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Marc findet eine Anstellung bei einer kleinen Firma, die ein autonomes Spielzeug-Segelflugzeug entwickelt. Dieser Job ist für ihn als Segelflugpilot natürlich ein Glücksfall. Allerdings stößt er bei seiner Arbeit auf immer mehr Ungereimtheiten. Um Befürchtungen auszuräumen, dass das Flugzeug als Drohne eingesetzt werden könnte, geht er der Sache nach. Dabei gerät er ungewollt immer tiefer in etwas hinein.
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Prolog
Kapitel 1 – Der Beginn
Kapitel 2 – Klassentreffen
Kapitel 3 – Der Tag danach
Kapitel 4 – Der erste Arbeitstag
Kapitel 5 – Die Arbeit
Kapitel 6 – Erste Zweifel
Kapitel 7 – Olga
Kapitel 8 – Neuigkeiten
Kapitel 9 – Olga schlägt zu
Kapitel 10 – Ein Kunde kommt
Kapitel 11 – Ein Drink mit Olga
Kapitel 12 – Zweifel und Frust
Kapitel 13 – Olga hat einen Vorschlag
Kapitel 14 – Andrej
Kapitel 15 – Der Datenklau
Kapitel 16 – Maria
Kapitel 17 – Flucht
Kapitel 18 – Obdachlos
Kapitel 19 – Bei Olga
Kapitel 20 – Besuch bei mir
Kapitel 21 – Wieder bei Olga
Kapitel 22 – Riesiges Schlamassel
Kapitel 23 – Olgas Abschied
Kapitel 24 – Noch einmal Besuch bei mir
Kapitel 25 – Kommissar Heise
Kapitel 26 – The End
Epilog
Marc hatte bereits zwei große Wodka getrunken und saß jetzt mit einer Flasche Bier vor seinem Laptop. Er hatte Microsoft Word geöffnet, aber noch nichts in das leere Dokument getippt. Er war noch zu sehr in seinen Gedanken verfangen.
Früher kannte Marc Verbrechen, Krieg und Spionage nur aus dem Fernsehen. Ja, so etwas gab es, aber nie im Traum würde er damit etwas zu tun haben. Man musste doch merken, wenn so etwas auf einen zukam und dann rechtzeitig reagieren. - Wie naiv war er doch damals gewesen. Die Dinge hatten sich so schleichend entwickelt, und bevor er es so richtig gewahr wurde, war er schon darin verwickelt und wenig später mitten darin gewesen.
Über das, was er damals erlebt hatte, hat er niemals mit Freunden oder Verwandten gesprochen. Glauben würden sie ihm das sowieso nicht, und ihn nur als Spinner abtun. Aber er hatte inzwischen das dringende Bedürfnis für sich zu dokumentieren, was damals geschehen war. Und vielleicht würden seine Kinder es eines Tages lesen und ihn dann besser verstehen. Denn das, was damals geschehen war, hatte natürlich Spuren in seiner Psyche und in seinem Charakter hinterlassen. Er bedauerte, dass er damals kein Tagebuch geführt hatte, denn dann wäre alles völlig authentisch erfasst gewesen. Wenn er es jetzt im Nachhinein aufschrieb, dann gab es zwei Probleme: Erstens wusste er die genaue zeitlich Zuordnung der Geschehnisse nicht mehr. Das war zwar nicht schön, sollte aber keine größeren Auswirkungen haben. Viel schwerer wog hingegen, dass er jetzt alles aus der Rückschau betrachtete, und da kannte er natürlich Zusammenhänge und Erkenntnisse, die er zum damaligen Zeitpunkt nicht gehabt hatte. So etwas konnte natürlich alles verfälschen. Also musste er dringend versuchen, jeweils das aktuelle Wissen zu verdrängen und sich in die Situation zum entsprechenden Zeitpunkt versetzen. Das würde zwar schwierig sein, aber es war der einzige Weg das Geschehene authentisch zu schildern.
Marc trank noch einen Schluck Bier, dann wählte er das Format ‚Überschrift 1‘ aus und tippte „Kapitel 1 – Der Beginn“ ein. So, jetzt musste er schildern, wie alles angefangen hatte. Ja, aber wann hatte eigentlich alles begonnen, oder besser gesagt womit? Wo begann sein Weg vom üblichen abzuweichen? Marc trank noch einen großen Schluck Bier. Es würde sehr schwierig werden, das damals Geschehene niederzuschreiben. Aber egal wie schwierig, er wollte da durch.
November 2017, Hans-Jürgen Soll
Ich sah, wie das Seil sich langsam straffte.
„Ich bin aus allem raus“, sagte Heiner, der hinter mir saß. „Ich greife nur im Notfall ein. Du wirst das sicher noch können.“
Ich freute mich, dass Heiner mein Fluglehrer war, denn ich kannte ihn noch gut aus meiner aktiven Zeit beim Hamburger Segelflugverein in Boberg. Und obwohl Heiner schon weit über achtzig war, war er immer noch extrem gut drauf und schien das Fliegen immer noch so sehr zu genießen wie früher.
Als das Seil straff war, beschleunigte das Segelflugzeug, so dass ich nach hinten gedrückt wurde und hob dann nach wenigen Metern ab. Ich war vor dem Start etwas verkrampft gewesen, weil ich schließlich seit über drei Jahren nicht mehr geflogen war, aber in dem Augenblick, wo das Flugzeug abhob, fühlte ich mich wieder zuhause. Ich achtete darauf, dass der Steigwinkel anfangs nicht zu steil war. Bei 50 Metern ging ich dann in die normale Steigfluglage über. Bei rund 600 Metern klinkte das Segelflugzeug schließlich aus. Ich drehte nach links ab und trimmte es aus.
„Warum hast du eigentlich damals mit die Fliegen aufgehört?“, fragte Heiner hinter mir.
„Ich habe es zeitlich nicht mehr auf die Reihe gebracht und mein Studium war mir wichtiger.“
„Trotzdem schade.“
Natürlich hatte Heiner recht. Es war nicht nur schade, zumal ich erfolgreich an mehreren Wettbewerben teilgenommen hatte. Es war anfangs für mich schon fast ein Desaster gewesen, denn Fliegen war für mich immer ein Ausgleich zu Stress gewesen, es war meine Art zu entspannen. Als ich dann aufgrund des Studiums und einiger anderer Gründe aufgehört hatte, war ich in ein tiefes schwarzes Loch gefallen und es hatte einige Zeit gedauert, bis bei mir wieder alles normal lief.
Aber in diesem Moment genoss ich das Fliegen. Ganz automatisch kreiste ich in die heute schwachen Thermikbärte ein, während ich mir draußen die Landschaft anschaute. Seit damals war ein weiteres Neubaugebiet hinzugekommen.
„Viel wird es bei dem bisschen Thermik wohl nicht werden“, sagte Heiner, wohl mehr zu sich selbst als zu mir. Und natürlich hatte er recht. Schon nach eine Viertelstunde war ich so niedrig, dass ich mit dem Landeanflug beginnen musste. Als ich im Endanflug auf das Lande-T zusteuerte, sah ich Maria in ihrem hellblauen Kleid neben dem Startbus stehen.
„Konzentriere dich lieber auf die Landung“, sagte ich zu mir selbst. Dann fing ich das Segelflugzeug ab, es setzte sanft auf und holperte danach noch ein Stück über die Wiese, bis es zum Stillstand kam.
„Ich habe nichts gemacht“, sagte Heiner, „das warst du ganz alleine, und es war sogar eine ausgezeichnete Landung.“
Während ich ausstieg, kam Maria auf mich zugelaufen.
„Na, wie war es gewesen?“, fragte sie.
In meinem Glücksrausch drückte ich sie fest an mich und knutschte sie ab. Ich war so glücklich und ihr so dankbar, dass sie mir diesen Flug geschenkt und alles heimlich arrangiert hatte. Noch vor einer Stunde hatte ich nicht gewusst, wo sie mit mir hinfahren wollte.
„Nun erdrücke sie doch nicht gleich,“ sagte Heiner grinsend.
Am nächsten Morgen kam dann der Kater. Maria hatte es mit dem Flug gut gemeint, und ich war dabei auch sehr glücklich gewesen. Aber inzwischen war mir wieder klar geworden, was mir in meinem Leben seit drei Jahren gefehlt hatte. Aber ohne geregelte Zukunft und ohne Geld war da wohl nichts zu machen. Und obwohl ich mich nach der Promotion sehr um eine Stelle bemüht hatte, schlussendlich hatte es bisher nicht geklappt. Selbst, wenn ich eine Stelle bekäme, wäre sie dann auch in einer Stadt mit einem passenden Segelflugverein?
Marias Vater hatte mir angeboten vorübergehend in seiner Firma zu arbeiten, aber ich hatte abgelehnt, weil ich mich noch nicht so fest an Maria und ihre Familie binden wollte. Inzwischen überlegte ich schon, ob das vielleicht nicht doch eine Lösung wäre ….
„Ach Scheiße, warum bin ich nur hierher gekommen?“, fragte ich mich selber und trank noch einen großen Schluck Bier. Ich hasste Klassentreffen. Seit nunmehr sechs Jahren treffen wir uns Anfang September in der ‚Factory‘, einem Restaurant im ehemaligen Bahnhofsgebäude des S-Bahnhofs Hasselbrook. Das Gebäude aus dem Ende des 19. Jahrhundert hat eine gemütliche Atmosphäre, und das Bier dort ist wirklich gut. Was ich aber überhaupt nicht ab kann, dass sind die flachen Gespräche, die ausschließlich in die Vergangenheit gerichtet sind: „Kannst du dich noch an den erinnern?“ oder „Weißt du noch?“ oder „Hatte der nicht damals?“ - Sorry, aber mir hängt das zu Hals heraus. Also trank ich lieber mein Bier ohne viel zu reden und insbesondere ohne viel zuzuhören.Trotzdem bekam ich zwangsweise so einiges mit.
Mir schräg gegenüber saß Hendrik. Er war niederländischer Herkunft, ein ruhiger Typ, und in der Klasse nie besonders aufgefallen. Ich wusste, dass er bei der Bundeswehr in der Cyberabwehr arbeitete. Jetzt saß auch er relativ still dort und beobachte mich wohl eine Zeitlang. Plötzlich schob er sein Bier ein Stück nach rechts und rutschte dann selbst ein Stück zu Seite, so dass es mir gegenüber saß.
„Sag `mal“, sprach er mich an, „du hast dich doch mit künstlicher Intelligenz beschäftigt und fliegst auch?“
„Ich habe meine Promotion über KI geschrieben“, antwortete ich, „aber mit dem Segelfliegen habe ich inzwischen aufgehört, obwohl ich es gerne wieder machen möchte.“ Dabei musste ich an den wundervollen Flug denken, den Maria mir geschenkt hatte.
„Und warum machst du es nicht ganz einfach?“
„Weil ich erst wieder in stabile Verhältnisse kommen muss. Ich habe meine Promotion beendet und immer noch keinen Job. Ich weiß ja nicht einmal, in welchem Land ich zukünftig arbeiten werde.“ Dabei fragte ich mich, wann ich endlich wieder in der Informatik arbeiten würde. Zurzeit hielt ich mich an der Kasse bei Kaufland über Wasser.
„Das ist ein seltsamer Zufall“, sprach Hendrik mit ernstem Gesicht, „mich hat letzte Woche jemand angesprochen, der einen Informatiker sucht, der über ausgezeichnete Kenntnisse bezüglich künstlicher Intelligenz verfügt und der auch selber fliegen kann. Ich habe ja eine sehr gute Stelle, aber hast du nicht vielleicht Interesse daran?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, zog er einen kleinen Zettel aus der Tasche seiner Weste und schob ihn zu mir hinüber. „Hier habe ich die Telefonnummer. Ruf doch einfach einmal an. Die zahlen sehr gut.“
Ich nickte und steckte den Zettel in meine Hosentasche. Meine Laune wurde deutlich besser, denn das könnte die Lösung aller meiner Probleme sein. Aber erst einmal musste ich den Rest des Abends hinter mich bringen.
Hendrik nickte mir noch einmal zu und rutsche dann noch ein kleines Stück weiter, so dass er Thomas gegenüber saß. Thomas hatte nicht, wie fast alle aus unserer Klasse studiert, sonder arbeitete in einem Laden, der Modelleisenbahnen verkaufte. Er hatte sich damit einen Lebenstraum erfüllt. Irgendwie beneidete ich Thomas.
„Sag einmal,“ sprach mich jemand von einem ganzen Stück weiter links an, auf dessen Namen ich im Moment nicht kam, „kannst du dich noch an den Englischlehrer, Herrn Göring, erinnern?“
Ich musste an ‚Dinner for One‘ denken: „Same procedure as last year? - Same procedure as every year ...“. Also bestellte ich mir lieber noch ein Bier.
Um Punkt 22:00 Uhr holte Maria mich mit dem Auto ab. Wie verabredet, rief sie mich auf dem Handy an und gab mir so den Grund, dass ich mich absetzen konnte. Ich war sicher, dass die anderen noch die ganze Nacht darüber reden würden, wie es damals alles war, und dabei ein Bier oder Wein nach dem nächsten genießen würden.
Es war gut, dass ich nicht mit den Öffis nach Hause fahren musste. Denn das hätte weit über eine Stunde gedauert und Bier läuft bei mir relativ schnell durch. Deshalb fand ich es großartig, dass Maria sich sofort bereitgefunden hatte, mich vom ‚Besäufnis‘ abzuholen. Sie war eine großartige Frau und ich würde sie gerne eine Tages heiraten und mit ihr Kinder haben. Sie sah extrem gut aus, war intelligent, hilfsbereit und gab stets gerne ab. Außerdem kam sie aus einem guten Haus und würde sicher etwas Geld mit in die Ehe bringen. Ich konnte mich glücklich schätzen.
Sie wartete mit ihrem roten Mazda Roadster auf dem wenig entfernten Parkplatz auf mich. Nach einem kurzen Kuss setzte ich mich neben sie. Während der Rückfahrt stellte sie einige Fragen über das Klassentreffen und konnte nicht verstehen, dass ich es scheußlich fand. Mit der Zeit konnte ich mich immer weniger auf die Diskussion mit ihr konzentrieren, denn das Bier war schneller als gedacht in der Blase angekommen. Und der Druck wurde immer größer und unangenehmer, und schließlich war der Punkt erreicht, wo ich merkte, dass es nicht mehr ging.
„Kannst du rechts `ranfahren und anhalten?“, rief ich nervös.
„Warum denn?“, fragte Maria.
„Nun halt endlich an!“
Maria bremste ab und fuhr langsam auf den Bürgersteig. Noch bevor der Wagen vollständig zum Stillstand gekommen war, sprang ich heraus, lief auf das nächstgelegene Grundstück zu, das glücklicherweise mit einer hohen Hecke umgeben war, und presste mich an die Hecke, wobei ich die Hose bereits öffnete, zog ihn heraus und pinkelte los. Die ersten Tropfen waren allerdings schon im Slip gelandet. Aber das war mir egal, Hauptsache nicht in Marias Auto.
„Du Schwein“, rief Maria, „hast du denn überhaupt keinen Anstand?“
„Doch, aber ich kann es nicht mehr länger halten und ins Auto wollte ich schließlich auch nicht pinkeln.“
„Du hättest dich aber zusammenreißen können. Die wenigen Minuten bis nach Hause hättest du doch noch ausgehalten. Das ist doch peinlich. Was sollen die Leute denken? Wenn dich jemand sieht?“
Die würden denken, dass meine Blase kurz vorm Platzen war, und selbst wenn jemand einen Blick auf meinen Schwanz erhaschen sollte, dann wäre das bei unser aufgeklärten Zeit sicherlich auch kein Beinbruch. - Obwohl mir das auf der Zunge lag, sprach ich es doch lieber nicht aus.
Das war eben die andere Seite von Maria. Sie kam aus einem sehr strenggläubigen und spießbürgerlichen Elternhaus. Da war auch Sex vor der Ehe undenkbar, und ich wusste manchmal nicht, wo ich mit meinem Druck hin sollte. Aber das ist ein ganz anderes Kapitel.
Bei mir zuhause angekommen, wollte ich Maria einen Abschiedskuss geben. Doch sie drehte sich nur weg, und so stieg ich wortlos aus. Dann brauste sie davon.
Als ich endlich im Bett lag, schien sich alles zu drehen und ich hoffte später vergebens, dass ich nicht die Kloschüssel umarmen würde. Dieser Tag war einfach wieder einmal nur Scheiße gewesen, und ich werde Klassentreffen weiter hassen. Ich beschloss, beim nächsten Mal nicht wieder hin zu gehen.
„Bööööb, bööööb, bööööb!“
„Scheiße!“ - Glücklicherweise habe ich einen Wecker, der selbst Tote aufweckt, andernfalls hätte ich verschlafen. Und ich hatte an dem Samstag doch Frühschicht bei Kaufland. Also katapultierte ich mich schnell aus dem Bett, um mich gleich danach wieder zurück gleiten zu lassen. Mir war total schwindlig geworden. Also versuchte ich erneut aufzustehen, dieses Mal aber ganz langsam. Außer einem recht flauen Gefühl im Magen und starken Kopfschmerzen ging es jetzt. Ich musste versuchen den Tag an der Kasse irgendwie zu überleben.
Als ich mich fertig machte, stieß ich auf einen Zettel in der Hosentasche und als ich den anschaute, viel mir ein, wie ich diesen gestern von Hendrik erhalten hatte. Ich hatte das schon wieder total vergessen. Ja, da sollte ich am Montag unbedingt anrufen. Deshalb klemmte ich den Zettel an den Spiegel. - Mir war damals überhaupt nicht aufgefallen, dass Hendrik diesen Zettel offenbar vorbereitet hatte. War er schon mit der Absicht zum Klassentreffen gegangen, mich entsprechend anzusprechen?
Im Bus viel mir Maria ein. Sie würde bestimmt auf eine Entschuldigung von mir warten. Wenn die nicht kam, dann könnte ich an Vereinsamung sterben, selbst wenn ich ständig direkt neben ihr wäre. Also schickte ich schnell eine zerknirschte SMS und beschloss nach der Arbeit noch etwas Frischgemüse -ich meine natürlich Blümchen- zu besorgen. Das kam bei Maria immer gut an.