ seinen Schwanz mit unfehlbarem Geschick wie eine Liebkosung durch ihre cremigen Tiefen gleiten. Sie keuchte, zerkratzte seine Haut und wölbte den Rücken.

»Ja, ja, ja …«

Ihr atemloses Keuchen ließ ihn lächeln, und die Wucht ihres rasch nahenden Höhepunkts erfüllte den Raum mit einem Schimmer, den nur er sehen konnte. An den Rändern des Zwielichts, wo das Licht ihrer Leidenschaft auf das Dunkel ihrer inneren Ängste traf, warteten die Albträume mit greifbarer Erregung, doch er hielt sie fern.

Mit ihnen würde er sich gleich befassen.

Aidan legte beide Hände auf ihre Pobacken und zog ihre Hüften höher, damit sich sein Schwanz bei jedem Stoß in voller Länge an ihrer Klitoris rieb. Sie kam mit einem Aufschrei, ihre Möse zuckte im Orgasmus um sein langes, hartes Glied herum, und ihr Körper bewegte sich mit einer wilden, unbekümmerten Hemmungslosigkeit, die sie im Wachzustand nie an den Tag gelegt hätte.

Er hielt sie dort fest, in der Schwebe der Verzückung, und nahm die Energien in sich auf, die dieser Traum erschuf. Dann verstärkte er die Energien und sandte sie durch die Frau zurück. Sie begann, in den tiefsten Traumzustand zu versinken, den erholsamsten, fern von dem Zwielicht, in dem sie angreifbar war.

»Brad …« Sie seufzte, ehe sie vollständig abdriftete.

Aidan war sich bewusst, dass diese Begegnung nicht mehr als ein Phantasma war, eine geistige Verbindung. Nur im Unterbewusstsein der Frau hatte ihre Haut seine berührt, und dennoch war ihr der Liebesakt vollkommen real erschienen.

Als er sicher war, dass ihr nichts mehr passieren konnte, zog sich Aidan von ihrem Körper zurück und warf die Haut ihres Fantasiebilds ab. Unter der Fassade von Brad Pitt kam sein wahrer Körper hervor, wurde größer und breitschultriger. Sein Haar nahm wieder das Tintenschwarz an, das es von Natur aus besaß, und das Blau seiner Augen vertiefte sich zu ihrem natürlichen Farbton, einem durchscheinenden Saphirblau.

Die Albträume wanden sich erwartungsvoll. Ihre verschwommenen Körper wogten am Rande des Bewusstseins der Träumerin. Heute waren sie zu mehreren, und er war allein. Als er seine Glefe zu sich rief, war Aidans breites Grinsen echt. Er liebte es, wenn sie ihm zahlenmäßig derart überlegen waren. Äonen voller Kämpfe hatten tiefen Groll in ihm zurückgelassen, und er genoss jede Gelegenheit, diesen Groll an den Albträumen auszulassen.

Mit routinierter Anmut und geschmeidigen Bewegungen ließ Aidan seinen Schwertarm spielen und setzte das beträchtliche Gewicht seiner Glefe ein, um seine Muskeln von der sexuellen Anspannung auf die Wendigkeit eines Kriegers umzustellen. Bestimmte Anlagen konnten in Träumen verstärkt werden, aber trotzdem waren angeborene Fähigkeiten erforderlich, um es mit mehreren Gegnern gleichzeitig aufzunehmen.

Als er bereit war, brachte er gedehnt hervor: »Kann’s losgehen?«

Mit einem kräftigen Satz nach vorn versetzte Aidan den ersten Todesstoß.

»Hattet Ihr eine gute Nacht, Captain Cross?«

Aidan zuckte die Achseln und ging weiterhin unbeirrt auf den Tempel der Ältesten zu. Seine lange schwarze Robe wirbelte bei jedem ausholenden Schritt um seine Knöchel. »Das Übliche.«

Während er dem Wächter, der ihn angesprochen hatte, zum Abschied zuwinkte, schritt Aidan unter dem massiven Torbogen hindurch, dem Torii, und dann in den offenen Innenhof. Seine nackten Füße trugen ihn lautlos über den kühlen Steinboden, eine sanfte Brise zerzauste sein Haar und neckte mit ihrem Duft seine Sinne. So energiegeladen, wie er war, hätte er im Einsatz bleiben und weiterkämpfen können, doch das verboten die Ältesten.

Sie bestanden jetzt schon seit einer Ewigkeit darauf, dass jeder Wächter in regelmäßigen Abständen in die Tempelanlage zurückkehrte. Sie behaupteten, es diene dazu, ihnen Zeit zum Ausruhen zu geben, doch Aidan wusste, dass dies nicht der alleinige Grund war. Wächter brauchten nur sehr wenig Ruhezeit.

Der Torbogen hinter ihm war die wahre Absicht, die hinter dem Befehl zur Rückkehr stand. Er war riesig, von erschreckend roter Farbe und so imposant, dass er jeden Wächter zwang, ihn anzustarren und die Warnung zu lesen, die in der uralten Sprache eingraviert war: »Hüte dich vor dem Schlüssel, der sich im Schloss dreht.«

Aufgrund mangelnder Beweise hatte er begonnen, an der Existenz des Schlüssels zu zweifeln. Vielleicht war die Legende lediglich ein Werkzeug, um Furcht einzuflößen und die Wächter anzustacheln. Um sie auf Trab zu halten und zu verhindern, dass sie ihre Pflichten nur noch nachlässig erfüllten.

»Hallo Captain.«

Als er das sanfte Schnurren hörte, drehte er den Kopf und blickte in die dunklen Augen von Morgan, eine der Verspielten Wächterinnen, deren Aufgabe es war, Träume vom Surfen am Strand oder von Hochzeiten und zahllosen anderen vergnüglichen Beschäftigungen lebhaft auszustatten. Er wurde langsamer und änderte seinen Kurs, um dort auf sie zu treffen, wo sie hinter einer geriffelten Alabastersäule hervorlugte.

»Was tust du hier?«, fragte er, und sein Mund verzog sich zu einem nachsichtigen Lächeln.

»Die Ältesten suchen uns.«

»Ach?«ErzogdieAugenbrauenhoch.Eshatteselten etwas Gutes zu bedeuten, vor die Ältesten zitiert zu werden. »Dann versteckst du dich wohl? Kluges Mädchen.«

»Lass uns am Bach herumtollen«, schlug sie in heiserem Flüsterton vor, »und ich erzähle dir, was ich gehört habe.«

Da er kein Dummkopf war, nickte Aidan. Wenn eine reizende Spielerin zum Spielen aufgelegt war, hinterfragte man das Angebot nicht.

Er führte sie verstohlen fort, von dem erhöhten Marmorpodest hinunter und auf das Gras dahinter. Auf dem abschüssigen Weg zu dem beheizten Bach gebot Aidan Morgan Halt und ließ sich einen Moment Zeit, um die makellose Schönheit des neuen Tags und den Panoramablick über die grüne Hügellandschaft, plätschernde Bäche und tosende Wasserfälle zu genießen. Hinter der Anhöhe erwartete ihn sein Haus. Ein Bild von Shoji-Schiebetüren und Tatami-Matten auf Hartholzböden zog vor seinem geistigen Auge vorüber. Das Haus war spärlich möbliert, die Farben gedämpft, und jeder Gegenstand war im Hinblick auf Frieden und Ruhe ausgewählt. Es war sein Zufluchtsort, klein und intim, wenngleich auch einsam.

Mit einer achtlosen Handbewegung brachte er das sprudelnde Wasser zum Verstummen, sodass eine atemlose Stille in der Luft lastete. Er verspürte nicht den Wunsch, die Ohren spitzen oder die Stimme erheben zu müssen, damit er verstanden wurde.

Nachdem sie die Roben ihres jeweiligen Standes abgelegt hatten – seine schwarz, um seinen höheren Rang anzuzeigen, ihre vielfarbig zu Ehren ihrer Frivolität –, ließen sie sich nackt in das dampfende Wasser sinken. Aidan lehnte sich an eine schmale Felsbank und zog seine Begleiterin näher zu sich heran.

»Es ist ungewöhnlich ruhig heute«, murmelte er.

»Wegen Dillon.« Morgan schmiegte sich an seine Seite, und ihre kleinen Brüste übten einen köstlichen Druck auf seine Haut aus. »Er hat behauptet, den Schlüssel gefunden zu haben.«

Die Neuigkeit hatte keinerlei Wirkung auf Aidan. Alle paar Jahrhunderte fiel ein Wächter seinem Verlangen zum Opfer, die Legende zu leben. Das war nichts Neues, obwohl die Ältesten jede irrtümliche Entdeckung ernst nahmen.

»Welchen Hinweis hat er außer Acht gelassen?«, fragte er. Er wusste, dass ihm keiner entgehen würde. Gelegentlich wiesen Träumer manche Anzeichen auf, aber nie alle. Wenn sie es taten, würde er sie fraglos töten.

»Seine Träumerin konnte seine Gesichtszüge nicht wirklich sehen, wie Dillon glaubte. Es hat sich herausgestellt, dass ihr Wunschbild Dillons äußerem Erscheinungsbild zufällig sehr nahe kam.«

»Ah.« Der verbreitetste Irrtum, und noch dazu einer, der zunehmend häufiger einem von ihnen unterlief. Die Träumer besaßen nicht die Fähigkeit, ins Zwielicht zu blicken, und daher konnten sie die wahren Gesichtszüge des Wächters, der Zeit mit ihnen verbrachte, nicht erkennen. Nur der mythische Schlüssel konnte sie so sehen, wie sie waren. »Aber die anderen Merkmale waren da? Wurde er mit seinem Namen angesprochen?«

»Ja.«

»Die Träumerin hatte die Kontrolle über den Traum?«

»Ja.«

»Die Albträume wirkten verwirrt und orientierungslos?«

Ja …« Sie wandte den Kopf, leckte seine Brustwarze und schwamm dann herum, um seine Hüften zwischen ihren weit gespreizten Schenkeln aufzunehmen.

Er packte sie an der Taille und zog sie drängend an sich. Er war abgelenkt,undseinekörperlichenHandlungen waren eher routiniert als von Leidenschaft angetrieben. Tiefe Zuneigung zu jemandem war ein Luxus, den sich Elitekrieger nicht leisten konnten, eine Schwäche, die sie verwundbar machte. »Was hat das mit dir und mir zu tun?«

Morgan fuhr mit feuchten Fingern durch sein Haar. »Die Ältesten sind jetzt durch die Neuigkeiten wieder erstarkt. Dass so viele Sterbliche eine Vermehrung der Merkmale aufweisen, führt sie zu der Annahme, dass die Zeit gekommen ist.«

»Und?«

»Sie haben beschlossen, Elitekrieger wie dich auszusenden, um in die Träume derer einzudringen, die sich uns widersetzen. Meine Aufgabe ist es, mit den Pflegern an ihrer Heilung zu arbeiten, sowie ihr euch Einlass verschafft habt.«

Aidan seufzte gequält und ließ den Kopf behutsam an den Fels zurücksinken. Einige Träumer verriegelten Teile ihrer selbst so gründlich, dass nicht einmal die Wächter hineinkamen. Sie waren entweder in irgendeiner Weise missbraucht worden und blockten die Erinnerungen ab. Manchmal erfüllten auch bestimmte Handlungen aus der Vergangenheit sie mit solchem Schuldbewusstsein, dass sie sich weigerten, daran zu denken. Träumer vor dieser Sorte Albträume zu beschützen war die schwierigste Aufgabe von allen. Ohne ein umfassendes Verständnis ihrer inneren Qualen konnten die Wächter ihnen nur sehr eingeschränkt helfen.

Und welche Schrecken und Gräuel er in ihren Gemütern gesehen hatte …

Als die Erinnerungen mit aller Macht wieder an die Oberfläche kamen – Kriege, Krankheiten, unvergleichliche Foltern –, lief ihm trotz des warmen Wassers ein Schauer über die Haut. Es waren Bilder, die ihn schon durch Jahrhunderte verfolgten.

Kampfhandlungen, Gefechte – damit konnte er umgehen. Sex, das selige Vergessen im Orgasmus – er suchte es nahezu verzweifelt. Als sinnlicher Mann mit unersättlichen Gelüsten fickte und kämpfte er gut, und die Ältesten setzten ihn bedenkenlos zu ihrem größten Vorteil ein. Er kannte seine Stärken und Schwächen und übernahm die Träumer, die Nutzen daraus zogen.

Ihm ausschließlich die Arbeit mit denen zuzuteilen, die lädiert waren, ohne jede Atempause … Was die Ältesten jetzt von ihm verlangten, würde die reinste Hölle sein, nicht nur für ihn, sondern auch für seine Männer.

»Du bist bestimmt schon sehr aufgeregt«, murmelte Morgan, die seinen plötzlich beschleunigten Atem falsch deutete. »Elitekrieger lieben echte Auseinandersetzungen.«

Er holte tief Atem. Wenn ihn die Last seines Berufs zu erdrücken schien, ging das nur ihn allein etwas an. Früher einmal hatte er grenzenlose Begeisterung für seine Arbeit aufgebracht, dochmangelnde Fortschritte entmutigten selbst die Hoffnungsvollsten.

Unter all den uralten Überlieferungen und Legenden gab eskeineZeichendafür,dass seine Arbeit jemals enden würde. Die Albträume konnten nicht ausgemerzt, sondern nur in Schach gehalten werden. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt litten Tausende im Reich der Sterblichen unter Albträumen, aus deren unbarmherzigem Griff sie nicht geweckt werden konnten. Aidan war die Pattsituation leid. Er war ein Mann, der Ergebnisse sehen wollte, und die waren ihm über Jahrhunderte hinweg versagt geblieben.

Seine Geistesabwesenheit war Morgan nicht entgangen, und mit einer Hand zwischen seinen Beinen und begabten Fingern, die sich um seinen Schwanz schlangen, lenkte sie seine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Aidans Mund verzog sich zu dem Lächeln, das ihr jede gewünschte Lust versprach. Er würde ihr geben, was sie wollte. Und dann würde er ihr noch mehr geben.

Durch seine Konzentration auf sie konnte er sich selbst vergessen. Eine Zeit lang. »Wie sollen wir beginnen, Liebes? Rasant und heftig? Oder langsam und locker?«

Mit einem leisen Laut der Vorfreude rieb Morgan ihre harten Brustwarzen an seinem Brustkorb. »Du weißt, was ich brauche«, hauchte sie.

Sex war die größte Annäherung an Kameradschaft, die er kannte, und doch linderte er nur seine körperliche Gier, ohne das tiefere Verlangen zu stillen. Trotz der Träumer, denen er begegnete, und der unzähligen Wächter, mit denen er zusammenarbeitete, war er allein.

Und würde es bis in alle Ewigkeit sein.

»Ich dachte mir doch, dass ich dich hier draußen finden würde«, polterte eine tiefe Stimme hinter Aidan.

Er setzte seine Übungen fort und drehte sich dabei zu seinem besten Freund um. Sie standen auf der Lichtung hinter seinem Haus, knietief in wilden Gräsern und den purpurnen Schimmer der simulierten nahenden Abenddämmerung getaucht. Schweiß lief an seinen Schläfen hinunter, während er seine Glefe schwang, doch trotz der späten Stunde war er noch nicht ermüdet. »Du hattest recht.«

»Die Nachricht über unseren neuen Auftrag verbreitet sich schnell.« Connor Bruce blieb nicht weit entfernt von ihm stehen, mit verschränkten Armen, die den hervortretenden Bizeps und die muskelbepackten Unterarme betonten. Der blonde Riese hatte nicht die Geschwindigkeit und auch nicht die Wendigkeit, durch die sich Aidan auszeichnete, doch das machte er durch reine, rohe Gewalt wett.

»Ich weiß.« Aidan unternahm einen Ausfall gegen einen imaginären Gegner und folgte seinem Schwert bei einem vorgetäuschten Todesstoß.

Er und Connor waren schon seit Jahrhunderten Freunde, seit der Zeit, als sie im Wohnheim der Elite-Akademie ein Zimmer miteinander geteilt hatten. Während sie ihre Tage damit zugebracht hatten, sich mit zahlreichen Kursen herumzuplagen, und sich in den Nächten Frauen gegönnt hatten, war ein starkes Band geschmiedet worden, das all die Jahre unbeschadet überdauert hatte.

Die Lehrgänge an der Akademie waren rigoros, mit einer extrem hohen Verschleißquote. In harten Zeiten hatten sich Aidan und Connor gegenseitig angestachelt durchzuhalten. Von den zwanzig Studenten, die gemeinsam mit ihnen begonnen hatten, waren nur drei Absolventen übrig geblieben, darunter sie beide.

Diejenigen, die die Ausbildung nicht abschlossen, wandten sich anderen Berufen zu. Sie wurden Heiler oder Spieler. Manche entschieden sich, Meister zu werden und zu lehren. Das war ein lohnenswertes Ziel. Meister Sheron, Aidans Mentor, war eine Schlüsselfigur in seinem Leben gewesen, und selbst nach all diesen Jahren erinnerte er sich noch mit Bewunderung und Zuneigung an den Wächter.

»Ich merke dir an, dass die Entscheidung der Ältesten dich nicht glücklich macht«, sagte Connor trocken. »Aber in letzter Zeit bist du sowieso unzufrieden mit allem, was sie tun.«

Aidan blieb stehen, und sein Schwertarm fiel an der Seite hinunter. »Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht weiß, was zum Teufel sie überhaupt tun.«

»Jetzt hast du wieder diesen Gesichtsausdruck«, murmelte Connor.

»Welchen Gesichtsausdruck?«

»Deine Hundert-Fragen-Miene.«

Meister Sheron hatte diese scherzhafte Bezeichnung für Aidans nachdenkliche Miene erfunden. Das war nur eines von vielen Dingen, die der in der Ausbildung zum Ältesten begriffene Lehrmeister ihm vermacht hatte, und es war bis zum heutigen Tag an ihm haften geblieben.

Aidan vermisste die Stunden, die er mit seinem Mentor an dem steinernen Tisch unter dem Baum im Innenhof der Akademie verbracht hatte. Dort hatte er unzählige Fragen gestellt, und Sheron hatte ihn mit lobenswerter und unendlicher Geduld aufgeklärt. Kurz nach dem Abschluss hatte Sheron die Weihe erhalten, die ihn zu einem vollwertigen Ältesten gemacht hatte, und Aidan hatte ihn seitdem nie wiedergesehen.

Jetzt hob Aidan die Hand und betastete den Anhänger, den er um seinen Hals trug, einen Stein, den ihm Sheron am Tag seiner Abschlussprüfung geschenkt hatte. Er trug ihn immer, als greifbare Erinnerung an jene Zeiten und an den eifrigen Jugendlichen, der er einst gewesen war.

»Fragst du dich nie, warum jemand den Wunsch haben könnte, einer der Ältesten zu werden?«, fragte er Connor. Ja, die Möglichkeit, Antworten zu finden, war verlockend, doch durch das Zeremoniell veränderten sich Wächter auf eine Art, die Aidan alarmierend fand.

Sherons Erscheinungsbild war jugendlich gewesen, mit dunklem Haar, dunklen Augen und gebräunter Haut. Jetzt würde er aussehen wie die anderen Ältesten – weißhaarig, mit blasser Haut und ausgeblichenen Augen. Für eine nahezu unsterbliche Rasse musste eine derart drastische Veränderung etwas bedeuten, und Aidan war verdammt sicher, dass es kein gutes Zeichen war.

»Nein, das frage ich mich nicht.« Connors Mundpartie nahm einen sturen Zug an. »Sag mir, wo gekämpft wird. Das ist alles, was ich wissen will.«

»Du willst nicht wissen, wofür wir kämpfen?«

»Quatsch, Cross. Es ist dasselbe, wofür wir immer gekämpft haben – die Albträume in Schach zu halten, während wir nach dem Schlüssel suchen. Wir sind eben die einzige Barriere zwischen ihnen und den Menschen. Und da wir Mist gebaut und die Albträume eingelassen haben, müssen wir so weitermachen, bis wir eine Möglichkeit finden, sie fernzuhalten.«

Aidan stieß die Luft aus. Im Gegensatz zu klügeren Parasiten, die wussten, woher sie ihre Nahrung bezogen, zehrten Albträume ihre Wirte bis zum Tod auf. Wenn sie ihnen die Träumer schutzlos überließen, würde das zum Aussterben der Menschheit führen, und vielleicht sogar zur Auslöschung ihrer ganzen Daseinsebene.

Er konnte es sich nur zu gut ausmalen – die endlosen Albträume, unter denen sie leiden würden. Sie würden sich vor dem Schlaf fürchten und außerstande sein, zu arbeiten oder zu essen. Eine ganze Gattung würde durch Grauen und Erschöpfung dezimiert werden. Wahnsinn würde um sich greifen.

»Okay.« Aidan ging auf sein Haus zu, und Connor lief neben ihm her. »Nur mal angenommen, es gäbe keinen Schlüssel – was wäre dann?«

»Keinen Schlüssel? Tja, das wäre ätzend, denn es ist das Einzige, was mich an manchen Tagen aufrecht hält – das Wissen, dass es Licht am Ende des Tunnels gibt.« Connor warf ihm mit zusammengekniffenen Augen einen Seitenblick zu. »Worauf willst du eigentlich hinaus?«

»Ich will bloß sagen, dass die Legende vom Schlüssel nur Quatsch sein könnte. Vielleicht lehrt man sie uns aus genau dem Grund, den du genannt hast: um uns Hoffnung zu machen und uns zu motivieren, wenn unsere Aufgabe endlos erscheint.« Aidan schob die Shoji-Tür zu seinem Wohnzimmer auf und griff nach der Scheide, die an der Wand lehnte. »Wenn das der Fall ist, verarschen wir die Träumer mit diesem neuen Auftrag. Statt sie vor den Albträumen zu beschützen, wird die Hälfte der Elite ihre Zeit auf die Suche nach einem Wunder vergeuden, das unter Umständen gar nicht existiert.«

»Mann, ich würde dir glatt sagen, du solltest dich dringend mal wieder flachlegen lassen«, murrte Connor, während er an ihm vorbeiging und den Weg zur Küche einschlug, »aber heute früh warst du mit Morgan zusammen, also ist es nicht das, was dir zusetzt.«

»Es behagt mir einfach nicht, Träumer ohne echten Schutz sich selbst zu überlassen, und es stinkt mir, dass sich die Ältesten so geheimniskrämerisch aufführen. Sie sagen uns nicht, warum wir es tun, und es fällt mir schwer, an etwas zu glauben, das ich nicht sehen kann.«

»Und ausgerechnet du hast dir die Jagd auf Albträume als Beruf ausgesucht?«, schnaubte Connor und verschwand aus seinem Sichtfeld, als er um die Ecke bog. Im nächsten Moment kam er mit einer Dose Bier in jeder Hand zurück. »Unser Erfolg beruht ausschließlich auf Dingen, die wir nicht sehen können.«

»Ja, ich weiß. Danke.« Aidan nahm das Bier entgegen und trank in tiefen Zügen, während er den Raum durchquerte, um auf einen stoffbespannten Stuhl mit Holzrahmen zuzugehen. »Nicht unsere Glefen töten die Albträume, sondern unsere wilde Entschlossenheit, die Furcht erregt. Das ist etwas, das wir mit den Mistkerlen gemeinsam haben – wir töten durch das Grauen, das wir einflößen.«

Genau das war die Ursache für das Zerwürfnis zwischen ihm und seinen Eltern – ein Elternteil ein Heilender Wächter, der andere ein Pfleger. Sie konnten nicht verstehen, dass er diesen Weg eingeschlagen hatte, und die ständigen Fragen, mit denen sie ihn bedrängten, hatten ihn schließlich vertrieben. Er schien nicht erklären zu können, warum er gegen die Albträume arbeiten musste, statt hinter ihnen herzuräumen. Da er außer ihnen keine anderen leiblichen Verwandten hatte, blieb ihm nur noch eine einzige emotionale Bindung, nämlich die zu Connor. Ein Mann, den er wie einen Bruder liebte und respektierte.

»Und womit erklärst du dir, wie es dazu gekommen ist, dass wir jetzt in diesem Einschluss leben?«, erkundigte sich Connor und ließ sich auf den Stuhl ihm gegenüber sinken, »wenn es keinen Schlüssel gibt?«

In der Legende hieß es, die Albträume hätten einen Schlüssel zu ihrer alten Welt gefunden – der Welt, an die sich Aidan nicht erinnern konnte, weil er noch zu jung gewesen war. Dann hatten sich die Albträumeausgebreitet und alles vernichtet. Den Ältesten blieb kaum Zeit, die Spalte innerhalb des verkürzten Raums zu erschaffen. Sie gestattete es ihnen, in die Ebene zwischen der menschlichen und der anderen Dimension zu entkommen, die die Wächter gezwungenermaßen aufgegeben hatten.

Aidan hatte eine Weile gebraucht, um das Konzept multipler Daseinsebenen und das Raum-Zeit-Kontinuum vollständig zu erfassen – eines ein Produkt der Metaphysik, das andere eines der Physik. Aber die Vorstellung, ein einziges Wesen – der Schlüssel – sei dazu fähig, diese Spalten nach Belieben aufzureißen und die Inhalte einer Ebene in eine andere zu schütten, zählte zu den Phänomenen, dieer immer noch nicht ganz begriff.

Er verließ sich auf Dinge, die bewiesen werden konnten, wie die physiologischen Veränderungen, die dasLebenin diesem Einschluss an seiner Spezies bewirkt hatte. Beispielsweise hatte er sie nahezu unsterblich und substanzlos gemacht, wie die Albträume selbst. Vorher waren die Wächter wehrlos gewesen, doch hier waren sie ihrem Feind gleichgestellt.

»Die Ältesten haben uns ohne einen Schlüssel in diese Spalte befördert«, hob Aidan hervor. »Ich bin sicher, die Albträume könnten dasselbe tun.«

»Dann verwirfst du also eine weithin akzeptierte Antwort und ersetzt sie durch Spekulationen.« Connor zerdrückte seine leere Bierdose. »Wein, Weiber und Arschtritte austeilen, Cross. Das Leben eines Elitekriegers. Genieße es. Was willst du mehr?«

»Antworten. Ich habe es satt, dass die Ältesten in verdammten Rätseln mit mir reden. Ich will die Wahrheit, und zwar die ganze.«

Connor schnaubte. »Du gibst nie auf. Diese Beharrlichkeit macht dich zu einem großartigen Krieger, aber sie macht dich auch zu einer Nervensäge. Dieser endlose, ewige Wissensdrang. Wie viele Einsätze hat es schon gegeben, bei denen du der Einzige warst, der wusste, was zum Teufel überhaupt gespielt wurde?«

»Das ist nicht dasselbe«, wandte Aidan ein. »In dem Fall handelt es sich um einen zeitweiligen Informationsaufschub. Das hier ist ein ständiges Ausweichen.«

»Früher warst du der größte Idealist, den ich jemals kannte. Was ist aus dem Auszubildenden geworden, der geschworen hat, er würde der Wächter werden, der den Schlüssel findet und ihn tötet?«

»Das war die Großmäuligkeit eines Teenagers. Dieser Junge ist erwachsen geworden, und jetzt ist er müde.«

»Mir hat es gefallen, ein Teenager zu sein. Ich konnte die ganze Nacht ficken und trotzdem am nächsten Tag Albträume zerfetzen. Jetzt geht nur noch eines von beidem.«

Aidan war sich klar darüber, dass sein Freund versuchte, einem Gespräch, das immer brisanter wurde, die Leichtigkeit zurückzugeben, doch er konnte seine Unruhe nicht länger für sich behalten. Und Connor war der Einzige, dem er solche Dinge anvertraute.

Connor kannte ihn gut genug, um seine Entschlossenheit zu ahnen.

»Hör zu, Cross.« Er legte die Unterarme auf die Schenkel und sah Aidan mit zusammengekniffenen Augen und angespannter Mundpartie fest an. »Ich sage dir – als Freund, nicht als dein Lieutenant –, dass du deine Zweifel vergessen und die Truppen um dich scharen musst.«

»Wir vergeuden wertvolle Ressourcen.«

»Mann, ich bin total aufgekratzt, weil wir einen Gang höher schalten! Was wir getan haben, hat sich nicht bewährt, also probieren wir jetzt was Neues aus. Das ist Fortschritt. Du bist hier derjenige, der stagniert. Spring über deinen Schatten, statt vor dich hin zu dümpeln, und lass dich voll und ganz auf das Programm ein.«

Aidan schüttelte den Kopf und zog sich auf die Füße. »Mach dir Gedanken über das, was ich sage.«

»Ich habe darüber nachgedacht. Es ist Blödsinn. Und damit ist dieses Thema beendet.«

»Wie ist der Geruch?«

»Was?«

»Du hast deinen Kopf so tief in deinem Arsch stecken, dass es stinken muss.«

»Das sind Kampfbegriffe.« Connor stand auf.

»Wie kannst du etwas vom Tisch fegen, ohne auch nur einen Moment darüber nachzudenken?«

Sie starrten einander lange an und versuchten sich gegenseitig zum Wegsehen zu zwingen. Beide hatten sich so sehr in ihre verbissene Haltung hineingesteigert, dass sie in der Bruthitze ihres eigenen Zorns fast umkamen.

»Was zum Teufel ist hier los?«, knurrte Connor. »Worum geht es dir überhaupt?«

»Ich will, dass jemand – und zwar du – die Möglichkeit in Betracht zieht, die Ältesten könnten etwas vor uns verbergen.«

»In Ordnung. Aber ich will, dass du die Möglichkeit in Betracht ziehst, dass sie es nicht tun.«

»In Ordnung.« Aidan fuhr sich mit einer Hand durch das kurze schweißnasse Haar und stieß den Atem aus. »Ich werde mich mal frisch machen.«

Connor verschränkte die Arme. »Und was dann?«

»Ich weiß es nicht. Lass dir etwas einfallen.«

»Wenn ich die Planung übernehme, geraten wir immer in Schwierigkeiten. Deshalb bist du der Captain.«

»Nein. Ich bin der Captain, weil ich besser bin als du.«

Connor warf den goldenen Schopf zurück und lachte mit seinem tiefen, volltönenden Timbre, ein Klang, der durch die Anspannung blies wie ein kräftiger Windstoß, wenn er Nebel zerfetzt. »Du hast also doch noch etwas von dieser Aufschneiderei in dir.«

Als Aidan ging, um zu duschen, hoffte er, ihm sei noch mehr geblieben als reine Großmäuligkeit.

Er würde alles brauchen, was ihm zur Verfügung stand, um den schwierigen Auftrag zu überstehen, der auf ihn wartete. Ihm standen Aufgaben bevor, die seinen Instinkten überhaupt nicht zusagten.

1

Lyssa Bates warf einen Blick auf die Wanduhr in Form einer Katze mit tickendem Schwanz und Schnurrhaaren. Endlich ging es auf fünf Uhr zu. Gleich war es an der Zeit, das Wochenende einzuläuten, und sie konnte es kaum erwarten.

Erschöpft fuhr sie mit den Händen durch ihr langes Haar und gähnte. Es schien, als tankte sie nie genug Kraft, ganz gleich, wie lange sie sich ausruhte. Ihre freien Tage vergingen wie im Flug; was blieb, waren verschwommene Erinnerungen an zerwühltes Bettzeug und eimerweise Kaffee. Sie hatte kaum noch Umgang mit anderen Menschen, da sie immer mehr Zeit im Bett verbrachte. Keines der verschreibungspflichtigen Medikamente gegen Schlaflosigkeit half. Es war nicht etwa so, dass sie nicht schlafen konnte. Tatsächlich schien es, als könnte sie nicht mit dem Schlafen .

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!