Du bist mehr als eine Zahl - Dr Irène Kilubi - E-Book

Du bist mehr als eine Zahl E-Book

Dr Irène Kilubi

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Beschreibung

In Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Medien tobt ein vermeintlicher Generationenkonflikt. Die Älteren rümpfen die Nase über die Gen Z: faul, nicht belastbar und unzuverlässig. Die Jüngeren wehren sich gegen die Überheblichkeit der Boomer: dominant, übergriffig und besserwisserisch. »Schluss damit!« sagt Irène Kilubi, Unternehmerin, Multi-Beirätin, Hochschuldozentin und eine gefragte Keynote Speakerin und Moderatorin. Sie plädiert für ein generationsübergreifendes Miteinander in Unternehmen und im sozialen Alltag. Dafür hat sie eine Social-Impact-Initiative namens JOINT GENERATIONS gegründet, die die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen den Generationen nachhaltig verbessern möchte. Ihre These: Passion, Potenzial und Persönlichkeit vor Alter. In ihrem Buch zeigt sie vom Onboarding in Unternehmen bis hin zu altersgemischten Teams, von der Social-Media-Nutzung bis hin zur politischen Umsetzung, wie es konkret funktionieren könnte. »Wir sind alle ein Teil des Problems. Vorurteile, Stereotypen, Altersbilder und Glaubenssätze wirken stärker, als wir glauben. Kennen wir leider alle: Wer jung ist, kann noch nicht viel. Er oder sie ist zu jung für diese Position. Von Digitalisierung hat unser Boomerchef keine Ahnung. Die älteren Kolleginnen stehen uns beim Tempo im Wege.«

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://dnb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass er, sofern dieses Buch externe Links enthält, diese nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung einsehen konnte. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen. Copyright © 2024 Murmann Publishers GmbH, Hamburg. Titelfoto: © Thomas Dashuber, München. ISBN 978-3-86774-797-4 Besuchen Sie unseren Webshop: www.murmann-verlag.de Ihre Meinung zu diesem Buch interessiert uns! Zuschriften bitte an [email protected] Den Newsletter des Murmann Verlages können Sie anfordern unter [email protected]

»Irène Kilubi packt eines der drängendsten Themen unserer Zeit an. Denn: Wir können es uns angesichts epochaler Herausforderungen wie dem Klimawandel nicht mehr leisten, verschiedene Generationen gegeneinander auszuspielen.«

Louisa Dellert Autorin, Social-Media-Beraterin, Influencerin

»Neugierde ist die Grundlage von Wissen. Neugierde kennt keinen Generationenkonflikt. Erfahrung und Entdeckung gehören immer zusammen. Die Wissensgesellschaft braucht den Spirit dieses Buches, wir brauchen ihn: Menschen zählen, nicht Herkunft und Jahrgang.«

Wolf Lotter Publizist und Transformationsexperte

»Konkretes Rüstzeug für einen konstruktiven Dialog und erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Generationen in polarisierten Zeiten.«

Prof. Dr. Christian Busch Bestsellerautor Erfolgsfaktor Zufall

»Irène Kilubi zeigt in ihrem Buch eindrucksvoll, dass es nicht nur reicht, einen Dialog zwischen Alt und Jung anzustoßen - wir müssen auch produktiv zusammenarbeiten. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein längst überfälliges Buch.«

Annahita Esmailzadeh Managerin Microsoft, Business-Influencerin & Bestseller-Autorin

IRÈNE KILUBI

DU BIST MEHR ALS EINE ZAHL

Warum das Alter keine Rolle spielt

Inhalt

Intro

1 BASISLAGER

> über die vier Grundpfeiler für mehr Altersdiversität

Inklusive Generationentraining: Parkbank und Jobcrafting

2 FÜRCHTET EUCH NICHT

> warum wir Jüngeren mehr zutrauen können

Inklusive Generationentraining: Trend Matching und Shadow Board

3 ZUSAMMEN HÄLT BESSER

> über die Macht altersdiverser Teams und gemeinsamer Visionen

Inklusive Generationentraining: Reverse Mentoring und Kultur der Weisheit

4 Hungrig bleiben

> warum die Farbe deines Lebensweges bunt sein sollte

Inklusive Generationentraining: Die SOUL-Methode

5 KLARTEXT

> über die Kunst einer zeitgemäßen Kommunikation

Inklusive Generationentraining: BILD’ dir deine Headline und Personal Branding

6 SCHRITT FÜR SCHRITT VORAN

> mit 15 Fragen zu einer neuen Perspektive

Inklusive Generationentraining: Perfect Team

7 FIXSTERN

> warum Tun besser ist als Reden und Wollen

Inklusive Generationentraining: Und tschüss!

8 AUF DIE NUANCEN

> über Vorbilder und Orte des Miteinanders

Inklusive Generationentraining: Werte-Ranking

OUTRO

JOINT GENERATIONS-Factor

Generationen im Überblick

Glossar

Dank

Alle Mitwirkenden in diesem Buch

Über die Autorin

Intro

Wie jede Lebensgeschichte ist auch meine Lebensgeschichte eigen.

Ich bin nicht in Deutschland geboren, sondern als kleines Kind hierhergekommen. Meine Mutter, mein Vater und ich waren Geflüchtete. Meine jüngeren Geschwister kamen in Deutschland zur Welt.

Während mein Vater weiterzog – er wollte nur weg aus diesem Land –, blieb meine Mutter mit uns Kindern hier. Ich verspüre den Impuls, das Wort »alleine« hinzuzufügen, aber wir waren nicht alleine. Mit der Zeit stellten sich Freund*innen an unsere Seite. Unterstützer*innen. Weggefährt*innen und Leidensgenoss*innen.

Dennoch musste ich früh lernen, erwachsen zu werden, Geld zu verdienen und zu verhandeln, wenn sich meine Mutter das eine oder andere für mich nicht leisten konnte. Wie meine Freund*innen wollte auch ich als Mädchen auf dem Rücken eines Pferdes sitzen, also habe ich kurzerhand die Hofbesitzerin gefragt, ob ich den Stall ausmisten oder Kirschen pflücken darf – und im Gegenzug dafür reiten. Das besagte Glück auf Erden habe ich nicht gefunden, dafür Vertrauen in mich selbst.

Bis zum Alter von 14 habe ich in Geflüchtetenheimen gelebt, sie waren mal mehr, mal weniger spartanisch. Und doch hat es mir an nicht viel gefehlt. Immer habe ich Wege und Möglichkeiten gefunden, mir meine Wünsche zu erfüllen. Erst Erdbeeren und Kirschen pflücken, später babysitten, Nachhilfe geben, Zeitungen austragen. In einer Papierdruckerei am Fließband stehen, im Schwimmbad putzen, in Bars kellnern. Ich war mir nie zu schade für eine Tätigkeit, mehrere Jobs gleichzeitig gehörten zu meiner Normalität. Vor allem, wenn es wieder hieß, »wir brauchen fürs Auto Winterreifen« oder »die Waschmaschine ist kaputt« – und das Familienkonto diese Extraausgabe wie so oft nicht decken konnte.

Aber auch ich konnte mich immer auf meine Familie verlassen. Als ich in Großbritannien meinen Master in Supply Chain und Logistics Management absolvierte und alles teurer wurde als gedacht, haben alle zusammengelegt, um mir den Aufenthalt zu ermöglichen, meine Schwester plünderte gar das Konto meines Neffen. Und als ich als Kind unbedingt eine Schreibmaschine wollte, knapste meine Mutter Monat für Monat etwas ab. Wir lieben diese Geschichte und erzählen sie uns auf Familientreffen immer wieder, denn kurz nachdem mein Traum in Erfüllung ging und das gute Ding endlich auf meinem Schreibtisch stand, bekamen meine Freund*innen alle einen Computer …

Meine Lebensdevise: Vergiss nicht, woher du kommst. Sei stolz, was du aus dir gemacht hast. Freue dich auf die Reise, die vor dir liegt.

Manchmal schlägt das Schicksal zu und das Leben zwingt dich in eine Richtung, in die du nicht willst. Lass dich darauf ein und sieh die Möglichkeiten. Chance schlägt Risiko. Vielleicht ist es anfangs ungemütlich, ins kalte Wasser zu springen. Aber auch dort lernt man schwimmen. Meistens sogar besser und schneller. Mit jedem Zug, den du eigenmächtig vollführst, wirst du dich selbstständiger, autarker fühlen. Die Lebenslust wächst, die Angst schwindet – und mit ihr zugleich die Sehnsucht nach einem Zurück ins wohltemperierte Nichtschwimmerbecken.

Doch wenn dich dein Umfeld in eine Richtung drängt, halte dagegen. Nur du allein kannst wissen, was in dir steckt. Wie oft habe ich gehört: Das kannst du nicht, das schaffst du nicht, dafür bist du nicht geeignet, du gehörst nicht dazu, bilde dir nichts ein, mach lieber etwas anderes. Wenn man nicht aufpasst, sickern diese Aussagen ein und man verliert sich selbst aus dem Blick. Deswegen: Lass dir nicht den Schneid abkaufen und glaub an dich – wenn du es nicht tust, wer dann?

Nach dem Abitur war ich mir unsicher, welchen Beruf ich ergreifen sollte. Mir wurde gesagt, ich wäre doch so kontaktfreudig und offen, warum also nicht Werbung, Marketing oder Vertrieb? Aber ich wollte nicht in eine Schublade gesteckt werden und die Klischees anderer erfüllen.

Ich versuchte Abstand zu gewinnen von all dem Noise – tu dies, tu das – und allmählich wurde mir klarer, wie es für mich persönlich weitergehen kann. Ich war immer gut in Mathematik und sehr interessiert an Technik. In den frühen 90er-Jahren, als Videospiele populär wurden, war ich eines der ersten Gamer-Girls und süchtig nach Super Nintendo und Game Boy. Also entschloss ich mich, Wirtschaftsingenieurwesen zu studieren. Nach meinem Abschluss ging ich zu BMW, danach folgten Siemens Inhouse Consulting und Deloitte mit Digitalisierungsprojekten unter anderem für die Europäische Zentralbank, Vodafone, Unitymedia und Allianz Global Investors. BMW und Siemens gestatteten mir profunde Einblicke in die Automobilbranche und den Maschinenbau. Bei Deloitte kamen der öffentliche Sektor, die Welt der Banken, Finanzen und Telekommunikation dazu.

Ich stieg in den Fahrstuhl des Lebens, mit dem Ziel, möglichst viel zu sehen. Beschäftigte mich nebenberuflich mit Persönlichkeitsarbeit, Social Media und Personal Branding. Promovierte und ergatterte mit 29 Jahren meinen ersten Lehrauftrag als MBA-Dozentin für Einkauf und Beschaffung.

In diesem turbulenten Lebensabschnitt realisierte ich, welch starke Diversitäts- und Diskriminierungsdimension das Alter darstellt.

Nehmen wir nur BMW. Mit meinen 25 Jahren war ich mit Abstand die Jüngste in der Abteilung, die nächstältere Kollegin war 43. Mein Eifer, mein Ehrgeiz wurden mit einer Zahl und der Zugehörigkeit zu einer Generation in Verbindung gebracht:

»Das ist typisch für die Generation Y, die denken, mit Zertifikaten und Fleiß kommt man weiter. Die sollen den Job mal paar Jahre machen, die Extrameile gehen und dann mit 50 merken, das alles für die Katz war.«

»Als ich 25 war, dachte ich auch, ich könne die Welt verändern.«

»Irène, wir brauchen solche Leute wie dich, die Drive haben und Verantwortung übernehmen wollen. Aber du bist noch sehr jung. Ich war erst Ende 30, als ich Führungskraft wurde. Sei geduldig, mach langsam, geh runter vom Gas.«

Ich wollte aber lieber auf das Alter pfeifen. Weil es für mich damals wie heute auf die Passion und das Potenzial eines Menschen ankommt. Warum lassen wir uns von einer Zahl derart limitieren? Und leben ein Leben, in dem es nur eine sehr kurze Phase gibt, in der wir nicht »zu jung« oder »zu alt« sind.

Mein Geburtsjahr steckt mich in die Kohorte »Generation Y«. Ich fühle mich ihr verbunden, weil ich mit Gleichaltrigen bestimmte Erfahrungen teile. Moden, Trends, Musik. Doch in allererster Linie bin ich Irène. Irène Kilubi. Meine Hautfarbe, meine soziale Herkunft und mein Alter spielen für mich keine bedeutsame Rolle – außer, die Gesellschaft weist mich aufgrund dessen in Schranken.

Um sie nicht nur für mich zu durchbrechen, ist mein Thema das große Spiel der Generationen. Leider sind wir es immer noch nicht leid.

Die Älteren, früher selbst beschimpft von der Eltern- und Großelterngeneration, rümpfen die Nase über die Jüngeren: faul, nicht belastbar, unerfahren, unzuverlässig. Die Jüngeren wehren sich gegen die Überheblichkeit der Älteren – dominant, übergriffig, besserwisserisch –, um drei, vier Jahrzehnte später ins selbe Horn zu blasen. Die Medien heizen den Generationenkonflikt zusätzlich an, der da angeblich in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft tobt.

Altersdiskriminierung ist ein weitverbreitetes Problem, das Menschen aller Altersgruppen betrifft. Sie wird oft als Ageismus und Adultismus bezeichnet und kann sich in verschiedenen Formen äußern, etwa in negativen Stereotypen, Annahmen und Vorurteilen aufgrund des Alters einer Person. Ageismus richtet sich speziell gegen ältere Menschen und kann sich auf ihre Beschäftigungsmöglichkeiten, ihre Gesundheitsversorgung und ihren sozialen Status auswirken. Im Gegensatz dazu ist Adultismus eine Form der Diskriminierung, die sich gegen jüngere Menschen wendet und sich in mangelndem Respekt für deren Meinung, dem Ausschluss von Entscheidungsprozessen und eingeschränkten Möglichkeiten der persönlichen und beruflichen Entwicklung äußern kann.

Schluss damit, kann ich nur entgegnen und plädiere für ein generationsübergreifendes Miteinander in Unternehmen und im sozialen Alltag. Dafür habe ich den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt und 2021 eine Non-Profit-Initiative namens JOINT GENERATIONS gegründet, die die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen den Generationen verbessern will. Es gibt viele Initiativen, die sich um die Belange der jüngeren Generationen – insbesondere der Gen Z –, und einige, die sich um die Belange der älteren Generationen kümmern. Genau hier setzen wir an. Wir engagieren uns für alle Generationen gleichermaßen und verstehen uns als Stimme, Sprachrohr, Heimatort und Energiequelle für eine altersdiverse Gesellschaft.

Unser Credo: Die Zukunft ist jung UND alt. Weil wir nur zusammen und auf Basis gegenseitiger Wertschätzung und gegenseitigem Vertrauen zukünftige Umbrüche, Aufbrüche und Durchbrüche zum Wohle aller gestalten können.

Mit meiner Arbeit und auch mit diesem Buch will ich mich einmischen, vermitteln, verbinden. Ja, auch den Finger in Wunden legen. Manche sagen, ich wäre stur. Da ist sicherlich was dran. Aber es will mir einfach nicht in den Kopf:

Ich werde nie wissen, wie es ist, ein weißer Mann oder eine weiße Frau zu sein, ein Mensch mit angeborener Beeinträchtigung oder mit Aussicht auf ein dickes Erbe. Aber ich weiß, wie es sich anfühlt, Kind, Jugendliche und junge Erwachsene zu sein. Diese Phasen habe ich bereits durchlebt. Seit meiner Geburt befinde ich mich wie meine Mitmenschen auf der Reise ins Älter- und Altwerden. Warum sollte ich ihnen also Steine in den Weg legen? Sie in Schubladen stecken? Beurteilen und verurteilen? Die immer gleichen stereotypen Geschichten erzählen, die sich mitnichten mit meinen eigenen Erfahrungen und Begegnungen decken? Das Alter sagt so wenig über einen Menschen aus!

Klingt alles so plausibel. So selbstverständlich. So zwangsläufig. Die Realität aber sieht vielerorts anders aus.

Zoom-in 1:

Alter ist als soziale Kategorie ein Diskriminierungsmerkmal. Eines, das uns alle betrifft. Und doch spricht kaum jemand darüber, wenn er oder sie aufgrund des Alters diskriminiert wird. Auch weil es schwierig nachzuweisen ist, dass man ausgegrenzt wird, weil man zu alt oder zu jung ist.

Ashley Martin, Professorin an der Stanford Graduate School of Business, und Michael North, Professor an der New York University, bezeichnen Altersdiskriminierung als die letzte, weithin akzeptierte Form der Diskriminierung. Während Diskriminierungen bezüglich sozialer Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Aussehen schon länger im Lichte betrachtet werden, bleibt die Benachteiligung aus Altersgründen weiterhin im Schatten. Dabei zeigt eine Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2023, dass Millionen Menschen tagtäglich Altersdiskriminierung erleben. Sie berichten über ungerechte Behandlung aufgrund ihres Alters im Arbeitsleben, auf dem Wohnungsmarkt, beim Zugang zu Versicherungen oder Finanzgeschäften sowie beim Zugang zu öffentlichen Gesundheits- und Sozialleistungen. Die Expert*innen sprechen sich seit der Analyse für die Aufnahme des Diskriminierungsmerkmals »Lebensalter« in Artikel 3 des Grundgesetzes und eine rasche Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zur Verbesserung des Diskriminierungsschutzes aus. Endlich!

Zoom-in 2:

Die ständige Fehldarstellung des Alters hat erhebliche Auswirkungen auf das geistige und emotionale Wohlbefinden, das Selbstwertgefühl und die Fähigkeit zur uneingeschränkten Teilnahme. Denn die ständige Überflutung mit Bildern, Filmen, Texten und Kommentaren, die auf Stereotypen und Vorurteilen basieren, verzerrt das Selbstverständnis von Menschen und erschwert den Dialog zwischen Jung und Alt. Schublade auf, Schublade zu. Ältere Mitmenschen trifft es mitunter besonders hart. Gerade während der Coronapandemie wurde in den Medien wieder besonders stark auf ihre Vulnerabilität und Gebrechlichkeit verwiesen. Zeitgleich hüpfen sie in der Werbung für Altenheime, Privatkrankenhäuser, Versicherungen, Sport, Reha oder Urlaub vital, lebenslustig und gut gekleidet durchs Bild. Zweierlei Maß und beide Male eindimensional.

Zoom-in 3:

Der demografische Wandel mit seiner schwachen Geburtenrate und der Fachkräftemangel stellen uns jetzt und in Zukunft vor große gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen. Mehr als 80 Prozent der deutschen Unternehmen fürchten negative Folgen aufgrund des Arbeitskräftemangels, jedes vierte rechnet sogar mit dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Schon allein deswegen ist es ein Irrsinn, auch nur einen Menschen aufgrund seines Alters auszugrenzen. Zudem braucht es mit Blick auf die Krisen, die vor uns liegen, die Perspektiven und Vielstimmigkeit aller Generationen. Wir müssen Allianzen schmieden und eine Vision entwickeln, die uns eine gemeinsame Zukunft ermöglicht.

Da wir uns im Berufsleben zwangsläufig über den Weg laufen, spielt die Arbeitswelt in meinem Buch eine wichtige Rolle. Babyboomer, Golfer (Gen X), Millennials (Gen Y) und Digital Natives (Gen Z) – vier Generationen unter einem Dach schaffen eine Altersdiversität wie nie zuvor. Sie müssen lernen, aufeinander zuzugehen und sich gegenseitig zu stärken. Je schneller, desto besser. Denn die fünfte Generation, die Alphas, gesellt sich in wenigen Jahren dazu.

Das Schöne daran: Wenn wir es in der Arbeitswelt schaffen, Vorurteile abzubauen und ein gutes Miteinander zu institutionalisieren, wird sich das auch positiv auf unser Zusammenleben jenseits der Unternehmensmauern auswirken. Davon bin ich überzeugt. Wirtschaft und Gesellschaft gehören zusammen und zusammengedacht, sie beeinflussen und bedingen sich einander.

Dieses Buch trägt nicht ohne Grund den Button »Action Book«. Weil es nicht nur beschreiben und analysieren, sondern auch konkrete Werkzeuge und Methoden an die Hand geben will.

Jedes Kapitel ist ähnlich aufgebaut. Ich erzähle von persönlichen Erlebnissen, gebe Einblick in meine Gedankenwelt und mein Leben. Scanne nützliches Daten- und Wissensmaterial aus nationalen und internationalen Studien, Umfragen, Artikeln und Büchern. Bilde die Stimmung aus meiner Community ab und bitte Expert*innen hinzu. Im Vorfeld habe ich einerseits Hunderte von Zuschriften und Kommentaren gelesen, die auf meinen Social-Media-Plattformen öffentlich gepostet wurden oder mich privat per Chat oder per E-Mail erreicht haben, und andererseits 60 Interviews und Gesprächsrunden mit Unternehmer*innen, Personaler*innen, Diversity-Manager*innen, Gründer*innen, Berater*innen, Politiker*innen, Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen geführt. Im Fokus Themen und Fragen, denen ich in den einzelnen Kapiteln vertieft nachgehe:

Was sind die Grundpfeiler für eine altersdiverse Gesellschaft und Arbeitswelt? Wie können wir gewährleisten, dass Wissen zwischen jüngeren und älteren Menschen frei fließen kann? Wie finden wir den Mut, jungen Menschen mehr zuzutrauen und die gewohnte Konstellation »Alt führt Jung« zu durchbrechen? Wie erhöhen wir die Akzeptanz gegenüber der individuellen Lebens- und Karrieregestaltung von Menschen? Was unterscheidet die Generationen und welche Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche verbindet sie? Wie sieht eine wertschätzende, inklusive, aber auch zeitgemäße Kommunikation aus? Wie können wir auch jenseits der Arbeit Orte schaffen, an denen sich Menschen über alle Altersgrenzen hinweg treffen und austauschen können? Sollen wir Generationenbegriffe wie »Babyboomer« oder »Gen Z« überhaupt noch nutzen? Und wie werfen wir auf unserem Weg in eine Zukunft, in der Alter keine Rolle spielt, auch gleich noch althergebrachte Altersbilder über Bord – die die Medien zwar heute noch verbreiten, die aber längst nicht mehr unserer Lebensrealität entsprechen?

Age Diversity, zu deutsch Altersdiversität oder Altersvielfalt, beschreibt die Vielfalt der Altersgruppen innerhalb einer Gemeinschaft, Organisation oder Gesellschaft. Age Diversity erkennt an, dass Menschen aufgrund ihres Alters unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Fähigkeiten mitbringen. Legt aber auch die Verbindungslinien frei, um die Gemeinsamkeiten zu sehen. Ziel ist es, Brücken zwischen Jung und Alt zu schlagen für ein generationsübergreifendes Miteinander ohne Konkurrenz.

Am Ende eines jeden Kapitels findet sich ein Generationentraining, das einlädt, nachzuspüren, nachzudenken, Perspektiven, Vorurteile und Glaubenssätze zu überprüfen. Und zuletzt der Call2Action. Weil es zwar schön ist, wenn du dieses Buch liest und vielleicht sogar weiterempfiehlst. Aber viel wichtiger ist es, dass sich daraus konkrete Schritte, Aktionen und Projekte ableiten.

Überspitzt gefragt: Was bringt es, wenn mein Buch auf einer Bestsellerliste landet, aber sich rein gar nichts in unserem Land bewegt? Allein fürs Ego hätte ich keine 280 Seiten schreiben müssen.

Nein!

Ich möchte dich mit meiner Energie, meiner Leidenschaft und meinem Zukunftsoptimismus anstecken. Mich mit dir vernetzen, Eindrücke verarbeiten, Perspektiven ausloten, Wissen mehren, Methoden verfeinern, Werkzeuge weiterentwickeln und das Fundament stärken für eine nachhaltige, lebenswerte und fortschrittliche Zukunft, in der alle Menschen, ob jung oder alt, gleichermaßen ihren Platz finden.

Überlassen wir die Zukunft nicht dem Zufall! Dafür stehe ich mit meinem Namen und setze meine soziale Reichweite ein.

Und so lautet mein erster Call2Action:

> Welche Begriffe kommen dir in den Sinn, wenn du »Babyboomer« und »Gen Z« hörst?

Jeweils drei Begriffe. Kurz und prägnant.

Wiederhole die Übung, wenn du das Buch gelesen hast.

Einzige Bedingung: Kehre nicht zurück auf Los und motte das alte Spiel der Generationen ein. Die Zeit ist reif für eine komplett neue Version!

1 BASISLAGER

> über die vier Grundpfeiler für mehr Altersdiversität

Inklusive Generationentraining:

Parkbank und Jobcrafting

Ich erinnere mich ziemlich gut an die Hochphase der Coronapandemie. Eigentlich wollte ich damals zusammen mit zwei Mitstreiter*innen am Münchner Marienplatz einen Coworking-Space eröffnen, die Social-Media-Kampagne dazu lief bereits auf Hochtouren, wir posteten Bilder und Videos von unseren Räumen und freuten uns über knapp 300 Anmeldungen. Doch dann rief die Bundesregierung am 22. März 2020 den ersten Lockdown aus und wir mussten das Event absagen. In den Tagen darauf bewegte ich mich wie in Trance durch die Stadt, sah Menschen durch Straßen huschen und stand in Supermärkten vor leeren Regalen. Erst als Ende April die Maskenpflicht folgte, realisierte ich die Tragweite der Pandemie. Nicht nur den Traum von einem neuen Treffpunkt mitten in der Stadt galt es zu begraben, so gut wie alle Jobs als Moderatorin und Speakerin brachen weg. Auf die gerade noch gestellte Anfrage: »Willst du den größten HR-Kongress moderieren?« folgte die Überlebensfrage: »Wie komme ich als Solo-Entrepreneurin über die Runden? Welche neuen Möglichkeiten tun sich auf?«

Die Phase war schwierig – für jede*n von uns. Und doch hat Corona eine Erkenntnis, ja, einen unschätzbar wertvollen Beweis ans Tageslicht befördert, der mir bei meiner heutigen Arbeit extrem hilft:

Wie gut Menschen mit plötzlichen Krisen umgehen und sich an neue Formen der Zusammenarbeit sowie Technologien anpassen können, hat nichts mit Alter zu tun!

Sondern mit der Art und Weise, wie nachhaltig sie durch eine Phase des Umbruchs begleitet, unterstützt und geführt werden.

Die Erkenntnis, dass es »keine signifikanten Unterschiede zwischen den Generationen gibt«, ja sich die Älteren sogar leichter an die neuen Arbeitsbedingungen angepasst hätten, beruht auf einer Umfrage, die Deloitte 2021 unter 10 000 Arbeitnehmenden in sieben europäischen Ländern durchgeführt hat. Die Hälfte der Befragten war 50 oder älter, die andere Hälfte älter als 18, aber jünger als 50. In ihrer Conclusio schreiben die Studienleiter*innen: Mit Blick auf den demografischen Wandel »bietet die Krise die Gelegenheit zu überprüfen, ob der traditionelle Ansatz der Segmentierung nach Altersgruppen weiterhin gültig ist.«

Das Spannende daran: Die meisten meiner Gesprächspartner*innen gehen mit dem Aufruf d’accord und sehen die Überwindung von Schubladendenken und die Zusammenführung der Generationen ebenfalls als das Gebot der Stunde an.

> Weil es nicht angeht, Menschen aufgrund falscher Annahmen über das Alter nicht optimal in die Arbeitswelt zu integrieren.

> Weil man während der Krise selbst gemerkt hat, wie anpassungsfähig Menschen unabhängig ihres Alters sind.

> Weil man es sich mit Blick auf Demografie und Fachkräftemangel nicht leisten kann, humanes Kapital links liegen zu lassen.

> Weil der Match von Kompetenzen immer mehr ist als einzelne Kompetenzen für sich.

> Weil ein Unternehmen, das Perspektiven mehrerer Generationen miteinander vereint, potenzielle Markträume besser identifizieren und besetzen kann.

> Weil Spaltung niemandem etwas bringt und sich Stärke – auch wirtschaftliche Stärke – nur durch Zusammenhalt und Zusammenarbeit entwickeln kann.

Nichtsdestotrotz sieht die Realität in unserer Arbeitswelt anders aus, wie mir viele Gesprächspartner*innen ebenfalls bestätigen.

»Was ich mir wünsche: deutlich mehr intergenerationale Entscheidungen, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik. Ich sehe meist primär alte oder primär junge Gremien. Ganz selten sieht man einen gesunden Mix. Die Jungen entscheiden aufgrund mangelnder Erfahrungswerte sehr schnell, oftmals naiv – wenn auch sehr richtig in Bezug auf moderne Technologien und mit einer inhärenten Intuition für Komplexität. Und die Alten entscheiden oft ohne Verständnis für moderne Phänomene, aber mit deutlich längerem Blick in die Zukunft. Die Qualität von Entscheidungen würde aus meiner Sicht stark zunehmen, wenn sich die beiden Extreme explorieren und ausgleichen würden, sodass eine uniforme Altersverteilung in Gremien entsteht. Doch leider passiert das viel zu selten. Es fehlt der Wille und es mangelt an Empathie.«

Daniel Dippold, Gründer und CEO von EWOR

An fehlendem Wissen kann es nicht liegen. Über Generationenmanagement sprechen wir seit Jahrzehnten, nicht seit wenigen Jahren. Wie lange das Thema schon in der Luft liegt, muss auch ich mir immer wieder vor Augen führen, indem ich alte Artikel aus meinem Archiv ziehe, wie zum Beispiel ein Interview mit Markus Rimser. Der Unternehmensberater und Autor des Buches Generation Resource Management. Nachhaltige HR-Konzepte im demografischen Wandel hat bereits 2007 (!) empfohlen, von dem Defizitmodell »Leistung und Veränderungsbereitschaft sinkt mit den Lebensjahren« endlich abzukommen und stattdessen mit Blick auf demografischen Wandel und Fachkräftemangel ein »Generationenmanagement aufzubauen, das allen Generationen gerecht wird«. Und jeden Menschen dort unterstützt, wo er Unterstützung braucht.

Rimser hat viele Unternehmen beraten und von innen gesehen, sein Fazit und seine Prognose fielen wenig optimistisch aus:

»Viele Unternehmen tragen tolle Konzepte vor sich her, behaupten, sie seien höchst aktiv in dem Bereich, weil sie das medial wunderbar durch die Welt posaunen können, doch konkret passiert fast gar nichts. Bestenfalls laufen einzelne Projekte, die irgendwann abgeschlossen sind, dann ist Schluss (…). Das Gros der Unternehmen wird in den nächsten fünf, sechs Jahren nicht reagieren, dann brennt das Feuer bis unters Dach, der Wind bläst den Firmen knallhart ins Gesicht.«

Seitdem sind zehn weitere Jahre ins Land gegangen und die Flammen … züngeln weiter.

Blick zurück auf die bereits angesprochene Deloitte-Studie Wrong numbers, why a focus on age can mislead workforce development: Obwohl 70 Prozent der befragten Unternehmen Generationenmanagement als wichtig für ihren wirtschaftlichen Erfolg betrachten, »fühlen sich nur zehn Prozent für die Führung von Multigenerationen-Belegschaften vorbereitet«. Warum ist das so? Warum kommen wir in puncto »Generationenmanagement« nicht wirklich voran?

Wieso halten wir an Zuschreibungen bezüglich Alt und Jung fest, die sich oftmals nicht mit unserer eigenen Erfahrung decken und auch wissenschaftlich schwer zu halten sind?

Lasst mich an dieser Stelle zusätzlich die Arbeit Harnessing the Power of a multigenerational Workforce der SHR Foundation aufführen, die 2017 die Annahmen über ältere Mitarbeitende auf ihren Wahrheitsgehalt hin abgeklopft hat.

> Aus »sie erwarten höhere Löhne« wird »sind oft bereit, weniger Geld zu akzeptieren, wenn sie im Gegenzug ihre Arbeitszeiten flexibler gestalten können oder ihre Arbeit sie mit Sinn erfüllt.«

> Aus »sind weniger produktiv« wird »es gibt keinen Zusammenhang zwischen Alter und Arbeitsleistung«.

> Aus »sind weniger innovativ« wird »es gibt keine Beweise, dass ältere Arbeitnehmer*innen weniger innovativ sind als jüngere«.

Ähnliche Gegenüberstellungen lassen sich auch für jüngere Arbeitnehmende finden.

Insofern lautet meine erste Antwort: Unsere Lebensstrukturen haben sich stark verändert und beeinflussen unseren alltäglichen Umgang mit Generationen nachhaltiger, als uns bewusst ist. Noch vor wenigen Jahrzehnten lebten wir in größeren Familien- und Nachbarschaftsverbänden zusammen. Heute hingegen alleine oder nur in kleinen Familien. Damit muss man sich privat nicht oder nur wenig mit anderen Generationen, deren Sichtweisen, Eigenarten und Interessen auseinandersetzen. Kurz: Man geht sich aus dem Weg, lebt nebeneinander statt miteinander und kolportiert über die jeweils andere Gruppe die immer selben stereotypen Geschichten.

»Globalisierung und Mobilität haben die Trennung der Generationen verschärft und Familienstrukturen auseinandergerissen. Menschen verlassen ihre Heimat, ziehen in eine andere Stadt oder gar in ein anderes Land. Das war früher nicht der Fall. Ich bin jetzt 60 plus und in meiner Schule gab es keinen einzigen Austauschschüler, das hat sich erst später entwickelt. Ich bin als junge Frau für ein paar Monate nach Dänemark gegangen, da war ich ein Exot in meinem Unternehmen. Erst recht, als ich meinem Chef gegenüber geäußert habe, dass ich gerne nach Indonesien gehen würde. Oder Nigeria.«

Dagmar Hirche, Vorstandsvorsitzende der Organisation »Wege aus der Einsamkeit«, LinkedIn Top Voice

Wie soll es da plötzlich in der Arbeitswelt funktionieren, in der immer jüngere Schul- und Uniabsolvent*innen – 2022 lag das Alter der Hochschulabgänger*innen im Durchschnitt bei 23,6 Jahren, 2012 waren es noch 26,3 Jahre – auf immer ältere Mitarbeitende treffen? Zumal es noch etliche Branchen, Unternehmen und Abteilungen gibt, die von der Alterszusammensetzung seit Jahren und Jahrzehnten hinweg recht homogen sind und sich dadurch die Notwendigkeit für ein generationsübergreifendes Miteinander gar nicht stellt.

Weil man Mitarbeitende deutlich vor ihrem Renteneintrittsalter in den Ruhestand schickt oder ihnen erst nach vielen Jahren der Betriebszugehörigkeit den Zugang zu gewissen Etagen gewährt.

»Generationenkonflikte finden sich überall im Leben – auch in den exklusivsten Clubs der Welt. Wo wichtige und einflussreiche Persönlichkeiten zusammenkommen, entsteht eine Kluft zwischen den Generationen, die sowohl für die jüngere als auch für die ältere Generation nachteilig ist. Während junge Talente außerhalb dieser Kreise wertvolle Netzwerk- und Geschäftsmöglichkeiten verpassen, bleiben den etablierten älteren Mitgliedern innovative Ideen und frische Perspektiven vorenthalten. Diese Trennung führt dazu, dass beide Generationen in ihren eigenen ›Belief Bubbles‹ verharren, was den Austausch von Wissen und Erfahrungen behindert. Eine Lösung könnte in der gezielten Integration passender junger Talente in diese Ökosysteme liegen, um ein dynamisches und integratives Geschäftsumfeld zu schaffen. Dies würde nicht nur die Potenziale beider Generationen maximieren, sondern auch zur Überwindung der Isolation in den ›Belief Bubbles‹ beitragen und eine inklusivere, innovationsorientierte Geschäftswelt fördern.«

Priscilla Schelp, Gründerin und CEO von networkx

Dass es dort verstärkt zu Konflikten kommt und kommen wird, liegt auf der Hand. Teamstruktur, Arbeitsweise und Dynamik fallen unter Mitarbeitenden zwischen Anfang 30 und Mitte 50 anders aus als unter Mitarbeitenden zwischen U20 und Ü60. Babyboomer mit mehreren Jahrzehnten Erfahrung bringen andere Fähigkeiten mit als Vertreter*innen der Generation Z. Das ist so. Das lässt sich nicht schönreden, schlechtreden, ignorieren. Zumal sich die Generationen aufgrund der Geschwindigkeit des technologischen und gesellschaftlichen Wandels immer schneller voneinander entfernen werden – wenn wir jetzt nicht gegensteuern.

»Immer, wenn eine Seite wenig Empathie gegenüber einer anderen Seite hegt, kommt es zu Konflikten. Männer gegenüber Frauen. Heterosexuelle gegenüber homosexuellen Menschen … leider dauert es immer eine ganze Weile, bis das Thema gesehen, adressiert und sich im Zuge dessen Sensibilität sowie Empathie aufbauen. Auch bei den Babyboomern und der Generation Z sehen wir zwei Parteien, die sich nicht verstehen – aber wir müssen erst einmal begreifen, warum der Konflikt zwischen ihnen so ungemein groß ist. Die industrielle Revolution hat über drei Generationen hinweg stattgefunden, die digitale Revolution hingegen nur über eine und die AI-Revolution sogar weniger als eine Generation. Das heißt, die Gen Z wurde in nur wenigen Jahren in eine andere Welt katapultiert, zu der sich die älteren Generationen erst einmal Zugang verschaffen müssen. Instagram, TikTok, ChatGPT. Komplett neue Dinge. Das führt zu Verunsicherung, Ablehnung, Ängsten und Wertekonflikten. Die Generation Alpha wird noch weiter von den Babyboomern weg sein als die Gen Z, weil die Geschwindigkeit der Veränderung steigt. Vor 300 Jahren hat sich ein Leben über 80 Jahre kaum verändert, doch heute wird man in eine Welt ohne Internet geboren und erlebt 40 Jahre später, wie ChatGPT Wissensarbeit redundant macht.«

Daniel Dippold, Gründer und CEO von EWOR

Zweite Antwort: Wir haben den Schmerzpunkt noch nicht erreicht! Unternehmen geht es trotz aller Schwierigkeiten zu gut, als dass sie einen wirklich nachhaltigen Wandel einläuten müssten, der Generationen miteinander vereint. Schade.

Mitarbeitende würden über alle Altersstufen hinweg feststellen, dass sie mehr verbindet als trennt.

»Wir machen in Unternehmen oft den Fehler, dass wir nur ältere, topfitte Role Models in den Vordergrund rücken, die den Jüngeren erzählen, wie sie es geschafft haben, Karriere zu machen. Um einen ganzheitlicheren Blick zu erhalten, sollten wir auch ältere Kolleg*innen erzählen lassen, die durchaus Einschränkungen haben. Mit was haben sie zu kämpfen, vor welchen Herausforderungen und Schwierigkeiten stehen sie? Junge Menschen können sich überhaupt nicht vorstellen, dass auch sie möglicherweise irgendwann in diese Phase kommen, in der der Körper nicht mehr so gut funktioniert oder der Geist nicht mehr so schnell regeneriert. Solche Perspektivwechsel sind enorm wichtig, um Verständnis füreinander zu schaffen. Gleichzeitig müssen wir aber akzeptieren, dass der Konflikt zwischen den Generationen in uns Menschen angelegt ist und seinen Grund hat. Wie sollen sich Kinder von ihren Eltern und Eltern von ihren Kindern lösen, wenn sie nicht auch Konflikte austragen? Das gehört zum Wachstumsprozess dazu. Ähnlich ist es in Unternehmen. Wir sollten Diskussionen und Disput auch etwas Positives abgewinnen. Denn ohne Reibung verbleiben wir in unserer Bubble und sind irgendwann nicht mehr erfolgreich, weil wir die wirklich spannenden Aspekte aus den Augen verlieren.«

Carolin Schlegtendal, Personalleiterin und Expertin für Talentakquise

Gerade das Thema »Angst« spielt eine große Rolle. Das erlebe ich immer wieder.

Junge Menschen haben Angst, von Älteren ausgebremst, bevormundet und übervorteilt zu werden und im Falle von betriebsbedingten Kündigungen zu den ersten zu gehören, die gehen müssen, weil Chef*innen gesetzlich verpflichtet sind, bei denen anzufangen, die es vermeintlich nicht so hart trifft, weil jung, nicht so lange dabei, oftmals ungebunden und noch keine Kinder.

Hierzu stellvertretend zwei Kommentare aus meinem Netzwerk:

»Klar haben die Jüngeren weniger Berufserfahrung. Dafür bringen sie andere Kompetenzen mit auf den Arbeitsmarkt. Doch ihre Meinung wird oft abgetan, ihnen wird nur wenig zugetraut und auch keine Verantwortung übertragen. Motto: Mach das mal zehn Jahre, dann sprechen wir weiter!«

»Ich stelle mir schon die Frage, was Erfahrung überhaupt bedeutet! Ich zum Beispiel habe mit 15 angefangen zu arbeiten und hatte direkt einen Job in einer Bäckerei. Mit 17, 18 und 19 war ich in einem Start-up tätig. Zählt diese Erfahrung nicht mit, um dann vielleicht eine bessere Rolle zu bekommen? Diese starren, sturen Einstiegsmöglichkeiten sind auf jeden Fall eine große Herausforderung für uns junge Leute.«

Ältere Menschen haben Angst, dass sie angesichts von Digitalisierung, kontinuierlichen Veränderungen und Innovationen nicht mehr mithalten können. Sie fühlen sich bedroht, dass Jüngere ihnen den Platz wegnehmen, sie aufs Abstellgleis drängen und dass sie im Falle von betriebsbedingten Kündigungen mit einem goldenen Handschlag verabschiedet werden. Auch hierzu zwei Kommentare aus meiner Community:

»Seit Jahren sprechen wir vom Fachkräftemangel. Trotzdem fahren Konzerne nach wie vor große Programme, um mit Vorruhestandsregelungen und Altersteilzeit die Lebensarbeitszeit zu verkürzen, die nachkommende Jahrgänge nicht auffangen können oder wollen, rein kapazitär, teilweise aber auch, weil die Erfahrung oder das Know-how fehlt. Arbeitskräfte-›Import‹ aus dem Ausland ist zwar eine Lösung, die angeboten wird, um die Lücke zu schließen. Die fehlen dann aber in anderen Ländern … und motivierend ist das nicht, wenn man könnte und wollte, aber eben nicht die Möglichkeit bekommt. In diesem und im nächsten Jahrzehnt wird es deutliche Veränderungen geben. Die Alten werden in der Mehrheit sein – gesund wie nie zuvor – und ein großes Potenzial an Arbeitskraft und Energie darstellen. Es wäre schon gut, wenn wir das als Gesellschaft generationsübergreifend hinbekommen.«

»Die wichtigsten Ausschlussgründe und Ablehnungsmotive gegen 50+ liegen oft im Bereich Arbeitsrecht (›Die werden wir dann nie wieder los‹-Befürchtungen) und Gehalt (›Zu teuer für uns!‹). Dazu kommt die Sorge, ältere Bewerber hätten sich nicht um ihr Kompetenzportfolio gekümmert und wollten bis zur Rente eine ruhige Kugel schieben (›also mehr Balance als Work‹). Alles unbewiesene Vorverurteilungen.«

Interessant sind in diesem Kontext zwei Umfragen des Berliner Demografie Netzwerks (ddn) mit folgenden Ergebnissen:

> 62,1 Prozent der befragten 50- bis 64-Jährigen blicken pessimistisch in ihre berufliche Zukunft, sie sehen für sich kaum noch Möglichkeiten, bei den über 65-Jährigen sind es 63,5 Prozent. Aber auch die Gruppe der 18- bis 29-Jährigen kommt auf erschreckende 34,4 Prozent.

> 85 Prozent der befragten Unternehmen investieren in die berufliche Weiterbildung ihrer jüngeren Mitarbeitenden, für die Älteren haben jedoch nur 46 Prozent Geld. Dafür kommen die Älteren bei den Themen »Gesundheitsförderung« (60 Prozent) und »ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes« (56 Prozent) zum Zug, Themen, die bei den Jüngeren zumindest nicht unter die Top 6 fallen.

Ich erinnere mich an einen Workshop in einem Unternehmen mit 1500 Mitarbeitenden. In der Feedbackrunde meldete sich ein Mann zu Wort, seine Ausführungen nicht ohne Wut vortragend:

»Dieser Jugendwahn, diese ganzen Junior-, Talent-, Leadership- und Exzellenz-Programme, nur für junge Leute! Auch bei Innovation Labs oder aktuellen Weiterbildungsthemen ist man komplett außen vor. Alles nur auf die Gen Z zugeschnitten. Ich frage mich wirklich: Was soll das? Was ist mit mir? Ich bin knapp über 50. Ich habe über 20 Jahre im Unternehmen gearbeitet. Ich bin auch exzellent und möchte Karriere machen! Nur weil ich 50 bin, heißt es nicht, dass ich jetzt irgendwie zum alten Eisen gehöre. Abstellgleis. Endstation.«

»Personaltransformation ist für alle Generationen ein riesiges Thema. Gerade in der Automobilindustrie. Wir befinden uns auf dem Weg vom Verbrenner zur Elektromobilität. Das bedeutet, wir müssen unser Team mit viel Erfahrung reskillen und upskillen, um es auf diesem Weg mitzunehmen. Generationenübergreifendes Arbeiten wird zu einem wichtigen Erfolgsfaktor. Es ist zu einseitig, zu sagen: Wir haben genug Nachwuchskräfte.«

Denise Mathieu, Leiterin Diversity Management bei Audi

Das Problem ist nur: Der Groll, der sich anstaut, richtet sich meistens gegen die »Anderen«, in diesem Fall gegen die Jungen, die sich im angestammten Revier breit machen und sich zu viel herausnehmen. Dabei steckt der Fehler, der beiden gleichermaßen schadet, im System und nicht nur wie in diesem Fall das Weiterbildungs- und Wissensmanagement von Unternehmen betrifft. Denn wie bereits angedeutet fängt Altersdiskriminierung schon beim Recruiting an, bei dem – zack – alle Schubladen gezogen werden.

Machen wir hierfür ein kleines Gedankenexperiment. Stellen wir uns vor, wir sind Personaler*innen und sollen für ein Start-up eine*n neue*n Marketing-Mitarbeitende*n finden. Jeweils drei Lebensläufe liegen uns vor, die Bewerbenden sind 20, 40 und 60 Jahre alt. Wen würden wir vermutlich nicht nehmen und warum?

»Eigentlich haben wir nur eine ganz kurze Spanne, in der wir für die Arbeitswelt richtig sind. Weil wir entweder noch zu jung und zu unerfahren sind, oder schon zu alt. Ich denke, wir brauchen eine andere Logik von Wirtschaft, in der Menschen viel mehr zählen – weil das Gefühl, verkehrt zu sein, einen unglaublichen Druck ausübt. Auf die Jüngeren und auf die Älteren oftmals noch viel mehr. Gemeinsam sollten wir an einer Welt arbeiten, in der es schön ist, jung zu sein und alt zu werden.«

Julia Post, Mitglied des Bayerischen Landtags (MdL)

Aus meiner eigenen Erfahrung fliegen bei Start-ups Bewerbende, die eine 5 vorne haben, sofort raus. Zu alt, zu unflexibel, zu starr im Kopf, zu teuer und wenn sie wegen der Kinder ein paar Jahre zu Hause geblieben sind oder nur Teilzeit gearbeitet haben, zu weit ab vom Schuss. Aber auch bei den ganz Jungen sind Personaler*innen zurückhaltend. Flausen im Kopf. Noch nichts erlebt. Wenn auch formbar. Oftmals fällt die Entscheidung zähneknirschend auf eine 40-jährige Person. Weil hoffentlich erfahren, noch formbar und jung genug, um sich gerade so einzufügen. Personaler*innen bei mittelständischen Unternehmen und Konzernen entscheiden übrigens nicht viel anders. Am liebsten wären allen 31- bis 35-jährige, weil nicht mehr ganz grün hinter den Ohren, einigermaßen formbar und sowohl mit den Jüngeren als auch Älteren kompatibel.

Oder wie zwei aus meiner Community schreiben:

»Natürlich, die Jungen werden diskriminiert, weil sie schon beim Berufseinstieg Berufserfahrung vorweisen sollen. Doch die noch größere Diskriminierung startet mit Mitte 30, spätestens Mitte 40. In einem Alter also, in dem noch viele Jahre Berufsleben vor einem liegen. Das bedeutet, jede*r von uns muss jahrzehntelang mit Altersdiskriminierung leben. Ein Riesenproblem, das alle betrifft.«

»Ich bin 59 Jahre alt und suche seit 12 Monaten eine ›mir entsprechende‹ Position. An meiner Energie und Vitalität kann es nicht liegen. Als Ex-Semi-Radsportler bin ich diesen Sommer, mit nur vorher dreimal laufen, den Halbmarathon in 1:42 Stunden gelaufen. Dennoch wurde mir in über 50 Prozent der Fälle mehr oder weniger deutlich gesagt, dass ich die Position aufgrund meines Alters nicht bekomme. Interessant wird es, wenn der Hiring-Manager auch eine 5 vorne stehen hat. Es zehrt massiv und hätte ich nicht 30 Jahre im Vertrieb und Aufbau von Unternehmen mit Niederlagen umgehen gelernt, wüsste ich nicht, was ich tun würde.«

Auch mir fällt ein Erlebnis vor zwei Jahren ein. Die Veranstalter*innen eines Kongresses zum Thema »Jugendkultur« hatten mich kontaktiert, weil sie JOINT GENERATIONS